Giacomo_S
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Ablenken kann man sich nur von dem zugrundeliegenden Zustand des Menschseins, indem man sich beispielsweise in virtuelle Welten vertieft, seien dies nun Bücher, Filme oder Videospiele oder was auch immer.
Reine Ablenkung ist letztlich nur Konsum, aber auch das finde ich legitim: Sich auch einmal abzulenken oder ablenken zu lassen.
Aber selbst in der Ablenkung gibt es, für mich zumindest, auch Unterschiede:
Einen fesselelnden, aber ansonsten banalen Spielfilm habe ich am Tag darauf praktisch schon wieder vergessen. Ein anspruchsvoller Film beschäftigt mich schon einmal ein paar Tage. Ein Theaterstück, eine Oper oder eine Operette (1) hat mich aber auch schon eine Woche und länger beschäftigt - was viel darüber aussagt, wo eine gewisse Qualität zu erkennen ist und wo nicht.
Noch besser ist es, sich nicht nur berieseln zu lassen, sondern selbst kreativ zu werden. Und für die eigene Kreativität gibt es viele Wege, zumal sie eine Eigendynamik und Entwicklung erfährt, je länger man sie betreibt. Man beginnt, sich für Dinge zu interessieren, für die man sich nie interessiert hat, ja nicht einmal wusste, dass es sie gibt. Man begegnet interessanten Menschen mit interessanten Ansichten und Gedanken.
Man sieht manches aus einer anderen Perspektive und verlässt festgetretene Pfade.
Kurz: Ein Mensch wächst mit seinen Aufgaben.
Das Problem mit dem Leiden, welches unabänderbar mit dem Leben verknüpft ist, ist, dass schon alleine das Potential für negative Empfindungen einen negativen Wert einnimmt. So entstehen zum Beispiel Angststörungen und Zwangsstörungen bei sehr vielen Menschen, die dieses Grundgefühl der permanenten Bedrohung nicht ausblenden können und dann entsprechende Ängste entwickeln und solche Sachen wie Kontrollzwänge, um in irgendeiner Weise eine unkontrollierbare Umgebung zu kontrollieren.
Sorge Dich nicht, lebe!
Im Leben gibt es nur eine Konstante, und das ist die Veränderung. Kein Mensch kann alle Eventualitäten des Lebens vorhersehen, selbst die reichsten Menschen der Welt nicht, geschweige denn darauf vorbereitet sein. Nicht zuletzt Corona hat uns gezeigt: Es kann alles ganz anders kommen, und zwar viel schneller, als wir denken.
Der Punkt das Leben zu meistern besteht nicht darin, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.
Sondern darin, flexibel, kreativ und ggf. mit Phantasie auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren.
Auch ich bin durch soziale Tiefen gegangen, es hat Jahre gedauert, das abzuschütteln und ist noch im Prozess. Was ich aber daraus gelernt habe:
1. Immer das jeweils Beste aus der Situation machen.
2. Flexibel agieren.
3. Nicht sinnlos grübeln, nicht jammern - vor allem gegenüber Dingen, die man aktuell nicht ändern kann.
4. Niemals aufgeben - und die Dinge ändern, die man ändern kann und will.
5. Angebotene Hilfen in Anspruch nehmen und für sich nutzen - anstatt sie als lästige "Pflichtterimine" zu behandeln.
Und hier wäre eben der einzige Ansatz, wie ich immer wieder sage, dass wir eine echte Geisteswissenschaft entwickeln, die Licht ins Dunkel bringt. Insofern bleibe ich nicht beim Pessimismus stehen, aber die einzige Möglichkeit einer buchstäblichen Erleuchtung, also die Möglichkeit die Dunkelheit zu überwinden, in die diese Dimension derzeit gehüllt ist, liegt im metaphysischen Bereich, also in der spirituellen Weiterentwicklung, sofern diese wirklich möglich ist. Auch hier gilt wieder: Derzeit scheint auch das ungewiss.
Was Du "Geisteswissenschaft" nennst - darin erkenne ich lediglich die Ergüsse von Selbstdarstellern und Wichtigtuern, ja Schwätzern, die auch nicht mehr wissen, als Du selbst. Entweder, es handelt sich um Allgemeinplätze und Binsenweisheiten, oder um abstruse Behauptungen und Projektionen, die niemand beweisen oder widerlegen kann - auch nicht die Autoren selbst.
Es handelt sich um Irrwege, die einen nicht weiterbringen und auch nicht weiterbringen können, man wird nur unsicher, ja unglücklich dabei. Die Einzigen, die davon profitieren, sind die Autoren selbst. Das mag der von Dir so geschätzte Jed McKenna abschätzig "the spiritual market place" nennen ... nur zählt er sich selbst nicht dazu. Andere natürlich, und ein jeder von ihnen ist selbst der Erleuchtete, während alle anderen nur Blender sind.
Blender - das sind sie vielmehr alle, einer wie der andere (wenn man von den wenigen ganz Großen der Geschichte mal absehen will). Sie leben selbst nicht, was sie von ihren Schäfchen verlangen. Viele der "Gurus" der Neuzeit, wenn nicht alle, haben ihre Anhänger in absoluter Unfreiheit und Ausbeutung gehalten, während sie selbst in Saus und Braus gelebt haben. Aber ja: Bei den großen "Meistern", da ist ja Sex, Konsum, Rausch und Luxus etwas gaaaanz anderes ... aber ihre "Schüler", die haben sich gefälligst einer strengen Askese zu befleissigen.
Für mich sind das nichts anderes als Kriminelle: Und zwar der übelsten Sorte, denn sie manipulieren ihre Opfer sogar noch auf der emotionalen Ebene und mit Psychotricks.
Aber selbst Akteure mit weniger Einfluss geben "spirituelle" Erkenntnisse von sich, die barer Unsinn sind. Es handelt sich um einfältige Denksysteme für einfältige Menschen - und wieder sind die einzigen, die von ihnen profitieren, die Akteure selbst. Ob es sich nun um sog. "Pick-Up Artists" handelt, oder um "Weisheitslehrer" mit ihren Videos und Büchern wie z.B. "The Secret" (2) - sie sind diejenigen, für die sich alles erfüllt, und zwar mit deinem Geld, während du nur Luftschlössern hinterher rennst.
Anmerkungen:
(1) Vor rund 20 Jahren saßen eine Freundin und ich herum und suchten ein Abendprogramm. In einer Programmzeitschrift las ich, es gäbe noch Restkarten für eine Operette, nicht einmal teuer. Also gingen wir in die Operette.
Eigentlich hatte ich für Operetten nie etwas übrig gehabt, hasste sie sogar, wenn sie früher im Fernsehen liefen. Ich fand es doof ...
... bis zu dem Tag, an dem ich zum ersten Mal in eine Operette ging, live, und im Theater.
Es tat sich mir eine ganz andere Welt auf, und das hatte nichts, aber auch gar nichts mit dem gemein, was eine Operette im TV darstellt. Seitdem bin ich regelmäßig in der Operette oder Oper gewesen.
Dergleichen im TV hasse ich allerdings noch immer.
(2) Eine Bekannte tauchte vor Jahren mal mit diesem unsäglichen Schwachsinn auf, ein Video namens "The Secret": Ein Video, welches eine dreiviertel Stunde eine einzige Aussage herunterleiert (= wünsch Dir was, und das Universum wird es Dir geben). Mein anwesender Kumpel, sicherlich intellektuell einfacher gestrickt als ich (aber älter und lebenserfahrener) hatte schon nach fünf Minuten genug. Wir schalteten diesen Schwachsinn ab - und unsere Bekannte war stinkbeleidigt, weil wir nicht gleich total begeistert waren.