Giacomo_S
Well-Known Member
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Es ist in Ordnung, wenn Du das - so - siehst.
Die Menschen handhaben es - in diesem Zusammenhang - recht unterschiedlich. Vielen reicht ihr vermeintliches Wissen (und daraus resultierende Einstellungen) für eine Weltsicht, die ich dann vertrete oder - wenn nötig - auch verteidige. Zudem gibt es ja für alle Fragen, die auftauchen könnten, auch die üblichen Erklärungen.
Auf der anderen Seite gibt es eben auch Menschen, deren Fragen, mit den üblichen Erklärungen, nicht ausreichend beantwortet sind.
Unbestritten und ich behaupte keineswegs, für alles Erklärungen zu haben. Nur kenne ich aber auch genügend Zeitgenossen, die bereits an Positionen ihre Rationalität abschalten und esoterische Erklärungsmodelle bemühen, an denen es noch gleich eine ganze Reihe von rational-naturwissenschaftlichen Argumenten gibt, die befriedigend genau sind. Es fehlt ihnen dann am naturwissenschaftlichen Background und/oder dem Willen, Fleiß und Ehrgeiz zu einem solchen Weltbild. (1)
Es ist durchaus so, dass ich auch esoterische Erklärungen unter Umständen akzeptieren kann - aber erst dann, wenn der rationale Rahmen auch hinreichend ausgeschöpft ist. Anderenfalls neige ich dazu, solcherart "Erklärungen" für eine Art Notargument von Ungebildeten einzustufen.
Man sollte auch einsehen, dass es für manche Vorkommnisse schlicht keine Erklärung gibt. Ein 6er im Lotto ist ein Zufall- und Glücksfall, es gibt keine Erklärung dafür. Man gewinnt oder eben nicht, was auch das Prinzip des Lottospiels darstellt. Denn gäbe es beim Lotto ein Ursache-Wirkungsprinzip, dann könnte man den Gewinn auch herbeiführen.
Oftmals sind es persönliche Erlebnisse oder Erfahrungen, die das bohrende Verlangen befördern, hinter den Vorhang der offiziellen Versionen zu schauen.
Der derzeitige Zustand der Welt (und speziell dieses Planeten) ist das Ergebnis der üblichen menschlichen Einstellungen und Denkart.
Es ist ein neues Bewusstsein nötig, wenn hier einiges gesunden soll. Das Bewusstsein ist aber in dieser materiellen Welt ein "krankes Kind", weil schon die Definition des Bewusstseins fehlerhaft ist.
Es ist eine ungelöste Frage, ob der derzeitige Zustand der Welt ein Zustand von zuviel Entwicklung ist - oder von zuwenig. Nach wie vor und in zunehmendem Maße bin ich von Letzterem überzeugt.
Spirituelle Lehren wissen um die Bedeutung eines Bewusstseins, das weit über die körperlichen Existenzen hinausgeht und ein Areal von unbegrenzten Möglchkeiten bietet, die, nicht in einer anderen (oder fernen) Welt, sondern ˋHier und Jetzt´ umsetzbar wären, wenn bestimmte Dogmen endlich aufgegeben würden.
Nach meiner Einschätzung sind viele, wenn nicht alle sprituellen Lehren von unverschämten, wenn nicht ekelhaften elitären Standpunkten geprägt. Denn die sprituelle Weiter-, vor allem aber Höchstentwicklung ist mit einer Erwerbsarbeit, wie immer sie auch aussehen mag, schlicht unvereinbar.
Im Wesentlichen führt ein solches Denken dazu, dass sich Einzelne "spirituell weiterentwickeln", finanziert von einer Mehrheit, die für sie schuftet.
Es entsteht dadurch eine Berufsgruppe von Religionsexperten, eine Art Priesterkaste, die für sich selbst an den mentalen Feinabstimmungen arbeitet, während andere für sie buckeln. Und am Ende erzählen sie auch noch ihren Lakaien, wie sie denn zu leben hätten. Mit Ratschlägen für Situationen, denen sie überhaupt nicht ausgesetzt sind, weil sie die Probleme der Menschen nicht haben und deren Situation überhaupt nicht kennen.
Insbesondere das asiatische Modell einer solchen "spirituellen Entwicklung" sehe ich höchst kritisch.
Ich habe Jahre für einen Orden gearbeitet, und ja, ich gebe zu: Der Abt des Ordens, der hatte was. Persönlich bin ich pragmatisch-rational, aber die eine oder andere spirituelle Botschaft von "Dom Augustinus" hat mich durchaus erreicht und inspiriert. Allerdings muss ich ihm auch zu Gute halten, dass er selbst - als guter Christ - ein fleissiger Mann ist, der sich im sozialen Rahmen engagiert, mehr als die meisten anderen. Das mag eine ziemlich prostestantische Sichtweise sein, aber ich bin nun einmal Protestant. Solche Menschen haben meine allergrößte Hochachtung, denn sie leben was sie anderen erzählen, mit allen Widersprüchen, Einbußen und Eckpunkten, die so ein Leben mit sich bringt.
Vor einiger Zeit las ich ein Buch eines amerikanischen Autors (2) mit dem Titel "Gurus". Das Ziel des Autors war es, die Biographien der auch nur bedeutendsten Gurus der Moderne aufzuzeichnen. Das sich abzeichnende Bild ist immer dasselbe: Potentaten, die ihre Schäfchen ausbeuten, um selbst in Saus und Braus zu leben. Sie fordern von ihren Gefolgsleuten ein Leben in Askese, um diese selbst gnadenlos bis aufs letzte Hemd auszuziehen. Für alles "Sprituelle" gibt es Argumente: Von seinen Schäfchen fordert man sexuelle Askese, der "Meister" aber vögelt seinen Hühnerhaufen, zur "Belehrung" seiner weiblichen Anhänger. Und oft genug dann auch mit Kindesmissbrauch - das scheint eine Art zwangsläufige Entwicklung solcher Gemeinschaften zu sein, eine Form der logischen Konsequenz dieser abartigen Lebensmodelle.
Wer sein Fach nicht beherrscht, der lehrt es. Das trifft sicher nicht auf alle zu, aber auf viele. Es kommt vor, dass angesichts von Themen, in denen ich mich gut auskenne, jemand zu mir sagt: Das ist interessant, veröffentliche doch ein Buch darüber. Tatsächlich habe ich hier und da damit angefangen, nur um dann festzustellen: Es gibt dieses Wissen bereits, und nicht nur einmal, sondern in einer endlosen Anzahl von Publikationen. Real wäre ich überhaupt nicht der Experte, dessen Anschein ich mit einer solchen Publikation zu sein vorgäbe. Stattdessen wäre ich jemand, der nur das abschreibt, was viele andere bereits seit langer Zeit veröffentlicht haben. Worin soll also der Thrill einer solchen Arbeit liegen?
Folgerichtig sind Autoren wie Jed McKenna u.a. nur Wichtigtuer und Selbstdarsteller, die bestenfalls lediglich das wiederkäuen, was viele andere lange vor ihnen bereits gesagt haben. Angesichts von Themen, die so alt sind wie die Menschheit selbst, in der Diskussion um Fragen, für die die Menschheit seit Jahrtausenden keine abschließend befriedigenden Lösungen gefunden hat.
Das ist die "Quadratur des Kreises":
Als die Quadratur des Kreises bezeichnet man die mathematische Aufgabe, innerhalb einer geometrischen Konstruktion, mit Zirkel und Lineal, ein Quadrat zu finden, welches exakt denselben Flächeninhalt hat wie ein Kreis. An dieser Aufgabe haben sich viele Mathematiker seit der griechischen Antike die Zähne ausgebissen ... bis die Mathematiker der Moderne im 19. Jh. mit dem nunmehr angesammelten mathematischen Instrumentarium beweisen konnten: Es gibt für dieses Problem keine Lösung. Es ist unmöglich, wie die Dreiteilung des Winkels, es gibt dafür keine Lösung. (3)
So ist es das Recht eines jeden mündigen Menschen zu entscheiden, ob er sich der gewachsenen "Normalität" verbunden fühlt, oder ob er eine Neugier duldet, die auch anderen Sichtweisen nachgeht.
LG * Helmfriednd
Der mündige Mensch kann und soll sich alle möglichen Sichtweisen erlauben. Dennoch bleibt die Frage der Bewertung von Sichtweisen. Kluge Menschen und Autoren begründen ihre Argumentation und relativieren ihre Aussagen. Spirituelle Autoren neigen dazu, einfach nur zu behaupten, und der geneigte Leser darf das dann alles glauben.
Anmerkungen:
(1) Man soll's nicht glauben, aber dergleichen erlebt man tatsächlich auch als Koch in Fragen der Ernährung und Technologie der Speisenbereitung.
(2) Der selbst eine Zeitlang in einer religiösen Gemeinschaft lebte, um sich schließlich wieder mühsam aus dieser zu befreien.
(3) Dennoch gibt es für die Quadratur des Kreises ein Näherungsverfahren. Es ist fehlerbehaftet, aber der Fehler ist klein und liegt bei 0,22 %.