Sicherlich kann man das. Die Frage ist eben nur, ob man das möchte und wie genau das erfolgen sollte. Entweder kommt das dabei heraus, was du (und vorgeblich auch Heidegger) selbst ablehnt - nämlich unverständlicher Kauderwelsch, indem jemand sich des Heideggerschen Sprachduktus bedient -, oder man redet "über" die Person und/oder "über" seine Philosophie. All dies dürfte Heidegger selbst wohl kaum gefallen und schwerlich der Intention des "Schweigens" und "Hörens" entsprechen, die er für uns zweifelsohne an-dachte.
Nun das, ist das , was man dann die "eigene Heidegger-Rezeption" nennt, welche auch produktiv ausfallen dann kann. Für mich jedenfalls habe ich das so entschieden, da ich der Meinung bin , dass man durchaus mit diesem philosophischen "Denken" etwas "anfangen" kann, indem man es eben "weiterdenkt"/ versucht kritisch weiter zu denken. Es geht ja nicht dabei in dem sog. "Heidegger-Jargon" hineinzugeraten (also zu "heideggern" ) sondern in der eigenen Sprache über Heidegger(s) (Denken) zu sprechen . Es ist ja bekannt, dass Adorno vom "Jargon der Eigentlichkeit" spricht und hat soweit ich sehe Heideggers Terminologie /Sprache entsprechend kritisiert. Heidegger selbst war meines Wissens nach das "heideggern" vermutlich auch nicht angenehm, was er natürlich auch kennenlernen durfte (durch andere). Heidegger benutzt in diesem Zusammenhang auch den Begriff des "Geredes" in Sein und Zeit (§ 35, S.168f.):
"Und weil das Reden den primären Seinsbezug zum beredeten Seienden verloren bzw. nie gewonnen hat, teilt es sich nicht mit in der Weise der ursprünglichen Zueignung dieses Seienden , sondern auf dem Wege des Weiter- und Nachredens. Das Geredete als solches zieht weitere Kreise und übernimmt autoritativen Charakter. Die Sache ist so, weil man es sagt. In solchem Nach- und Weiterreden, dadurch sich das schon anfängliche Fehlen der Bodenständigkeit zur völligen Bodenlosigkeit steigert, konstituiert sich das Gerede. (... ) Das Gerede, das jeder aufraffen kann, entbindet nicht nur von der Aufgabe echten Verstehens, sondern bildet eine indifferente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen ist."
Man sieht , dass Heidegger kein Freund dieser Art von Sprachausübung war, die etwas sprachlich reproduziert ohne es wirklich zu "verstehen", und das kann auch das "gedankenlose heideggern". Daher war er vermutlich auch kein Freund des "heideggern" , welches Heideggers Sprache imitiert , ohne diese Terminologie und "Philosophie" wirklich zu verstehen. Das Schweigen ist ihm hingegen angenehmer, weil es von verstehen zeugt (S.164):
"Wer im Miteinanderreden schweigt, kann eigentlicher zu verstehen geben, das heißt das Verständnis ausbilden, als der, dem das Wort nicht ausgeht. Mit dem Viel-Sprechen über etwas ist nicht im mindesten gewährleistet, dass dadurch das Verständnis weiter gebracht wird. Im Gegenteil: das weitläufige Bereden verdeckt und bringt das Verstandene in die Scheinklarheit , das heißt Unverständlichkeit der Trivialität"
> Man kann hier gut sehen, wie Heidegger hier im Grunde das Gerede und das Schweigen gegenüberstellt.
Und Beispiele von Philosophen, die mit Heidegger was anfangen konnten (auch in kritischer Seite), kann ich gern nennen.
Von der philosophisch "Konservativen" wurde und wird Heidegger regelmäßig bemüht, was nicht weiter zu verwundern braucht, da er als einer der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts einzustufen ist; bis heute ist mir jedoch noch keine Spielart der Heideggerschen Denke begegnet (weder in Theologie noch Psychologie bzw. Psychoanalyse), die ich als "produktiv (und kritisch) weitergedacht" empfunden hätte. Offenbar wird - als Beispiel - der sogen. "Hermeneutische Zirkel" mit Heidegger legitimiert, wobei allein die Autorität des Namens genügen dürfte, denn plausible Argumente sind mir in diesem Zusammenhang nicht bekannt.
Nun was ist konservativ? Und was ist ein philosophischer "Konservativer"? Und wer könnte dafür als Beispiel genannt werden? Und welches Recht hätte man , hier von einem philosophischen Konservatismus sprechen? Welche Gründe könnte man dafür anführen , dass man dieses Recht hat (und mit diesem "Etikett" arbeitet)? Es gibt durchaus auch Philosophen , welche eher "links" waren /sind und die mit Heidegger was philosophisch anfangen konnten. Als Beispiel sei hier der französische Philosoph Michel Foucault genannt, den ich eher zu den philosophischen "Linken" zählen würde und für den Heidegger ein "maßgeblicher" Philosoph war. Aber ich vermute mal, dass mit Konservativen wahrscheinlich eher Philosophen wie Sloterdijk gemeint sind oder? Wenn man das also mal mit ein paar mehr oder wenigen bekannten Namen versieht.
Auch wenn Michel Foucault nie explizit Heidegger genannt findet in seinen Werken, kann man doch schon einen gewissen Einfluss in dessen Werk sehen. Z.B. Foucault Begriff der "Ontologie" und wie er diesen in seinen Werk gebraucht. Man kann natürlich auch Sartre nennen (das Sein und das Nichts) und andere französische Philosophen , die Heidegger meines Erachtens produktiv und kritisch weiter gedacht haben (man könnte natürlich auch italienische oder andere Philosophen nennen> aber Heidegger hat ja bekanntlich in Frankreich auch gewirkt) und deren Lektüre ich hier empfehlen kann. Und diese würde ich nicht unbedingt als "Heideggerianer" ansehen. Die Denker , welche sich auf Heidegger beziehen, tun dies natürlich auch in "kritischer" Weise und es geht ja nicht darum in Heidegger eine absolute philosophische Autorität zu sehen , die man unhinterfragt lässt usw. Wobei ich mich hier vor allem auf die "philosophische Seite" beziehe. Er hat natürlich in anderen kulturellen Bereiche gewirkt (z.B. auch Psychoanalyse und Daseinsanalyse usw. , dazu gibt ein nettes Buch, was man lesen sollte. Wie gesagt ich sehe das etwas anders eben
Oder ist dies etwa ein Argument: Der Mensch ist je schon in seinem Sein befindlich und daher ist alles Denken immer schon Interpretation... etc.?
Heidegger denkt ja auf seine Weise das Verhältnis des Menschen zum Sein. Aber sagt er das denn genauso? Man kann natürlich sagen, dass Heidegger (vermutlich) nicht immer argumentiert (bzw. nicht immer "argumnetationsfreudig" ist) und eher zu Behauptungen neige. Dennoch würde ich aber sagen, dass Heidegger als Philosoph auch argumentiert und es bei ihm auch philosophische Argumente gibt (und ich denke mal auch in Sein und Zeit). Aber da müsste ich diesbezüglich nochmal nachschauen, da mir jetzt kein passendes Beispiel einfällt. Ich denke Heidegger verstand auch was von Argumentation , er war also auch nicht ohne Argumente usw.
Das ist einfach nur philosophischer Humbug vom Feinsten und Philosophie von vorgestern (resp. aufgewärmter deutscher Idealismus)... sorry für die deutlichen Worte.
Naja ich würde jetzt nicht so weit gehen, dass gleich als "philosophischem Humbug vom Feinsten" zu bezeichnen, sondern man muss bestimmte Dinge aus Heideggers eigener Denkweise heraus verstehen /reflektieren, was dann auch ein wirkliches Verständnis von Heidegger zeigt würde ich mal sagen. Dann ist natürlich einiges nachvollziehbarer philosophisch. Jemand, der mit Heideggers Terminologie Schwierigkeit hat des Verstehens, kann solche Dinge nicht immer gleich in dem philsophischen Gesamtzusammenhang verstehen. Man müsste aber auf den Gesamtzusammenhang genauer eingehen, also woher dieses Zitat stammt , um so dieses besser im Gesamtkontext zu verstehen, sonst macht man es sich in der philosophsichen Kritik an Heidegger zu einfach
Aber erstmal müsste (vorsichtshalber) geklärt, ob Heidegger das vom "Sinn" her so sagt.
Inwiefern kann in einem Gespräch (wieso setzt du das in Anführungszeichen?) zeitgleich gesprochen und nicht gesprochen werden? Meinst du äußerlich sichtbare Vorgänge (verbal, nonverbal), explizite Gesprächsabläufe oder implizite psycholog. Prozesse?
Nun das ist deshalb möglich , weil Schweigen auch auch eine Art "Sprechen" für Heidegger ist (siehe Sein und Zeit, S.164f. unten).
Aber ich zitiere nochmal dazu Heidegger selbst:
"Nur im echten Reden ist eigentliches Schweigen möglich. Um schweigen zu können, muss das Dasein etwas zu sagen haben, das heißt über eine eigentliche und reiche Erschlossenheit seiner selbst verfügen. Dann macht Verschwiegenheit offenbar und schlägt das <Gerede> nieder.
Verschwiegenheit artikuliert als
Modus des Redens die Verständlichkeit des Daseins so ursprünglich, dass ihr das echte Hörenkönnen und durchsichtige Miteinandersein entstammt."
Das Schweigen falls also Heidegger als "Modus des Redens" auf, was sich natürlich auch in einem Gespräch bemerkbar machen kann ( und "nur im echten Reden ist eigentliches Schweigen möglich"> heißt auch wer redet, schweigt in gewisser Hinsicht> Heidegger sagt auch: "Der Stumme hat umgekehrt die Tendenz zum <Sprechen>". )
Also kurz gesagt: Heidegger fasst das Reden als Schweigen auf und das Schweigen als ein "Modus des Redens". Insofern kann man hier von einer gewissen dialektischen Gedankenfigur bei Heidegger sprechen.
Ich glaube Heidegger meint hier auch das "Nonverbale" in gewisser Hinsicht. Aber ich denke mal , dass damit deine Frage eigentlich nun (nachvollziehbar) beantwortet sein müssten (oder?). Man lese nur Heidegger an dieser Stelle nochmal.
Das sind mögliche Blickwinkel auf Sprechen/Kommunikation, für Heidegger jedoch allesamt "rechnend-stellend" (d.h. rationalistisch) und also uneigentlich. Heidegger interessierte sich ausschließlich für das Verhältnis des Menschen (als Konzept des Seienden) zum Konzept des "Seins" (später vermehrt nur noch für letzteres) und explizit nicht für das Phänomen "Mensch" als solches; das wird häufig - auch von Heideggerliebhabern - einfach nicht verstanden.
Wie gesagt: Heidegger hat seine eigene Art über das Thema Mensch und Sprache /Kommunikation nachzudenken und manche können was damit philosophisch anfangen (und sehen darin eine kreative Sprachauffassung) und manche halte nicht (was vermutlich für die Heidegger-Kritiker insbesondere gilt). Heidegger geht es vor allem um das "echte Reden" und nicht um das "Gerede". Er zieht ja die "eigentliche" Existenzform der uneigentlichen vor (also dem "Man").
Jedenfalls betreibt Heidegger seinem Verständnis nach keine Anthropologie , sondern denkt eben den Menschen von seinem Bezug zum Sein her. Das ist nun mal charakteristisch für seinen Denkansatz , den man philosophisch nachvollziehbar finden kann oder nicht. Der Mensch ist für Heidegger seit Sein und Zeit das "Dasein". Ich glaube die (meisten) Heidegger-Kritiker können nicht wirklich verstehen, dass Heidegger auf seine Weise den Menschen denkt. Seine Kritik am Humanismus geht auch in diese Richtung, dass dieser das Sein des Menschen nicht hoch genug denkt, also seine "humanitas" (siehe den "Brief über den Humanismus"). Für mich jedenfalls ein interessanter philosophischer Ansatz zum Denken des Menschen, der sich allerdings von jeglicher Antropologie abgrenzt
Abgesehen davon ist Dialektik ist ein hilfloser Versuch, aus Position einer Schwarz-Weiß-Denke die Komplexität von "Welt" erklären zu wollen.
Gruß
Phil
Nun der Begriff "Dialektik" ist hier vielleicht eine gewisse philosophische Verlegenheit, da mir kein "besserer " Begriff einfiel , um diese "Gedankenfigur " zu bezeichnen (also das Reden als Schweigen und umgekehrt). Ich glaube "traditionellerweise" nennt man sowas eher schon "Dialektik", auch wenn Heidegger selbst kein Freund der Dialektik gewesen ist (als Hegel zum Beispiel). Man verzeihe mir das eben, das ich einen "simplifizierenden" Begriff hier benutzt habe, der gewiss nicht immer der "Komplexität von Welt" gerecht wird und dem selbst Heidegger wenig philosophisch abgewinnen kann
Gute Nacht!
PS: Man verzeihe mir zudem auch die Ausführlichkeit , aber gewisse Punkte bedurften eben einer gewissen (und vor allem genaueren) philosophischen Stellungnahme in dieser Debatte/Diskussion zu Heidegger. Dass es hier eine philosophische (sachliche) Meinungsverschiedenheit gibt , wird ja mehr als deutlich mittlerweile (das ich da also eine andere Meinung bezüglich Heidegger vertrete). Man merkt natürlich dabei, wie "umstritten" dieser Philosoph nach wie vor ist (und welch unterschiedliche Sichtweisen auf diesen vorhanden ist> also die Sichtweise der Heidegger-Kritiker, die der sog. "Heidegger-Liebhaber" und die welche sich eben "kritisch-produktiv" mit Heidegger beschäftigen und diesen versuchen weiter zu denken> das Ganze muss eben differenziert betrachtet werden, auch was die unterschiedlichen Perspektiven der "jeweiligen philosophischen Lager" bezüglich Heidegger anbetrifft> und das ist eben gewisser philosophischer "Dissens" im Grunde vorprogrammiert)
Zu welchen "philosophischen Lager" ich mich zähle, sollte ja eigentlich auch klar geworden sein mittlerweile (also kurz gesagt: "kritisch-produktiv" eben und eher kritisch bezüglich des "Heideggerianimus").