Sunnyboy
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AW: Unser Recht zu sterben...
Hallo Benjamin.
Natürlich weiß ich nicht, ob das Leben diesem Menschen noch etwas zu bieten hat, aber dieser Mensch weiß genauso wenig ob das Leben ihm nichts mehr zu bieten hat.
Abgesehen davon kann man sein Leben ja auch selbst in die Hand nehmen und sich eine Lebensaufgabe suchen (einen Partner, einen Job, ein Ehrenamt, eine Religion, einen alternativen Lebenswandel, man kann eine Familie gründen, etc. etc.) Gerade wenn man, wie die Person in deinem oben genannten Gedankenexperiment nicht schwerdepressiv ist, steht dem doch erst recht nichts im Weg.
Ich spreche dem Suizidgefährdeten nicht generell die Vernunft ab, aber ich halte Suizid ohne gegebenen äußerlichen Anlass grundsätzlich für eine unvernünftige Handlung, da sie nicht mehr rückgängig zu machen ist und das Leben für immer beendet. Und ob es ein weiteres Leben gibt oder nicht wissen wir nicht. Gibt es keins, so löscht derjenige, der eine Selbsttötung vollzieht seine Existenz aus.
Und weswegen?: Wegen Wahnvorstellungen? Wegen Probleme, für die man eine bessere Lösung finden könnte als die Selbsttötung? Oder wegen Hormonen und chemischer Prozesse im Körper oder genetischer Veranlagungen?
Sind das Gründe, sich selbst auszulöschen?
Wenn ein Mensch soweit ist, dass er sich wegen dieser Gründe das Leben nehmen will, dann gehe ich in der Tat davon aus, dass er den Überblick verloren hat und das er dringend die Hilfe von Ärzten und Psychatern benötigt, die diesen Überblick haben.
Ja, in diesem Moment sind die Ärzte mMn eher zu vernünftigen Entschlüssen in der Lage als der Patient.
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich es überhaupt erst dann in Erwägung ziehen würde dem Wunsch eines körperlich Kranken selbstbestimmt zu sterben nachzukommen, wenn dieser unheilbar an einer tödlichen Krankheit erkrankt ist, der Tod sicher ist und der Kranke durch eine vorzeitige Selbsttötung den Leidensdruck, der ihn andernfalls bis zum natürlichen Tod quälen würde, beenden könnnte.
Eine Depression, die ohne Zweifel Leid verursacht ist aber keine solche tödliche Krankheit- deswegen lege ich auch nach wievor Wert auf die Unterscheidung zwischen körperlich (unheilbar!) und psychisch krank, ohne die psychische Krankheiten damit abwerten zu wollen.
Aber zuzulassen, dass sich ein Depressiver das Leben nimmt, bedeuted, vor einer Krankheit zu kapitulieren und einen Menschen einen sinnlosen und unnötigen Tod sterben zu lassen. Das ist der Unterschied.
Wenn ein Bewusstloser in ein Krankenhaus gebracht wird, weil er schwere Verletzungen hat an denen er sterben kann, ist das eine Entwürdigung für ihn, nur weil man nicht gewartet hat bis er wieder aufgewacht ist und alleine ins Krankenhaus laufen kann?
Wohl kaum.
Genauso ist es mit dem Depressiven- die Depression ist seine Verletzung, die ihn in Lebensgefahr bringt (durch Selbstmord). Der Arzt, der nicht handelt, weil er den Patienten selbst entscheiden lassen will ob er weiterleben möchte oder nicht ist gleichzusetzen mit dem Notarzt, der wartet bis der Patient am Unfallort aufwacht- mit dem Risiko, dass er das gar nicht mehr tut.
Ich sehe in der Zwangseinweisung außerdem keine Entwürdigung- es mag sein, dass der Patient das im Moment seiner Krankheit so sieht, aber es ist ein Versuch zur Hilfe- eine Hilfe, die man aus Solidarität zu dem Patienten leistet- weil man sein Leben als schützenswert betrachtet, selbst wenn er das (aufgrund einer Krankheit) anders sieht. Das ist doch keine Entwürdigung.
Es ist nicht gesagt, dass die Zwangseinweisung zur Genesung beiträgt. Es ist aber auch nicht gesagt, dass sie es nicht tut- manchen wird bereits durchaus nach der Zwangseinweisung klar, dass er Hilfe braucht.
Die Zwangseinweisung bewirkt aber, zumindest eine Zeit lang, eines:
Das der Patient es zumindest schwerer hat, seiner Krankheit nachzugeben und sich etwas anzutun. Er kann (kann, das muss nicht zwangsweise so sein) somit Zeit gewinnen, noch einmal sein Vorhaben in Ruhe zu überdenken und es sich anders nocheinmal anders zu überlegen.
Mfg,
Sunnyboy
Hallo Benjamin.
Zitat von Benjamin:
Doch was ist, wenn ein Mensch sagt (und ich bezeichne ihn nun ganz bewusst als keinen Schwerdepressiven), er möchte nicht mehr Leben, weil das Leben für ihn nichts zu bieten hätte?
Wenn du nun in diesem Beispiel argumentierst, du wüsstest, dass sein Leben noch etwas zu bieten hat, dann halte ich das für problematisch. Problematisch vor allem dann, wenn du dir das Recht nimmst, ihm sein Recht auf Entscheidung abzusprechen.
Ich behaupte ganz unverfroren, dass du nämlich gar nicht wissen kannst, ob sein Leben noch etwas zu bieten hat.
Natürlich weiß ich nicht, ob das Leben diesem Menschen noch etwas zu bieten hat, aber dieser Mensch weiß genauso wenig ob das Leben ihm nichts mehr zu bieten hat.
Abgesehen davon kann man sein Leben ja auch selbst in die Hand nehmen und sich eine Lebensaufgabe suchen (einen Partner, einen Job, ein Ehrenamt, eine Religion, einen alternativen Lebenswandel, man kann eine Familie gründen, etc. etc.) Gerade wenn man, wie die Person in deinem oben genannten Gedankenexperiment nicht schwerdepressiv ist, steht dem doch erst recht nichts im Weg.
Zitat von Benjamin:
Du ziehst hier eine scharfe Grenze zwischen Vernunft und Unvernunft. Du sprichst, dem Menschen, der nicht mehr Leben will, die Vernunft ab, ohne einen weiteren Grund. So weit, so gut.
Ich halte Selbstmord auch für unvernünftig, wie ich unzähliges auf dieser Welt für unvernünftig halte. Aber ich nehme mir trotzdem nicht das Recht, einen Menschen aufgrund seiner Unvernunft die Entscheidungsfreiheit zu nehmen. Zumal ich erstens keine scharfe Grenze sehe, die Vernunft von Unvernunft trennt. Nicht weil es solch eine Grenze nicht geben wird, nein, sondern deshalb, weil ich nicht klug genug, nicht weitsichtig genug bin, als dass ich so klar unterscheiden könnte.
Du nimmst dir dieses Recht, oder sprichst zumindest Ärzten diese Weitsicht zu, zu unterscheiden, was vernünftig und unvernünftig ist. Zu Unrecht, meine ich.
Ich spreche dem Suizidgefährdeten nicht generell die Vernunft ab, aber ich halte Suizid ohne gegebenen äußerlichen Anlass grundsätzlich für eine unvernünftige Handlung, da sie nicht mehr rückgängig zu machen ist und das Leben für immer beendet. Und ob es ein weiteres Leben gibt oder nicht wissen wir nicht. Gibt es keins, so löscht derjenige, der eine Selbsttötung vollzieht seine Existenz aus.
Und weswegen?: Wegen Wahnvorstellungen? Wegen Probleme, für die man eine bessere Lösung finden könnte als die Selbsttötung? Oder wegen Hormonen und chemischer Prozesse im Körper oder genetischer Veranlagungen?
Sind das Gründe, sich selbst auszulöschen?
Wenn ein Mensch soweit ist, dass er sich wegen dieser Gründe das Leben nehmen will, dann gehe ich in der Tat davon aus, dass er den Überblick verloren hat und das er dringend die Hilfe von Ärzten und Psychatern benötigt, die diesen Überblick haben.
Ja, in diesem Moment sind die Ärzte mMn eher zu vernünftigen Entschlüssen in der Lage als der Patient.
Zitat von Benjamin:
Du sprichst auch immer wieder vom physisch Gesunden, der sich ohne wirklichen Grund umbringen will. Nun sage ich dir aber, dass eine schwere Depression ein Grund ist. Eine schwere Depression bedeutet Leid und Elend. Niemand anders als der Leidende selbst möchte am ehesten zur Genesung. Du unterscheidest immer wieder zwischen körperlichen und seelischen Leiden. Für den Leidenden gibt es in Anbetracht der Schmerzen keinen Unterschied. Ab einem gewissen Grad von Schmerzen wächst der Wille zu sterben.
Einem körperlichen Kranken gibt man das Recht eine Behandlung abzulehnen bzw. das Recht sich die Behandlung auszusuchen. Und dem seelisch Kranken will man dieses Recht absprechen???
Es gibt auch viele körperlich Kranke, die eine Behandlung bräuchten, sie aber ablehnen. Spricht man ihnen die Entscheidungsfreiheit ab? Zwingt man sie zur Behandlung? Oder erkennt man ihnen keine Vernunft an?? Nein. Es wäre auch Unrecht.
Bei körperlich Kranken sind die Leiden offensichtlicher. Daher kann die Umgebung diesen Menschen gegenüber mehr Würde aufbringen. So viel Würde, dass man ihnen immer die Entscheidung offen legt. Selbst dann wenn ihre Entscheidung womöglich den Tod mit sich bringt.
Doch den seelisch Kranken verwehrt man dieses Recht. Ich meine deshalb, weil die Menschen ihre Leiden oft nicht verstehen.
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich es überhaupt erst dann in Erwägung ziehen würde dem Wunsch eines körperlich Kranken selbstbestimmt zu sterben nachzukommen, wenn dieser unheilbar an einer tödlichen Krankheit erkrankt ist, der Tod sicher ist und der Kranke durch eine vorzeitige Selbsttötung den Leidensdruck, der ihn andernfalls bis zum natürlichen Tod quälen würde, beenden könnnte.
Eine Depression, die ohne Zweifel Leid verursacht ist aber keine solche tödliche Krankheit- deswegen lege ich auch nach wievor Wert auf die Unterscheidung zwischen körperlich (unheilbar!) und psychisch krank, ohne die psychische Krankheiten damit abwerten zu wollen.
Aber zuzulassen, dass sich ein Depressiver das Leben nimmt, bedeuted, vor einer Krankheit zu kapitulieren und einen Menschen einen sinnlosen und unnötigen Tod sterben zu lassen. Das ist der Unterschied.
Zitat von Benjamin:
Eine Zwangseinweisung verletzt die Würde des Patienten. Darüber hinaus halte ich sie für kein Mittel, dass etwas zur Genesung beiträgt.
Wenn ein Bewusstloser in ein Krankenhaus gebracht wird, weil er schwere Verletzungen hat an denen er sterben kann, ist das eine Entwürdigung für ihn, nur weil man nicht gewartet hat bis er wieder aufgewacht ist und alleine ins Krankenhaus laufen kann?
Wohl kaum.
Genauso ist es mit dem Depressiven- die Depression ist seine Verletzung, die ihn in Lebensgefahr bringt (durch Selbstmord). Der Arzt, der nicht handelt, weil er den Patienten selbst entscheiden lassen will ob er weiterleben möchte oder nicht ist gleichzusetzen mit dem Notarzt, der wartet bis der Patient am Unfallort aufwacht- mit dem Risiko, dass er das gar nicht mehr tut.
Ich sehe in der Zwangseinweisung außerdem keine Entwürdigung- es mag sein, dass der Patient das im Moment seiner Krankheit so sieht, aber es ist ein Versuch zur Hilfe- eine Hilfe, die man aus Solidarität zu dem Patienten leistet- weil man sein Leben als schützenswert betrachtet, selbst wenn er das (aufgrund einer Krankheit) anders sieht. Das ist doch keine Entwürdigung.
Es ist nicht gesagt, dass die Zwangseinweisung zur Genesung beiträgt. Es ist aber auch nicht gesagt, dass sie es nicht tut- manchen wird bereits durchaus nach der Zwangseinweisung klar, dass er Hilfe braucht.
Die Zwangseinweisung bewirkt aber, zumindest eine Zeit lang, eines:
Das der Patient es zumindest schwerer hat, seiner Krankheit nachzugeben und sich etwas anzutun. Er kann (kann, das muss nicht zwangsweise so sein) somit Zeit gewinnen, noch einmal sein Vorhaben in Ruhe zu überdenken und es sich anders nocheinmal anders zu überlegen.
Mfg,
Sunnyboy