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Geisteswissenschaft (Rudolf Steiners Anthroposophie)

Und dann gibt es da immer diese "romantischen Geschichten" - oder soll ich sie internet-konform "Urban Legends" nennen?

Damit meine ich Behauptungen über historische Personen, die zweifellos ein bedeutendes Werk hinterlassen haben - nur haben es die Autoren, die uns darüber berichten, es offenbar gar nicht gelesen. Oder es werden ihnen Werke und Erfindungen untergeschoben, die sie gar nicht gemacht haben. Oder Zitate, die gar nicht von ihnen stammen.
Manche dieser Stories tauchen so oft und immer wieder und auch in den Medien auf - und werden kritiklos immer wieder nachgeplappert - das sie schließlich auch geglaubt werden und alle nicken ehrerbietig mit dem Köpfchen.
Beispiele: Hildegard von Bingen, Nikola Tesla und auch Johann Wolfgang von Goethe.

Hildegard von Bingen hat zweifellos mit den wichtigsten Menschen ihrer Zeit in Briefverkehr gestanden, darunter Bischöfe und Könige. Es gibt auch ein mystisches Werk von ihr.
Genannt wird sie aber vor allem aber immer gern - von Frauenzeitschriften, dem Fernsehen, von Apotheken-Magazinen - wegen ihres medizinischen Werks ("... wie auch schon Hildegard von Bingen wusste, kann das Zirbelgras ..."). Im Fernsehen sieht man dann eine Nonne bei Kerzenschein über Papieren mit dem Gänselkiel in der Hand, neben ihr getrocknete Kräuter und Gläschen ...

... nur ist das ihr zugeschriebene medizinische Werk mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht von ihr. Bei dem Hildegard von Bingen zugeschriebenen Werk handelt es sich um eine Kopie (oder Original) einer Schrift, die mindestens 300 Jahre nach ihrem Tod entstand. Man hat, damals durchaus übliche Praxis, ihren Namen darüber gesetzt, um den Wert der Schrift zu erhöhen. Als Oberin eines Ordens hätte sie für die Erstellung eines medizinischen Werks auch gar nicht die Zeit dafür übrig gehabt.
Inhaltlich gibt es auch nicht viel her: Es enthält praktisch nur eine Sammlung mittelalterlichen Aberglaubens, inklusive Edelsteintherapie.

Nikola Tesla verdanken wir zweifellos die Einführung des Wechselstroms und den Wechselstrommotor - das war's dann aber auch schon. Der Teslatransformator blieb eine Kuriosität ohne technische Bedeutung, andere Erfindungen hätten nie funktioniert oder sind nicht umsetzbar (weil es bis heute die idealen Materialien nicht gibt, die man dafür bräuchte). Ruiniert haben ihn nicht andere, sondern er sich selbst: Durch großspurige Projekte, die auch schon aus damaliger Sicht sinnlos waren, vor allem aber durch seinen verschwenderisch-luxuriösen Lebensstil.
Andere, von den Legendenschmieden ihm zugedichtete Erfindungen hat es entweder nie gegeben oder waren Hirngespinste. Sein überliefertes theoretisches Werk ist von vorne bis hinten falsch und er war zeitlebens ein Gegner Einsteins - leider hat aber Einstein bis heute recht behalten.

Johann Wolfgang von Goethe kennen die meisten nur als Dichterfürst, und das sei ihm unbenommen. Er selbst sah aber seine Farbtheorie als sein wichtigstes, umfangreichstes und auch schwierigstes Werk. Goethes Farbtheorie wird, vor allem und nur im deutschen Sprachraum, gern und immer wieder auf den Podest gehoben und genannt.
Aber offenbar nicht gelesen.
Denn es handelt sich zum größten Teil um nichts anderes als ein Panoptikum schlecht konstruierter und merkwürdiger Seh-Experimente. Goethes Farbtheorie ist außerdem ... komplett ... falsch. Einerseits kann man Goethe zugute halten, dass echte wissenschaftliche Farbtheorien (auf denen unsere modernen Farbdarstellungen im Print, Fernsehen und Computer beruhen) erst rund 60 Jahre später entstanden. Andererseits war sie schon zu Goethes Lebzeiten falsch, denn Goethe lehnt gleich zu Anfang Newtons längst anerkannte Optik - über 100 Jahre nach deren Erscheinen - ab.

Im Fernsehen gibt es da so eine Anmoderation von Guido Knopp zu einem Beitrag, in der er sagt: "Und wie der alte Goethe schon wusste, gibt es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit uns träumt."
Die wird immer wieder mal gesendet, und ich frage mich immer wieder, ob es bis heute keiner gemerkt hat oder ob man Guido Knopp ärgern möchte: Denn das Zitat ist überhaupt nicht von Goethe.
Es handelt sich vielmehr um ein Zitat aus Shakespeares Hamlet ("There are more things between heaven and earth, that are dreamt in your philosophy, Horatio"), im Deutschen in der Übersetzung von Schlegel-Tieck ("... als Eure Schulweisheit Euch träumt.").
Nix Goethe.

Was hat das mit dem Thema zu tun, was will ich damit sagen?
Es hat nur am Rande mit dem Thema zu tun, aber ich wollte es mal los werden: Das es Behauptungen gibt, die immer und immer und immer wieder falsch oder missverstanden aufgestellt werden - und die im Verständnis der Menschen aufgrund des endlosen Nachgeplappers und Nicht-Überprüfens sich mit dem Laserstrahl ins Hirn eingebrannt haben und in Stein gemeisselt sind. In jeder Kneipe kann man sie hören - und wenn man sie mal zurecht rücken will, dann werden die Leute stocksauer, alles schon erlebt.
Es gibt andere Geschichten dieses Kalibers: Die vermeintliche Scheibengestalt der Erde, die Rolle der Kirche in der Hexenverfolgung und ihre Zeit, Paracelsus, die Alchemisten und ihre Entdeckungen uvm. - alles romantische Geschichten.
 
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Das es Behauptungen gibt, die immer und immer und immer wieder falsch oder missverstanden aufgestellt werden [...] Es gibt andere Geschichten dieses Kalibers: Die [...] Rolle der Kirche in der Hexenverfolgung und ihre Zeit [...] uvm. - alles romantische Geschichten.
Die Rolle der Kirche in der Hexenverfolgung und ihre
Zeit, als eine "romantische Geschichte" zu bezeichnen,
ist schon ziemlich heftig, denn ganz gleich, wie (leicht)
abgeändert man darüber reden mag, romantisch war die
Zeit und alles was damals geschah, ganz sicher nicht!!

Abgesehen davon kann wohl niemand, der heute lebt
und diese Zeit nicht miterlebt hat, von sich behaupten,
dass er besser als andere beurteilen könnte, wie es war.

Also, auch du nicht!

Denn letztlich können sich alle nur auf die
Informationen verlassen, die uns vorliegen!
 
Abgesehen davon kann wohl niemand, der heute lebt
und diese Zeit nicht miterlebt hat, von sich behaupten,
dass er besser als andere beurteilen könnte, wie es war.

Also, auch du nicht!

Denn letztlich können sich alle nur auf die
Informationen verlassen, die uns vorliegen!

Hier widersprichst du dir selbst.
Denn: Ja, man kann nur nach den Informationen urteilen, die einem vorliegen.
Es liegen aber nicht allen die gleiche Informationen vor, und so können jene, die
die Sache tiefer ergründen und dadurch über mehr Information verfügen, sehr
wohl besser beurteilen als andere, die sich weniger damit beschäftigen. Gilt nicht
nur für geschichtliche Fragen, sondern generell.

Und, da gab es neulich eine Reportage über ehemalige SS-Angehörige, die noch
immer der nationalsozialistischen Ideologie anhängen (war aus 2010, schätze die
leben heute nicht mehr). Und da denke ich sehr wohl, dass jüngere Historiker die
damalige Zeit "besser" beurteilen können als jene Ewiggestrigen, obwohl jene die
Zeit selbst erlebt hatten und die Historiker nicht.
 
Hier widersprichst du dir selbst.
Denn: Ja, man kann nur nach den Informationen urteilen, die einem vorliegen.
Es liegen aber nicht allen die gleiche Informationen vor, und so können jene, die
die Sache tiefer ergründen und dadurch über mehr Information verfügen, sehr
wohl besser beurteilen als andere, die sich weniger damit beschäftigen. Gilt nicht
nur für geschichtliche Fragen, sondern generell.
Nein, das ist kein Widerspruch.

Die Menschen, die z.B. die Zeit der Hexenverbrennung miterlebt haben, wussten garantiert am besten, wie es damals war und würden ganz bestimmt bestätigen, dass diese Hexenverfolgungszeit für die damaligen Menschen alles andere als romantisch gewesen ist. Mir sind auch keine romantischen Berichte darüber bekannt und ich habe noch nie gehört, dass jemand in diesem Zusammenhang das Wort "Romantisch" benutzt hat. Also ganz gleich, wie viel oder wenig Informationen er darüber hatte.

Doch, da selbst die Zeitzeugen das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven erleben, werden auch sie unterschiedlich über das gleiche Geschehen berichten. Also, ein Täter wird das Tatgeschehen natürlich ganz anders erleben und darstellen, als das Opfer oder eventuelle Zuschauer. Selbst die Berichterstatter können das Geschehen nicht hundert Prozentig objektiv wiedergeben, sondern werden immer ihre persönliche Sicht und Beurteilung mit einfließen lassen. Und diejenigen, die sich die Informationen der Berichterstatter aneignen, werden diese Informationen ebenfalls aus ihrer persönlichen Perspektive sehen, sie dementsprechend einordnen und beurteilen.

Die Aussage von Giacomo_S, auf die ich mich bezogen habe, war kein Fakt, sondern lediglich seine subjektive Ansicht über die Berichte und Meinungen von anderen und seine (für mich) ziemlich unpassende Beurteilung über die Zeit der Hexenverfolgung. Das Beurteilen von Geschichten, hat jedoch nichts mit Fachwissen zu tun, sondern ist immer nur die subjektive Meinung einer Person, die letztlich gar nicht wissen kann, wie viel Wahrheitsgehalt in den, ihr zur Verfügung stehenden Informationen, (noch) enthalten ist.
 
so können jene, die
die Sache tiefer ergründen und dadurch über mehr Information verfügen, sehr
wohl besser beurteilen als andere, die sich weniger damit beschäftigen.
.....Ergründen... ja, nur: die "Ergebnisse" bleiben "Interpretationen von Interpretationen von Interpretationen"! Denn "Heute" schon interpretiere ich ein "Ereignis" von "Gestern" anders, als es "Gestern" tatsächlich stattfand, auch wenn ich "unmittelbar" beteiligt war!.....

meint plotin
 
.....Ergründen... ja, nur: die "Ergebnisse" bleiben "Interpretationen von Interpretationen von Interpretationen"! Denn "Heute" schon interpretiere ich ein "Ereignis" von "Gestern" anders, als es "Gestern" tatsächlich stattfand, auch wenn ich "unmittelbar" beteiligt war!.....

meint plotin

Deshalb sage ich stets: “ Erforsche die Welt selbst und glaube nie, was da geschrieben steht.“ (gesprochen wird)

Der Mensch und seine Sprache zu einer Plage geworden ist.
 
Es handelt sich vielmehr um ein Zitat aus Shakespeares Hamlet
Ich teile Ihren kritischen Standpunkt hinsichtl. geschichtlicher Tatsachen, Zuschreibung, Bedeutung.
:):)Allerdings kann ich es mir bei der Zitierung von Shakespeare nicht verkneifen, daß auch dessen historische Identität umstritten ist.
 
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Die Rolle der Kirche in der Hexenverfolgung und ihre
Zeit, als eine "romantische Geschichte" zu bezeichnen,
ist schon ziemlich heftig, denn ganz gleich, wie (leicht)
abgeändert man darüber reden mag, romantisch war die
Zeit und alles was damals geschah, ganz sicher nicht!!

Schon interessant, was ein einziger Nebensatz bewirken kann, im Unterschied zu langen Texten.
Sicher waren die Hexenverfolgungen eine ernste und düstere Zeiterscheinung, immerhin handelt es sich wohl um den größten Genozid nach der Judenverfolgung.

Der Begriff "Romantik" war in einer anderen - seiner allgemeinen - Bedeutung gemeint und nicht im Sinne schnulziger Soap-Operas.
Die allgemeine Bedeutung von Romantik meint emotional, bildhaft, und im Grunde: nicht historisch. Gemeint war, dass im Zusammenhang mit der Hexenverfolgung immer Aussagen gemacht werden, die historisch einfach falsch sind - darauf kann man natürlich eingehen, aber ist jetzt zu weit OT und außerdem war es, wie gesagt, nur eine Randnotiz von mir. Es wird öfter eine bildhafte Darstellung dieser Zeit präsentiert, als eine, die nah an der Geschichte wäre.
Vergleichbar wie ein Westernfilm eine romantische Version der historischen amerikanischen Pionierzeit darstellt.

Allerdings kann ich es mir bei der Zitierung von Shakespeare nicht verkneifen, daß auch dessen historische Identität umstritten ist.

Stimmt, aber das Zitat steht wenigstens in unserem Shakespeare, aber nicht in unserem Goethe. Und so viel Genauigkeit im Zitieren sollte man im Fernsehen beim Moderieren schon haben, wenn man sich schon als Gebildeter präsentieren will.
 
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