Der Umstand, dass mir die Zukunft nicht bekannt ist, eröffnet keine Handlungsfreiheit. Ich halte den Kompatibilismus nicht für schlüssig. Weiter oben hatte ich argumentiert, dass Offenheit nicht dasselbe ist wie Unkenntnis.
Die Basis der Freiheit ist ja hier auch nicht die Unwissenheit, sondern die Möglichkeit begründet zu entscheiden. Für das Geben und Verlangen von Gründen scheint mir ein gewisser Grad an Unkenntnis aber notwendig zu sein. Wären wir allwissend, worüber sollten oder könnten wir debattieren?
Die Unwissenheit darf natürlich nicht komplett sein, auch dann könnten wir nicht diskutieren und auch nicht innerlich Prämissen abwägen.
Die Münze ist raus, weil sie keine Gründe kennt, nicht weil sie evtl. determiniert ist.
Das denke ich nicht, zumindest nicht im strengen Sinne des Begriffs 'Ursache'. Denkt man den Gedanken nämlich zu Ende, sind die Gründe selbst verursacht, also eigentlich keine Gründe, sondern Zwangsläufigkeiten.
Klar, so ist es ja gemeint. Aber eben durchaus in einer individuellen Mischung, von mitgebrachten und anerzogenen Neigungen und daher individuellen logischen Schlüssen. Man kann also durchaus kreativ agieren, ist aber von der Erklärungsnot entbunden, wie dieser Akt denn frei von Ursachen entstanden sein soll. Nur der platte Reduktionismus ist unzureichend, die zu erklären, was aber weder Dich noch mich stört.
Ein Denken und Urteilen in einem ernsthaften Sinn findet nicht statt. Das ist das Gegenteil von Freiheit. Weder die Unkenntnis der Zukunft noch die Komplexität der Kausalkette sind in meinen Augen hinreichend, Freiheit zu begründen. Vielmehr steht beides im Gegensatz dazu.
Absolutes Nichtwissen kann natürlich kein Element von Freiheit sein, das wäre ein tastendes trial and error Versuchen. Aber Wissen, dass sich induktiv von Innen nach Außen frisst - wir finden uns ja in Welträumen vor - erweitert beständig seine Freiheit.
Ich denke, ich kann mich dabei auf Ernst Bloch stützen. Dessen großes Thema, das sich durch seine sämtlichen Bücher zieht, war ja: Wie entwirft der Mensch sich selbst in eine offene Zukunft hinein. Bloch geht dann soweit, diesen freien Entwurf der eigenen Möglichkeit in eine offene Zukunft hinein auf alles Lebendige zu übertragen, ja sogar auf die unbelebte Materie. Diese Art von mental aufgeladenem Materialismus sieht er schon bei Marx angelegt. Ob zu Recht oder zu Unrecht, kann ich nicht sagen.
Zu dem letzten Aspekt kann ich auch nichts sagen. Dass die Zukunft offen ist, bedeutet ja auch wieder nur, dass sie für uns offen ist. Für einen Gott muss das so wenig gelten, wie für (hyper)komplexe Systeme mit minimal veränderten Anfangsbedingungen. Wir haben keine Chance diese zu berechnen, aber was heißt das schon?
Offenheit muss für unsere Erkenntnisfähigkeit gegeben sein, ontologisch ist das nicht zwingend.
Welche anderen Komponenten wären das? Und wenn es solche anderen Komponenten gibt: kann man dann noch von Determinismus sprechen?
Es könnte sein, dass es einen Urknall gab und nach 13,6X Milliarden Jahren kognitive Fähigkeiten erstmalig im All entstanden. Dieser würde ein neue Qualität ins Universum bringen, die auch - da Qualität - dadurch nicht entwertet wird, dass sie irgendwo auf einem unbedeutenden kleinen Blabla ... stattfindet. Vielleicht übersteigt KI bald unsere kognitiven Möglichkeiten, auch das könnte ganz neue Richtungen bringen, aber theoretisch könnte der ganze Ablauf feststehen. Wie es dann wirklich kommt, wüssten wir erneut nicht. Ob es KI in 1000 Jahren gelingt, die Anfangsbedingungen zu rekonstruieren oder wir doch nur Teil eines Schaumblasenmultiversums sind ... es stünde fest, wir aber wüssten es nicht, Begründungen in die eine oder andere Richtung werden gesucht.