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Religionsbegriff

Nun, ich wollte das Posting nicht noch mit einem langen Zitat ausweiten - war nicht sicher, wieviel Interesse daran besteht - hier ist es:

Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß nicht jede Form von Religion notwendigerweise mit religiösen Aussagen verbunden ist. Daß wir kein Kriterium haben, um zwischen wahren und falschen religiösen Aussagen unterscheiden zu können, trifft zu. Wenn eine Aussage sich überprüfen läßt, wissen wir schon, daß sie keine religiöse Aussage ist. Es trifft aber nicht zu, daß religiöse Aussagen völlig willkürlich sind, weil sie auf je vorfindliche, bestimmte religiöse Bedürfnisse antworten müssen. Diese hängen eng zusammen mit der Lebensform und Lebensgeschichte des jeweiligen Menschen und sind darum verschieden von Kultur zu Kultur, von Epoche zu Epoche, ja selbst zwischen Angehörigen ein und derselben Kulturepoche.

Man muß zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten von Religion unterscheiden. Man könnte die primäre Form die 'Glaubenslose Religion' nennen. Wer auf die glaubenslose Art religiös ist, ist entweder zu religiösen Aussagen noch gar nicht vorgestoßen, oder er hat sie schon wieder abgeworfen. Die glaubenslose Religion kann als solche nur aufrechterhalten werden, wenn die Vernunft das wie mit Gewalt zum Wort Hindrängende gar nicht zum Wort kommen läßt.

Die Handlungen (alle vorprädikativen Reaktionen) des menschlichen Geistes sind das Material, aus welchem die Sprache gefertigt ist. Wenn aber die vorprädikative zum Wort hindrängende Religion zum Wort gelassen wird, dann konstituieren sich religiöse Aussagen, bildet sich ein religiöser Glaube. Ihres prädikativen Überbaues wegen hat die Glaubensreligion die Eigenschaft, viel zu reden und viel von sich reden zu machen. Die glaubenslose Religion hingegen ist sprachlos und wirkt ganz im Stillen, weswegen sie in der Regel als Religion weder erkannt noch anerkannt wird. Legitimitäts-probleme hat nur die Glaubensreligion, und je weniger sie grammatisch aufgeklärt ist, desto virulenter sind diese Probleme.


Zen ist schwer begrifflich festzunageln - es entzieht sich nicht nur dem Begriff 'Religion' noch mehr als der Buddhismus allgemein, sondern der Aussagbarkeit überhaupt -
ich sehe da durchaus auch eine Parallele zu dem Wittgenstein-Zitat. Die 'klassische' Definition, zugeschrieben dem eher legendären Gründer Bodhidharma, ist

Eine Überlieferung außerhalb der Lehre,
unabhängig von Worten und Schriften,
direkt auf des Menschen Mark weisend,
sein Wesen erkennen und - erwachen.


Konkret - es ist eher eine Praxis als eine Theorie - d.h. die gibt’s zwar, sie ist aber nicht einheitlich und z.T. sicher widersprüchlich - sie arbeitet ja auch mit Vorliebe mit Paradoxa :p
- für mich ein ähnlicher Zugang wie der beschriebene Religionsbegriff - Religion weniger als Glauben denn als Tun...
 
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Das sind viele Worte, um nichts auszusagen. Mit Zen kann ich jetzt nicht mehr anfangen als zuvor und die Kernaussagen des Zitates sind ja, dass es zwar ein Kriterium zur Feststellung einer Nichtreligiosität einer Aussage, aber kein Kriterium zur Feststellung der Richtigkeit einer religiösen Aussage gibt, und, dass es eine primäre und eine sekundäre Art von Religion gibt, wobei die primäre Art, religiös zu sein, bedeutet, dass man religiöse Aussagen ablehnt oder nicht dazu fähig ist, und die sekundäre, dass man glaubt, aber virulente Legitimitätsprobleme hat, was mangels eines Kriteriums zur Feststellung der Richtigkeit von religiösen Aussagen wiederum nicht sonderlich verwunderlich sein kann.
 
Bitte mir nachzusehen wenn ich dieses Thema nochmals aufgreife - ich bin erst seit gestern hier und es ist für mich recht zentral... ;)

Die Meinung von Bernd ist sehr weitgehend auch die meine, wenn auch die Terminologie etwas differiert - für 'Religiosität' würde ich 'Religion' setzen, und für 'Religion' dann 'Konfession'. Der Grund dafür ist die Etymologie - 'Religion' ist die Verdeutschung von lat. 'religio', das häufig zurückgeführt wird auf 'religare' (zurückbinden) - diese Deutung geht zurück auf den Kirchenlehrer Lactantius; die Substantivierung heißt hier jedoch 'religatio' (Das Anbinden). Cicero hat es auf 'relegere' (nochmals lesen, wieder durchgehen) zurückgeführt, der 'Georges', das lat. Standardwörterbuch, auf 'religere' (genau beachten), eine Nebenform davon (dann wäre die Substantivform allerdings eher 'relictio'...).

Daraus geht IMO a) hervor, dass das Wort nicht von einer bestimmten Konfession für sich allein reserviert werden kann, und b) dass es dabei ursprünglich nicht um Glaubensinhalte geht, sondern um eine Zugangsweise, Haltung der 'Natur' (der manifesten Wirklichkeit) gegenüber. Im Englischen ist diese Bedeutung noch erhalten in dem Wort 'religiously', das nicht 'gläubig' heißt, sondern 'gewissenhaft, peinlich genau' - wenn ich 'nochmals hinsehe', 'genau betrachte', dann hinterfrage ich, was sich dem ersten Blick darbietet - was der platte Materialismus als Einziges anerkennt...
Religiös wäre also nicht jemand, der einer bestimmten Konfession anhängt, sondern wer ernsthaft versucht, die 'Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit' zu sehen - auf welchem Weg auch immer. Ein kurzer Text Wittgensteins, den ich einmal zufällig gefunden habe, bestärkt mich hier zusätzlich.


Den (automatischen) Konnex Religion mit Gott sehe ich mit großer Skepsis. Es gibt ja nicht nur den Buddhismus als 'a-theistische' Religion, auch die Jaina, der ursprüngliche Taoismus, und div. hinduistische Sekten (das ist dort kein abwertender Begriff) kennen keinen Gott im Sinne der abrahamitischen Religionen bzw. lehnen dieses Bild ausdrücklich ab. Deren Gläubigen die Eigenschaft 'Religiosität' deshalb aberkennen zu wollen, scheint mir nicht richtig. Für sie ist der Begriff 'Gott' ebenso exotisch wie 'Nirvana' für einen Zeugen Jehovahs...

Vor vielen Jahren hat mich einmal eine chinesische Ch'an(Zen)-Lehrerin in einem Gespräch unvermittelt gefragt "Kannst Du mir sagen, was Christen genau unter 'Gott' verstehen? Ich kann mit dem Begriff überhaupt nichts anfangen!" - und ich bin sicher, dass sie nicht weniger religiös war als irgendeine christliche Nonne...

Danke für Deinen Beitrag!

Wenn Du es genau wissen willst, stammt der Begriff religere, den Du im lat. Standardwörterbuch gefunden hast, von Nigidus Figulus, wobei es ihm dabei um die gewissenhafte Erfüllung von kultischen Pflichten geht. So wie bei Cicero, beide Angehörige der römischen Religion liegt der Focus auf dem Kult und dass die Vorschriften, die damit einhergehen, eingehalten werden.
Im Unterschied zu den christlichen Autoren, von denen Du Laktanz angeführt hast, Du könntest auch noch Augustinus dazunehmen (für ihn ist es das reeligere), denen es um eine Rückbindung an Gott geht.

Das, was Du aus den antiken Wurzelinterpretationen ableitest, kann ich nicht nachvollziehen, da das, was wir heute unter Religion verstehen, sich erst in der Neuzeit, genauer gesagt, in der frühen Aufklärungsphilosophie herausbildet, als man versucht hat, das gemeinsame der großen religiösen Traditionen herauszufinden, als man auf der Suche nach der natürlichen Religion war.
Abgesehen davon, gibt es wenn man den Religionsbegriff und seine Definitionsversuche heranziehen will, neben der nominellen Definition, noch die 2. die Sachfefinitionen, hier muss man wiederum unterschieden zwischen substantialistischen und funktionalistischen Zugangsweisen und 3. die multidimensionalen Definitionen zB die von Ninian Smart.

Wenn man nur eine Definitionsvarainte bzw Zugangsvariante heranzieht und daraus versucht etwas abzuleiten, droht die Gefahr des Reduktionismus, man übersieht andere Aspekte im Zusammenhang mit dem Religionsbegriff, die auch wichtig sind.

Entschuldige meinen Einwand, aber ich denke, er könnte zur weiteren Diskussion ev. etwas beitragen.
 
Danke für das Auseinanderklamüsern meiner eher dilettantischen Betrachtung zur Wortbedeutung (ich bin vom Job her eben mehr 'Universaldilettant' als Fachmann ;)) - in dieser Vertiefung war's mir neu, ist aber interessant zum Weiterverfolgen. Ja, stimmt, der moderne Religionsbegriff hat sich erst spät herausgebildet - mir fallen da gerade 'All Religions are One' und 'There is no Natural Religion' von William Blake ein, die ich sehr schätze.

Mir ging's nicht primär um die Etymologie, sondern um den Begriff heute, und da dachte ich wohl dass die Betrachtung da hilfreich wäre. Wenn's nicht so ist - schade, dann gibt’s einen Grund weniger... :confused:
 
@ Rosenquarz -

Tante Google kann auch nur Begriffe 'rüberbringen - eben etwa das was 'der große Zen-Meister' hier schreibt.
Dass das genau nicht zielführend ist zum Verständnis der Sache, wollte ich mit meiner Antwort ausdrücken -
solltest Du Wolfgang Kopp selbst dazu befragen, würde er sicher nicht auf seine Schriften verweisen, sondern
vorschlagen zu praktizieren... :D
 
Zu 'konkret praktischen' Fragen wie dieser kann zweifellos auch das Internet 'konkret praktische' Antworten liefern.
Deine Frage war die nach dem Wesen der Lehre - und das ist wie gesagt schon etwas problematischer...
Aber ich stelle mal einen 'buddhistischen Kinderreim' bei eigene Gedichte ein, der vielleicht sowas wie
eine Anwort andeutet - ohne Gewähr, dass Du nachher schlauer bist ;)
 
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Zu 'konkret praktischen' Fragen wie dieser kann zweifellos auch das Internet 'konkret praktische' Antworten liefern.
Deine Frage war die nach dem Wesen der Lehre - und das ist wie gesagt schon etwas problematischer...
Aber ich stelle mal einen 'buddhistischen Kinderreim' bei eigene Gedichte ein, der vielleicht sowas wie
eine Anwort andeutet - ohne Gewähr, dass Du nachher schlauer bist ;)

Ich lernte mal eine Person kennen, die von Zen schwärmte. Als ich das hörte, dachte ich primär an den Buddhismus, über den ich früh überdurchschnittlich viel recherchiert habe und vor dem ich mich nicht fürchte. Die Person bestand aber darauf, dass Zen zwar geschichtlich eine Verbindung damit haben mag, aber keine inhaltliche und praktische. Den Charakter dieser Person würde ich als durchtrieben boshaft, pietätlos, unmenschlich und geistig verwirrt beschreiben.
Über den Satanismus weiß ich, dass seine Anhänger nicht "Satan" verehren, sondern sich selbst und stets nach dem eigenen Vorteil in ihrem Leben und ihrem Umgang mit anderen Menschen suchen, was eine gewisse Anpassungsfähigkeit an gesellschaftliche Normen also impliziert. Zen scheint ebenfalls keinerlei ethische Basis zu besitzen. Deshalb meine Frage.
 
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shouqici, Du interessiert dich für Zen. Einer der Pioniere der Zen-Praxis ist Karlfried Graf Dürckheim. Er hat viele Bücher über Zen herausgebracht, die nach wie vor sehr populär sind und immer wieder neu aufgelegt werden. Ein Mann, der Nationalsozialismus als Diplomat in Japan propagandiert hat. Wie erklärst Du dir das? Wie ist Zen-Buddshimus und Nationalsozialimus zusammenzubringen? Ich bin gespannt.
 
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