Ja, ABER: Sie haben dieses extreme Fasten vorher durchgezogen. Ich glaube nicht, dass hier die reine Theorie reicht. Die Erfahrung muss man wohl schon selber machen. Aber ich bin ja auf diesem Gebiet bisher auch reiner Theoretiker, ich habe noch niemals ernsthaft Askese betrieben.
In der Ernährungswissenschaft bezeichnet man dies als den Hunger- oder Fastenstoffwechsel, der sich von dem normalen Stoffwechsel deutlich unterscheidet. Eine Begleiterscheinung ist die Erhöhung bestimmter neuronaler Botenstoffe, die eine Stimmungsaufhellung bewirken, die auch nach Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr eine Zeitlang anhält. Heutzutage lässt sich das alles auch durch andere Methoden erreichen, wie sinnvoll das eine wie das andere ist, das möchte ich hier einmal dahingestellt sein lassen.
Wenn die "Meister" die Askese als nutzlos verworfen haben - und dies ihren Anhängern auch so geraten haben - dann sind sie schließlich zu dem Schluss gekommen, dass man diesen Schritt nicht tun muss, es sich um einen Irrweg gehandelt hat.
Also ich betrachte alles Körperliche nur noch als lästig, deshalb auch mein Begriff der Sucht, gerade weil er negativ belegt ist. Ja, im Essen und im Sex liegt Genuss, aber man kriegt nie genug davon. Das ist ein Fass ohne Boden, bis man irgendwann tot umfällt. Ich weiß ja, dass das den meisten Menschen völlig egal ist, aber ich empfinde es einfach so, dass man durch die scheinbare Genussbefriedigung immer nur einer Karotte hinterherrennt, die einem vor der Nase rumpendelt und hypnotisiert. Könnte ich einen Schalter umlegen, der jeden Appetit auf Nahrung und Frauen ausschaltet, würde ich es tun. Was wäre das für eine Erleichterung.
Nun, finde Dich damit ab, dass Du eine materielle Existenz hast.
Du bist nicht der erste, der alles Körperliche zu ignorieren oder gar zu verdammen versucht.
Der Historiker und Kirchenkritiker Karlheinz Deschner beschreibt in seinem Buch
Das Kreuz mit der Kirche. Eine Sexualgeschichte des Christentums mittelalterliche Mönchsorden. Die Mönche verdammten alles Körperliche, allem voran die Sexualität. Nicht wenige hungerten sich zu Tode. Dies alles ging mit - für sie schrecklichen - Begleiterscheinungen einher. Sie bekamen am hellerlichten Tage Pollutionen und wurden von grässlichen (Sexual)-Visionen geplagt.
Um dem entgegen zu wirken, kasteiten sie sich mit Peitschenschlägen, sprangen ins eiskalte Wasser, hängten sich schmerzhafte Gewichte o.ä. an ihre Sexualorgane. Einzelne entmannten sich sogar, obwohl die Kirche dies verbot. Außerdem wuschen sie sich nicht mehr (denn auch dies kann ja schließlich ein körperliches Wohlbefinden auslösen), stanken dementsprechend, weshalb man sie im Mittelalter auch als die "Kuttenbrunzer" bezeichnete. Und das in einer Zeit wie dem Mittelalter, die nicht gerade als eine Zeit sonderlicher Körperpflege bekannt geworden ist.
Die körperlichen Grundbedürfnisse lassen sich nicht verdrängen. Wenn man es versucht, dann kommen sie zurück, und zwar in pervertierter Form.
Im Übrigen:
Auch andere Aspekte des Lebens haben die "Meister" vorher in ihrem Leben gelebt. Buddha war vor seiner Erleuchtung verheiratet und hat Kinder gezeugt. Jesus war mutmaßlich verheiratet, mglw. mit Maria Magdalena. Zwar verschweigt uns das Neue Testament diese Tatsache, vielleicht auch deshalb, weil das damals, für einen Juden in seinen 30ern so selbstverständlich war, dass man es für nicht erwähnenswert hielt. Indirekt und mit einer Kenntnis der jüdischen Kultur der Zeit lässt sich dies aber selbst aus dem uns überlieferten, kanonischen NT herauslesen.
Und aus den - nicht kanonischen - Apokryphen, wo Maria Magdalena "Jesu Gefährtin" ist, die er "oft auf den Mund küsste", sowieso (wenn man diese denn als authentisch anerkennen will).