Du hast Schopenhauers Aussage auch noch immer nicht verstanden.
Schopenhauer sagt, das der Mensch grundsätzlich tun kann was er will.
Das nennt man Handlungsfreiheit und die bestreitet er auch nicht.
Ich sehe nicht, wo ich ihn nicht verstanden hätte.
Auch in der allgemeinen Diskussion über Willensfreiheit wird zwischen Willens- und Handlungsfreiheit unterschieden.
Aber er denkt tiefer und fragt: Was führt zu diesem wollen?
Kann ich wollen was ich will? Diese Frage beantwortet er bekannterweise mit einem Nein.
Klar, es gibt keine endlose Aneinanderreihung von Willensakten, denn da gebe es nie eine Handlung.
Stattdessen hat der Mensch Bedürfnisse die er sich selbst nicht aussuchen kann.
Ja, auch das ist bekannt, mir auch.
Es ist der Punkt, dass Willensakte nicht frei von Ursachen sind.
Das ist aber kein Hindernis, sondern eine
Bedingung für Freiheit.
Die Libertaristen verfehlen diesen Punkt, weil sie nicht erklären können, wie man etwas wollen kann, ohne es zu kennen.
Ob Bier, Urlaub, Liebe oder Glück, ich muss es kennen, um es zu wollen. Damit ist die Ursache ein Grund für meinen Willen.
Dass man bestimmte Neigungen hat, ist ebenfalls kein Nachteil oder Hindernis, sondern unsere Individualität. Der eine mag lieber Kirsche, der andere Vanille, einer eher Bach, der andere Motörhead. Ob das nun ererbt, erworben oder sonst was ist, spielt keine Rolle, denn irgendwelche Eigenschaften, Neigungen muss man haben, sonst kann man schlicht nichts wollen.
Man muss auch nicht wissen, wo diese Eigenschaften herkommen, es reicht zu wissen, dass man sie hat.
Könnte man sie willkürlich verändern, wäre man nicht freier, sondern niemand. Hier greift das Argument, dass weder Zufall, noch Willkür die Freiheit vergrößern.
Aber wenn ich nicht die Wahl habe welche Bedürfnisse ich habe, welche Wahl habe ich dann eigentlich wirklich zwischen A und B getroffen?
Die, auf der Basis meiner indviduellen Neigungen. Das ist es, was man unter Willensfreiheit versteht.
Da ich keine Wahl über meine stärksten Bedürfnisse habe, habe ich nur getan was mir diese Bedürfnisse diktiert haben, die ich mir nicht ausgesucht habe.
Man kann definieren, dass Freiheit erst gegeben ist, wenn man frei von allen Bedürfnissen ist, aber das ist in der Regel nicht das, was wir mit dem Menschsein verbinden.
Wenn wir über Willensfreiheit diskutieren, meinen wir aber, ob der Mensch hilflos seinen Trieben ausgeliefert ist und wenn man innehalten kann, also über Impulskontrolle verfügt - gewöhnlich die Eintrittspforte in die soziale Gemeinschaft - und nicht reflexhaft auf jeden Innen- oder Außenreiz reagiert, ist das gegeben.
Wenn man jetzt nicht den Atem zu einem Fundamentalproblem der Willensfreiheit machen will - ich sehe keinen Sinn darin - dann kann man überdies feststellen, dass auch sogenannte fundamentale Triebe vom Menschen verändert werden können.
Die Bulimikerin hat mit dem Überlebenstrieb im Zweifel nichts am Hut, ebenso wenig der Selbstsprenger, d.h. Ideologien, Pathologien und auch Werte, von denen man überzeugt ist, die einem ein Gefühl der Macht oder des richtigen Handelns geben, sind problemlos in der Lage noch die fundamentalsten Triebe abzuwürgen.
Andere Bedürfnisse wären vielleicht viel besser für mich, aber ich kann sie mir nicht aussuchen, ich habe die die ich habe und ich habe sie mir nicht ausgesucht.
Und wenn Du sie Dir aussuchen könntest, wer wärst Du dann? Vielleicht Gott oder Superman, aber wohl nicht jemand, den wir meinen, wenn wir nach der Willensfreiheit des Menschen fragen. Und darum geht es ja, wenn wir wissen wollen, ob ich dieses Auto kaufen, diese Partei und jenen Beruf wählen wollte oder musste. Oder diese Straftat begehen.