Giacomo_S
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Es auszusprechen ist allerdings nicht ungefährlich. Bis jetzt ist das ganze noch "unschuldig", es ist im Herzen. Wenn es ausgesprochen ist, rückt es auch in den Kopf und das kann das Ende sein. Manch "zarte Bande" sollte ich nicht versuchen in die Realität zu schalten. Es ist auch schon viel, wenn ich mich jeden Tag darauf freuen kann, dem anderen wieder zu begegnen und seine Nähe zu genießen.
So ist es und zugegebenermaßen habe ich mich schon lange nicht mehr so geoutet wie hier jetzt. Einer der Vorteile meines Alters ist es, Menschen anders lieben zu können, als ich das als junger Mensch tun konnte. Irgendwie "reifer", "distanzierter" und "weniger besitzergreifend", es hat dann auch nicht mehr zwingend diese erotische Komponente. Allerdings ist das für mich auch neu, ungewohnt und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
Die physische Komponente von vor ein paar Wochen - und dies, ohne dass ich das anstrebte, beabsichtigte, ja, völlig gegen meinen Willen: Das hat mich in der Situation völlig überrascht, damit hatte ich Null gerechnet. Ich dachte mir nur: Hä? Was ist DAS denn gerade? Gottseidank ist es unbemerkt geblieben und außerdem hatte ich mich jederzeit unter Kontrolle.
In der Gastronomie rückt man sich im Alltag oft physisch auf die Pelle, dies hat mit der Realität des Arbeitsplatzes zu tun (in OP eines Krankenhauses muss es vergleichbar sein). Professionell zu sein, bedeutet daher, trotz physischer Nähe angemessen zu reagieren. Was mir an unseren beiden (weiblichen) Azubis, die immerhin erst kurze Zeit bei uns im Betrieb sind, von Anfang an gefiel: Dass sie vor dieser physischen Nähe keine Scheu zu haben scheinen, denn schließlich bin ich ihr Kollege und nicht ihr Lover. Außerdem existiert ein Machtgefälle, ich bin ihnen gegenüber weisungsbefugt und um viele Jahre älter.
Deshalb ist es (außer der Tatsache, dass es sich um einen Beruf in einem Hygienebereich handelt) auch so wichtig, jeden Tag top gepflegt aufzutreten, denn es ist unangenehm, jemanden physisch nahe sein zu müssen, der eine Dunstwolke um sich hat.
In meiner eigenen Lehrzeit vor über 30 Jahren hat der Küchendirektor weibliche Mitarbeiterinnen und Azubis immer umarmt. Sie ließen es über sich ergehen und beklagten sich nicht, aber so etwas fand ich damals schon völlig übergriffig, geradezu ekelhaft. So wollte ich nie werden und will so auch nicht sein. Zumal auch allein deshalb schon nicht, weil körperliche Nähe für mich selbst ein sehr privater Akt ist, den ich nur wenigen Menschen erlaube. Das ist auch der Grund, dass ich Menschen, denen ich nicht nah bin, nicht gestatte, mich zu berühren, nicht einmal ein Schulterklopfen. Umgekehrt berühre ich andere Menschen nicht (oder nur dann, wenn es unumgänglich ist), denn ich achte und respektiere die grundsätzliche physische Unversehrtheit, als eine Art Mindestrespekt vor der Person des anderen, männlich oder weiblich.