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Unser Recht zu sterben...

Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

Grüße Sunnyboy

Sunnyboy schrieb:
In dem von dir vorgeschlagenen erweiterten Gedankenexperiment weiß ich (ich habe also die Erfahrung gemacht), dass der Berg gefährlich ist. Aus diesem Wissen/ aus dieser Erfahrung heraus entscheide ich, was ich dem Einsiedler rate.

Ob der Eremit bei klarem Verstand ist erkenne ich dann nicht daran, ob er derselben Meinung ist wie ich, sondern ob er in der Lage ist, meinen Einwand zu begreifen, meine Argumente zu verstehen und diese, falls er anderer Meinung ist durch vernünftige, also mit der Vernunft begründete Argumente zu widerlegen.

Du sagst, nun in Hinblick auf das Beispiel des Eremiten, dass du wissen würdest, dass der Berg gefährlich ist. In diesem Beispiel wird sich dieses so genannte Wissen wohl entweder auf selbstgemachte Erfahrung beziehen, oder auf Hörensagen anderer Menschen.
Hier die Aussage zu treffen, du würdest wissen, dass... halte ich für unproblematisch.

Doch was ist, wenn ein Mensch sagt (und ich bezeichne ihn nun ganz bewusst als keinen Schwerdepressiven), er möchte nicht mehr Leben, weil das Leben für ihn nichts zu bieten hätte?
Wenn du nun in diesem Beispiel argumentierst, du wüsstest, dass sein Leben noch etwas zu bieten hat, dann halte ich das für problematisch. Problematisch vor allem dann, wenn du dir das Recht nimmst, ihm sein Recht auf Entscheidung abzusprechen.
Ich behaupte ganz unverfroren, dass du nämlich gar nicht wissen kannst, ob sein Leben noch etwas zu bieten hat.

Sunnyboy schrieb:
Aber in dem Moment, indem ein (physisch) gesunder Mensch sein Leben auslöschen will, ohne dass sein Leben sonst in Gefahr wäre, ist die Vernunft, in meinen Augen unter einem großen Haufen nicht nachvollziehbarer Gründe, die allesamt kein Grund sind, sich selbst zu töten, begraben.

Du ziehst hier eine scharfe Grenze zwischen Vernunft und Unvernunft. Du sprichst, dem Menschen, der nicht mehr Leben will, die Vernunft ab, ohne einen weiteren Grund. So weit, so gut.
Ich halte Selbstmord auch für unvernünftig, wie ich unzähliges auf dieser Welt für unvernünftig halte. Aber ich nehme mir trotzdem nicht das Recht, einen Menschen aufgrund seiner Unvernunft die Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Zumal ich erstens keine scharfe Grenze sehe, die Vernunft von Unvernunft trennt. Nicht weil es solch eine Grenze nicht geben wird, nein, sondern deshalb, weil ich nicht klug genug, nicht weitsichtig genug bin, als dass ich so klar unterscheiden könnte.

Du nimmst dir dieses Recht, oder sprichst zumindest Ärzten diese Weitsicht zu, zu unterscheiden, was vernünftig und unvernünftig ist. Zu Unrecht, meine ich.

[QUOTE)Sunnyboy]Wenn man den Ärzten aber die Möglichkeit nimmt, Zwangseinweisungen anzuordnen, wenn ihre Einschätzung nach Lebensgefahr für einen Kranken besteht (das gilt sowohl für physisch wie auch für psychisch kranke Menschen), bindet man ihnen die Hände und macht es ihnen schwerer, wenn nicht gar unmöglich, diesem Menschen das Leben zu retten.

In diesem Fall hat man einem Menschen nicht zu seinem Recht zu sterben verholfen. Man hat ihm einer Möglichkeit Hilfe zu erhalten beraubt und ihm somit sein Recht auf eine Chance, wieder gesund zu werden, genommen.[/QUOTE]

Du argumentierst, dass eine Zwangseinweisung für viele Menschen der erste Schritt zur Heilung wäre. Das denke ich nicht. Eine Zwangseinweisung hat, und davon bin ich überzeugt, so gut wie keinen Nutzen für den Patienten.
Erstens darfst du dir eine Zwangseinweisung nicht wie etwas vorstellen, wo man den Patienten gerade von der Brücke holt, von der er springen wollte, und dann in eine Klink bringt. Zwangseinweisungen geschehen meistens von Zuhause oder von einer Arztpraxis aus. (Von den Menschen abgesehen, die eine Gefährdung für andere darstellen oder Suchtkranke sind.)
Zweitens kann man, da bin ich mir ziemlich sicher, in den seltensten Fällen einer Zwangseinweisung den wirklichen Wendepunkt im Heilungsprozess zuschreiben. Und wenn sich der Wundepunkt doch irgendwie in Zusammenhang mit der Einweisung bringen lässt, dann wohl auch nur mit viel Vorstellungskraft.

Die Zwangseinweisung dient der Heilung nicht. Sie dient oft nur verzweifelten Angehörigen und Ärzten, die sich nicht mehr zu helfen wissen. Es wird immer wieder argumentiert, der Kranke braucht Hilfe, lässt sich aber nicht helfen, somit müssen wir sie zur Behandlung zwingen.

Du sprichst auch immer wieder vom physisch Gesunden, der sich ohne wirklichen Grund umbringen will. Nun sage ich dir aber, dass eine schwere Depression ein Grund ist. Eine schwere Depression bedeutet Leid und Elend. Niemand anders als der Leidende selbst möchte am ehesten zur Genesung. Du unterscheidest immer wieder zwischen körperlichen und seelischen Leiden. Für den Leidenden gibt es in Anbetracht der Schmerzen keinen Unterschied. Ab einem gewissen Grad von Schmerzen wächst der Wille zu sterben.
Einem körperlichen Kranken gibt man das Recht eine Behandlung abzulehnen bzw. das Recht sich die Behandlung auszusuchen. Und dem seelisch Kranken will man dieses Recht absprechen???

Es gibt auch viele körperlich Kranke, die eine Behandlung bräuchten, sie aber ablehnen. Spricht man ihnen die Entscheidungsfreiheit ab? Zwingt man sie zur Behandlung? Oder erkennt man ihnen keine Vernunft an?? Nein. Es wäre auch Unrecht.

Bei körperlich Kranken sind die Leiden offensichtlicher. Daher kann die Umgebung diesen Menschen gegenüber mehr Würde aufbringen. So viel Würde, dass man ihnen immer die Entscheidung offen legt. Selbst dann wenn ihre Entscheidung womöglich den Tod mit sich bringt.
Doch den seelisch Kranken verwehrt man dieses Recht. Ich meine deshalb, weil die Menschen ihre Leiden oft nicht verstehen.

Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten. Darüber hinaus halte ich sie für kein Mittel, dass etwas zur Genesung beiträgt.

mfg
Ben
 
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AW: Unser Recht zu sterben...

Selbstmord ist Mord wie jeder andere und es ist sicher eine Schwäche bzw. ein Fehler der katholischen Kirche, ihn bei den Geboten erst an 5. Stelle zu nennen.

Kein ausgelöschtes Leben kann je wieder in der gleichen Form hergestellt werden und Mord kann auch nicht bereut werden.

Moral und Charakter eines Menschen bilden sich aber meistens in den ersten 20 Lebensjahren eines Menschen; wird einem da kein Respekt vor dem Leben (von einer Liebe zum Leben ganz zu schweigen) beigebracht, ist es sicher schon schwer, ohne professionelle Hilfe wieder zur richtigen Einstellung zu kommen.

Man muss nicht unbedingt ein Superreicher sein und/oder den attraktivsten Lebenspartner haben, um Freude am Leben zu finden. Man kann sich auch an einem tollenden Hund, einem singenden Vogel, einem kletternden Eichhörnchen oder ein paar aufmunternden bzw. tröstenden Worten ergötzen.

Liebe Grüße

Zeili
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Unser Recht zu sterben...

Hier noch ein flammendes Plädoyer für ein gegenwartsbezogenes Leben von Anton Wildgans:

DAS LÄCHELN

Wie doch die Menschen sind! Sie sorgen,
was morgen wird und übermorgen -
Und ihre Seelen bleiben blind und arm;
an Gärten wandern sie vorbei, an Gittern,
die von dem Drängen junger Sträucher zittern,
und ihre Seelen füllt der ewig gleiche Harm.

Daß über Nacht ein Wunder neu geboren,
daß aus der alten Häuser tiefen Toren,
nun wieder Kinderlaut und Kühle weht,
und daß sich Wölkchen bilden in den Lüften,
von Zigaretten- und Orangendüften,
oder Parfum, wenn eine schöne Frau vorübergeht.

Sie fühlen dieses nicht, und nicht das Neigen
der Abende, wenn sich in langen Reigen
müd-armes Volk die Straßen heimwärts drängt.
Sie sehen nicht, daß diese bleichen Wangen
der jungen Mädchen vor dem Frühling bangen,
der soviel Sehnsucht und Gefahr verhängt....

In meinem Leben weiß ich einen Kranken,
gelähmt an Gliedern, Willen und Gedanken.
Nur seine Seele war dem Wunder heil;
der konnte lächeln, wenn der erste Schimmer
der Frühlingssonne in sein trauriges Zimmer
sich leise schob, ein goldner, zarter Keil.

Der konnte lächeln über jede Blüte,
daß dieses Lächelns wundervolle Güte
dem toten Auge flüchtig Leben gab;
der konnte weinen über Kinderlieder
und tiefer atmen, wenn der Duft vom Flieder
ihn grüßen kam in seiner Kissen Grab.

Und dieses Lächeln, diese Tränen waren
so überreich an jenem Wunderbaren,
das alle darben, die so dumpf-gesund.
Und ich hielt dieses Mannes Hand im Sterben
und ward zu seines Lächelns Erben,
das wie ein Blühen lag um seinen blassen Mund.

Drum faß ich diese Menschen nicht, die sorgen,
was morgen wird und übermorgen,
denn ihre Seelen bleiben blind und arm;
An Gärten wandern sie vorbei, an Gittern,
die von dem Drängen junger Sträucher zittern,
und ihre Seelen füllt der ewig gleiche Harm.

-----------------------------------------------

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

Du argumentierst, dass eine Zwangseinweisung für viele Menschen der erste Schritt zur Heilung wäre. Das denke ich nicht. Eine Zwangseinweisung hat, und davon bin ich überzeugt, so gut wie keinen Nutzen für den Patienten.
Erstens darfst du dir eine Zwangseinweisung nicht wie etwas vorstellen, wo man den Patienten gerade von der Brücke holt, von der er springen wollte, und dann in eine Klink bringt. Zwangseinweisungen geschehen meistens von Zuhause oder von einer Arztpraxis aus. (Von den Menschen abgesehen, die eine Gefährdung für andere darstellen oder Suchtkranke sind.)
Zweitens kann man, da bin ich mir ziemlich sicher, in den seltensten Fällen einer Zwangseinweisung den wirklichen Wendepunkt im Heilungsprozess zuschreiben. Und wenn sich der Wundepunkt doch irgendwie in Zusammenhang mit der Einweisung bringen lässt, dann wohl auch nur mit viel Vorstellungskraft.

Die Zwangseinweisung dient der Heilung nicht. Sie dient oft nur verzweifelten Angehörigen und Ärzten, die sich nicht mehr zu helfen wissen. Es wird immer wieder argumentiert, der Kranke braucht Hilfe, lässt sich aber nicht helfen, somit müssen wir sie zur Behandlung zwingen.

Du sprichst auch immer wieder vom physisch Gesunden, der sich ohne wirklichen Grund umbringen will. Nun sage ich dir aber, dass eine schwere Depression ein Grund ist. Eine schwere Depression bedeutet Leid und Elend. Niemand anders als der Leidende selbst möchte am ehesten zur Genesung. Du unterscheidest immer wieder zwischen körperlichen und seelischen Leiden. Für den Leidenden gibt es in Anbetracht der Schmerzen keinen Unterschied. Ab einem gewissen Grad von Schmerzen wächst der Wille zu sterben.
Einem körperlichen Kranken gibt man das Recht eine Behandlung abzulehnen bzw. das Recht sich die Behandlung auszusuchen. Und dem seelisch Kranken will man dieses Recht absprechen???

Es gibt auch viele körperlich Kranke, die eine Behandlung bräuchten, sie aber ablehnen. Spricht man ihnen die Entscheidungsfreiheit ab? Zwingt man sie zur Behandlung? Oder erkennt man ihnen keine Vernunft an?? Nein. Es wäre auch Unrecht.

Bei körperlich Kranken sind die Leiden offensichtlicher. Daher kann die Umgebung diesen Menschen gegenüber mehr Würde aufbringen. So viel Würde, dass man ihnen immer die Entscheidung offen legt. Selbst dann wenn ihre Entscheidung womöglich den Tod mit sich bringt.
Doch den seelisch Kranken verwehrt man dieses Recht. Ich meine deshalb, weil die Menschen ihre Leiden oft nicht verstehen.

Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten. Darüber hinaus halte ich sie für kein Mittel, dass etwas zur Genesung beiträgt.

mfg
Ben

Hallo Benjamin,

ich finde, du bringst selbst einige Argumente vor, die Deine Grundthese etwas abschwächen. Ich glaube für meinen Teil, es ist nicht möglich, hier kategorische Wahrheiten herauszufinden. Auch die Erfahrungen können völlig unterschiedlich sein:

Eine Person, die mir mal sehr nahe stand, wurde nach der Einnahme vieler Schlaftabletten in eine Anstalt eingewiesen - zwangsweise, ein Zimmernachbar hatte das entdeckt und sofort veranlaßt. Erst dort stellte man fest, daß sie unter einer endogenen Depression litt. Diese, so erzählte sie mir jedenfalls lange Zeit später, konnte sehr gut mittels Psychopharmaka behandelt werden und auch wenn sie vermutlich ihr ganzes Leben unter Drogen verbringen muß, führt sie ein selbstbestimmtes Leben, hat einen sicheren gutbezahlten Beruf und lebt soweit ich weiß heute noch einigermaßen zufrieden.
Übrigens wurde sie zunächst eine sehr lange Zeit in der Anstalt behalten, auch in einer Art "offenen Vollzug". Nach anfänglichem Frust hat sie das später selbst gewollt.

Ich will daraus gar keine kategorische Aussage treffen, aber allein das Beispiel macht doch deutlich, daß so etwas lohnen kann.

Was die philosophische Ausrichtung betrifft, stehe ich auch eher auf Seiten derer, die von einer freien Entscheidung ausgehen. Leben darf zwar nicht für die Gesellschaft, wohl aber für den Einzelnen disponibel sein. Er muß ja auch ganz allein die Schmerzen ertragen, gleich ob körperlicher oder seelischer Natur.

@Zeilinger: Deshalb tue ich mich auch mit dem Begriff "Selbstmord" etwas schwer. Juristisch ohnehin völlig verfehlt, denn wo sind bei einer Selbsttötung die "niederen Beweggründe", die aus der Tötung einen Mord machen? Und mit dem göttlichen Gebot habe ich da ebenfalls so meine Probleme, jedenfalls soweit es auf die Selbsttötung ausgedehnt wird (übrigens: Ich wußte bis heute nicht, daß die Reihenfolge der Gebote von der kath. Kirche festgelegt worden ist, aber man lernt ja nicht aus...). War Jesus eigentlich kein Selbstmörder, nicht wenigstens so ein bißchen, wie war das gleich mit den Zweifeln im Garten Gezemaneh (hoffe, ich habe das jetzt richtig buchstabiert, sonst bitte ich vorab um Entschuldigung), hätte er sich nicht auch anders entscheiden können? Aber ich bekenne, da nicht allzuviel Ahnung von zu haben und nehme es nicht krumm, da ggf. aufgeklärt zu werden.


Gruß
Zwetsche
 
AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

Ben, ich finde, jeder hat das Recht, zu sterben wann und wie er möchte, aber wir haben nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, ihn daran zu hindern, es wenigstens zu versuchen. Wenn sich jemand wirklich umbringen will, wird er das tun, wenn er es aber schon plant, dann aber bitte soll er nicht so asozial sein (wie ich auch schon hier im DF las), sich z.B. vor einen Zug zu werfen! Nicht nur, dass er seine Angehörige in jedem Fall leiden lässt, er verändert auch noch das Leben Fremder, nämlich dessen, der ihn "umbringt" und deren, die ihn von den Schienen kratzen müssen. Klingt brutal, gell, aber so brutal ist es nämlich. Frag einen Lokiführer, der so was schon erlebt hat, wie er damit weiter lebt!

Ausserdem glaube ich, du widersprichst dir:

Ich halte Selbstmord auch für unvernünftig, wie ich unzähliges auf dieser Welt für unvernünftig halte. Aber ich nehme mir trotzdem nicht das Recht, einen Menschen aufgrund seiner Unvernunft die Entscheidungsfreiheit zu nehmen....

...Eine Zwangseinweisung hat, und davon bin ich überzeugt, so gut wie keinen Nutzen für den Patienten.
Erstens darfst du dir eine Zwangseinweisung nicht wie etwas vorstellen, wo man den Patienten gerade von der Brücke holt, von der er springen wollte, und dann in eine Klink bringt.
Zwangseinweisungen geschehen meistens von Zuhause oder von einer Arztpraxis aus. (Von den Menschen abgesehen, die eine Gefährdung für andere darstellen oder Suchtkranke sind.)

Wo ist der Unterschied??? Du holst den Menschen (vielleicht sogar unter Gewaltanwendung) von der Brücke und bringst ihn in eine Klinik. Also nimmst du ihm a) die Entscheidungsfreiheit und b) bringst ihn auch unter Zwang in eine Klinik. Warum sollte es in diesem Fall einen Nutzen haben und in anderen nicht?

Wenn sich deine Freundin zu Hause die Pulsadern aufschneidet, lässt du sie verbluten?
Wenn sich dein Freund zu Hause so unglücklich zu erschiessen versucht, dass er noch am Leben ist, wenn du ihn findest, lässt du ihn am Boden krepieren?
Wenn jemand gegen einen Brückenpfeiler rast, fährst du daran vorbei?

Das alles wäre doch nebenbei auch noch unterlassene Hilfeleistung, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in D und A strafbar ist!

Du wirst diesen Menschen automatisch helfen, auch wenn es offensichtlich ist, sie wollten ihrem Leben ein Ende setzen. Die Aerzte werden sie nach Möglichkeit wieder zum Leben erwecken, die physischen Schäden beheben und in die Psychiatrie einweisen (so viel ich weiss, ist das überall der übliche Vorgang), dort wird man entscheiden, ob eine weitere Behandlung notwendig ist oder nicht.
Siehst du darin auch eine Entwürdigung?

Ist es nicht sinnvoller, dem Suizid-Gefährdeten wenigstens die körperlichen Leiden eines evtl. missglückten Versuches zu ersparen suchen?
Wenn du annehmen musst, deine Mama hat eine akute Blindarmentzündung, wirst du sie bestimmt in eine Klinik bringen. Wenn sie an einer schweren Depression leidet und du zu ihr nicht mehr durchdringen kannst, lässt du sie zu Hause, weil eine Einweisung entwürdigend wäre?


Die Zwangseinweisung dient der Heilung nicht. Sie dient oft nur verzweifelten Angehörigen und Ärzten, die sich nicht mehr zu helfen wissen. Es wird immer wieder argumentiert, der Kranke braucht Hilfe, lässt sich aber nicht helfen, somit müssen wir sie zur Behandlung zwingen.

Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten. Darüber hinaus halte ich sie für kein Mittel, dass etwas zur Genesung beiträgt.

Tschuldigung, Ben, aber ich verstehe dich nicht. Vielleicht wirst du mir antworten, dass schon Menschen aus niederen Beweggründen anderer in der Psychiatrie landeten... ja, es geschah... auch haben sich "Geheilte" trotzdem später das Leben genommen, auch das geschah schon, aber trotzdem ist es doch die Pflicht des Arztes, des Gesetzgebers und auch unsere, das Leben zu schützen.
 
AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

@Zeilinger: Deshalb tue ich mich auch mit dem Begriff "Selbstmord" etwas schwer. Juristisch ohnehin völlig verfehlt, denn wo sind bei einer Selbsttötung die "niederen Beweggründe", die aus der Tötung einen Mord machen?
Juristisch gibt es ja auch kein "Recht auf Selbsttötung" zumindest nicht in der westlichen Hemisphäre, oder kannst Du mir einen entsprechenden Text nennen ?! Ich glaube eher, dass das "Recht auf Selbsttötung" eine radikal-liberale - im Abendland weder durch eine Religion noch durch ein Gesetz gedeckte - individuelle Moralvorstellung ist, die man teilen kann oder auch nicht. Ich teile sie nicht, ich sage aber der Gerechtigkeit halber dazu, dass ich einen Menschen kennengelernt habe (er lebt jetzt nicht mehr), der ein Leben lang darunter litt, dass sich sein Ehegatte am Weihnachtsabend (!) im Nebenzimmer erschoss. Der fühlte sich im Moment der Tötung sicher auch nicht als Mörder, sondern als ein - ach so liberaler - Selbsttöter. Es gibt eben auch unter den Liberalen Radikale und Gemäßigte, wenn sie es auch nicht und nicht zugeben wollen; ich selbst war einmal ein Radikal-Liberaler. Heute bin ich froh, dass ich den gemäßigten, kultivierten, anständigen Weg gegangen bin; ich hätte viel Schönes versäumt.

Und mit dem göttlichen Gebot habe ich da ebenfalls so meine Probleme, jedenfalls soweit es auf die Selbsttötung ausgedehnt wird (übrigens: Ich wußte bis heute nicht, daß die Reihenfolge der Gebote von der kath. Kirche festgelegt worden ist, aber man lernt ja nicht aus...). War Jesus eigentlich kein Selbstmörder, nicht wenigstens so ein bißchen, wie war das gleich mit den Zweifeln im Garten Gezemaneh (hoffe, ich habe das jetzt richtig buchstabiert, sonst bitte ich vorab um Entschuldigung), hätte er sich nicht auch anders entscheiden können? Aber ich bekenne, da nicht allzuviel Ahnung von zu haben und nehme es nicht krumm, da ggf. aufgeklärt zu werden.

Gruß
Zwetsche
Jesus stellte sich der irdischen Gerichtsbarkeit und wandte nicht einmal passive Gewalt an; Judas hingegen starb in Sünde. Die Reihenfolge der Gebote wurde von der Kirche zumindest nicht abgelehnt.

Lebensfrohe Grüße

Zeili
 
AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

Juristisch gibt es ja auch kein "Recht auf Selbsttötung" zumindest nicht in der westlichen Hemisphäre, oder kannst Du mir einen entsprechenden Text nennen ?! Ich glaube eher, dass das "Recht auf Selbsttötung" eine radikal-liberale - im Abendland weder durch eine Religion noch durch ein Gesetz gedeckte - individuelle Moralvorstellung ist, die man teilen kann oder auch nicht. Ich teile sie nicht, ich sage aber der Gerechtigkeit halber dazu, dass ich einen Menschen kennengelernt habe (er lebt jetzt nicht mehr), der ein Leben lang darunter litt, dass sich sein Ehegatte am Weihnachtsabend (!) im Nebenzimmer erschoss. Der fühlte sich im Moment der Tötung sicher auch nicht als Mörder, sondern als ein - ach so liberaler - Selbsttöter. Es gibt eben auch unter den Liberalen Radikale und Gemäßigte, wenn sie es auch nicht und nicht zugeben wollen; ich selbst war einmal ein Radikal-Liberaler. Heute bin ich froh, dass ich den gemäßigten, kultivierten, anständigen Weg gegangen bin; ich hätte viel Schönes versäumt.

Jesus stellte sich der irdischen Gerichtsbarkeit und wandte nicht einmal passive Gewalt an; Judas hingegen starb in Sünde. Die Reihenfolge der Gebote wurde von der Kirche zumindest nicht abgelehnt.

Lebensfrohe Grüße

Zeili

Juristisch gibt es durchaus ein "Recht" auf Selbsttötung, sie steht ja nicht unter Strafe und ist deshalb per se erlaubt. Deshalb kann auch die Beihilfe u.U. straflos sein.

Eine andere Frage ist die Verpflichtung des Staates zum Einschreiten. Dazu habe ich mich bereits hinlänglich geäußert, ich gebe da Céline Recht. Natürlich muß die bestehen (bleiben). Radikal-Liberalismus vertrete ich z.B. folglich nicht, nicht in dem Punkt jedenfalls.

Dein Beispiel leuchtet mir ein, auch da liegen wir kaum auseinander. Habe mein eigenes dazu heute vormittag geschildert. Ich finde es auch gut, gegen den Suizid die Ärmel hochzukrempeln und sich nicht damit abzufinden, auch nicht im Namen der Freiheit.

Ich weigere mich lediglich, eine moralische Bewertung eines Menschen vorzunehmen, der sich das Leben nimmt. Ich gehe davon aus, daß sich die wenigsten Menschen leichtfertig das Leben nehmen. Und kaum jemand wird sich in dem Moment die Frage nach Liberalismus stellen. Und die Kirche z.B. wäre meines Erachtens gut beraten, von derlei moralischen Verurteilungen die Finger zu lassen (läßt "sie" ja auch teilweise). Mit religiöser "Strafandrohung" ist ganz gewiß niemandem geholfen, die gehört ins Mittelalter. Derjenige braucht ganz bestimmt keine Strafe mehr, sondern Hilfe. Notfalls auch Gottes Segen, wenn die Hilfe im Leben zu spät (oder gar nicht) kam.


Mit maßvoll freiheitlich lebensfrohem Gruß zurück
Zwetsche
 
AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

Jesus stellte sich der irdischen Gerichtsbarkeit und wandte nicht einmal passive Gewalt an; Judas hingegen starb in Sünde. Die Reihenfolge der Gebote wurde von der Kirche zumindest nicht abgelehnt.

Der Judas tut mir schon etwas leid, ist ja recht fraglich, inwieweit er "Herr seiner Tat" war, gleiches gilt auch hinsichtlich Jesus (tut mir übrigens auch leid) und seines Schicksals. Aber das wäre wohl ein Thema für einen anderen thread.
 
AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

Juristisch gibt es durchaus ein "Recht" auf Selbsttötung, sie steht ja nicht unter Strafe und ist deshalb per se erlaubt. Deshalb kann auch die Beihilfe u.U. straflos sein.

Eine andere Frage ist die Verpflichtung des Staates zum Einschreiten.
Ist wohl eher eine widersprüchliche Rechthaberei als ein verbrieftes, einklagbares Recht.


Ich weigere mich lediglich, eine moralische Bewertung eines Menschen vorzunehmen, der sich das Leben nimmt. Ich gehe davon aus, daß sich die wenigsten Menschen leichtfertig das Leben nehmen.
???



Und kaum jemand wird sich in dem Moment die Frage nach Liberalismus stellen. Und die Kirche z.B. wäre meines Erachtens gut beraten, von derlei moralischen Verurteilungen die Finger zu lassen (läßt "sie" ja auch teilweise).
Wenn Kirchen - egal welche - keine moralischen Instanzen sind, sind sie üerhaupt nichts. Es gibt aber auch erste und folgende Instanzen; demokratisch entstandene Gesetze sollten meiner Meinung nach den Vorrang haben; das schließt ja nicht aus, dass man auch an ein Weiterleben nach dem (physischen) Tod eben dann nach göttlichem Recht glaubt.

Mit religiöser "Strafandrohung" ist ganz gewiß niemandem geholfen, die gehört ins Mittelalter. Derjenige braucht ganz bestimmt keine Strafe mehr, sondern Hilfe. Notfalls auch Gottes Segen, wenn die Hilfe im Leben zu spät (oder gar nicht) kam.
Zu gut und böse gehört eben auch Lob und Tadel und in weiterer Folge Verdienst und Strafe. Wir müssen uns endlich damit abfinden, dass wir drei Auffassungen von Recht haben:
Das Naturgesetz
Die Religion(en)
Das von Politikern gemachte Gesetz.​
Henry Kissinger brachte es auf den Punkt: Die Konflikte auf der Welt entstehen nicht durch das Aufeinanderprallen von Recht und Unrecht, sie entstehen durch die verschiedenen Auffassungen von Recht.

Mit maßvoll freiheitlich lebensfrohem Gruß noch einmal zurück

Zeili
 
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AW: Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten

1. Ist wohl eher eine widersprüchliche Rechthaberei als ein verbrieftes, einklagbares Recht.


2. ???



3. Wenn Kirchen - egal welche - keine moralischen Instanzen sind, sind sie üerhaupt nichts. Es gibt aber auch erste und folgende Instanzen; demokratisch entstandene Gesetze sollten meiner Meinung nach den Vorrang haben; das schließt ja nicht aus, dass man auch an ein Weiterleben nach dem (physischen) Tod eben dann nach göttlichem Recht glaubt.

4. Zu gut und böse gehört eben auch Lob und Tadel und in weiterer Folge Verdienst und Strafe. Wir müssen uns endlich damit abfinden, dass wir drei Auffassungen von Recht haben:
Das Naturgesetz
Die Religion(en)
Das von Politikern gemachte Gesetz.​
Henry Kissinger brachte es auf den Punkt: Die Konflikte auf der Welt entstehen nicht durch das Aufeinanderprallen von Recht und Unrecht, sie entstehen durch die verschiedenen Auffassungen von Recht.

5. Mit maßvoll freiheitlich lebensfrohem Gruß noch einmal zurück

Zeili

zu 1) Art. 2 I GG (für D). Allererstes Grundrecht im Katalog. Die Einklagbarkeit ist allerdings in der Tat eine hoch interessante Frage.

zu 2) einfach nur meine Meinung und Differenzierung, ich sehe zumindest diese Gefahr, da eine religiöse Veurteilung (so sie denn erfolgt) zwangsläufig von einer absoluten Position ausgeht (Gott bzw. Wahrheit).

zu 3) Gebe ich Dir Recht, nur war ja die Grundfrage des threads in der Tat (auch) eine rechtliche. Ich finde es auch sinnvoll, daß neben der individuellen Auffassung der einzelnen User, auch die bzw. eine religiöse als auch die juristische Seite beleuchtet werden. Gut so, daß es dafür unterschiedliche User gibt.

zu 4) Kann ich vom Ansatz auch nachvollziehen. Es wird Dich allerdings nicht überraschen, daß ich ebenso wie Du Variante 3 schon den Vorzug gebe, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Politiker vorher vom Volk gewählt worden sind und sich an freiheitlich demokratischen Grundrechten orientieren (auch unter Wahrung des Minderheitenschutzes). Das Problem liegt ja darin, daß z.B. bei einer Berufung auf Gott sehr unterschiedliche Normen herauskommen können (wäre auch ein gutes Thema für einen anderen thread). Gott kann ein liebevolles "Wesen" sein, aber auch ein rachsüchtiger Henker, je nachdem, wer sich auf ihn beruft. Absolutheitsansprüche sind eine gefährliche Rechtsgrundlage. Das gilt nicht nur für Gott, sondern auch für das "Naturgesetz" (schau mal in den "Fluch der Moderne" thread), denn was ist "Natur" bzw. "natürliches Recht"?

zu 5) Dir auch.

Zwetsche

Tschuldigung an alle anderen: Ist etwas off-topic geraten.
 
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