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Der "natürliche" Mensch!?

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Guten Tag Fortuna,

ja, eine Beantwortung der Frage nach einem "natürlichen" Menschen wäre notwendig, ist aber auch Intention dieses Threads. Sei das "natürliche" Wesen eines Menschen das der vollkommenen Auslebung seiner Triebe können wir uns sehr glücklich schätzen diesem Menschen nie begegnet zu sein. Es geht mir mehr um das Zusammenspiel von Natürlichkeit (Triebhaftigkeit), Moral und Freiheit. In welchen Bereichen wird unsere Auslebung der Natürlichkeit (Freiheit) durch geltende Moralvorstellungen eingeschränkt? Und: Ist das notwendig?

Du erhälst natürlich meine Zustimmung: Ein barbarischer Mensch, der nach dem Motto "Survival of the Fittest" alles vernichtet, was ihm in die Quere kommt, der alle andersgeschlechtlichen Menschen zu 'besteigen' versucht, ist nicht die Traumvorstellung eines Menschen. In welchem Maße passt sich die Evolution gesellschaftlichen Gegebenheiten an? Sind die Triebe, die als natürliche Urtriebe bekannt sind, noch gar nicht so alt? Oder: Das Beispiel des sexuell unbefriedigten Mannes, der, gleich einem 'Kochtopf', Druck 'ablassen' muss. Liegt es in der Natur des Menschen seine Lust ausleben zu müssen, oder ist es gesellschaftlich bedingt?

Hallöchen Marianne!

Verstehe ich Dich richtig: Der Mensch braucht intersubjektive moralische Regeln um seine Triebe ausleben zu können? D.h. der triebgesteuerte Mann akzeptiert diese Moralvorstellungen, um, im Rahmen dieser Vorschriften, seine Triebe um so besser ausleben zu können? Interessant!

Deine Beschreibung eines natürlichen Menschen erscheint mir zutreffend: Ein Wesen das sich selbst treu bleibt, seinen Wünschen, Interessen und Träumen, ein Wesen, das sich nicht von Außen, von der Gesellschaft, zu sehr 'deformieren' lässt. Der wesentliche Mensch.

Das Beispiel des Ehebruches beschreibt den Sachverhalt der Einschränkung unserer Triebe den ich angesprochen habe: In der Natur des Menschen liegt es, mit möglichst vielen PartnerInnen möglichst starke Nachkommen zu zeugen, doch sagt uns die katholische Kirche: Du sollst nicht Ehebrechen. Was nun: Trieb oder Moral?

Zitat von Marianne:
Es liegt an uns, das zu durchschauen und unsere Triebe in Eigenverantwortlichkeit so auszuleben, dass sie keinem anderen schaden oder - einschränkend - schaden wollen. Das ist mein moralischer Ansatz (Kant).

Sehr schön. Eine größmögliche Auslebung der Triebe (Freiheit) bei kleinstmöglichem Schaden.

Sorry: Sprichst Du zuletzt von der antiautoritären Erziehung (Summerhill)? Einer Erziehung ohne Beschränkungen?

dankende & neugierige Grüße von

Patrice :clown2:
 
Buenos dìas Muzmuz,

mit Einschränkung des Natürlichen meine ich die Unterdrückung von natürlichen Trieben zugunsten verschiedener Moralvorstellungen und Sittlichkeiten.

lg

Patrice :clown2:
 
Patrice schrieb:
Das Beispiel des Ehebruches beschreibt den Sachverhalt der Einschränkung unserer Triebe den ich angesprochen habe: In der Natur des Menschen liegt es, mit möglichst vielen PartnerInnen möglichst starke Nachkommen zu zeugen, doch sagt uns die katholische Kirche: Du sollst nicht Ehebrechen. Was nun: Trieb oder Moral?

der trieb ist nicht nur möglichst viele nachkommen zu haben, sondern mögilchst viele überlebensfähige nachkommen zu haben
dazu haben die beiden geschlechter naturgemäß verschiedene ansätze, jedoch beide haben die neigung, nachkommen mit verschiedenen partnern zu haben
da läge der schluss, ungehemmter sexualverkehr (jeder mit jedem) wäre evolutionsbedingt das beste, nahe
das entspricht aber nicht den tatsachen
aus der sicht des mannes: er wüsste nie, welches kind seines wäre, also in welches er "investieren" soll
weiters gäbe es ständige "brunftkämpfe", was die zahl der männer empfindlich dezimieren könnte...der soziale friede wäre empfindlich gestört
aus der sicht der frau: eine frau mit vielen kindern und mehr oder minder ständig schwanger ist nicht alleine überlebensfähig, und ihre kinder demnach auch nicht

was ist nun evolutionär das beste ?
einerseits gewährt die partnerbindung ein gesichertes überleben der nachkommen (frau übernimmt die obhut und aufzucht, mann übernimmt die nahrungsbeschaffung und gewährleistung der sicherheit)
völlige monogamie aber hat eine geringe gendurchmischung

der sich anbietende kompromiss:
man lebt großteils monogam, um sozialen frieden zu sichern und die überlebenschancen der nachkommen zu erhöhen, hat aber auch seitensprünge, die nicht an die große glocke gehängt werden, um eine bessere gendurchmischung zu gewährleisten

so ist diese "moral" entstanden, sie ist offensichtlich natürlichen ursprungs, und der mensch agiert hier genau so, wie es ein triebgesteuertes tier auch tut
er tut das, was für seine art am besten ist

so verhält es sich mMn auch mir anderen moralischen werten
du sollst nicht stehlen, du sollst nicht töten, etc....
gäbe es diese "moral" nicht, wären die folgen für die menschheit von nachteil

lg,
Muzmuz
 
Patrice schrieb:
Das Beispiel des Ehebruches beschreibt den Sachverhalt der Einschränkung unserer Triebe den ich angesprochen habe: In der Natur des Menschen liegt es, mit möglichst vielen PartnerInnen möglichst starke Nachkommen zu zeugen, doch sagt uns die katholische Kirche: Du sollst nicht Ehebrechen. Was nun: Trieb oder Moral?
Lass doch mal die katholische Kirche beiseite, an allem ist die nun auch nicht schuld ;)!
Eheliche oder partnerschaftliche Treue (zumindest die der Frau ;)) wird und wurde in allen Kulturen geschätzt bzw. radikal gefordert und bei Zuwiderhandlung mit drastischen Strafen bis zur Todesstrafe geahndet. Der Mensch scheint ein (natürliches?) Revierbedürfnis zu haben, eine Intimzone, die andere nicht ohne Konsequenzen grenzverletzen dürfen.

Patrice schrieb:
Sehr schön. Eine größmögliche Auslebung der Triebe (Freiheit) bei kleinstmöglichem Schaden.

Das ist wohl die größtmögliche Freiheit, wenn Menschen in Gemeinschaften leben, und das tun sie nun mal.

Patrice schrieb:
Sorry: Sprichst Du zuletzt von der antiautoritären Erziehung (Summerhill)? Einer Erziehung ohne Beschränkungen?

Ich greife das Stichwort mal auf!
Die antiautoritäre Erziehung hat zumindest den rigiden autoritären deutschen Erziehungsstil in Frage gestellt und eine andere Ära eingeleitet, was
"natürlich" wiederum Probleme mit sich brachte.
Ich habe auch zwei Kinder nicht anti- aber doch ziemlich nichtautoritär erzogen und das hat uns allen gut getan.

Fortuna
 
Patrice schrieb:
Buenos dìas Muzmuz,

mit Einschränkung des Natürlichen meine ich die Unterdrückung von natürlichen Trieben zugunsten verschiedener Moralvorstellungen und Sittlichkeiten.

lg

Patrice :clown2:

ich weiss, was du meinst

soziale lebewesen, ob mensch oder tier, halten gewisse spielregeln ein
in einem wolfsrudel hat nach gemeinschaftlicher jagd das alphatier das vorzugsrecht auf die beute
alle anderen jagdteilnehmer unterdrücken ihren "natürlichen trieb", die beute gleich verschlingen zu wollen zu gunsten des sozialen friedens im rudel
handeln diese wölfe auch moralisch ?

lg,
Muzmuz
 
Patrice schrieb:
Hallöchen Marianne!
A
Verstehe ich Dich richtig: Der Mensch braucht intersubjektive moralische Regeln um seine Triebe ausleben zu können? D.h. der triebgesteuerte Mann akzeptiert diese Moralvorstellungen, um, im Rahmen dieser Vorschriften, seine Triebe um so besser ausleben zu können? Interessant!

B
Sorry: Sprichst Du zuletzt von der antiautoritären Erziehung (Summerhill)? Einer Erziehung ohne Beschränkungen?

dankende & neugierige Grüße von

Patrice :clown2:

zu A:

Patrice - vordergründig scheint Deine Auslegung meiner Worte ganz richtig.
Nähere Erklärung:
Die Normen, denen sich - auch der altsteinzeitliche - Mensch beugen musste, sind nur anscheinend intersubjektiv. Schau Dir mal die Kausalität an ( den Regress).

Warum sieht ein Steinzeitmann ein, dass er für Nahrung sorgen muss ( Triebbefriedigung) ? Warum geht er also - immer unter Befolgung von Regeln - jagen ?
Weil er sich selbst und seine Nachkommen erhalten will ( Lebenstrieb)

Warum hat er ( und wir in einem gewissen Alter auch) Sex? ( Triebbefriedigung)?
Weil er sich und seine Art erhalten will - dass wir Menschen dabei auch noch mit dem Gefühl der Lust belohnt werden, ist eine Zusatzlockangebot der Natur.

In diesem Konzept ( Rollenzuweisung hi: Aufzucht - da: Obsorge ) , das aber ein natürliches, also bereits im Tierischen vorfindbar ist, liegt die Grundursache für die Tatsache, dass unser Triebleben uns selbst Regeln auferlegt.
Das ist heute natürlich ganz anders. Sehr viel komplizierter. Aber: irgendwie läuft es doch immer noch so ab. Wenn sich Menschen entschließen, Kinder zu zeugen, wird der - ein Glück immer noch Normalfall ( im Wort normal steckt ja NORM) eintreten, dass bei allen Seitensprüngen oder Gelüsten beider Partner - (was das Normale in der erotischen Anziehung ist) die Beziehung der Eltern als Schutz für die Nachkommen - sogar im Scheidungsfall - erhalten bleibt.


Du siehst, ich habe meine Antwort ganz auf die Triebfunktion des Menschen - Überlebenstrieb und Selbsterhaltungs ( Arterhaltungs)trieb ausgerichtet.
Was ein männlicher oder weiblicher Mensch ansonsten mit seiner Sexualität anfängt, ist - außer es schadet Menschen - aus jeder Moralisierung herauszunehmen. Da klagt eben jeder an, der fordert....


ad B:
Ja ! Das und eine emanzipatorische Sexualerziehung. Das bedeutet, dass wir der Meinung sind/ waren , dass ein erfülltes Sexualleben dem Menschen eine gewisse Selbstsicherheit gibt, die es ihm ermöglicht, aufrecht gegen strukturelle gesellschaftliche Gewalt vorzugehen.


frdlg
Marianne
 
Hallo Patrice !

Schön' guten Tag,

haben heute im Philosophieunterricht über eine These von Theodor Adorno zur Sexualethik gesprochen, die so lautet:

"Erster und einziger Grundsatz der Sexualethik: Der Ankläger hat immer unrecht."​
Schon wieder so ein fundamentalistisch angehauchter "Grundsatz". :ironie:
Im Ernst, ich würde sagen: "Ja, wenn keine Gewalt im Spiel ist. In diesem Fall hätte der Ankläger recht".

Ist der Mensch demnach in seiner Freiheit eingeschränkt?
Ebenfalls bedingt ja. Es gibt mMn nach nicht die große, absolute Freiheit, es gibt aber Freiheiten. Die sind hier, werden einem aber nicht aufgedrängt; um sie zu haben, müssen wir sie uns also nehmen, dazu brauchen wir aber wiederum Energie - und die ist nur eingeschränkt vorhanden.

Ist er wirklich unnatürlich?
Bin ich bei Muzmuz; da er ein Teil der Natur ist, kann er nicht (ganz) unnatürlich sein. Der Mensch ist nicht Tier und nicht Engel. Er ist zwischendrin und damit sowohl Tier als auch Engel.

Es gibt im Woyzeck von Georg Büchner eine Szene, in der Woyzeck vor dem Haus des Doktors an die Wand "pisst". Daraufhin wirft der Doktor Woyzeck unmoralisches, unangebrachtes Verhalten vor.
Der Woyzeck hat's gut; ich habe das in meiner Jugend einmal bei einer Rathaustür gemacht und musste einem wildfremden Polizisten 20 Schilling geben.

Ist der Mensch, in einer Zeit gesellschaftlicher 'Zwänge' und Regeln wirklich frei?
Nein, nie ganz bzw. nie dauerhaft.

Ist der gegenwärtige Zustand unnatürlich und dennoch richtig?
Nein; es gibt allerdings einen - wertfreien - Unterschied zwischen Stadt- und Landmensch.

Liebe Grüße

Zeili
 
Der "natürliche Mensch"

Ich greife das Stichwort mal auf!
Die antiautoritäre Erziehung hat zumindest den rigiden autoritären deutschen Erziehungsstil in Frage gestellt und eine andere Ära eingeleitet, was
"natürlich" wiederum Probleme mit sich brachte.
Ich habe auch zwei Kinder nicht anti- aber doch ziemlich nichtautoritär erzogen und das hat uns allen gut getan.

Fortuna
[/QUOTE]

Die antiautoritäre Erziehung ist durch das Wort "antiautoritär" total schief gelaufen. In Amerika hat man durch nachträgliche wissenschaftliche Untersuchungen festgestellt, dass durch diese sogenannte "antiautoritäre" Erziehung neurotische Geschöpfe geschaffen wurde. Letzteres dürfte sich aber noch immer nicht herumgesprochen haben, sonst würden die Erzieher und Lehrer an diesem Wahnsinnswort nicht noch immer festhalten und die Kinder falsch erziehen. "Zurück auf die Bäume!" (Rousseau) war ein Satz, der verheerende Wirkungen nach sich gezogen hat und es noch immer tut.

Es gibt nämlich keine erfolgreiche antiautoritäre Erziehung. Es gibt höchstens eine Erziehung mit einer natürlichen Autorität .

Ich nehme an, dass Fortuna dies rechtzeitig erkannt und dadurch ihre Kinder und die ganze Familie gerettet hat. Gott sei Dank!

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Patrice, lass Dich durch die obigen Worte nicht verwirren.


Antiautäre Erziehung, wie wir 68ziger sie praktizierten, hat sehr viel mit emanzipatorischem Unterrichts- und Elternerziehungsverhalten zu tun.
Emanzipatorischer Unterricht ist ein solcher, der den Selbstwert jedes Menschen betont, unabhängig von seiner sozialen Herkunft und seinen intellektuellen Fähigkeiten. In diesem Sinne ist es eine Erziehung zum natürlichen Menschen, denn wir sind nun einmal von der Natur verschieden begabt - das siehst Du ja auch an der intellektuellen Ausstatttung der einzelnen Postings hier - : dass aber niemand diskriminiert wird - das ist der Sinn wahrhaft antiautoritärer Erziehung.
Und so wird sie auch heute noch von verantwortungsvollen Erziehern ( beruflich und privat) verstanden.

Marianne
 
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