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Was ist Beziehungsfähigkeit?

Was ist das Schwierigste in Beziehungen?

  • Leute kennenlernen

    Stimmen: 2 6,7%
  • Sich verständigen

    Stimmen: 3 10,0%
  • Gemeinsamkeiten entwickeln

    Stimmen: 0 0,0%
  • Das (alltägliche) Miteinander gestalten

    Stimmen: 8 26,7%
  • Konflikte bewältigen

    Stimmen: 9 30,0%
  • Sich in der Beziehung entwickeln und entfalten

    Stimmen: 6 20,0%
  • Sich aus einer Beziehung lösen

    Stimmen: 2 6,7%

  • Umfrageteilnehmer
    30
Verstehen, sich und einander verstehen

Hallo Lilith,

ein Thema greife ich erstmal auf... das Verstehen. Jahrelang habe ich mich an der naturwissenschaftlichen Orientierung der Psychologie gerieben, die als Wissenschaft vom Verhalten des Menschen nach Erklärungen sucht. Es gab und gibt vermutlich immer noch viele Psychologen, die nicht verstehen können, dass und warum es Psychologen gibt, die etwas verstehen wollen - also sagte ich mir, behalte Deine Gedanken für Dich und warte 30 Jahre.
20 Jahre sind jetzt rum...
Hermeneutik als Theorie des Verstehens hat mich eine Zeit lang intensiv beschäftigt. Ein Gedanke von Schleiermacher ist hängen geblieben: (sinngemäss) die strenge Praxis der Hermeneutik geht davon aus, dass sich das Missverstehen von selbst ergibt, und das Verstehen muss an jedem Punkt gesucht und gewollt werden.
Nun - der Vorteil bei einem solchen Forum ist ja, dass ich mehrmals lesen kann, mir Zeit lassen kann und wenn ich überlege, wie eine Aussage wohl gemeint war, dann bleiben oft mehrere Möglichkeiten offen. Im Gespräch ist das schwieriger, denn "Zurückhören" geht ja nicht. Mein Eindruck ist, dass es oft an der Bereitschaft fehlt, nachzufragen und zu überprüfen, ob das Verstandene auch dem entspricht, was wirklich gemeint war. So gesehen könnte man Verstehen definieren als "eine Aussage so verstehen, wie sie gemeint war". Dahinter steht aber manchmal noch das Problem, das "Gemeinte" auch klar genug "zur Sprache zu bringen".
Ein grosses Hindernis scheint mir zu sein, dass Kommunikation immer noch häufig so verstanden wird, dass "ein Sender einem Empfänger eine Nachricht übermittelt". Das Modell wurde 1948 (!) von zwei Nachrichtentechnikern entwickelt und ist für das Verständnis zwischenmenschlicher Kommunikation nur sehr begrenzt tauglich. Ähnlich wie das Gespräch in der Sprechwissenschaft als "wechselseitig intentionale Verständigungshandlung" definiert wird, lässt sich auch die medienvermittelte schriftliche Kommunikation in einem Forum wie hier als wechselseitiger Prozess verstehen, in dem Sinn gemeinsam konstituiert wird und eben nicht "in der Nachricht selbst" irgendwie "drinsteckt".
Missverständnisse sind etwas Alltägliches, davon gehe ich im Anschluss an Schleiermacher aus. Hinter den Gedanken, dass wir in unserer Wirklichkeit gefangen sind, möchte ich aber ein Fragezeichen machen. Zugestanden, aus theoretischen Überlegungen heraus und mit Bezug auf eigene Erfahrungen - das Verstehen, das Sich-und-einander-Verstehen hat Grenzen. Wer es kompliziert mag: Erst im Verstehen des Nichtverstehenkönnens entfaltet sich die wahre Kunst der Hermeneutik. Das zumindest war eine meiner wichtigsten Schlussfolgerungen. Die Hoffnung ist trotzdem geblieben, dass sich das Verstehen entwickeln lässt und es möglich ist, sich selbst und andere im Laufe der Zeit besser verstehen zu können.

Vielleicht ist das auch ein Motiv für die Beteiligung an einem Forum - das Interesse daran, den je eigenen Horizont zu erweitern, die eigene Wahrnehmung der Wirklichkeit ergänzen und bei Bedarf korrigieren zu können.

lg Methusalem:blume2:
 
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über das verstehen

Erst im Verstehen des Nichtverstehenkönnens entfaltet sich die wahre Kunst der Hermeneutik.
danke methusalem,
für diesen satz.
erst heute habe ich mir den inhalt wieder hergeholt und darüber meditiert - komisch gell, da hattest du ihn noch gar nicht geschrieben. :)

das wort hermeneutig hab ich vor zwei jahren erst hier im forum gelernt und es ist zu einem meiner lieblingsworte geworden.

"erst wenn du verstehst, dass du manches nicht wirst verstehen können, verstehst du auch dein schicksal.".....das hab ich mir heute gedacht.

lg kathi
 
Gefühle SIND

Die Gefühle sind mE der Bereich, wo wir am genauesten feststellen können, ob wir mit uns selbst und mit anderen im Einklang sind.

Leider lernen wir nicht wirklich, auf welche Weise wir diese Wahrnehmungsmöglichkeit richtig nützen können. Im Gegenteil, wir lernen durch die Dressur auf die gesellschaftlichen Spielregeln, unseren Gefühlen keinerlei Beachtung zu schenken und sie sogar als Störfaktor anzusehen. Das führt ja leider oft genug dazu, dass manche/r überhaupt nichts mehr fühlt, "weil seine Gefühle ja sowieso immer falsch sind".

Ich selbst hab aufgrund von traumatischen Ereignissen auch mühsam wieder "fühlen gelernt" und heute weiß ich, dass ich mir und dem was ich fühle, vertrauen kann. Auch wenn ich manchmal von meinen Mitmenschen deswegen belächelt bzw. als ein bisschen unbedarft angesehen werde. :)

Also nochmal zu Lilith... wenn es um Gefühle geht, stelle ich bei mir ein gewachsenes Bedürfnis nach Präzision fest. Der "Einklang mit sich selbst und anderen" kann unterschiedliche bedeuten... rein rational kann es bedeuten: wir sind derselben Ansicht. Oder: ich verstehe etwas so, wie es gemeint war. Oder: ich bin authentisch, spiele nicht etwas vor, sondern zeige mich, wie ich bin und sage, was ich wirklich denke. Einklang kann auch bedeuten: wir verstehen uns, was nicht bedeuten muss, immer derselben Meinung zu sein.

Wenn dieser Einklang nicht da ist, möchte ich zwischen Gefühlen und "metakognitiven Empfindungen" unterscheiden, wobei die "metakognitiven Empfindungen" ein wenig gebräuchlicher Begriff sind. Ein nettes Beispiel dazu fand ich einmal bei Polanyi - da hatte einer behauptet, die Trächtigkeitsdauer von Kühen sei immer ein ganzzahliges Vielfaches der Zahl Pi. Das "dumpfe Gefühl, dass das irgendwie nicht stimmen kann" ist ein Beispiel für eine metakognitive Empfindung - das Denken wird durch Empfindungen begleitet, die die "Stimmigkeit" des Denkens oder eines Gedankens beurteilen. Auf den Zusammenhang von Stimme, Stimmung und Stimmigkeit möchte ich hier nur nebenbei verweisen...

Gefühle SIND. Ich halte nicht viel von der bei Transaktionsanalytikern gelegentlich zu findenden Unterscheidung von "echten" und "unechten" Gefühlen und schon gar nichts davon, wenn irgendjemandem eingeredet wird, er oder sie habe "falsche Gefühle". Ich kann mich noch an den Ärger einer etwas älteren Dame erinnern, die mir von ihrer Begegnung mit ihrem Arzt erzählte. Nicht nur, dass sie medikamentenabhängig geworden war, weil sie die verschriebenen Schlaftabletten fleissig genommen hatte, auch die Kopfschmerzen wurden ihr als "Fehler" vorgeworfen. "Bei dem bisschen Hirn, das Sie noch haben, kann doch gar nichts weh tun!". Schmerzempfindungen und Gefühle sind Erlebnismomente und nicht unbedingt an objektive, beobachtbare Sachverhalte gebunden. Angst kann ich auch haben, wenn es "eigentlich keinen Grund dafür gibt". Meine eigene Vorstellung, dass etwas Schlimmes geschehen könnte, ist Grund genug. Und vielleicht lohnt es sich, zu fragen, ob es da eine reale Gefahr gibt - und darüber nachzudenken, welche Schutzmassnahmen sinnvoll sein könnten. Das Gebot "Du sollst nicht fühlen" ist genauso unsinnig wie "Du sollst nicht sehen". Menschen haben Augen im Kopf, damit sie etwas sehen können und Gefühle haben ebenfalls eine wichtige Funktion. Vor allem sind sie SCHNELL. Oft eilen sie den Gedanken voraus und steuern die Intuition, wo klare Fakten noch nicht bekannt sind.

Beziehungsfähigkeit, so meine These, hat viel mit dem Umgang mit Gefühlen zu tun, zeigt sich in der Fähigkeit zu fühlen, Gefühle deuten und untersuchen zu können und auch: ihnen in angemessener Form Ausdruck verleihen zu können.

Wer seine Gefühle ernst nimmt, ist deshalb für mich nicht "unbedarft" - unbedarft sind die anderen, die ihre eigene Emotionaliät leugnen, nicht mit ihr umzugehen gelernt haben oder unter Alexithymie leiden - also ihre eigenen Gefühle nicht spüren (nicht "lesen") können.

lg Methusalem:blume2:
 
Ärger-Aggression, Sein und Sollen

Hallo Kathi,

bevor ich auf das "kreative Sauersein" eingehe, möchte ich von einer Einsicht berichten, die noch aus der Zeit VOR meinem Studium stammt.
Stinksauer war ich durch die Gegend gestapft und fragte mich, warum ich eigentlich so wütend bin. Und dabei klingelte dann die Idee, dass es hier ein Prinzip gibt. Ich ärgere mich, wenn die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollen.
Viele Jahre später habe ich diesen Gedanken erweitert: Warum sollte eigentlich irgend jemand oder irgendetwas auf der Welt so sein, wie ich es haben möchte? Stelle ich das Sollen in Frage und löse mich davon ab, löst sich der Ärger in Luft auf. Wie oft ärgern sich die Menschen darüber, dass "im Wald Bäume stehen" oder "der Himmel blau" ist. Der Umgag mit anderen Menschen verändert sich, wenn ich mich davon distanziere, sie nur durch die Brille meiner eigenen Erwartungen zu sehen, festzulegen, was wie sein soll und mich daran zu klammern.
Hilfreich war auch eine Bemerkung meines Stationsleiters in der Zeit, als ich als Zivildienstleistender in einem gerontopsychiatrischen Pflegeheim arbeitete: ich sollte mir immer dessen bewusst bleiben, was andere aus ihrer Krankheit heraus tun. Jahre später beobachtete ich, wie eine Altenpflegerin einen Parkinsonkranken anmeckerte, er solle doch nicht so zittern. Inzwischen etwas schlauer geworden, dachte ich mir: Parkinson heisst, das extrapyramidalmotorische Zentrum ist gestört, der Mann KANN GAR NICHT ANDERS als Zittern, also warum sollte ich ihm deshalb Vorwürfe machen. Also ärgere ich mich eben nicht - und das Merkwürdige ist, dass die Analyse dieses Sichzusichverhaltens ("ich ärgere mich" - wer ärgert da wen und warum?) potentiell immer die Chance in sich birgt, sich anders zu sich selbst zu verhalten. Manchmal kann ich mich einfach dazu entschliessen, ich eben nicht zu ärgern, indem ich mir sage: Nein, darüber rege ich mich jetzt nicht auf (mein persönliches Energiesparprogramm).
Ärger kann aber auch etwas Wertvolles haben. Einer meiner Lehrer hatte sich angewöhnt, seinen Garten umzugraben, wenn er sich mal wieder geärgert hatte und - vermutlich war sein Garten recht gepflegt. Verschieben und anderswo die Energie abbauen, kann also eine kreative Möglichkeit sein.
Andererseits... gibt es auch Situationen, in denen Ärger zu einem Impuls werden kann, das Ärgerliche zu verändern. Es muss ärgerlich gewesen sein immer wieder nass zu werden, wenn es regnet. Es muss ärgerlich sein, wenn dann gerade keine Höhle in der Nähe ist, in die man sich zurückziehen kann. Also... haben die Menschen das HAUS erfunden. Vielleicht hat Edison die Glühbirne erfunden, weil er Goethes Ärger über die tropfenden Kerzen irgendwie nachempfinden konnte?

Damit ist bestimmt noch nicht alles erschöpfend reflektiert.
Aber... ich brauche jetzt mal eine Denkpause...

lg Mehusalem:regen:
 
feuer-energie setzt etwas in bewegung

lieber methusalem,
ja auch deiner obigen antwort kann ich zustimmen und sie vollständig nachempfinden.
ganz genau das hab ich mir heute eben gedacht: ich MUSS zur kenntnis nehmen, dass manches und mancher mensch nicht so ist, wie ich es/ihn gerne hätte.
...und warum auch sollte es/er so sein....weil ich dann mein leben schöner fände?
weil es dann leichter wäre für mich?
weil ich mich dann vielleicht nicht deklarieren müsste, was ich mag und was nicht?
weil ich mich dann weiterhin unbewusst durch mein leben durchlavieren könnte?

ärger ist für mich dazu da, mir meiner selbst wieder ein stück mehr bewusst zu werden.
manchmal ist er eine antriebskraft, etwas zu verändern....und den regenschirm zu erfinden.
manchmal ist er ein hinweis festzustellen, dass ich alleine nicht das maß aller dinge bin....und dann muss ich meine weltsicht verändern....dann muss ich meine kleine überheblichkeit einem größeren anpassen....und meinen "hut ziehen" vor der dem wasserschwall, gegen den mein regenschirm keine chance hat.


aggression ist feuer, und dieses heißt veränderung. entweder im außen oder im innen....und das herauszufinden, ist schon wieder eine kunst.

liebe grüße
:wut1: kathi :wut1:
 
Schemaanalyse nach Young Teil 1: Interpretationen

"1. Verlassenheit: Fehlt es in der Kindheit an Stabilität und Sicherheit, ist das emotionale Klima in der Familie kalt, kann sich das Schema Verlassenheit entwickeln. Menschen, die sich in dieser Lebensfalle befinden, haben ständig Angst, allein gelassen zu werden. Deshalb bleiben sie entweder isoliert oder klammern."

Quelle: http://www.stangl-taller.at/ARBEITSB...therapie.shtml

Die Angst vor dem Verlassenwerden... und das Klammern... was heisst das eigentlich genau, wie sieht das aus und in welcher Form wird es zu einem Problem, wenn dieses Schema wirksam ist?

Eifersucht kann eine Konsequenz daraus sein, das ängstliche Beobachten, was der oder die andere macht... findet sich da vielleicht ein besserer Partner, eine bessere Partnerin? Werden an sich harmlose Vorgänge dramatisiert, aus Angst, darin schon ein Anzeichen für die Absicht einer Loslösung, möglicherweise einer Trennung zu erkennen?

Ist die "Bindung auf Lebenszeit" heute noch realistisch? Wie steht es um die Chancen, noch eine neue Partnerschaft begründen zu können, wenn das 30., 40., 50... Lebensjahr erreicht ist?

Ist es sinnvoll, eine Partnerschaft aufrechtzuerhalten nur aus der Angst vor dem Alleinsein heraus?

Wenn "ich" "ohne Dich" "nicht leben kann", dann bin "ich" abhängig - und die Beziehungsgestaltung ist von Angst geprägt. Liebevoll kann sie nur werden, wenn "ich" "mit Dir" zusammen leben WILL.
 
Gefühle und soziale Beziehungen

Die Angst, das Falsche zu tun, macht die Menschen immer einsamer.

Dieses Zitat habe ich herausgegriffen, weil sich daran verschiedene Dinge deutlich machen lassen. Zum einen - dass soziale Beziehungen sehr viel mit Gefühlen zu tun haben. Beziehungsfähigkeit zu entwickeln bedeutet dann aber auch, den Umgang mit Gefühlen zu berücksichtigen. Nun, was das Thema Angst anbelangt, hat die Verhaltenstherapie sehr konkrete Methoden entwickelt, die unter anderem auf der Einsicht beruhen, dass Angst und Entspannung nicht zusammenpassen - insgesamt läuft es darauf hinaus, dass man Ängste regelrecht "verlernen" kann. Die Schwierigkeit besteht aber darin, eine Methode zu finden, die sich auf alle Gefühle anwenden lässt. Je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich zu dem Schluss - die gibt es nicht, kann es nicht geben, weil die einzelnen Gefühle unterschiedliche Funktionen haben. Und wenn dann der Begriff "Technik" fällt, stehen mir schon die Haare zu Berge... es hat seinen Grund, dass in der Psychotherapie nicht alle Verfahren anerkannt sind. Trotz alledem fällt mir als Methode für den Umgang mit Gefühlen immer wieder das FOCUSING ein. Eine grobe Einführung findet sich bei http://de.wikipedia.org/wiki/Focusing - so manches steht da aber auch nicht... Wenn man sich mit Eugene Gendlin auseinandersetzt, etwa Videos ansieht, in denen er das Focusing demonstriert, wird deutlich, dass seine Haltung stark durch die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie geprägt ist. Ein typischer Satz von ihm ist: "nun wollen wir das Gefühl mal begrüssen"... Die wohlwollende Haltung sich selbst gegenüber ist ein entscheidendes Moment dabei. Sich selbst mit der eigenen Gefühlswelt anzunehmen, sich selbst Wertschätzung entgegenzubringen - ich glaube, ohne diese Haltung "funktioniert" die Methode nicht, und wer sie nur als "Technik" einsetzt, wird damit nicht sehr viel erreichen. Die "Angst, das Falsche zu tun" erinnert an den "inneren Kritiker", die Neigung, alles zu hinterfragen und damit den eigenen Gefühlen nie so recht über den Weg zu trauen. Eine gewisse Skepsis ist schon angebracht - meine Gefühle führen mich manchmal in die Irre, meine Gedanken tun es auch. Die Wahrnehmungspsychologie beschreibt und untersucht auch Wahrnehmungsstörungen - sehr bekannt ist das Bild zweier zugewandter Gesichter, die man auch als Vase sehen kann. Vieles von dem, was wir wahrnehmen, ist also eine Frage der Perspektive. Das Spannnende an der Methode des Focusing ist für mich, dass es Fühlen und Denken in einen Zusammenhang bringt - und damit als Methode der Selbstklärung durchaus alltagstauglich erscheint. So verstanden ist sie nützlich - auch wenn sie (das ist meine persönliche Einschätzung, mit der ich wohl nicht allein da stehe) als einzige Methode für die Psychotherapie nicht ausreicht. Für den Umgang mit Gefühlen in Beziehungen genügt sie mir auch nicht. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Baustein. Es ist einer von mehreren Ansätzen, um mit sich und den eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen. Und dann... beginne, Deine Gefühle ZUR SPRACHE zu bringen, lerne, mit ihnen zu sprechen und sie in angemessener Form zum Ausdruck zu bringen. Einen Schritt weiter: in Beziehungen über Gefühle sprechen, das wird dann schon etwas schwieriger und braucht weitere Ansätze, ebenso wie die Frage nach Lösungen für Probleme und Konflikte.

Wer mag... ein kleines Experiment: eine Hand auf den Bauch legen und spüren, was sich da bewegt, wie sich das anfühlt... und dann (das ist jetzt nicht "Focusing im Original") stell Dir die Frage, ob es irgend etwas Schönes gab, das Dir heute widerfahren, dass Du erlebt hast, oder - ob es etwas gibt, auf das Du Dich freuen kannst. Und dann geh zurück in Deinen Bauch und spüre dem nach, was sich da vielleicht verändert hat.

(Wenn es sich dick und schwer anfühlt.... weniger futtern!)

Denken und Fühlen beeinflussen sich gegenseitig. Wenn Du lernen willst, besser mit Deinen Gefühlen umzugehen, dann lerne, sie zu spüren, aber auch: über sie nachzudenken. Und wenn Du besser denken willst, dann nimm Deine Gefühle ernst - sie eilen Deinen Einsichten oft voraus...

lg Methusalem :blume2:
 
AW: Was ist Beziehungsfähigkeit?

Hallo Methusalem!

Wie schrecklich. Eigentlich sollte ein Psychologe so eine Frage nicht stellen. Dass ich damals meine Diplomarbeit ausgerechnet zum Thema "Konfliktfähigkeit" schreiben wollte, hatte mir ja so manchen kritischen Blick eingetragen. Das sei ja ziemlich kompliziert, wenn man mal darüber nachdenkt... ist kompliziert. Und jetzt frage ich also: was ist Beziehungsfähigkeit. Ich fange auch gleich mit einer These an: es gibt keine Beziehungsfähigkeit ohne Konfliktfähigkeit. Und noch einer Behauptung: es wimmelt nur so von Beziehungsstörungen um uns herum. Was tun? Ehrlich: ich frage um Rat.
Ich denke, dass es vor allem darauf ankommt, seinem Beziehungspartner nicht seinen eigenen Willen aufzwingen zu wollen. Der Partner muss als eigenständiges Wesen betrachtet werden, das seine eigene Freiheit leben will. Insofern braucht jede Bindung etwas Stabilisierendes, das die Bindung erhält.

Das größte Problem von Beziehungen besteht vielleicht darin, dass Paare eigentlich gar nicht zusammenpassen und mit der "Brechstange" versuchen, doch ein Paar zu bleiben.
 
AW: Was ist Beziehungsfähigkeit?

Hallo (Eu)Frank,

schön, dass sich mal wieder die männliche Seite meldet... ein Gedanke ging mir ja neulich auch durch den Kopf - ob ich nicht das "Sichtrennenkönnen" zur Beziehungsfähigkeit dazugehört, wenn es nicht mehr zu leugnen ist, dass "es" nicht geht. Der Anspruch, dass jede und jeder mit jedem und jeder, also alle mit allen in einer engen Partnerschaft "klarkommen" müssten, um "wahrhaft beziehungsfähig" zu sein, schien mir dann doch etwas zu hoch gegriffen.

Wenn ich dann überlege, warum zwei Menschen, die "nicht zusammenpassen", trotzdem verzweifelt zusammenbleiben, dann komme ich wieder auf die Frage nach den Schemata - nach Verklammerungen, nach unrealistischen Mustern, die etwas festhalten wollen, das sich nur in Freiheit ergibt oder gar nicht.

Schwierig scheint es zu sein, jenen Punkt zu bestimmen, ab dem eine Trennung "besser" ist als das Zusammenbleiben - und die Frage ist, ob sich dieser Punkt überhaupt objektiv bestimmen lässt.

Vertragen sich "Freiheit" und "Beziehung"?

lg Methusalem :blume2:
 
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AW: Was ist Beziehungsfähigkeit?

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Wenn ich dann überlege, warum zwei Menschen, die "nicht zusammenpassen", trotzdem verzweifelt zusammenbleiben, dann komme ich wieder auf die Frage nach den Schemata - nach Verklammerungen, nach unrealistischen Mustern, die etwas festhalten wollen, das sich nur in Freiheit ergibt oder gar nicht.
[...]





Wieso beziehen sich zwei Menschen, die nicht "zusammenpassen" überhaupt aufeinander? Wie kommen die überhaupt zusammen? Anscheinend gibt es dann doch etwas, von dem sie angezogen werden.

Und ist es oft nicht gerade das "nicht wissen wie", das an einer Verbindung so lang festhalten lässt, weil man doch noch entdecken will - bewusst oder unbewusst - wo man noch etwas lernen kann. ...mit dem anderen und über sich selbst.

Und noch etwas: Was meinen wir eigentlich, wenn wir "Beziehung" sagen? Das hat doch etwas damit zu tun, dass wir uns auf etwas oder jemanden beziehen, so nehme ich an.
Aber das muss ich doch schon können, damit ich überhaupt herausfinden kann, ob ich mit jemandem übereinstimme oder nicht. Das was hier Beziehungsfähigkeit heißt, meint ja dann eigentlich die "Fähigkeit zur Führung einer Lebensgemeinschaft". Oder hab ich das nicht richtig verstanden?

Vertragen sich "Freiheit" und "Beziehung"?
Eine liebevolle Beziehung kann mE nur bestehen, wenn beide Beteiligten frei entscheiden können, dass sie zusammen sein wollen.

Beziehungen gibt es ja viele, man bezieht sich ja immer grad auf das, was man für seine eigene Sicht der Welt braucht. Das ist ja oft ein Abhängigkeitsverhältnis.
:blume1:
 
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