AW: Was ist die Natur des Menschen?
Einverstanden mit jeder Zeile, Zeilinger! Nur - die Selbstironie habe ich wieder mal allzu sehr versteckt, glaube ich.
Du spielst sicher auf die leistungsorientierte Gesellschaft an, Louiz. Okay, Leistungsstreben ohne Wenn und Aber, Wettkampfgesinnung auf Biegen und Brechen und ohne Rücksicht auf Verluste (bzw. Kompromisse) führt zur typischen Zweiklassengesellschaft mit Not und Elend auf der einen und wunderbarer Brotvermehrung auf der anderen Seite.
Wenn wir aber bei der Verhaltensbiologie bleiben: Die Lebewesen sind nun mal mit angepassten Trieben und Instinkten ausgestattet, die ihnen das Überleben in ihrer Umgebung garantieren können. Oder kennst du Tierarten, wo es kein Fressen und Gefressen werden bzw. keine Wettkämpfe gibt?
Das sollten wir auch bei den Menschen akzeptieren und in unser Tun einbeziehen (z.B. in der Erziehung). Das Scheitern ist zwar vorprogammiert, daraus können wir aber reflektorisch auch Nutzen ziehen, unser Großhirn vergrößern und noch schlauer und genialer werden.
Der schlaue Mensch lernt aus seinen Fehlern, der geniale lernt aus den Fehlern anderer.
kathi schrieb:
die unterdrückung der wut aber führt nur zu aufgestauter aggression, die sich bei jeder passenden oder unpassenden gelegenheit ein ventil sucht.
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diese sicht widerspricht der deinigen annahme vollkommen, andreas.
gerade dort wird zu krieg gegriffen, wo die "normale aggression" (= der selbstausdruck) im alltag nicht gelebt werden kann.
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selbstreflexion will also gelernt sein.....und die neuartigen ausdrucksformen wollen entwickelt werden.
Die Unterdrückung der Aggression wäre tatsächlich ein fataler Fehler, da stimme ich voll zu, Kathi! Beim Widerspruch hast du vermutlich ein paar Sätze von mir missverstanden (Kontrolle, Beherrschung der Aggressivität möglicherweise), denn genau davor warnt auch Cube ganz ausdrücklich. Wenn man den Aggressionstrieb verneint und nur als anerzogen betrachtet, passiert nämlich das von dir Angeführte: Die Aggression sucht sich andere Ventile, was man beispielsweise bei Jugendlichen gut beobachten kann.
Grundsätzlich muss man allen Trieben ein „Aktivitätspotential“ zuordnen, dh, es wurde uns ein Werkzeug gegeben, um die Triebe befriedigen zu können. Cube bringt Beispiele dafür:
Die Katze, die keine Mäuse mehr zu fangen braucht, spielt Mäuse fangen.
Der Tiger im Zoo, der seine Beute nicht mehr jagen muss, „tigert“ in seinem Käfig herum.
Der Fisch, dem sein Rivale entzogen wird, bringt sein Weibchen um.
Der Säugling, dem die Milch ohne Saugbewegung zufließt, nuckelt weiter, auch wenn er schon satt ist – und das womöglich lebenslänglich.
Speziell auf die Aggression umgelegt heißt das: „Wer die Spontaneität des Triebsystems nicht erkennt (oder ignoriert), wer aggressives Handeln nur als Reaktion oder als Ergebnis von Lernprozessen sieht, der kann auch nicht auf den Gedanken kommen, dass sich ein Aggressionspotential bei Nichtgebrauch in gefährlicher Weise anstaut.“
In diesem Zusammenhang sei mir trotz der Überlänge noch schnell gestattet, auf eine wichtige Vermeidung der Aggression hinzuweisen – und auf einen weiteren wesentlichen Trieb, den Bindetrieb (die Gemeinschaftsnähe). Am einfachsten für mich nochmals ein Zitat aus dem Buch:
„Aggressionstrieb und Bindetrieb müssen im Gleichgewicht zueinander stehen. In einer Sozietät haben Rangordnungskämpfe die Funktion, die Gesamtheit der Sozietät zu maximieren. Das gemeinsame Handeln darf aber durch diese Kämpfe nicht beeinträchtigt werden. Die Aggression muss also permanent unschädlich gemacht werden, durch Ritualisierung und Bindung. Zerstört man Bindung, wie in unserer heutigen Wohlstandsgesellschaft, erhöht sich die Aggression.“
Wieder ein zu langer Beitrag,
meint zerknirscht
der aggressive Andreas