• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Die Gewissheit als Religion

AW: Die Gewissheit als Religion

Holen wir jetzt die alten Griechen hervor? ;)

"Ich weiß, das ich nichts weiß" Sokrates

gute nacht
fussel
 
Werbung:
AW: Die Gewissheit als Religion

Also das mit dem "Zufall" will ich kommentieren: das Universum könnte ja insgesamt ein System sein, das von Gott so kreiert worden ist, dass es in sich Leben hervorbringt.

Das kann ich mir vorstellen. Für mich persönlich erklärt das bloß nicht die Frage, wer das System "Gott" geschaffen hat. Und wenn Gott von allein existieren kann, dann kann das Universum das auch. Muss es aber nicht.

Es könnte das Universum daher auch ein System sein, das Leben hervorbringen muss, weil das ein Naturgesetz ist: Leben muss sich unter bestimmten Bedingungen entwicklen. Das kann auch sein. Ohne Gott.

Es kann aber auch sein, dass das Universum von Gott geschaffen seinen Weg geht, dass aber Gott immer dann aktiv eingreift, wenn die Naturgesetze nicht ausreichen: er spielt also eine aktive Rolle und manipuliert mit. Er tut also Wunder.

Alle drei Varianten lassen sich vom Verstand nicht verifizieren und nicht falsifizieren. So sehr der Versuch auch Spaß macht.

Denn für eine Überprüfung durch Messung müssten wir selbst aus dem System Universum hinausgelangen. Und wieder zurück.

lg Frankie

ich stimme dir zu.
entweder die welt exisitiert schon ewig und kann gar nicht nicht existieren, oder sie hatte einen anfang, womit die präexistenz eines schöpferischen etwas einhergeht, das seinerseits ewig ist und keiner erschaffung bedarf; was auch ein ende der welt ermöglichen würde. zumindest für mich ist es so, dass ohne anfang auch kein ende denkbar ist.
ich kann mir gott nur nicht als manipulator vorstellen, da diese vorstellung einen personifizierten gott einschließt. Außerdem passt mir ein "korrigierender" Gott nicht, weil er dann sehr zynisch wäre wenn er z.B. die Judenvernichtung in der NS Zeit zulässt und daneben sporadisch kleine wunderchen säht. Diese Inkonsequenz lässt darüberhinaus auf keine andere motivation schließen, als dass gott durch sein gelegentliches einwirken den glauben an sich schürt, wodurch er wiederum narzistisch wirkt.
 
AW: Die Gewissheit als Religion

(...)
Mein Gehirn tut das nicht. :nein: Ob ich einen Menschen liebe oder nicht, lasse ich nicht mein Gehirn entscheiden. Genaugenommen lasse ich gar nichts Wichtiges mein Gehirn entscheiden. Ich lasse mich nur von ihm beraten. Auch meinen Null-Gott-Glauben entscheidet mein Gefühl.
Also dein Gehirn berät dich, d.h. du hast dann hier deine Überlegungen und dort deine Gefühle, und wägst nun ab, wonach du dich entscheidest. Und WER beurteilt dann, was für deine Entscheidung wichtiger ist? Wenn du sagst, DU entscheidest, wer ist derjenige? Verzeih mir, aber es hört sich für mich alles so gezwungen kontrolliert an, so als ob ALLES was du tust erst von deinem Verstand abgesegnet werden muss.


Wäre das Jenseits also eine Tatsache, dann wäre es auch ein Teil der Welt, also ein Teil vom Diesseits. Aber das Jenseits kann nicht bloß ein Teil vom Diesseits sein.
Aufgrund unserer Wahrnehmungsmöglichkeit kann man Diesseits nicht von Jenseits getrennt betrachten. Worauf würde sich der Begriff "Diesseits" denn beziehen, wenn es nicht auch "Jenseits" gäbe? Das bezieht sich mMn ja bloß auf die Schwelle zwischen Leben und Tod. Diesseits dieser Schwelle sind wir lebendig, jenseits sind wir tot. Es sagt ja noch nichts über die Eigenschaften des Jenseits aus.

:blume1:
 
AW: Die Gewissheit als Religion

ich stimme dir zu.
entweder die welt exisitiert schon ewig und kann gar nicht nicht existieren, oder sie hatte einen anfang, womit die präexistenz eines schöpferischen etwas einhergeht, das seinerseits ewig ist und keiner erschaffung bedarf; was auch ein ende der welt ermöglichen würde. zumindest für mich ist es so, dass ohne anfang auch kein ende denkbar ist.
ich kann mir gott nur nicht als manipulator vorstellen, da diese vorstellung einen personifizierten gott einschließt. Außerdem passt mir ein "korrigierender" Gott nicht, weil er dann sehr zynisch wäre wenn er z.B. die Judenvernichtung in der NS Zeit zulässt und daneben sporadisch kleine wunderchen säht. Diese Inkonsequenz lässt darüberhinaus auf keine andere motivation schließen, als dass gott durch sein gelegentliches einwirken den glauben an sich schürt, wodurch er wiederum narzistisch wirkt.


Wenn Gott das Universum geschaffen hat, ist damit ja immer noch nichts beantwortet. Wer hat den Gott geschaffen und wer denjenigen, der ihn geschaffen hat usw....Was auch immer sein mag oder nicht: Wir sind nicht in der Lage, solche Dimensionen mittels unseres Verstandes zu erfassen. Und das halte ich für wirklich unbestreitbar. Vielleicht ist allein die Exitenz des Universums schon der Gottesbeweis, vielleicht auch nicht.


Trotzdem ist aber der Glaube ziemlich stark konkretisiert und konturiert. Was nützt uns auch ein Gott, den wir vielleicht gar nicht wahrnehmen können? Daher ja auch die Fragen, wie Leid und Unrecht mit einem über allem herrschenden Gott zu vereinbaren ist. Dieses Hinterfragen ist ja wieder automatisch auf unsere Erfahrungswelt beschränkt. Möglicherweise spielt sich ja die göttliche Gerechtigkeit in einer Dimension ab, die wir einfach nicht kapieren, genauso wie die Frage nach dem Ursprung von allem. Ich glaube z.B. nicht daran, daß Gott für Ausschwitz verantwortlich gemacht werden kann, auch nicht, wenn es einen gibt. Ausschwitz stellt mich - im Gegensatz zu Hartmut, der völlig logisch zu Recht darauf hinweist, das man nicht immer nur von den Dingen sprechen darf, für die man Gott danken müßte - eher vor das Problem, wie derartiges Leid, allein das Bewußtsein eigentlich ohne einen Gott erträglich sein soll. Denn "die Menschen" bekommen es selbst eben nicht alleine hin. Und die Vorstellung, daß Millionen Menschen sich einfach nur in Asche aufgelöst haben, und es dies damit gewesen sein soll, fällt sehr schwer. Das Leid ist mMn. der wirkliche Ansatzpunkt für den Glauben, die einzige wirkliche Triebfeder, nicht etwa die Erforschung der Kausalität, auch nicht die Ethik. Ein Beweis für die Existenz eines höheren Wesens ist es allerdings gleichwohl nicht.

Welche Konsequenz folgt aber daraus? Daß wir die Dinge scharf trennen müssen. Wir müssen uns selbst um Erforschung der Welt, um Gerechtigkeit und die Verminderung von Leid bemühen, mit oder ohne Gott. Wir müssen uns aber auch der Grenzen bewußt sein. Wir werden z.B. nie wirkliche Gerechtigkeit hinbekommen (weil wir ja nicht in der Lage sind, das durch das Unrecht hervorgerufene Leid ungeschehen zu machen), sondern immer nur in dem uns möglichen Rahmen.

Aber es verbietet sich mMn. trotzdem, allein aus dem Glauben politische oder wissenschaftliche Forderungen zu stellen. Allein betone ich, weil Dogmen, die nicht hinterfragt werden, dazu einfach nicht geeignet sind. Menschen schreiben über Jahrhunderte ihre Glaubensbekenntnisse auf, auf einem Konzil wird von Menschen bestimmt, was davon in die Bibel darf, und wir sollen dieses Menschenwerk nun als Gottes Wort auffassen, in den meisten Punkten auch noch wider besseren Wissens (wie z.B. Darwins Lehre, aber auch die z.B. von Kopernikus)? Das ist völlig absurd. Niemand ist daher berechtigt, z.B. mit der Bibel Homosexualität zu verdammen und niemand ist berechtigt, aus der Genesis wissenschaftliche Ansprüche zu erheben.

Aber genau das geschieht doch, es werden eben über den Glauben hinaus, konkrete Forderungen gestellt - ohne wirkliches Fundament. Genau das ist doch das Problem, um das es hier geht.

Gruß
Zwetsche
 
AW: Die Gewissheit als Religion

Also dein Gehirn berät dich, d.h. du hast dann hier deine Überlegungen und dort deine Gefühle, und wägst nun ab, wonach du dich entscheidest.

Nein, Lilith, wirklich nicht. Ich wäge nicht ab, wonach ich entscheide. Das wäre ja wieder Vernunft! Es entscheiden immer die Gefühle. Das ist praktisch bei jedem Menschen so: der Bauch entscheidet. Nur manchmal lassen sich die Gefühle vom Gehirn beraten (= eine bewusste Entscheidung) und 99 Prozent der Zeit wissen sie eh, was sie zu tun haben (= unbewusst).

Wer den Mut (= Gefühl!) nicht aufbringt, am Ende aller Vernunftberatung (= Grübelei) zu einer Handlung (=Motivation =Gefühl) zu kommen bzw. sich das Grübeln die meiste Zeit überhaupt zu ersparen und sofort aus dem Bauch heraus zu handeln, der ist weitgehend lebensunfähig und heißt "Monk" (= Fernsehserie).

lg Frankie
 
AW: Die Gewissheit als Religion

Worauf würde sich der Begriff "Diesseits" denn beziehen, wenn es nicht auch "Jenseits" gäbe?

"Weil wir im Universum zu jedem INNEN auch ein AUSSEN finden, muss das auch auf das Universum selbst zutreffen." Dieser Satz kann ein Irrtum sein.

Dafür gibt es nämlich keinen logisch zwingenden Grund und keine wissenschaftliche Messung, die das belegen würde. Es kann auch sein, dass diese unsere Verallgemeinerung vom "es gibt ein Außen zu jedem Innen" auf genau ein Ding nicht zutrifft: auf das Universum selbst. Es kann sein, dass das Universum genau jenes eine Ding ist, das kein Außen hat. Und dann wäre das Wort "Diesseits" ein anderer Name für das Universum und das Wort "Jenseits" nur ein Name für ein aus einem Irrtum erträumtes Objekt. Das kann sein.

Dieser Thread hat sich damit schon intensiv beschäftigt: wer meint, dass er dazu mehr als seinen persönlichen Glauben hat, wer also meint, er sei dazu (egal ob so oder so) der Wahrheit näher als jemand anderer, der ist ein fundamentalistischer Fanatiker, der sich über andere stellt.

lg Frankie
 
AW: Die Gewissheit als Religion

Holen wir jetzt die Alten Griechen hervor? "Ich weiß, das ich nichts weiß" Sokrates

Wir holen die Alten Griechen nicht hervor. Sie sind immer da. Sie haben die Philosophie und die gesamte Basis für die Boolsche Algebra (=Computer) erfunden, und darum kann das hier "Denkforum" heißen und sich im Internet abspielen. :)

"Ich weiß, dass ich nichts weiß." Schon gar nichts über Gott. Richtig. Das sage ich ja hier, seit ich hier schreibe. Gott kann niemals Gewissheit sein.

Aber mit Aristoteles Satz "A ist nicht nicht A", wird ein Raum aufgemacht, ein ganz kleiner Raum, in dem man unter der furchtbaren Einschränkung (!), dass A nicht nicht A ist, in diesem Denkkäfig, zu Wissen gelangen kann.

Das sieht man ja sofort daran, dass es in der Natur überhaupt gar kein ebenes, rechtw. Dreieck gibt. In der Natur gibt es nicht einmal eine einzige gerade Linie. Selbst wenn du mit dem Lineal eine Linie malst, dann besteht die nur aus permanent tanzenden Modelüken, die Papier und Tinte bilden. Unterm Mikroskop ist da nirgendwo eine gerade Linie.

Die einzige Chance, zu "Wissen" zu gelangen, besteht in dem winzigen Denkraum von Aristoteles: im Raum der Widerspruchsfreiheit. (Dort können wir uns nämlich Modelle bauen, die uns das Leben erleichtern, z.B. den Bau einer Waschmaschine.)

Die Widerspruchsfreiheit gibt es in der echten Welt aber nicht. Und Gott ist irgendwo, wenn er existiert, aber er ist nicht im Denkkäfig des Aristoteles eingesperrt. Und alles, was sich außerhalb dieses Denkraums abspielt, ist seit 2350 Jahren nicht "Denken", sondern: leben, fühlen, verantwortlich sein, glauben...

Das ist immer noch mein Gedankengang, wieso es Glauben als Gewissheit nicht geben kann. :)

lg Frankie
 
AW: Die Gewissheit als Religion

Was nützt uns auch ein Gott, den wir vielleicht gar nicht wahrnehmen können? Daher ja auch die Fragen, wie Leid und Unrecht mit einem über allem herrschenden Gott zu vereinbaren ist [...] Das Leid ist mMn. der wirkliche Ansatzpunkt für den Glauben, die einzige wirkliche Triebfeder...

In den drei Varianten heißt das:

a) Gott hast das Leid ins Universum hineinkreiert, und seither mischt er sich nicht mehr ein.

b) Leiden ist ein Naturgesetz: im Universum muss Leben entstehen, und es muss Leid entstehen. Ohne Gott. (siehe auch Buddha: "Alles Leben ist Leiden.")

c) Gott manipuliert die Welt: er verhindert manches Leid (das kriegen wir aber nicht mit), und er lässt anderes Leid zu: da klagen wir ihn dann an, wieso er nicht eingegriffen hat.

Von welcher dieser Varianten sprichst du im Zusammenhang mit dem Leid, lieber Zwetsche? Oder hast du noch eine zusätzliche?

lg Frankie
 
AW: Die Gewissheit als Religion

Glaubst du an den freien Willen?

Ich glaube daran, dass ich für alles in meiner Macht stehende verantwortlich bin. Ohne jede Freiheit könnte ich das niemals sein. Denn dann wäre ja derjenige verantwortlich, der mich unter seiner Kontrolle hat, nicht ich.

Ich glaube aber auch, dass es meine Verantwortung ist, meine Macht und Freiheit nicht zu überschätzen...

lg Frankie
 
Werbung:
AW: Die Gewissheit als Religion

In den drei Varianten heißt das:

a) Gott hast das Leid ins Universum hineinkreiert, und seither mischt er sich nicht mehr ein.

b) Leiden ist ein Naturgesetz: im Universum muss Leben entstehen, und es muss Leid entstehen. Ohne Gott. (siehe auch Buddha: "Alles Leben ist Leiden.")

c) Gott manipuliert die Welt: er verhindert manches Leid (das kriegen wir aber nicht mit), und er lässt anderes Leid zu: da klagen wir ihn dann an, wieso er nicht eingegriffen hat.

Von welcher dieser Varianten sprichst du im Zusammenhang mit dem Leid, lieber Zwetsche? Oder hast du noch eine zusätzliche?

lg Frankie

Ich meine keine der drei von Dir genannten Varianten, denn sie alle legen ja bereits etwas fest. Darauf will ich gar nicht hinaus. Ich fragte nach dem legitimen Ansatzpunkt für den Glauben, woraus ergibt sich überhaupt der Grund, an einen Gott zu glauben?

Benötigen wir Gott, um die Natur (im Sinne der Kausalität) zu erklären?
Nein, dazu gibt es die Wissenschaft und nur die kann das auch, jedenfalls sofern wir manifestierbare und nachprüfbare Ergebnisse verlangen.

Benötigen wir Gott, um damit eine Ethik zu bekommen oder moralisch richtig zu handeln?
Nein, die Ethik bedarf keiner höheren Macht, sie kann sich ohne weiteres auch aus dem Humanismus und der Vernunft speisen. Ich brauche keinen Gott zum moralischen Handeln.

Werden wir aber ohne Gott auch mit dem Leid fertig?
Nein, werden wir nicht. Darauf haben weder die Naturwissenschaft (sie kann allenfalls zur Linderung beitragen) noch die Vernunft adäquate Antworten.

Gruß
Zwetsche
 
Zurück
Oben