Nur wenn man sie dann hat, die Erleuchtung - was fängt man dann mit ihr an?
Es muss unerträglich sein, einen noch höheren Elfenbeinturm kann es nicht mehr geben. Man steht ganz oben auf dem Turm an der Balustrade und sieht unter sich nur Kinder, schrecklich. Man spricht dieselbe Sprache und bleibt dennoch immer unverstanden. Nicht einmal mit den Banalitäten des Lebens kann man sich noch die Zeit vertreiben und aus der Warte ist leider alles banal. Am Besten, man stirbt dann kurz darauf.
Das Wort Erleuchtung löst bei Menschen sehr unterschiedliche Gefühle aus.
Für so manchen hat das per se einen realitätsfernen und esoterischen Anstrich und so kommt es, bei diesem Thema, durchaus auch zu gereizten Reaktionen.
Viele vermuten, wenn es um Erleuchtete geht, dass es sich um Menschen mit einer fragwürdigen Selbsterhöhung, um einen vorgegaugelten Zugang zu geheimen Wissen oder ganz einfach um Scharlatanerie handelt.
Auf jeden Fall scheint für manchen festzustehen, dass es sich offensichtlich um die Bemühung handelt, sich erhaben über den Rest der Welt zu stellen.
Wenn ich es mir nicht ganz so einfach mache, taucht die Frage auf: ´Um was geht es eigentlich?ˋ.
Die Schlüsselfrage ist wohl - und das hat ChrisM schon gut herausgearbeitet - die Frage nach dem Bewusstsein und wie ich diese Frage beantworte.
Bin ich als Mensch ´Körper mit Bewusstsein´?
oder
bin ich ´Bewusstsein mit einem Körper´?
Manch einem mag die Frage seltsam anmuten, nur muss ich sie derart grundlegend stellen.
Sehe ich mich als ´Körper mit Bewusstseinˋ, werde ich mich mit dem Thema ´Erleuchtung´ immer etwas schwertun.
Ich werde dann, wie die meisten Menschen, ein - von der Einheit des Ganzen getrenntes - ICH entwickeln, in die Dualität verfallen und alles als Gegensätze trennen, was auf keinen Fall getrennt werden sollte.
Das ist nicht zu kritisieren, weil es auch der Weg ist, auf dem die große Mehrheit wandelt.
Sehe ich mich als ´Bewusstsein mit Körper´ (also mit einem Körper als Werkzeug), sieht die “Sache” etwas anders aus.
Dann ist mir klar, dass ich - als Bewusstsein - immer war, bin und sein werde und zeitweise physisch (in einer Form) manifestiert bin.
Wenn aber Bewusstsein meine wahre Natur ist, dann bin ich mit allem Geist eine Einheit. Das schon deshalb, weil Geist nicht teilbar oder separierbar ist.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich Bewusstsein und Geist zwar unterschiedlich definieren kann, mir aber klar sein muss, dass beides letztendlich dasselbe ist. Es gibt kein Bewusstsein ohne Geist und Geist ohne Bewusstsein genauso wenig.
Ich darf auch Geist nicht mit Verstand verwechseln. Der lokale menschliche Verstand ist an den Körper gebunden, Geist ist von anderer Natur und unabhängig von materiellen Formen.
Wenn also Bewusstsein (Geist) Ursprung allen Lebens ist, dann ist alles Leben miteinander verbunden.
Die Erkenntnis, dass ich wesentlich mehr bin, als das, was ich im Spiegel sehe, ist ein erster kleiner Schritt.
Die Fähigkeit, mich in meinem Gegenüber, dem Vogel am Himmel oder dem Baum am Wegesrand selbst zu erkennen, ist ein deutliches erstes Anzeichen von überwundener Trennung.
Trennung und Abgrenzung als verantwortlich für alle Probleme dieser Welt zu erkennen, ist der nächste Schritt.
Erleuchtung ist das Bewusstsein der All-Einheit; darin sind sich die östlichen Philosophen und die Mystiker des Westens einig.
Es geht darum, zu erkennen, was meine wahre Natur ist und alle Beschränkungen, Einengungen, Verstrickungen, Anhaftungen, und dadurch hervorgerufene Blockaden hinter mir zu lassen, den Egoismus zu überwinden und den Weg für die Liebe freizumachen.
Andererseits ist es natürlich kein “Muss”, nach solchem Wissen zu streben oder sich gar auf den Weg zu machen.
Viele fühlen sich auch abseits solcher Themen und Gedanken recht wohl und das ist auch völlig ok.
Es gibt jedoch auch die, denen ein Leben nach vorwiegend materiellen Maßstäben nicht das gibt, was sie glücklich oder wenigstens halbwegs zufrieden machen würde.
Das Gefühl, in diesem Leben nicht wirklich glücklich sein zu können, erschwert jedoch die Entfaltung der Liebe, die Liebe zu mir selbst, zu anderen und allem was ist.
Liebe zu allen und allem sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, unvoreingenommen und offen auf die Welt zuzugehen, ist der Generalschlüssel für ein erfülltes Leben und das Saatgut in Sachen Erleuchtung.
Diese wichtige Erkenntnis sollte der Ansatzpunkt sein, einiges im Leben zu verändern. Liebe zu entfalten und in die Welt zu “tragen” ist der Sinn unseres Daseins und genau hier entscheidet sich unsere gefühlte Lebensqualität.
Wer sich mit der Liebe etwas schwer tut, sucht Fülle und Bestätigung in anderen Bereichen (im Job, im Status, im Style, im Sport z. B. Kampfsport oder Bodybuilding und speziellen Wissensgebieten).
Den Rest des Defizits versuche ich, mit reichlich Ablenkung, zu überdecken.
Das alles ist Standard und hat nichts Verwerfliches, dennoch ist das Gefühl, dass irgendetwas fehlt, recht bedrückend.
Die üblichen "Ausweichstrategien" bringen keine bleibende Linderung; die Wirkungsdauer ist befristet und das Spiel beginnt zwangsläufig immer wieder von vorne.
Einen Berg zu umgehen, ist manchmal eine gute Entscheidung. Allerdings, solange ich nicht “da oben” war, weiß ich auch nicht, welche Geheimnisse sich mir dort erschließen könnten.
Erwähnt sei noch, die Prognose ist gar nicht schlecht. Wer wirklich möchte, dass die dingliche Realität nicht das einzige ist, was sein Leben umreißt, sondern seine wahre Natur und die ganze Wirklichkeit erfahren möchte, kann sofort damit anfangen, die Illusion des Getrenntseins zu überwinden.
Nichts ist getrennt.
Der Schöpfer, der schöpferische Prozess, das Geschöpf.
Der Träumer, das Träumen, der Traum
Der Beobachter, die Beobachtung, das Beoabachtete.
Diese Dreieinigkeit findet sich überall: Der Beobachter, das Beobachten und das Beobachtete sind eins, wäre dem nicht so, könnte der Beobachter kein Bewusstsein des Beobachteten haben.
Nehme ich aus diesen Aufzählungen einen der drei Begriffe heraus, brechen die beiden anderen auch sofort weg. Sie können nur zusammen existieren. Subjekt und Objekt brauchen einen Prozess, der zwischen ihnen abläuft und ein Prozess ohne Subjekt und / oder Objekt kann erst gar nicht stattfinden.
Soll reichen.
LG * Helmfried