Einer empfundenen Scham wohnt eines inne: Angst. Die Angst beispielsweise vor Liebesentzug als Reglementierung. Durch jene, die über das sich schämende Subjekt Macht ausüben. Es Regeln unterwerfen, die nicht evolutionär entstanden sind sondern als subtiles Werkzeug der Unterwerfung. Um beispielsweise religiöse oder sexuelle Ideale zum Nutzen weniger durchzusetzen, Sahen wir im Mittelalter zur Ruhigstellung der Armen durch den Klerus, auch als neuzeitliches Mittel, Frauen auf dem Weg der Gleichberechtigung einzubremsen. Scham kennen wir nicht aus dem Tierreich, ist dem Menschen je nach gesellschaftlicher Prägung und intellektuellem inneren Erkenntnisstand zu Eigen. Habe im engeren Freundeskreis eine Frau, die musste auf der Fahrt von der Arbeit nachhause plötzlich unaufschiebbar Wasser lassen. Ihr Lebensgefährte fuhr, sie stieg an der nächsten Ampel aus, setzte sich neben das Auto und verrichtete ihr Geschäft. Nie zuvor habe ich jemanden getroffen, der solch eine Angstfreiheit besaß, solch eine Stärke, sich nicht um die anerzogene Fremdbestimmung, also die empfundene Verurteilung in den Augen anderer zu kümmern.
Diese Fremdbestimmung ist die eigentliche Wirkweise von Scham. Beim vorher gelesenen Beispiel der im Nachhinein empfundenen Scham über den scheinbaren Verrat an einer Mit-Patientin möchte ich majanna gern trösten. Nichts an der geschilderten Situation ist schämenswert. Die Ursache der Selbstverletzung zu kennen, heißt nicht, dass sie dem Mädel hätte helfen können. Deren Geständnis ihr gegenüber, zeigt nur das besondere Vertrauen samt der Erwartung von Hilfe. Um die die Ärzte zu bitten verbot ihr natürlich die "falsche" Scham, die bei Versagen des Scham-Mechanismus gern benutzte Floskel zur Entschuldigung. Unzweifelhaft war bei dieser Selbstverletzung und den sicher ernst zu nehmenden Ursachen, professionelle Hilfe zu ermöglichen eher ein Akt von Nächstenliebe. Das entstandene Dilemma zeigt, was die Kollision zweier gegensätzlicher Moralforderungen anrichtet.
Mein persönliches Ideal ist, eigene Verantwortung fürs Leben zutragen ohne den anerzogenen Moralvorstellungen zu viel Raum zu geben. Dem über uns richtenden Umfeld nicht gefallen zu wollen, zu müssen.
Die Kosmetikindustrie zeigt perfide, wie neue Aspekte der Scham etabliert werden. Sah in einem Beitrag im TV zwei Frauen, die sich ohne die regelmäßige Rasur oder Epilierung ihrer Arme, Beine usw. schmutzig, nicht begehrenswert fühlten.
Dabei finde ich, kann ein zarter Flaum, vom Gegenlicht untergehender Sonne angeleuchtet, ungemein erotisierend wirken. Als Ausgleich dafür, brauchen sich nun seit geraumer Zeit die Grünen nicht mehr dafür schämen, schwere Waffen zu exportieren oder Frackinggas aus den USA zu importieren. Wer die Macht hat, macht die Moral.