Philosophisticus
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Was denn?
Nun , dass Sie in den 1930er Jahren "andersleben" waren (von "andersdenken" ganz zu schweigen).
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Was denn?
Nun ich verstehe die sog. "Kehre" als eine gewisse Denkentwicklung bei Heidegger, die sich in einer (teilweise) Distanzierung von seinem "früheren" Denken zeigt.
Ich klinke mich mal ganz frech ein, obgleich ich vom Thread kaum etwas gelesen habe - Heidegger ist mir keine Diskussion mehr wert. Leider habe ich ihn einst studiert, was aus heutiger Sicht verschwendete Mühe war.
Heideggers späte Philosophie ist insofern ehrlicher als die frühe, da er - nunmehr gefeierte philosophische Autorität - die eigentliche Banalität seiner Philosophie nicht länger hinter einer Scheinsystematik versteckt, sondern offen bekennt, dass sein Denken nichts mit Rationalität und Philosophie am Hut hat. Es ist Religion und also nicht diskutierbar, da nicht verstehbar; hinter den zahlreichen Begriffshülsen verbirgt sich nicht mehr als ein ewig im Kreise sich drehender Verweisreigen auf höhere Seinsebenen, denen der Mensch schicksalhaft gegenüber steht - er vermag großgeglückt vom Hörigen zum Hörenden zu werden, darf sich also bestenfalls einem elitären (pseudo-religiösen) Kreis zugehörig fühlen.
Heidegger war ein Schaumschläger, Betrüger, Denunziant und vollkommen humorlos. Aber in all den genannten Eigenschaften war er zweifelsohne ungemein begabt. Sonst würde man nicht bis heute über seine inhaltsleere "Philosophie" und fragwürdige Person sprechen.
aber ich beschäftige mich dennoch weiter mit ihm in kritischer Weise, ohne dabei selbst als "Heideggerianer" gelten zu wollen. Das er moralisch eine fragwürdige Person , ist natürlich in heutiger Zeit oft diskutiert. Aber sein philosophisches Werk ist meiner Meinung nach wie vor wichtig zu studieren, vor allem natürlich "Sein und Zeit".
Aber kann man denn so einfach sagen, dass sein späteres Denken "nichts mit Rationalität und Philosophie am Hut" hat? Auch der spätere Heidegger scheint mir in gewisser Weise noch "ratiomal" sein, auch wenn seine späteren Texte vielleicht weniger so wirken.
Ich denke ein paar Textbeispiele können durchaus hilfreich für die Diskussion hier.
Man sieht , dass ich hier einen differenzierteren Standpunkt vertrete und sehe eine Beschäftigung mit Heidegger nicht als "verschwendete Mühe" oder dergleichen. Zudem halte ich nicht viel von Heidegger-Polemik, die meist recht unsachlich ist.
Hallo Philosophisticus,
Das will ich auch niemandem verweigern, meine obige Aussage spiegelt nur meine Erfahrung, die aber eben auf einer mehrjährigen Auseinandersetzung fußt; anfangs war ich noch nicht so klar und hart in meinem Urteil, mittlerweile fällt mir das jedoch leicht. Zum Glück!
Auch "Heidegger I" sehe ich nicht als verwertbare Philosophie an. Dort, wo umständliche Begriffskonglomerate eine intellektuelle Komplexität und Tiefe andeuten, kommt am Ende entweder nichts Verbindliches oder triviale Feststellungen zum Vorschein. Mir hat bisher noch kein akademisch geschulter Heidegger-Liebhaber die eigentliche Bedeutung seiner Philosophie aufzeigen können.
Von einer Vorlesung über "Sein und Zeit", die ich einst hoffnungsvoll besuchte, ist mir nur ein Satz des Profs in Erinnerung geblieben: "Kaufen Sie sich unbedingt das Werk 'Sein und Zeit', ein solch bedeutendes Buch sollte jeder Geisteswissenschaftler daheim im Regal stehen haben."
Das sagt er doch explizit selbst. "Rationalität" ist für ihn rechnend stellendes Denken, das er ausnahmslos als niederes Denken darstellt. Eine Alternative freilich fehlt komplett, wenn man einmal davon absieht, dass sich das Sein einem "großgeglückt" offenbaren könne, sofern man nur recht demütig das eigene kritische Denken einstellt und dem Heideggerschen Seinsgefasel folgt.
Mit Verlaub, aber das bezweifle ich mittlerweile stark. Ich habe Bücher von ihm im Schrank stehen und werfe sie nur deshalb nicht weg, weil ich gutes Geld dafür bezahlte. Die zahlreichen Markierungen, Notizen und Eselsohren künden von meiner investierten Mühe und erinnern mich daran, dass ich dieser Art der "Philosophie" nichts mehr schuldig bin.
Man kann sich fraglos diplomatischer und weniger provokativ ausdrücken.
Polemik interessierte mich in der ernsthaften intellektuellen Auseinandersetzung allerdings noch nie, allein gute Argumente sind mir wichtig und die gibt es von Seiten der Kritik zuhauf; und damit meine ich gar nicht die Kritik, welche sich gegen Heidegger als Person richtet, sondern jene, die seine "Philosophie" als Schaumschlägerei entlarvt.
Sehr empfehlenswert aber auch ziemlich anspruchsvoll: "Kritik der reinen Hermeneutik" von Hans Albert.
Viele Grüße
Phil
Anfangs nichts verstanden und wenig bis gar nichts verstanden (so wie übrigens auch bei Hegels Phänomenologie des Geistes), jetzt mittlerweile so, dass ich diese schwierige Terminologie Heideggers besser verstehe, z.B. wenn er vom "In-der-Welt-Sein" spricht oder auch vom "Mitsein". Heidegger ist gerade für einen Anfänger nicht einfach, aber es gibt Leute, die nach einer gewissen Zeit mit diesem Werk Heideggers durchaus was philosophisch anfangen können, und dies so , dass sie dabei keine "Heideggerianer" werden.
Darf man fragen, wo er das sagt? Dann könnte ich das in Ruhe nachlesen.
Ich glaube die "guten Argumente" der Heidegger "Kritik" sind nicht "gut genug" , um Heideggers Denken als "Schaumschlägerei" zu "entlarven".
Das ging mir nicht anders. Aber irgendwann hat man die relevanten Stellen mehrfach gelesen, kennt die Begriffe und deren Verbindungen und dann zeigt sich, ob man mit dem Gedankenkonstrukt, das einem dargeboten wird, einverstanden ist oder eher nicht. Ich selbst war sehr enttäuscht über die inhaltliche Banalität von "Sein und Zeit". Überall dort, wo es interessant werden könnte, wird Heidegger völlig unklar oder behauptet einfach etwas, ohne das näher zu erläutern/begründen.
Hans Albert schreibt hierzu sehr treffend, dass "trotz der von Heidegger bevorzugten und von ihm eigens für seine Zwecke konstruierten eigenartig anmutenden Terminologie ... sich seine Analysen durchweg im Rahmen des alltäglichen Denkens [halten], sie enthalten Beschreibungen alltäglicher und bekannter Phänomene mit Hilfe dieser neuartigen Terminologie. Durch sie wird eine bestimmte Optik erzeugt, die manchem plausibel erscheinen mag, aber ihr Erkenntniswert ist kaum zu beurteilen, so lange nicht gezeigt werden kann, welche Probleme mit ihrer Hilfe gelöst werden können." (Hans Albert, "Traktat über kritische Vernunft", 5. Aufl. 1991, Mohr:Tübingen. S. 164)
Diese und andere Kritiken lernte ich erst später kennen und in ihnen fand ich vollends meine eigenen Gedanken bestätigt.
Ich finde meine Heidegger-Bücher leider nicht mehr, offenbar habe ich sie inzwischen (wohl beim letzten Umzug vermutlich) doch aussortiert - oder meine Frau hatte ihre Hände im Spiel...
Jedenfalls dürfte es nicht allzu schwer sein, entsprechende Stellen in seinem Spätwerk zu finden, in denen er explizit seine Art des Denkens von der Philosophie und überhaupt dem herkömmlichen Denken abgrenzt. Seine gesamte Spätphilosophie ist im Grunde nichts anderes als ein Pamphlet gegen Logik, Gedankenschärfe und Wissenschaft. Versuchs doch mal mit "Unterwegs zur Sprache" oder "die Technik und die Kehre". Mit beiden Machwerken hatte ich einst intensiver zu tun.
Das glaube ich dir, dass du das glaubst.
Einen schönen Abend wünscht
Phil
Naja von "inhaltlicher Banalität" dieses philosophischen Werkes, kann man meines Erachtens nicht so einfach sprechen. Denn es werden ja in Sein und Zeit philosophische Themen wie "Sprache", "Tod", die Existenz /das Leben und weitere Themen angesprochen und entsprechend reflektiert
Naja diese Kritik ist natürlich ein Beispiel für Heidegge-Kritik. Aber man kann natürlich diese Kritik wiederum kritisieren bzw. könnte ich natürlich auch ein Zitat derjenigen bringen , die Heideggers Denken produktiv finden und eben in Sein und Zeit einen philosophischen Klassiker sehen.
Aber wirklich überzeugende Argumente der Heidegger-Kritik habe ich jedenfalls nicht gefunden bisher für meinen philosophischen Geschmack.
Dass anthropologische Grundthemen aufgegriffen (bzw. zumindest begrifflich erwähnt) werden, ist ja nun kein Qualitätsprädikat für gute Philosophie.
Natürlich kann man über die qualitative Fraglichkeit der Inhalte "nicht so einfach sprechen", denn sie ist schließlich hinter einem Panzer aus Begriffen und unklaren Darstellungen sorgfältig getarnt. Wir würden vermutlich nicht mal merken, dass wir von völlig verschiedenen Vorstellungen sprechen, sofern wir uns nun konkret über die Inhalte von "Sein und Zeit" (resp. die gängigen Begrifflichkeiten) unterhielten.
Ich bin auch gar nicht mehr "drin" in der Thematik; irgendwann muss man auch mal einen Schlussstrich ziehen und Prioritäten setzen. Bestenfalls wird der Heideggersche Seins-Hokuspokus in 1-2 Generationen weitgehend vergessen sein.
Das war auch keine detaillierte Kritik - ist ja klar. Das Zitat sollte nur meine Vorbehalte untermauern; für ordentliche Kritik braucht es schon etwas mehr Tiefgang, als das hier - im Rahmen eines notwendig oberflächlichen Meinungsaustauschs - möglich wäre.
In der Philosophie sollten auch nicht "Geschmäcker" entscheiden, sondern Argumente die intellektuellen Taktgeber sein.
Viele Grüße
Phil
(Philosophische) Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.