Hallo Zeilinger,
danke für die schnelle Reaktion.
Um nochmal auf den Begriff der Wesenheit zurückzukommen. Einerseits stattest du die "Wesenheit" scheinbar mit allen dir nur irgend denk- und vorstellbaren Möglichkeiten aus, andererseits aber stellt, wenn ich dich richtig verstanden habe, nahezu alles Seiende in seiner Gänze (also Menschen, Tiere etc.) auch eine Wesenheit dar. Insofern kann es also nicht die Wesenheit sein, welche du mit göttlichen Eigenschaften belegst, sondern ist es vielmehr die Tatsache, dass du einer hierarchischen Vorstellung folgst, nach welcher Gott als oberste Wesenheit die Allmacht über untergeordnete Wesenheiten hat. Das, was der Mensch offenbar nicht vermag, wird also durch die vollkommene Wesenheit Gott zur Vollendung gebracht und somit das absolute Harmoniestreben erfüllt.
Liege ich in etwa richtig?
Ich meinte nicht, dass du dich in irgend einer Form akademisch ausdrücken müsstest, es ging mir in meiner Anmerkung des letzten Postings auch nicht um die Vielfalt der Wortwahl und Stil bzw. Ausdruck des Textes, sondern vielmehr um die Problematik der gegenseitigen Verständigung die entstehen kann, wenn man gängige Begriffe (z.B. das Wesen) selbst verwendet, jedoch nicht der eigentlichen Bedeutung nahe kommt.
Das Wesen einer Sache ist in der Regel nicht die Sache selbst, sondern beschreibt das Kernstück eben jener Sache, was das Seiende zwar ausmachen kann, aber nicht selbst sein muss.
Wenn du also behauptest, Gott sei eine Wesenheit, dann gehe ich entweder davon aus, dass deine Gottesvorstellung allein das absolute Wesen als seiend ansieht, also alles Seiende letztlich auf ein absolutes Wesen reduziert, oder aber ich empfinde dies als widersprüchlich zu meiner eigenen Vorstellung von Wesenheit, die ich dann erst mühsam zur deinigen Vorstellung umbilden müsste, damit ich letztlich verstehe, was du eigentlich aussagen möchtest. Ich hoffe du verstehst, worauf ich hinaus will.
Es geht mir nicht darum, dass du dich selbst als Gott empfinden solltest, sondern darum, dass das Bedürfnis nach diesem Absoluten erst durch ein entsprechendes Denken bedingt wird. Diesem Denken liegt ein festes Wertemuster zu Grunde. Die Probleme sehe ich vor allem darin, dass man diese Werte als beständig empfindet und nicht, oder nur sehr bedingt, über diese selbst reflektieren kann, da man diese Werte als nicht durch sich existent ansieht, sondern als höhergestellt, gar als unantastbar vom eigenen Verständnishorizont. Und ein solches Denken verursacht, wie du ja auch selbst richtig einschätzt, immer dann Probleme, wenn Menschen sich begegnen, voneinander abhängig sind, jedoch gegensätzliche Wertvorstellungen haben und diese nicht aneinander anpassen können, da die eigene jeweils als Absolutum empfunden wird.
Zu deiner Frage ob ich an Gott glaube. Ich fing an den Erzählungen und Geschichten, die ich von meinen Eltern, Großeltern und bald auch Kindergärtnerinnen/Religionslehrern über den "lieben Gott" erzählt bekam, etwa mit 7-8 Jahren erstmals zu folgen. Das heißt, ich stellte mir einen Gott eben so vor, wie ich ihn vermittelt bekam, nämlich als alten Herren mit langem weißen Bart, der oben in den Wolken thront und besonders auf mich, aber auch alle anderen Menschen, teils mahnend, teils wachend und beschützend, herabschaut. Ich spürte als Kind, wie wichtig den Erwachsenen um mich herum dieser Herrgott war und empfand daher auch bald Respekt für ihn. Zwar war mir damals doch sehr suspekt, wie ein Gott gleichzeitig alles und jeden auf der Welt überblicken soll, aber auf solch kindlich naive Fragen erntete ich lediglich ein mildes Lächeln mit dem kurzen Kommentar: "Mein Kleiner, Gott ist allmächtig, der kann und weiß alles und schaut dir immer zu, egal was du machst".
Aber ich hörte nicht auf mit fragen und so kam es, dass ich vermehrt von Zweifeln heimgesucht wurde. Je mehr widersprüchliche Antworten von Erwachsenen und Religionslehrern ich auf meine zum Teil bohrenden Fragen erhielt, desto stärker wurden diese Zweifel. Mit 12 Jahren stellte ich dann fest, dass mit mir etwas nicht normal sein kann, weil ich offenbar als einziger weiß, dass das mit Gott alles Blödsinn sein muss.
Inzwischen, 14 Jahre später, ist meine Ansicht etwas differenzierter und hat sich entwickelt, auch stellte ich bald fest, dass es durchaus noch andere Zweifler gibt und ich nicht alleine bin. Meine kindliche Zweifelei wurde von den Erwachsenen stets belächelt und als typisch kindlicher Protest abgetan. Zeitweise glaubte ich selbst an diese Protesttheorie und wartete neugierig darauf, ab wann ich denn nun endlich wieder Gläubig werden würde, nun, ich warte heute noch darauf
Im Übrigen empfinde ich das Sein auch ohne feste Seinvorstellung und gerade deshalb als höchst faszinierende Angelegenheit. Ich bin kein Materialist und auch sonst keiner Theorie verfallen, sondern genieße nach bester Möglichkeit die gesamte Bandbreite, die mir das Sein bietet und liebe das Denken und Hinterfragen. Ich habe es als Kleinkind geliebt und diese Leidenschaft ist mir zum Glück bis heute bewahrt geblieben.
Viele Grüße,
Philipp