Giacomo_S
Well-Known Member
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Ich habe mal eine Zeit lang versucht, mich ganz simpel zu ernähren, nur von Reis und solchen Sachen und da merkt man erst mal, wie sehr wir eben süchtig sind nach gewissen Extras. Man kann auch von gekochtem Reis ohne irgendwas dazu gut überleben, das beweisen Asketen in aller Welt.
Eine kurze Zeitlang schon, aber dann nicht mehr.
Dazu könnte ich aus ernährungswissenschaftlicher Sicht und als Koch einiges sagen, aber das ist hier nicht das Thema und sprengt den Rahmen.
Aber warum sollte man dies tun?
Selbst die bedeutendsten Erleuchteten der Religionsgeschichte (Jesus, Buddha) haben die Askese als letztlich nutzlos, ja kontraproduktiv verworfen. Buddha hungerte sich fast zu Tode, musste dann aber einsehen: Das bringt nichts. Jesus fastete 40 Tage in der Wüste, kam aber aus ihr zurück ... und feierte, mit anderen, auf Hochzeiten!
Aber wir wollen mehr, es geht nicht nur um die Ernährung, sondern um den Genuss.
Na und? Was ist denn eigentlich am Genuss überhaupt verwerflich?
Hat uns Gott nicht schließlich das Leben geschenkt, um es - auch - zu genießen? Was für einen Wert soll das Leben denn haben, gäbe es den Genuss nicht?
Nicht der Genuss als solcher ist verwerflich oder dekadent, der Genuss um jeden Preis ist es. Buddha und Jesus ging es nicht darum, den Mitmenschen jeden Genuss zu verbieten oder auch nur madig zu machen. Es ging ihnen um den sozialen Aspekt des Genusses: Da schwelgt der Reiche in luxuriösen, dekadenten Kleinigkeiten, ununterbrochen, Tag für Tag, im Übermaß ... während der Arme nichts zu essen hat und/oder nur trocken Brot. Und das geht nicht, und zu Recht nicht.
Nun ... als Koch bin ich eh ein Hedonist, muss es auch sein. Denn wie könnte ich für Menschen Spezialitäten zubereiten, hätte ich keine Ahnung von diesen?
Andererseits: Ich gönne es jedem, auch mal einen Hummer zu essen, Kaviar o.ä. Das Wesen teurer Spezialitäten ist es, sie vllt. nur wenige Male im Leben zu essen. Dekandenz und Völlerei ist es dann, müsste es jeden Monat, jede Woche, jeden Tag der Fall sein.
Im Jahr 1981 befand ich mich - im Alter von 17 Jahren - in einer privaten Hilfsaktion in Polen. Wir verteilten Pakete, es war auch Kaffee darin. Die Polen sagten: Oh, WOW, Kaffee. Ich werde nie vergessen, was meine Mutter sagte: Ich war selbst Flüchtling, aber ich weiß: Egal wie beschissen es einem auch immer gehen mag - eine gute Tasse Kaffee gehört immer dazu!
Noch heftiger finde ich den Sextrieb. Der ist sogar noch mehr Sucht in meinen Augen. Denn es ist im Gegensatz zum Essen nicht lebensnotwendig für das Individuum, den Sextrieb zu befriedigen. Aber wie lange hält man (und insbesondere mann) es aus?
Der Sexualtrieb gilt, auch historisch, als überflüssig, denn das Individuum kann auch ohne diesen überleben. Das Individuum schon, aber nicht die Spezies, und deshalb gibt es den Sexualtrieb.
Wer den Sexualtrieb auf Dauer zu ignorieren versucht, der tickt aus. Er verliert sich in Visionen und Aggressionen, man kann den Sexualtrieb nicht auf Dauer ignorieren. Er ist Teil unserer Biologie und notwendig wie Essen & Trinken.