Wann schämen sich Menschen?
Wie gehen Menschen mit ihrer Scham um?
Soll der Mensch sich schämen können?
Aus philosophischer Betrachtung ist Schamempfindung eine Tugend der Selbsterkenntnis und das der Mensch sich schämt liegt in seiner Natur. Es gibt einen netten erkenntnistheoretischen Ansatz aus dem Alten Testament, wo beschrieben wird wie Eva, als sie vom Baum der Erkenntnis aß, sich ihrer selbst bewusst wurde, sie sah dass sie nackt war und schämte sich. Sie hat etwas verbotenes getan, ein Gesetz gebrochen -- sie gewann dadurch die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis, die mit einer schmerzvollen Erfahrung einherging: dem Gefühl der Scham. Die Scham weist auf Verletzbarkeit hin - die eigene und auch die der anderen. Erkenntnis ist nur möglich durch Grenzüberschreitung und geht mit Schmerz einher.
Was der Mensch vor allem soll, ist zu verhindern, dem anderen ein Gefühl zu geben, dass er/sie sich zu schämen habe (Nietzsche: Was ist dir das Menschlichste? Jemanden Scham zu ersparen.) sofern ihm etwas an seinem Gegenüber liegt.
Der Mensch schämt sich heute mehr denn je, nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere die den gegenwärtigen gesellschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht werden (man schämt sich für die Raucher, Alkoholtrinker, für diejenigen die noch Fliegen, die Fleisch konsumieren, für weiße, männliche Heterosexuelle, für Großkonzerne usw.) und das Paradoxe dabei ist, dass wir dadurch in einer Kultur der Schamlosigkeit angekommen sind.
Durch den Verlust der Scham entsteht im zwischenmenschlichen Umgang keine Demut mehr, ja nicht einmal die Bereitschaft für eine Diskussion, bei gegensätzlicher Weltanschauung/Bedürfnisbefriedigung. Sobald jemand dem gesellschaftlichen Soll nicht mehr entspricht wird er/sie entweder mundtot gemacht oder anderweitig bestraft. Die Scham wird instrumentalisiert und als Waffe eingesetzt um das Entgegengesetzte zu vernichten und leider bedeutet ihr Verlust, auch ein Verlust unserer Selbst.