AW: Sommerolympiade 2008 und Chinas Politik
...1980 boykottierten die USA und die ihr befreundeten resp. hörigen Staaten wegen des Einmarschs der Russen in Afghanistan (1979) die Spiele in Moskau.
Die Retourkutsche kam 1984 bei den Spielen in Los Angeles: Die Ostblockländer, ausser Rumänien (- grins), boykottierten die Spiele. Die DDR war frustriert (- grins).
Hallo Hartmut
Moskau- und L.A.-Boykott bewirkten nichts und Peking-Boykott würde es ebenso wenig. Anders als bei den, die Wirtschaft betreffenden Boykotten ('Kritik an Israel'
u.v.m.), sind aber die Sportler nicht in der Lage, einen generellen Boykott umzugehen, und wären -bei den kommerzialisierten Spielen- direkt existenziell betroffen. Vielen ist vermutlich nicht klar, 'Sportler' ist heute ein 'knochenharter' Beruf. Auch die meisten 'Amateure' kommen ohne Unterstützung der regionalen od./und nationalen Verbände, der Sponsoren etc. nicht aus, die Unterstützung ist leistungsabhängig, olympische Disziplinen haben Vorrang und die Erfolge werden später beruflich genutzt, so, wie man sich im 'normalen' Berufsleben ganz selbstverständlich allerlei Referenzen bedient.
Diese Aktionen muss man der Zeit des Kalten Krieges anlasten. Denn: Wer hätte je den Gedanken geäussert, wegen des Überfalls der USA auf Afghanistan (2001) und Irak (2003) die Olympischen Spiele zu boykottieren?
Bin ganz Deiner Meinung, allerdings wäre durchaus möglich, dass solche Gedanken für die Spiele 2002 in Salt Lake City noch unter dem Schock des 11.9.2001 standen bzw. von vornrein unter diesem Einfluss im Keime erstickt wurden, man sich ihre Äusserung selbst verbot. Bin kein Psychologe, erscheint mir aber aus meiner bescheidener Sicht sogar logisch, anständig und...richtig -grins.
Ob jemand auf solche Gedanken kommt und sie auch äussert, wird sich des weiteren erst nächstes Jahr zeigen, dann nämlich werden u.U. wieder Spiele in die USA vergeben (Kandidatur Chicago).
(Quellennachweis Daten und Orte: Cel -grins)
Die Athleten, um die es in der Anfrage an das IOC ging, werden im August nicht starten. Sie zogen ihre Anfrage zurück, um evtl. weitere Repressalien gegen Tibet zu verhindern und den Hass der Chinesen auf die Tibeter nicht zu schüren*). Sie behalten sich aber vor, ihr Ansinnen, unter der Flagge Tibets oder wenigstens derjenigen des IOC zu starten, zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen.
*) Die Menschen in China stehen grösstenteils hinter den Spielen, freuen sich darauf und sind stolz und begeistert, die Spiele austragen zu dürfen. Die meisten davon sind damit aufgewachsen, dass Tibet ein rechtmässiger Teil von China sei. Es ist also ein Leichtes für die Regierung der VR, die ganze Schuld an der Protestwelle und den Boykottdrohungen den Tibetern anzulasten; was das bedeuten könnte, ist nicht abzusehen (oder doch?).
Dies allein müsste schon Grund genug sein, die Spiele nicht generell zu boykottieren.
Thorsten schrieb:
Die letztgeäußerte Konsequenz verstehe ich nicht. Wenn es uns (der EU, auch dem IOC) nach überraschendem begeistertem Stillhalten weiter so leicht fällt, die VR China wegen "Menschenrechtsverletzungen" zu bezichtigen, ist selbige unsere Weltgemeinschaft doch nicht in der Lage, gegen das Land, das wir gegenwärtig am meisten anprangern, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Mit Rücksicht in erster Linie auf begeisterte Chinesen (zu denen wir lachend auch alle Tibeter zählen!) argumentieren wir gegen einen möglichen Boykott.
Das ist ein Missverständnis, Thorsten, aber auch Unsinn, eine solche (unsere) Argumentation anzunehmen. Ich unterstelle Dir sogar, Du schreibst es wider des besseren Wissens -grins.
Der unter
*) von mir nachgereichte Teil gehört zu der Erklärung der befragten tibetischen Sportlern. (Irrtümlicherweise nahm ich an, eingeschoben hätte der Satz für mehr Verwirrung sorgen können.)
Inzwischen findet die, von mir ebenfalls eingangs erwähnte Idee der 'Reporter ohne Grenzen' immer mehr Anhänger. EU-Parlament fordert die Mitgliedsstaaten (viele der Staatschefs sprachen sich bereits früher dafür aus) die Eröffnungszeremonie zu boykottieren, Desmond Tutu und Bill Clinton forderte dazu weltweit auf, die Präsidentschaftskandidaten der USA empfahlen es George W. Bush etc.
Lediglich J. Rogge äusserte etwas weinerlich, dass die Sportler enttäuscht werden, ihre Regierungschefs nicht im Stadion zu haben. Er scheint nach den Verhandlungen mit den Chinesen und mit den über 200 Funktionären der int.. OKs in Peking ziemlich verzweifelt, obwohl der Text der Resolution geändert und ratifiziert wurde auf: 'Wir vertrauen darauf, dass die VR China eine faire und vernünftige Lösung der internen Konflikte finden wird - zum Wohle der Spiele und der Athleten.' Ursprünglich hiess es noch '...Lösung des internen Konflikts finden wird, der die Tibet-Region betrifft'.
Zwar versuchte J. Rogge in Peking die Menschenrechtsfrage und die vorgängig gemachten Versprechen bezüglich Verbesserung, Pressefreiheit etc. (auch am Fernsehen) anzuschneiden -mit Verweis auf die olympische Charta, wurde aber einerseits zensiert, andererseits von Premierminister Wen Jiabao impertinent darauf hingewiesen, die Spiele, ebenfalls gemäss der olymp. Charta, nicht zu politisieren. Und so blieb am Ende: 'Ich glaube weiter daran, die Entscheidung, China die Spiele zu geben, war richtig und die Regierung wisse sicher, mit der Situation angemessen umzugehen.'
Dies eigene Schwächeeingeständnis dürfte jenen Tibetern, die vom "Westen", unter anderem von der EU nicht viel erwarten, Recht geben.
Prost, Jérôme!
Dass die Tibeter nicht viel zu erwarten haben, habe ich bereits eingangs geschrieben. Hatten sie in ihrer langen Geschichte eigentlich höchst selten bis nie und trotzdem werden sie es nicht müde, auf ihre Lage und ihre Forderungen aufmerksam zu machen. Müssten wir sie nicht allein dafür schon bewundern?
Salut, Thorsten!
Inzwischen halte ich den Olympia-Totalboykott seitens aller rechtsstaatlich verfassten Länder für eine ziemlich gute Idee.
Kann man vertreten, sicher, als Hardliner -grins.
Aber China ist eine Weltmacht, sie bekam die Spiele zugesprochen und hat somit das Recht, sie auszutragen; und diese rechtsstaatlich verfassten Länder pflegen und schätzen sehr hoch die Handelsbeziehungen.
Warum also ausgerechnet
diese Türe zum Dialog zuzuschlagen, obwohl man weiss, dass das die Menschenrechtsfrage in China noch weiter hinten anstellen, die Gewaltanwendung in Tibet vermutlich noch steigern würde und nicht zuletzt, wie schon erwähnt, viele existenziellen Bedrohungen nach sich ziehen könnte, frage ich Dich.
Die einzige direkte Konsequenz, die ich momentan sehe, wäre der sofortige Rücktritt des IOC; das Gesicht haben die satten, allmächtigen Herren doch längst verloren, oder etwa nicht?
Grüsse - und so sportlich waren sie noch nie -grins
Jérôme