• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Unser Recht zu sterben...

AW: Zwang zerstörrt Vertrauen

Ich stimme dir in dem Punkt zu, dass Selbstmord fast immer eine Verzweiflungstat ist. Aber es gehört zu unserer gottgegebenen Freiheit, diese Tat zu vollbringen. Die Freiheit, die uns die Natur gab, darf kein Mensch uns wieder nehmen.

Ich kenne Menschen, die von einem Arzt zwangsweise eingewiesen wurden. Aber keiner von diesen Menschen sagt heute, dass sie über diese Einweisung je dankbar gewesen wären. Eher im Gegenteil. Sie haben Angst sich einem Arzt anzuvertrauen, weil sie befürchten, wieder gegen ihren Willen eingesperrt zu werden.
Auch ich würde mich keinem Arzt mehr anvertrauen.

Das war auch mein Grundgedanke, warum ich diesen Thread eröffnet habe. Ich denke nämlich, dass wann immer man Zwang auf Menschen ausübt, man ihr Vertrauen verliert. Gerade aber für psychisch Kranke ist Vertrauen etwas sehr Wichtiges.
Auch ich würde nicht reglos dastehen, wenn mein Freund von der Brücke springen wollte, mit der Einstellung, dass er doch tun darf, was er will. Ich würde ihn zurückhalten, mit ihm sprechen probieren, gemeinsam mit ihm eine Lösung suchen. Eine Lösung, die auch er akzeptieren will und vor allem akzeptieren kann. Und nicht eine Lösung, die ein Arzt oder sonst wer aufdiktiert.

Aber wenn er sich dennoch das Leben nimmt, dann muss ich mich damit abfinden. Es ist seine Entscheidung. Und es gibt im Leben nun einmal Dinge, die wir nicht kontrollieren können.
Einsperren könnte ich ihn deshalb nicht. Viel zu sehr schätze ich die Freiheit eines jeden Lebewesen. Ich empfinde es als Unrecht jemanden einzusperren, solange dieser jemand niemand anderen gefährdet. Einsperren ist Folter. Einsperren nimmt die Freude am Leben oder schränkt sie zumindest weiter ein. Einsperren ist kein Mittel jemanden zu helfen.

Ben

Ich denke auch, daß die Entscheidung jedem selbst obliegt. Ich glaube auch, daß es Situationen gibt, die eine Selbsttötung mehr als nachvollziehbar machen. Die Frage, die mich aber mehr interessiert, ist, wie die Gesellschaft damit umgeht.

Ich meine, in der akuten Situation besteht einfach keine andere Möglichkeit, als zu intervenieren, erforderlichenfalls auch mit Zwang. Was für eine Ethik wäre das denn, wenn wir einfach dabei zusehen, wie sich jemand umbringt, selbst wenn wir für die Motive Verständnis haben?

Und die Frage der Entscheidungsfreiheit - da gebe ich Sunnyboy Recht - ist kaum so leicht zu beantworten. Die Verzweiflung selbst rüttelt doch an der Freiheit zumindest sehr. Und das Leben ist ein zu hohes Gut, als nicht alles zu versuchen, es zu erhalten. Zumindest, es zu versuchen, auch um anderen gegenüber ein Signal zu setzen.

Auch gibt es zahlreiche Menschen, die mit einem Selbstmordversuch um Hilfe rufen. Wer hingegen wirklich zum Suizid entschlossen ist, wird ohnehin Wege finden, so traurig das ist.

Eine ganz andere Frage ist die Sterbehilfe um Qualen zu verkürzen, die ich hiermit nicht vermengen möchte. Welche Qualen das im einzelnen sein mögen, möchte ich mir nicht anmaßen zu sagen.

Gruß
Zwetsche
 
Werbung:
AW: Unser Recht zu sterben...

Ich kenne Menschen, die von einem Arzt zwangsweise eingewiesen wurden. Aber keiner von diesen Menschen sagt heute, dass sie über diese Einweisung je dankbar gewesen wären. Eher im Gegenteil. Sie haben Angst sich einem Arzt anzuvertrauen, weil sie befürchten, wieder gegen ihren Willen eingesperrt zu werden.
Auch ich würde mich keinem Arzt mehr anvertrauen.

Ich kenne hingegen Menschen, die sich (mit schweren psychischen Erkrankungen!) haben behandeln lassen und die wohl ohne diese Behandlung heute nicht mehr leben würden.

Und wer hat das Recht gehabt "mich zu machen?"

Die Frage ist sehr sehr komplex, wie ich finde. Und zwar deshalb, weil mir spontan tausend Fragen zu der Frage einfallen und ich absolut keine Antwort weiß. Ich glaube nicht, dass man eine Antwort hierauf finden wird. Deshalb muss man noch lange nicht denjenigen, der sie stellt, als unintelligent abstempeln, sondern eher als hochintelligent. Derjenige jedoch, der, ohne sich Gedanken zu machen, einfach irgendeinen Mist schreibt, anstatt eine Antwort darauf zu geben, die Unbeantwortkeit zu vermuten oder aber zuzugeben, dass er keine Antwort weiß, ist meiner Meinung nach der Unintelligente in dieser Diskussionsrunde.

Edit: Ich würde mir außerdem einen Psychologen in dieser Runde wünschen, der sämtliche Missverständnisse oder extreme, unangebrachte Runterspielungen von psychischen Erkrankungen, auflösen kann. Ich habe leider zu wenig Ahnung davon, um es zu erklären, jedoch ist diese Sicht "Ich suche mit meinem Freund nach einer Lösung und vertraue keinem Arzt" solch ein Unsinn, dass es nahezu unverantwortlich ist, das in einem öffentlichen Forum stehen zu lassen.

mfG Ginsi
 
Zuletzt bearbeitet:
Zwang zerstört Vertrauen

Ich kenne hingegen Menschen, die sich (mit schweren psychischen Erkrankungen!) haben behandeln lassen und die wohl ohne diese Behandlung heute nicht mehr leben würden.

Die sich freiwillig behandeln ließen oder gezwungen wurden?
Außerdem kann einmal Recht ein anderes Unrecht nicht aufheben.

Ginsi schrieb:
Ich habe leider zu wenig Ahnung davon, um es zu erklären, jedoch ist diese Sicht "Ich suche mit meinem Freund nach einer Lösung und vertraue keinem Arzt" solch ein Unsinn, dass es nahezu unverantwortlich ist, das in einem öffentlichen Forum stehen zu lassen.

Ich denke auch, dass du wenig Ahnung hast. Was würdest du sagen, warum wohl Alkoholiker zum Beispiel eher Selbsthilfegruppen aufsuchen als Psychologen oder Ärzte für Suchterkrankungen?
Und so wie dies formuliert hast, hat das ohnehin niemand hier ausgedrückt.

Zwetsche schrieb:
Und die Frage der Entscheidungsfreiheit - da gebe ich Sunnyboy Recht - ist kaum so leicht zu beantworten. Die Verzweiflung selbst rüttelt doch an der Freiheit zumindest sehr. Und das Leben ist ein zu hohes Gut, als nicht alles zu versuchen, es zu erhalten. Zumindest, es zu versuchen, auch um anderen gegenüber ein Signal zu setzen.

Zwetsche, ich stimme dir zu, dass es Sinn macht jemanden vom Selbstmord abzuhalten, auch wenn man damit seine Entscheidungsfreiheit verletzt, man ihn sozusagen zwingt zu überleben. ABER denke ich, macht das nur für einen Moment sind, weil, wie du selbst sagst, Selbstmordversuche auch immer wieder Hilferufe sind.
Es macht jedoch keinen Sinn jemanden auf Zwang einzuweisen, weil dieser einmal von sich gibt, er möchte nicht mehr leben. So ein Beispiel habe ich selbst erfahren. Eine Freundin hat einem Psychologen gestanden, sie habe schon einmal über Selbstmord nachgedacht. Daraufhin hat der Psychologe mit der Mutter gesprochen und ihr klar gemacht, dass sie in eine Klink muss und dass wenn die Mutter sie nicht selbst dorthin führen will, er die Polizei rufen müsse. Die Mutter, clever wie sie war, hat gesagt, sie würde das machen, ging dann aber zu einem anderen Psychologen, der darauf meinte, dass eine Einweisung nicht nötig sei, obwohl die Tochter ihm nichts anders geschildert hatte als dem Psychologen zuvor.
Wie schon gesagt, kenne ich (von der Rettung aus) mehrere Menschen, die auf Zwang eingewiesen wurden, war also auch schon dabei, wie Polizisten jemanden mit Gewalt ins Rettungsauto geschleppt haben. Und jedes Mal, wenn ich das gesehen habe, wuchs dabei meine innere Überzeugung, dass das einfach falsch ist. Auch von dem her, weil ich selbst einmal an schweren Depressionen litt, und haargenau weiß, was man mit Zwang dem Patienten antun kann - nämlich, dass man ihn noch ängstlicher, noch lebensmüder macht.
Von dem her weiß ich aus der Praxis wie eine Zwangseinweisung ablaufen kann.

Es mag schon stimmen, dass einer, der sich wirklich umbringen will, immer auch einen Weg finden wird, das zu tun.
Aber eine Zwangseinweisung ist meiner Meinung nach von dem her nicht richtig, als dass sie den Menschen in seiner Würde verletzt, ihn einen äußeren Willen aufzwingt und damit sein Vertrauen zerstört. Ich finde, es darf daher rechtlich keine Grundlage dafür geben, einen Patienten, einen kranken Menschen so zu behandeln. Dass sein eigenes Leben in Gefahr ist, kann kein Argument dafür sein, ihn zu einer Behandlung zu zwingen. Ein Krebspatient wird auch nicht gezwungen eine Chemotherapie zu machen. Warum also einen Depressiven zur Behandlung zwingen.
Das Argument, der Depressive können nicht richtig urteilen, ist meines Erachtens nicht haltbar. Auch der Krebspatient sieht die Welt durch seine Krankheit verzerrt. Wie ein Gesunder die Welt durch seine Gesundheit verzerrt sieht. Das möchte ich auch festhalten. Menschen, die gesund sind, können Kranke oft nicht verstehen, weil sie die Welt aus ihrer Gesundheit heraus beurteilen. Die Welt des Kranken unterscheidet sich von der Welt des Gesunden. Nur weil der Kranke krank ist, heißt das jedoch nicht, dass seine Sicht der Dinge falscher wäre, wie die des Gesunden. Sie ist nur anders. Nicht falscher oder richtiger.
Daher können wir im medizinischen Sinne nicht die Argumentation anführen, ein Depressiver darf nicht entscheiden, weil er krank ist. Ein Krebspatient darf ja auch entscheiden, obwohl er krank ist.
Und dass das Blickfeld eines Depressiven dermaßen eingeschränkt ist, dass er nicht mehr unterscheiden könnte, was wer will, das ist schlichtweg Unsinn. Man kann dem Depressiven auch nicht irgendwelche Pillen aufzwingen, von denen es ihm immer schlechter geht, mit dem Argument, er wisse nur nicht, dass sie ihm ja eigentlich gut tun. Außerdem spreche ich auch aus eigener Erfahrung, wenn ich sage, dass ich zwar depressiv war, aber nicht dumm.

Und nicht zuletzt möchte ich auch gesagt haben, dass fast alle Depressiven für jede Behandlung dankbar sind, für jede Behandlung, die ihnen hilft. Die meisten suchen ja nach Hilfe. Es ist ihnen aber nicht geholfen, wenn man sie beim ersten Gespräch sofort in eine Klinik einweist - zwangsweise. Haargenau so etwas habe ich schon gesehen, und das darf doch nicht vom Gesetzgeber gewilligt werden.

denkt
Ben
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Unser Recht zu sterben...

Schlagfertig wie so oft, Fussel.
Danke! Ich lese deine Beiträge auch sehr gerne! Und bestelle deinen Eltern meinen Respekt und meinen Dank. Sie habe mit dir der Welt etwas gutes getan.

Sie hatten das Recht mich zu machen, ich habe das Recht mich wieder zu zerstören.
Nein, den der damalige Rechtgeber, der auch dir das Recht gibt, dich fortzupflanzen, verbietet es dir dich zu zerstören.
Rechte und Pflichten werden von Gemeinschaften gegeben. Würde man die Selbstzerstörung gelten lassen, wäre es gegen den Sinn der Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft bietet dir etwas und verlangt natürlich auch etwas. Im Leben ist nicht umsonst.

lg,
fussel
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Unser Recht zu sterben...

Eine ganz andere Frage ist die Sterbehilfe um Qualen zu verkürzen, die ich hiermit nicht vermengen möchte. Welche Qualen das im einzelnen sein mögen, möchte ich mir nicht anmaßen zu sagen.

Auch ich möchte betonen, dass wir kein Recht haben, uns das Leben zu nehmen, aber wir kennen nicht die Situation von unendlichen Qualen.

Vielleicht ist das die einzige Ausnahme, wenn es dem Ende zugeht und der grausame Schmerz nicht mehr zu beherrschen ist. Meistens bekommen die Menschen in einer solchen ausweglosen Situation Morphium. Ob man den Schmerz dadurch tatsächlich ausschalten kann, müsste ich einen Arzt fragen.

Angeblich stirbt so mancher dann an den Nebenwirkungen des Morphiums.

Doch jeder Mensch stirbt anders. Wie kann ich da vorausplanen?

suche
 
AW: Unser Recht zu sterben...

Ich habe gerade eben einen Brief an eine Dame mit dem Vermerk "verstorben" zurückbekommen, d.h. ihn im Briefkasten gefunden. Sie hatte Krebs, seit Jahren. Bei einem der letzten Gespräche wollte sie noch in die Schweiz, weil es dort entsprechende Möglichkeiten gibt.

Einige Minuten später hörte ich von einem Verwandten, bei dem sich - nach erfolgreich geglaubter Chemo, ebenfalls der Krebs zurückgemeldet hat. Jetzt fehlt der Mut, noch eine Chemo zu ertragen. Dann wieder von einem anderen, der wie durch ein Wunder ein schweres Koma überlebte, jetzt ans Bett bzw. den Rollstuhl gefesselt wegen einer Virusinfektion lebensbedrohlich erkrankt ist.

Die Vorstellung, wie man mit einer derart hoffnungslosen Situation umgeht, fehlt mir ehrlich gesagt, es muß ziemlich furchtbar sein weder vor noch zurück zu können.
Ich finde es mehr als nachvollziehbar, wenn jemand in einer solchen Situation in die Schweiz fährt um dort schnell und möglichst schmerzlos zu sterben.

Aber auch hier stellt sich dem ohnehin gepeinigten das nächste Problem:
Die Lebensversicherung, oft bitter nötig auch für die Hinterbliebenen, tritt bei Selbsttötung nicht ein... was tun?
Ich glaube, das System muß neu überdacht werden, frei von Vorurteilen.

Viele Grüße
Zwetsche
 
AW: Unser Recht zu sterben...

Die Vorstellung, wie man mit einer derart hoffnungslosen Situation umgeht, fehlt mir ehrlich gesagt, es muß ziemlich furchtbar sein weder vor noch zurück zu können.
Ich finde es mehr als nachvollziehbar, wenn jemand in einer solchen Situation in die Schweiz fährt um dort schnell und möglichst schmerzlos zu sterben
.

Ich gehe total konform mit Deinen Gedanken. Aber für die eigene Person weiß man es erst, wenn es so weit ist. Deswegen kann ich Derartiges nicht vorausplanen. Darum geht es in erster Linie.

Liebe Grüße

suche
 
Werbung:
AW: Unser Recht zu sterben...

Warum ist es Dein Leben ? Du hast sicher nur teilweise dazu beigetragen, dass Du lebst.

Zeili

ich habe gar nichts dazu beigetragen. ich habe aber auch nicht darum gebeten.
auf der anderen seite höre ich, mir wurde mir das leben "geschenkt".
wem gehören geschenke? doch wohl dem, der sie bekommt - folglich gehört mein leben mir. oder sehe ich das falsch?

lg. eule

ps: verzeiht die kleinschreibung,aber ich habe eine gebrochene schulter und muß mit einer hand schreiben, ich bin sozusagen flügellahm :wut1:
 
Zurück
Oben