Auch Heidegger las Nietzsche, insofern scheinen mir beide da was gemeinsam zu haben. Was das Schweigen anbetrifft, ist mir nur die Äußerung aus dem Tractatus bekannt ("worüber man nicht reden kann, darüber soll man schweigen"). Bei Nietzsche bin ich fündig geworden zum Thema Schweigen:
423.
Im
großen Schweigen. — Hier ist das Meer, hier können wir der Stadt vergessen. Zwar lärmen eben jetzt noch ihre Glocken das Ave Maria — es ist jener düstere und törichte, aber süße Lärm am Kreuzwege von Tag und Nacht —, aber nur noch einen Augenblick!
Jetzt schweigt Alles! Das Meer liegt bleich und glänzend da,
es kann nicht reden. Der Himmel spielt sein ewiges stummes Abendspiel mit roten, gelben, grünen Farben,
er kann nicht reden. Die kleinen Klippen und Felsenbänder, welche in’s Meer hineinlaufen, wie um den Ort zu finden, wo es am einsamsten ist,
sie können alle nicht reden. Diese
ungeheure Stummheit, die uns plötzlich überfällt, ist schön und grausenhaft, das Herz schwillt dabei. — Oh der Gleisnerei dieser
stummen Schönheit!
Wie gut könnte sie reden, und wie böse auch, wenn sie wollte! Ihre
gebundene Zunge und ihr leidendes Glück im Antlitz ist eine Tücke, um über dein Mitgefühl zu spotten! — Sei es drum! Ich schäme mich dessen nicht, der Spott solcher Mächte zu sein. Aber ich bemitleide dich, Natur,
weil du schweigen musst, auch wenn es nur
deine Bosheit ist,
die dir die Zunge bindet: ja, ich bemitleide dich um deiner Bosheit willen! — Ach, es wird noch stiller, und noch einmal schwillt mir das Herz: es erschrickt vor einer neuen Wahrheit, es kann auch nicht reden, es spottet selber mit, wenn der Mund Etwas in diese Schönheit hinausruft, es genießt selber
seine süße Bosheit des Schweigens. Das Sprechen, ja das Denken wird mir verhasst: höre ich denn nicht hinter jedem Worte den Irrtum, die Einbildung, den Wahngeist lachen? Muss ich nicht meines Mitleidens spotten? Meines Spottes spotten? — Oh Meer! Oh Abend! Ihr seid schlimme Lehrmeister!
Ihr lehrt den Menschen aufhören, Mensch zu sein! Soll er sich euch hingeben? Soll er werden, wie ihr es jetzt seid, bleich, glänzend, stumm, ungeheuer, über sich selber ruhend? über sich selber erhaben?
Quelle:
http://www.textlog.de/20126.html
Nun das ist für mich eine bemerkenswerte Reflexion über das Schweigen. Aber es gibt noch andere Stellen, wie z.B.:
Nietzsches Schweigen
[...] noch jetzt schwankt nach einer Stunde sympathischer Unterhaltung mit wildfremden Menschen
meine ganze Philosophie: es scheint mir so töricht, recht haben zu wollen um den Preis von Liebe, und
sein Wertvollstes nicht mitteilen zu können, um nicht die Sympathie aufzuheben. (Nietzsche in einem Brief an Peter Gast vom 20. August 1880)
Quelle:
http://unversoehnlichkeiten.blogspot.de/2012/11/nietzsches-schweigen.html
oder auch:
Wenn man ein Jahr lang schweigt, so verlernt man das Schwätzen und lernt das Reden.
Wer viel einst zu verkünden hat, schweigt viel in sich hinein.
Wer einst den Blitz zu zünden hat, muß lange — Wolke sein.
Das mal als ein paar Beispiele, wie bei Nietzsche das Schweigen gedacht wird. Was Heidegger , Nietzsche und Wittgenstein verbindet ist der Punkte, dass alle drei mehr oder weniger über das Schweigen nachgedacht haben.
Bei Heidegger kann man das wie gesagt an angegebener Stelle in Sein und Zeit nachlesen (S.164):
http://busyreadywhat.org/Authors/Heidegger/Heidegger Martin - Sein und Zeit.pdf
Zu Heidegger und die Führer Schwärmerei:
"Dass den Juden ein solches Manöver wie die Papenepisode gelungen ist, zeigt eben , wie schwer es auf jeden Fall sein wird, gegen alles , was Großkaipital und dergleichen Groß- ist, anzukommen. Politische Ungeschicklichkeiten der <Nazi> kommen dazu. Und trotzdem , trotz aller Auswüchse und Unerfreundlichkeiten muß zu ihnen und Hitler gehalten werden. Ich schicke Dir die neue Hitlerrede."
Quelle: Heidegger und der Antisemitismus , Herder Verlag 2016, S.31> ein Brief Heideggers an seinen Bruder Fritz vom 28. Oktober 1932)
Man kann hier gut sehen, wie positiv Heidegger schon vor der sog. Machtergreifung Hitler gegenüberstand. Geschwiegen hat er in der Hinsicht nicht gegenüber seinem Bruder, sondern offen seine politische Meinung geäußert.
Warum Heidegger die Kehre machte, ist nicht einfach zu beurteilen. Auf jeden Fall war das eben seine Denk-Entwicklung.
Heidegger war eben stark von seiner Zeit beeinflusst und war dieser gegenüber wie mir scheint nicht wirklich distanziert, sonst hätte er nicht so positiv auf den NS reagiert schon vor der Machtergreifung.