G
Gaius
Guest
Hallo AmadeuS,
danke ebenfalls!
Tja, ich sitze nun seit 28 Jahren am Klavier und kenne den Mozart auch etwas aus eigener Podiumserfahrung, wobei es bedauerlich ist, daß seine Sachen auf den modernen Flügeln mit ihrem brillanten, aber relativ neutralen Klang nie so richtig befriedigend herauskommen; noch die Instrumente, die vor 50 Jahren gebaut wurden, waren aufgrund einer etwas geringeren Klangfülle und ihrer leichtgängigeren Mechanik geeigneter. Merkwürdigerweise habe ich für Haydn und Bach in den modernen Instrumenten nie so richtig ein Problem gesehen, wirklich erklären kann ich mir das nicht. Vielleicht "liegt" mir Mozart als Spieler nicht so, weil ich mich eher für komplexere Polyphonie interessiere? Aber ich finde auch von Weltklassepianisten keine aktuellen Klavieraufnahmen, die mich so überzeugen würden wie die alten von Arthur Schnabel oder Robert Casadesus.
Mir geht das ganz komisch mit Mozart: monatelang sagt mir seine Musik so gut wie gar nichts, dann ergreift mich plötzlich eine furiose Sucht, und ich will sechs Wochen lang gar nichts anderes hören, und dann ist wieder ewige Zeit Funkstille. --- Natürlich habe ich auch meine Mozart-Favoriten, so das Klavierkonzert Es-Dur KV 482, das Streichquartett F-Dur KV 590, das Klavierquintett mit Bläsern KV 452, und eben jenes a-moll-Rondo.
Die scheinbare Austauschbarkeit ganzer Formteile bei Mozart ist ein hoch interessantes Phänomen. Insbesondere die Durchführungen von Sonatenhauptsätzen haben eine gewisse Beliebigkeit. Sicherlich war Mozart eher an prägnant gezeichneten Einzelcharakteren und ihrem dramaturgischen Verhältnis zueinander interessiert, als an der abstrakten kompositorischen Logik. Dadurch hat es den Anschein, daß die einzelnen Formulierungen werkübergreifend miteinander kommunizieren könnten, daß man also Phrasen aus verschiedenen Sonaten austauschen könnte, und es würde immer noch Sinn ergeben. So ganz allgemein stimmt es jedoch nicht, denn die Werke sind sehr unterschiedlich. Die Sonate C-Dur KV 330 z.B. ist ein Wunderwerk an mechanischer Logik, ihre Struktur schnurrt ab wie ein gut geöltes Uhrwerk (solange der Pianist keinen Sand ins Getriebe streut *g*), die darauf folgende Sonate A-Dur KV 331 ist gänzlich anderer Art, lockerer gefügt, improvisatorisch und ganz auf weichen Wohllaut aus; wobei es in den Variationen des 1. Satzes der eine oder andere Flitter eben auch getan hätte. Undenkbar soetwas in der C-Dur-Sonate, wo alles unverrückbar an seinem Platz ist und mit geradezu engstirniger Penetranz auseinander entwickelt wird, als wenn Mozart einen klingenden Keuschheitsgürtel hätte komponieren wollen.
Daß Mozart ins Barock hineingeboren wäre, möchte ich differenzieren - der Übergang von der "Empfindsamkeit" zu dem, was wir heute Hochklassik nennen, war schon voll imgange. Die Musik des Barock war in der Formelhaftigkeit der expressiv festgelegten Figuren erstarrt - das wird uns heute oft nicht mehr so klar, weil wir Barock meist mit Bach assoziieren, der jedoch eine völlig singuläre Erscheinung war. Bach hat die überkommene Musiksprache seiner Zeit nochmals zusammengefaßt und ins Konstruktive umgedeutet; bei allen anderen Meistern des Spätbarock, Telemann, Hasse, selbst bei Händel ist eine Aufweichung der Struktur zugunsten betont subjektiver Emotion zu beobachten - hier deutet sich die Empfindsamkeit an. Mozart selbst, hat die Bachsche Musik erst relativ spät in Wien im Hause des Barons van Swieten kennengelernt, ein Erlebnis, das bei ihm, der alle Stile der damaligen Musikwelt zu kennen glaubte, sofort zu einer Verfestigung des strukturellen Denkens geführt hat.
Wo ist das Problem mit den Auftragswerken? Ein guter Handwerksmeister - und als solcher dürfte auch Mozart sich zunächst noch verstanden haben - muß das jederzeit erledigen können, ohne daß die Qualität der Arbeit darunter leidet. Und gar so viele Aufträge hatte dieser wahrscheinlich erste freelancer der Musikgeschichte nun doch auch wieder nicht; hat er sich doch beklagt, daß er für seine Arbeit von irgendwelchen honorigen Fürsten zwar endlos goldene Uhren erhalten hätte, aber selten ein paar Taler? Fast sämtliche Werke der Wiener Zeit jedenfalls hat Mozart in selbstveranstalteten Subskriptionskonzerten aufgeführt oder Verlegern zu zum Teil schändlichen Honoraren verkauft (sofern sie diesen nicht als "zu schweer" galten wie die beiden Klavierquartette). Als er in Wien aus der Mode kam, mußte er betteln gehen!
Herzlichst, zu den Mythen und für wen Mozart geschrieben hat später mehr, jetzt kommt grad Besuch -
Gaius
danke ebenfalls!
Tja, ich sitze nun seit 28 Jahren am Klavier und kenne den Mozart auch etwas aus eigener Podiumserfahrung, wobei es bedauerlich ist, daß seine Sachen auf den modernen Flügeln mit ihrem brillanten, aber relativ neutralen Klang nie so richtig befriedigend herauskommen; noch die Instrumente, die vor 50 Jahren gebaut wurden, waren aufgrund einer etwas geringeren Klangfülle und ihrer leichtgängigeren Mechanik geeigneter. Merkwürdigerweise habe ich für Haydn und Bach in den modernen Instrumenten nie so richtig ein Problem gesehen, wirklich erklären kann ich mir das nicht. Vielleicht "liegt" mir Mozart als Spieler nicht so, weil ich mich eher für komplexere Polyphonie interessiere? Aber ich finde auch von Weltklassepianisten keine aktuellen Klavieraufnahmen, die mich so überzeugen würden wie die alten von Arthur Schnabel oder Robert Casadesus.
Mir geht das ganz komisch mit Mozart: monatelang sagt mir seine Musik so gut wie gar nichts, dann ergreift mich plötzlich eine furiose Sucht, und ich will sechs Wochen lang gar nichts anderes hören, und dann ist wieder ewige Zeit Funkstille. --- Natürlich habe ich auch meine Mozart-Favoriten, so das Klavierkonzert Es-Dur KV 482, das Streichquartett F-Dur KV 590, das Klavierquintett mit Bläsern KV 452, und eben jenes a-moll-Rondo.
Die scheinbare Austauschbarkeit ganzer Formteile bei Mozart ist ein hoch interessantes Phänomen. Insbesondere die Durchführungen von Sonatenhauptsätzen haben eine gewisse Beliebigkeit. Sicherlich war Mozart eher an prägnant gezeichneten Einzelcharakteren und ihrem dramaturgischen Verhältnis zueinander interessiert, als an der abstrakten kompositorischen Logik. Dadurch hat es den Anschein, daß die einzelnen Formulierungen werkübergreifend miteinander kommunizieren könnten, daß man also Phrasen aus verschiedenen Sonaten austauschen könnte, und es würde immer noch Sinn ergeben. So ganz allgemein stimmt es jedoch nicht, denn die Werke sind sehr unterschiedlich. Die Sonate C-Dur KV 330 z.B. ist ein Wunderwerk an mechanischer Logik, ihre Struktur schnurrt ab wie ein gut geöltes Uhrwerk (solange der Pianist keinen Sand ins Getriebe streut *g*), die darauf folgende Sonate A-Dur KV 331 ist gänzlich anderer Art, lockerer gefügt, improvisatorisch und ganz auf weichen Wohllaut aus; wobei es in den Variationen des 1. Satzes der eine oder andere Flitter eben auch getan hätte. Undenkbar soetwas in der C-Dur-Sonate, wo alles unverrückbar an seinem Platz ist und mit geradezu engstirniger Penetranz auseinander entwickelt wird, als wenn Mozart einen klingenden Keuschheitsgürtel hätte komponieren wollen.
Daß Mozart ins Barock hineingeboren wäre, möchte ich differenzieren - der Übergang von der "Empfindsamkeit" zu dem, was wir heute Hochklassik nennen, war schon voll imgange. Die Musik des Barock war in der Formelhaftigkeit der expressiv festgelegten Figuren erstarrt - das wird uns heute oft nicht mehr so klar, weil wir Barock meist mit Bach assoziieren, der jedoch eine völlig singuläre Erscheinung war. Bach hat die überkommene Musiksprache seiner Zeit nochmals zusammengefaßt und ins Konstruktive umgedeutet; bei allen anderen Meistern des Spätbarock, Telemann, Hasse, selbst bei Händel ist eine Aufweichung der Struktur zugunsten betont subjektiver Emotion zu beobachten - hier deutet sich die Empfindsamkeit an. Mozart selbst, hat die Bachsche Musik erst relativ spät in Wien im Hause des Barons van Swieten kennengelernt, ein Erlebnis, das bei ihm, der alle Stile der damaligen Musikwelt zu kennen glaubte, sofort zu einer Verfestigung des strukturellen Denkens geführt hat.
Wo ist das Problem mit den Auftragswerken? Ein guter Handwerksmeister - und als solcher dürfte auch Mozart sich zunächst noch verstanden haben - muß das jederzeit erledigen können, ohne daß die Qualität der Arbeit darunter leidet. Und gar so viele Aufträge hatte dieser wahrscheinlich erste freelancer der Musikgeschichte nun doch auch wieder nicht; hat er sich doch beklagt, daß er für seine Arbeit von irgendwelchen honorigen Fürsten zwar endlos goldene Uhren erhalten hätte, aber selten ein paar Taler? Fast sämtliche Werke der Wiener Zeit jedenfalls hat Mozart in selbstveranstalteten Subskriptionskonzerten aufgeführt oder Verlegern zu zum Teil schändlichen Honoraren verkauft (sofern sie diesen nicht als "zu schweer" galten wie die beiden Klavierquartette). Als er in Wien aus der Mode kam, mußte er betteln gehen!
Ich glaube nicht, daß man aus dem Charakter eines Musikstücks Rückschlüsse auf die Befindlichkeit des Komponisten ziehen kann - das kann man nur bei schlechten Komponisten, da allerdings sollte man es mit Häme tun Insofern würde mich auch interessieren, wo man mehr über die autobiographischen Aspekte des Don Giovanni erfahren kann. Bäsle hin, Aloysia her, Constanze zum Dritten - hatte der Kerl so viele Weiber, und war dazu noch so ein Schuft wie dieser Don?eine musikalische Mischung aus Selbstverliebtheit, Schwermütigkeit und Hoffnung
Herzlichst, zu den Mythen und für wen Mozart geschrieben hat später mehr, jetzt kommt grad Besuch -
Gaius