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ist radioaktive Strahlung schädlich?

Hallo Hartmut,

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Und als Physiker, der 35 Jahre auf dem Gebiet der Kerntechnik gearbeitet hat - wohlgemerkt nicht im Auftrag der Atomindustrie - erlaube ich mir ein Urteil über die Risiken der Kerntechnik
Wenn die Frage gestattet ist, welche Möglichkeiten gibt es denn noch?
Ich sehe da nur
die Tätigkeit in einer Aufsichtsbehörde oder in
der Forschung, die ja aber wohl jetzt staatlich nur noch für die Fusionstechnik betrieben wird .

bist Du einer derjenigen, die am größten Menschheitsprojekt arbeiten:
der Kernfusion, die unbegrenzte Energiemengen liefern wird, billig und ohne daß die Ressourcen sich erschöpfen könnten?

gruß von claus
 
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Claus, ich spreche niemandem Fach- und Sachurteil ab, schon gar nicht Hartmut!, versuche lediglich mir ein Urteil zu bilden, obwohl ich von Physik und Kerntechnik so gut wie keine Ahnung habe. Gerade deshalb mache ich weder auf Panik noch auf Euphorie!!! (Das habe ich aber schon mehrmals erwähnt.)


Claus schrieb:
Das terrain ist vermutlich viel sicherer als das, auf dem die über 30 japanischen Kernkraftwerke arbeiten, die stehen nämlich direkt auf dem pazifischen Feuerbogen.
Als Mühlheim Kärlich wegen solcher Bedenken stillgelegt wurde, haben sich die Japaner vor Lachen gekrümelt.

Richtig, es ist in Fessenheim bestimmt sicherer, meine kargen geographischen/geologischen Kenntnisse erlauben es mir, das zu sagen. In Japan treffen drei tektonischen Platten aufeinander, am Rheingraben nur zwei, aktive Vulkane haben wir auch nicht vorzuweisen und von Taifunen werden wir auch nur gaaaaaanz selten heimgesucht. Das berechtigt natürlich die Japaner sich vor Lachen zu krümmen. Es handelt sich dabei um eine Art Humors, die ich Galgenhumor nennen würde. Vielleicht ist es auch eine Art buddhistischen Humors, den ich nicht verstehe. Es berechtigt natürlich auch dich, es als Sicherheitsargument anzubringen :autsch: und die Diskussion gewinnt an Sachlichkeit. Da würde ich doch glatt von dir gerne wissen wollen: haben sich alle ca. 128 Mio. Japaner gekrümmt, oder nur 2-3 Sachverständige?
Dein Hinweis auf Japan reizt mich natürlich, noch etwas weiter zu gehen.
Wenn ich dir eine rostige Badewanne mit ab und an funktionierenden Bremsen gebe, dich zur Fahrt auf einer Passstrasse auffordere und du äusserst Bedenken, ist es dann für dich ein Argument, wenn ich sage: "Ach was, Claus, fahr nur ruhig, es fahren noch Autos auf unseren Strassen, die sind in einem weitaus schlimmeren Zustand!"???

Will man unsere Bedenken nämlich ausräumen, so müssten sich (neben umfangreicher Information natürlich) auch die Katastrophen-Beauftragten in ihren Massnahmen absprechen. Ein Beispiel gefällig? Bitte schön:
Anfangs 2003 wurden beim Erdbeben (Stärke 5,4 - aber haut mich nicht, gehe es nicht nachprüfen) in Strassburg und Colmar zahlreiche Gebäude evakuiert und genauestens auf Beschädigungen überprüft. In Fessenheim ging der Alarm nicht los, also wurde der Reaktor nicht heruntergefahren, es ging nur die Meldung raus: "Alles bestens, kein Grund zur Sorge!"
Es mutet einfach seltsam an, dass Gebäude, die über einen weit besseren Erdbebenschutz verfügen, evakuiert wurden. Die "Sorglosigkeit" des AKWs kann die Bevölkerung einfach nicht teilen, weil wir wissen, dass das AKW nicht erdbebensicher ist. Es verfügt über keine stabile Bodenplatte und diese kann logischerweise nachträglich nicht mehr eingebaut werden.

Claus schrieb:
Aber das ist unser Problem:
Man glaubt weniger den wissenschaftlern und Technikern, die fundierte Sicherheitsgarantien geben, sondern mehr den Panikmachern, die nun sogar in der Regierung sitzen.

Na ja, das ist deine Meinung. Meine ist: Sicherheitsgarantien gibt es nicht, aber Panik ist sicher falsch und nicht angebracht, will mir ja das ohnehin kurze Leben nicht auch noch unnötig schwer machen und vermiesen. Nur, dass unser AKW so ein Erbeben wie es Hartmut (Basel, 1356) erwähnt, nicht überstehen würde, ist so gut wie sicher. Wenn ich mich nicht irre, erreichte das Erdbeben Stärke weit über 6 auf der Richterskala, und dafür ist Fessenheim auch nach einer Nachrüstung nicht vorbereitet.

Ein schönes WE allen und :danke:
 
Céline schrieb:
Claus, ich spreche niemandem Fach- und Sachurteil ab, schon gar nicht Hartmut!, versuche lediglich mir ein Urteil zu bilden, obwohl ich von Physik und Kerntechnik so gut wie keine Ahnung habe. Gerade deshalb mache ich weder auf Panik noch auf Euphorie!!! (Das habe ich aber schon mehrmals erwähnt.)

Céline,

als stiller Mitleser dieses Themas habe ich aber einen ganz andern Eindruck.
 
baerliner schrieb:
Céline,

als stiller Mitleser dieses Themas habe ich aber einen ganz andern Eindruck.

Tja, das tut mir aufrichtig Leid, Baerliner, wundert mich aber kaum. Die Eindrücke, die wir zwei gegenseitig hinterlassen, waren noch nie kompatibel, dafür stets kontraproduktiv *loooool*.

Aber denkst du nicht, wäre ich panisch gegen die Atomenergie, wäre ich auch nur eine Minute länger hier? Oder hätte nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt, um nicht hierher zu ziehen? Du darfst mich auch gerne für eine militante Gegnerin dieser Energie halten, auch deswegen werde ich mir keine grauen Haare wachsen lassen... sie kommen auch ohne dich, du siehst, bin in jeder Hinsicht eine Fatalistin ;).

:winken1:
 
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Das berechtigt natürlich die Japaner sich vor Lachen zu krümmen. Es handelt sich dabei um eine Art Humors, die ich Galgenhumor nennen würde. Vielleicht ist es auch eine Art buddhistischen Humors, den ich nicht verstehe. Es berechtigt natürlich auch dich, es als Sicherheitsargument anzubringen und die Diskussion gewinnt an Sachlichkeit. Da würde ich doch glatt von dir gerne wissen wollen: haben sich alle ca. 128 Mio. Japaner gekrümmt, oder nur 2-3 Sachverständige?
liebe celine, das weiß ich nicht.

Aber ich weiß von einem Bekannten und Kenner Japans, daß sich die Japaner sogenannte „Deutschen-witze“ erzählen, etwa so, wie bei den Deutschen sogenannte „Ostfriesen-witze“ kursieren.

Dabei amüsiert man sich über die bei den Deutschen weitverbreitete Furcht vor Kernenergie, vor Gentechnik, vor dem Waldsterben, vor der Klimakatastrophe......

Da ist wohl was dran, am zunehmenden Hinterwäldlertum der Deutschen. denn wäre die Mentalität der Schweizer auch so, hätte der Volksentscheid kaum so eindeutig für die Kernenergie ausgehen können. Ich vermute, die Franzosen sind auch nicht so furchtsam.

Es bedrückt mich sehr, wenn ich täglich mit ansehen muß, wie über die Medien von Journalisten, die offensichtlich keine Sachkenntnis haben und die elementarsten fachbegriffe durcheinanderwerfen, ein ganzes Volk( das leider in der Mehrheit deutlich mehr auf Astrologie steht als auf Physik) manipuliert wird.

Soviel ich weiß, gibt es für alle deutschen KKW einen Sicherheitsstandard, der die schlimmsten Naturkatastrophen einkalkuliert, und selbst in solch einem Fall, wenns also noch schlimmer kommt, ist es nicht möglich, daß ein zweites Tschernobyl passiert, denn unsere KKW arbeiten nach einem ganz anderen Prinzip.

Ich will mich da nicht in Einzelheiten verbreitern, bei Bedarf kann das Hartmut sicher viel besser.

gruß von claus
 
Claus schrieb:
:autsch:
Aber ich weiß von einem Bekannten und Kenner Japans, daß sich die Japaner sogenannte „Deutschen-witze“ erzählen, etwa so, wie bei den Deutschen sogenannte „Ostfriesen-witze“ kursieren.

Dabei amüsiert man sich über die bei den Deutschen weitverbreitete Furcht vor Kernenergie, vor Gentechnik, vor dem Waldsterben, vor der Klimakatastrophe......


Hallo Claus,

also die Japaner, obwohl sie derzeit 56 KKW betreiben, dürfen sich wohl auch nicht rühmen, weniger furchtsam als die Deutschen zu sein.

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Vor einigen Jahren kam eine japanische Delegation von Industriellen in die Schweiz, um sich über die Erfahrungen mit dem Einsatz von Uran-Plutonium-Mischoxid-Brennelementen (BE) zu informieren. Solche BE sind seit 25 Jahren in schweizerischen Reaktoren erfolgreich im Einsatz. Trotzdem gibt es da eine Abneigung der japanischen Bevölkerung.

Andererseits muss man anerkennen, dass die Japaner in ihrem erdbebengefährdeten Land überhaupt KKW bauen. Aber sie wissen eben auch, wie es um ihre Energieressourcen steht.

Es wäre interessant, die Vorkehrungen der Japaner gegenüber Erdbeben genauer kennenzulernen.

Gruss
Hartmut
 
Hallo zusammen!

Wie hoch geben denn eigentlich die Kernkraftbetreiber das Risiko eines GAU's an. Alle 100 Jahre oder mehr?

Gruss, Reibeisen
 
reibeisen schrieb:
Wie hoch geben denn eigentlich die Kernkraftbetreiber das Risiko eines GAU's an. Alle 100 Jahre oder mehr?

Hallo,

GAU ist die Abkürzung für "Grösster Anzunehmender Unfall". Welcher Störfall ist das?

Man nimmt an, dass es ein Störfall mit Schmelzen von Brennelementen des Reaktorkerns ist. In der Geschichte der Kernenergie gab es zwei Fälle, wo ein beträchtlicher Teil des Reaktorkerns geschmolzen ist: Im KKW TMI-2 (Harrisburg, USA, 1979) und im Block 4 des KKW Tschernobyl (UdSSR, 1986).

Obwohl beim Störfall in TMI-2 etwa zwei Drittel des Kerns geschmolzen sind, wurden die radioaktiven Stoffe im Containment weitestgehend zurückgehalten, so dass die Bevölkerung in der Umgebung nicht gefährdet wurde.

Das KKW Tschernobyl verfügte über kein Containment. Mehr noch: Durch den in Brand geratenen Grafit (Moderator) wurden die radioaktiven Stoffe hoch in die Atmosphäre getragen und konnten sich durch Luftströmungen sehr weit ausbreiten. Die Folge war eine unzulässige Bestrahlung vieler Leute.

Nun zur Frage des Risikos eines "GAU". Dazu möchte ich aus meiner Sicht eine Abschätzung angeben (Ich vertrete aber keinen KKW-Betreiber).

Die bisherige Betriebserfahrung mit KKW beträgt ca. 11'000 Reaktorbetriebsjahre. Das bedeutet, dass die etwa 440 KKW auf der Welt durchschnittlich 25 Betriebsjahre haben.

Zwei Störfälle mit Kernschmelzen bedeuten eine GAU-Häufigkeit von 2/11000, also rund 1/5000 pro Reaktor und pro Jahr. Ein einzelner Reaktor würde also aller 5000 Jahre einen GAU erfahren. Andererseits liegt die Lebensdauer von KKW so zwischen 30 und 50 Jahren.

Ob meine statistische Betrachtung für KKW hier Beifall findet, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht sollte sich mancher aber mal fragen, wie hoch er z.B. das Risiko beurteilt, mit einem Passagierflugzeug abzustürzen. Die Zahl der Abstürze weltweit dürfte bekannt sein, ebenso die gesamten Passagierflugkilometer (Zahl der beförderten Passagiere mal zurückgelegte Kilometer aller Flugzeuge). Man würde feststellen, dass Flugreisen sehr sicher sind, auch wenn der eine oder andere prinzipiell nicht fliegt. Aber die grosse Mehrheit der Leute fliegt, trotz eines vorhandenen, aber eben sehr kleinen Riskos.

Nochmal zu den KKW. Die Auslegung der jüngeren KKW ist derart, dass die Häufigkeit eines Kernschmelzens 1/100'000 bis 1/1000'000 beträgt.

Gruss
Hartmut
 
Man sollte auch nicht alle KKW hinsichtlich der Sicherheitsbedenken in einen Topf werfen.

Das litauische Kernkraftwerk mußte abgeschaltet werden (als Vorbedingung für den EU beitritt), weil es zu unsicher war, auch sicherheitstechnisch nicht nachrüstbar (wie zB Temelin). Von der Sorte gibt es wohl noch mehr als genug, zum Beispiel die fünf Reaktoren in Kusledui (Bulgarien). Alle KKW ohne Containment sollte man abschalten.

Aber, Treppenwitz der Geschichte, die sichersten KKW, nämlich die deutschen, werden abgeschaltet, die wirklich gefährlichen (und wer weiß wie viele von der Sorte noch hinter dem Ural stehen?), die brummen weiter.
 
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Das ist schon eine sehr komische Rechnung, die Du hier anstellst, Hartmut. Einerseits nimmst Du die aktuelle Betriebserfahrung und andererseits dividierst Du durch die Anzahl der Störfälle. Und voilá, haben wir angeblich das Risiko. So einfach ist das aber nicht, da das Risiko etwas über das Zusammenwirken aller Parameter aussagen soll. Du hast Dich (leider) um das Problem herumgeredet. Der Vergleich mit den Flugreisen mag ja wenig gebildete Laien beeindrucken, ist jedoch falsch. Die Betroffenen müssen ja auchg berücksichtigt werden und wenn Du etwa 100 Tote pro Flugunfall durch 30.000 Tote allein in Polen (Hochrechnung der Krebsmortalität) durch Tschernoby dividierst, kommst Du auf einen konservativen Faktor von 300. Wenn Du dann noch die globalen Auswirkungen berücksichtigst kommst Du auf ein ganz anderes Risiko. Ich finde, Du machst es Dir zu leicht (zumal einzelne Risiken garnicht abzuschätzen sind). Im übrigen ist es mir ziemlich egal, ob ein KKW in China oder in D hochgeht, die weltweite Wirkung bleibt die gleiche. Aber mir scheint doch eher, dass eine wirkliche Problemerörterung hier garnicht möglich ist. Irgendwie hören sich einige Argumente an, wie frisch aus den Hochglanzbroschüren der KKW-Betreiber. Was Claus hier so verbreitet ist auf ziemlich niedrigem Niveau und wenig reflektiv. Ich habe den Eindruck, dass ich hier auch keine wirklich reflektierten Informationen bekomme und wünsche Euch noch viel Spass bei Eurer "Diskussion".
 
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