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Prinzip und Neigung

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Ich möchte noch ein paar Beispiele anführen - nicht als Beweise sondern zur Illustration meiner Gedanken. Dabei geht es mir um die problematische Seite der Prinzipien, Ideale, der gesellschaftlichen Normen, Ansprüche, Modelle und Vorbilder. So gibt es Schönheitsideale, Prinzipien für gesunde Ernährung, Vorstellungen von der idealen Mutter, vom idealen Vater und Ehemann, von der idealen Partnerschaft oder Kindererziehung ...

Problematisch wird es, wenn solche Ideale und Normen, zum Zwang oder gar zum Wahn führen. Wie viele Beziehungen sind schon daran gescheitert, dass einer der Partner dem angestrebten Ideal nicht gerecht wurde?

Durch all diese Prinzipien, Normen und Ideale kommt es dazu, dass sich der Mensch als Mangelwesen empfindet, was der seelischen Gesundheit nicht gerade förderlich ist. Daraus entsteht leicht ein Gefühl der Minderwertigkeit, das wiederum zu den verschiedensten Störungen führen kann, wie Bulimie, Magersucht, Depression oder Burnout. Der Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer hat es einmal auf den Punkt gebracht mit der Empfehlung: "Esst endlich normal!" Das könnte man auch auf andere Gebiete ausdehnen und sagen: "Seid normal und ihr selbst."

Als besonders krasses Beispiel von Prinzipien-Unfug sehe ich das
Zwölftonprinzip in der modernen Musik. Gibt es einen größeren Unsinn, als ein willkürliches Prinzip (das der Gleichbehandlung aller zwölf Töne) in die Kompositionstechnik einzuführen? Das Ergebnis kann man hier begutachten:

 
Sollte man zumindest drauf haben, unterscheiden zu können, zwischen gut gut gemacht und nicht mein Fall, also Technik (wenn man so will) und Geschmack.
Es ist aber meistens so, dass Kritiker bei dem was sie gut finden auch (technische) Gründe dafür finden. Manchmal kommt es sogar vor, dass das gleiche technische Merkmal bei dem einen Begeisterung auslöst, bei dem anderen jedoch auf Ablehnung stößt. Daraus schließe ich, dass technische Merkmale nicht das Ausschlaggebende bei der Beurteilung sind, sondern eher die persönliche Präferenz/Aversion des jeweiligen Kritikers für das Werk oder manchmal auch für den Künstler.

Ein Beispiel: A und B besuchen den Dom zu Speyer. A schwärmt von der Erhabenheit und monumentalen Schlichtheit des Innenraums, B findet ihn dagegen öde, kahl und langweilig. Dabei beziehen sich beide auf das gleiche (technische) Merkmal: die fast vollständige Abwesenheit von Ornamenten.

Ein weiteres Beispiel: wer Vivaldis Musik nicht mag, stört sich an den häufigen Sequenzen, Vivaldi-Fans dagegen finden sie schön.

Aller guter Dinge sind drei: wer Mozart nichts abgewinnen kann, findet manche seiner Stücke kindisch, Fans dagegen finden die gleichen Stücke voll von himmlischer Anmut.
 
Daraus schließe ich, dass technische Merkmale nicht das Ausschlaggebende bei der Beurteilung sind, sondern eher die persönliche Präferenz/Aversion des jeweiligen Kritikers für das Werk oder manchmal auch für den Künstler.
Das kann sein, vielleicht sogar häufiger - ich weiß aber nicht, ob es so ist - aber sicher nicht immer.
Ein Beispiel: A und B besuchen den Dom zu Speyer. A schwärmt von der Erhabenheit und monumentalen Schlichtheit des Innenraums, B findet ihn dagegen öde, kahl und langweilig. Dabei beziehen sich beide auf das gleiche (technische) Merkmal: die fast vollständige Abwesenheit von Ornamenten.

Ein weiteres Beispiel: wer Vivaldis Musik nicht mag, stört sich an den häufigen Sequenzen, Vivaldi-Fans dagegen finden sie schön.

Aller guter Dinge sind drei: wer Mozart nichts abgewinnen kann, findet manche seiner Stücke kindisch, Fans dagegen finden die gleichen Stücke voll von himmlischer Anmut.
Geschmäcker sind verschieden, sicher. Aber das ist ja nicht die Frage, die Du klären willst.
Das erste Gegenbeispiel lässt die Idee, dass es immer so ist, kippen.
Ob es nun öfter so ist, müsstest Du untersuchen oder recherchieren.
Im Moment machst Du es so, dass Du Beispiele dafür bringst, dass manche so agieren, wie Du sagst. Wissenschaftlich gesehen ist das aber fruchtlos.
Wenn ich sage, dass alle Wohnzimmer weiß gestrichen sind, bringt es nicht viel, wenn ich aufzähle, wen ich alles kenne, mit weiß gestrichenem Wohnzimmer.
 
Im Moment machst Du es so, dass Du Beispiele dafür bringst, dass manche so agieren, wie Du sagst. Wissenschaftlich gesehen ist das aber fruchtlos
Ich bin kein Wissenschaftler und will keine Beweise führen. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn es ist schon längst wissenschaftlich belegt, dass Präferenzen und Vorlieben aus dem Unterbewusstsein kommen und nicht bewusst gewählt werden. Wenn jemand Bruckner mag und von Debussy genervt ist, dann hat sich diese Person das nicht bewusst ausgesucht und kann es auch nicht bewusst ändern. Was das bewusste Gehirn dagegen kann, ist die Vorliebe für einen Komponisten (eine Person, einen Beruf) wortreich (und scheinbar rational) zu begründen.

Unser bewusstes Gehirn ist nämlich eine Erklärungs- und Rechtfertigungsmaschine, die keine Mühe hat, Argumente und Begründungen für unsere Präferenzen zu erfinden. Das ist bei Musikkritikern nicht anders als beim Rest der Bevölkerung: zuerst kommt die Präferenz/Aversion und erst danach die Erklärung bzw. die Begründung, die je nach Ausbildung mehr oder weniger gelehrt ausgeschmückt wird. Dabei fällt der eigentliche Grund der Präferenz unter den Tisch: das positive oder negative Gefühl, das den gelehrten Wortschwall in die eine oder andere Richtung gelenkt hat.

Anscheinend war sich Marcel Reich-Ranicki dieser Tatsache bewusst, denn ich erinnere mich an folgendes Bonmot von ihm: "Ich wurde einmal gefragt, warum man Joseph Roth und nicht lieber ein Buch, das Spaß macht lesen soll?" Seine Antwort: "Aber wieso - Joseph Roth macht doch Spaß!" Er kannte also den eigentlichen Grund seiner Vorliebe und redete nicht um den heißen Brei herum. Angesichts so viel Mut zur Ehrlichkeit kann ich nur sagen: Chapeau!
 
Wenn jemand Bruckner mag und von Debussy genervt ist, dann hat sich diese Person das nicht bewusst ausgesucht und kann es auch nicht bewusst ändern. Was das bewusste Gehirn dagegen kann, ist die Vorliebe für einen Komponisten (eine Person, einen Beruf) wortreich (und scheinbar rational) zu begründen.
Das glaube ich nicht, weil Geschmäcker sich ja auch ändern. Man kann mögen, was man früher nicht mochte und manches, was man liebte kann einem irgendwie fade erscheinen. Bei Musik, Essen, Trinken, Lesen, Filmen ich habe das schon öfter erlebt und ich werde nicht der einzige sein.
Unser bewusstes Gehirn ist nämlich eine Erklärungs- und Rechtfertigungsmaschine, die keine Mühe hat, Argumente und Begründungen für unsere Präferenzen zu erfinden. Das ist bei Musikkritikern nicht anders als beim Rest der Bevölkerung: zuerst kommt die Präferenz/Aversion und erst danach die Erklärung bzw. die Begründung, die je nach Ausbildung mehr oder weniger gelehrt ausgeschmückt wird.
Das wäre hochgradig unprofessionell. Es gibt ja bestimmte Gütekriterien, ob das in der Kunst letztlich ausschlaggebend ist, darüber mag man streite. aber auch Künstler machen ja in guten Fällen eine Entwicklung durch, die über technische Beherrschung und schön/lecker oder solche Kriterien hinaus geht.
Anscheinend war sich Marcel Reich-Ranicki dieser Tatsache bewusst, denn ich erinnere mich an folgendes Bonmot von ihm: "Ich wurde einmal gefragt, warum man Joseph Roth und nicht lieber ein Buch, das Spaß macht lesen soll?" Seine Antwort: "Aber wieso - Joseph Roth macht doch Spaß!" Er kannte also den eigentlichen Grund seiner Vorliebe und redete nicht um den heißen Brei herum. Angesichts so viel Mut zur Ehrlichkeit kann ich nur sagen: Chapeau!
Quatsch. Reich-Ranicki war niemand, der primär davon geredet hat, dass ein Buch Spaß machen soll, sondern er hat bestimmte Kriterien abgegrast. Sicherlich interpretiert die auch der Kritiker eigenwillig, aber wenn er nicht weiß, wovon er redet, hat er seinen Beruf verfehlt.
Reich-Ranicki wurde populär, weil er sich nicht in exzessiven akademischen Details verheddert hat, sondern insofern klare Kante zeigte, als am Ende klar werden sollte, ob es sich lohnt ein Buch zu lesen, oder nicht.
Das wurde nämlich bei der old style Kritik nicht klar und weil er so ein emotionaler Zeisig war, wurde er gerne geguckt. Aber mit Spaß im vordergründigen Sinn, konnte man ihn jagen.
 
Man kann mögen, was man früher nicht mochte und manches, was man liebte kann einem irgendwie fade erscheinen. Bei Musik, Essen, Trinken, Lesen, Filmen ich habe das schon öfter erlebt und ich werde nicht der einzige sein.
Ich habe nicht behauptet, dass sich der Geschmack im laufe eines Menschenlebens nicht ändern kann, sondern dass man dies nicht mit Absicht tun kann. Ich zumindest wüsste nicht, wie ich es anstellen sollte, dass ich die Achte von Bruckner ab heute nicht mehr mag. Hast du einen Tipp?
 
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Man kann mögen, was man früher nicht mochte und manches, was man liebte kann einem irgendwie fade erscheinen. Bei Musik, Essen, Trinken, Lesen, Filmen ich habe das schon öfter erlebt und ich werde nicht der einzige sein.
Es kann einem passieren, aber man kann es nicht willentlich herbeiführen. Ich könnte mir aber vorstellen, wie ich es mit Absicht erreichen könnte, Bruckners Achte nicht mehr zu mögen: ich lasse sie als Unendlichschleife so lange laufen, bis ich sie nicht mehr hören kann. Über eine Werksanalyse scheint mir das erheblich schwieriger. Das gleiche gilt auch für Debussy, ich glaube nicht, dass ich meiner Frau "Claire de Lune" schmackhaft machen könnte, indem ich ihr die stilistischen Feinheiten des Werks vor Augen führe.
Es gibt ja bestimmte Gütekriterien, [für Kunst]
Objektive Gütekriterien für Kunst? Nicht das ich wüsste, welches wären die?
Quatsch. Reich-Ranicki war niemand, der primär davon geredet hat, dass ein Buch Spaß machen soll,
Ich hab's doch selbst von ihm gehört! Oder er sprach davon, dass Böll nicht mehr lesbar wäre, und warum? "Einfach langweilig ..." Soweit ich mich erinnern kann, war Langeweile für ihn die schlimmste Sünde in der Kunst.
 
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