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Die Faszination virtueller zwischenmenschlicher Begegnungen

DubitoErgoSum

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23. September 2005
Beiträge
17
Hallo Leute!
Ich bin neu hier, lese aber seit einiger Zeit des öfteren eure Beiträge. Ich habe mir lange überlegt ob, wo und wie ich meinen Beitrag hier bringen soll - um vielleicht zu interessanten Gedankengängen anzuregen.
(Es gab vor kurzem ein ähnliches Thema hier, das aber dann hauptsächlich die Kommunikation in diesem Forum zum Thema hatte, ich hingegen möchte nur die zwischenmenschliche Seite zum Thema nehmen, deshalb habe ich einen neuen Thread aufgemacht)

Was macht die Faszination virtueller zwischenmenschlicher Begegnungen aus? Gibt es den großen Unterschied zu den Kommunikationformen des realen Lebens, und warum? Inwiefern eröffnet die virtuelle Kommunikation uns andere Möglichkeiten? Betrügen wir uns damit vielleicht aber selbst und was können die Gefahren sein? Inwiefern fordert uns diese Art des menschlichen Umgangs mehr als die Kommunikation Aug in Auge?
Ich meine ganz konkret das, was zwischen zwei Menschen abläuft, die sich als völlig Unbekannte im virtuellen Raum, in welcher Form auch immer, begegnen.

Ein paar Gedanken hiezu:
Faszination entsteht aus der gerichteten wohlwollenden Aufmerksamkeit, die uns entgegengebracht wird? Ganz wie im richtigen Leben.
Äußerlichkeiten, die im richtigen Leben eine Barriere darstellen, werden unerheblich, ich kommuniziere plötzlich mit Leuten, denen ich im richtigen Leben – unbewußt, aus einem Automatismus heraus und vielleicht sehr zu unrecht – eher aus dem Weg gehe? Bestimmt auch.
Kann sich durch das Wegfallen aller Äußerlichkeiten und Ablenkungen leichter ein tiefer Gedankenaustausch ergeben? Ja, in gewisser Weise denke ich schon. Können auf diese Weise Dinge, die sonst ungesagt bleiben, einen Ausdruck bekommen? Vielleicht?

Komplettieren wir unsere Sehnsucht nach Verständnis und Verstehen durch die Fiktion? Würde dieses Verständnis der Wirklichkeit jemals standhalten? Oder sehen wir nur uns selbst im Spiegel und benützen unser virtuelles Gegenüber dazu um uns selbst zu betrügen? Das ist sicher der interessanteste Punkt und eine der großen Gefahren. Fühlen wir nur das, was wir selbst auf uns zurückwerfen? Eine Frage, die auch im realen Leben Bedeutung hat. Wird die Begegnung gerade dadurch, dass wir uns selbst projezieren so interessant für uns??

Was bedeutet das Fehlen eines Bildes, einer Vorstellung für uns? Ich weiß es absolut nicht. (Bitte sagt nicht jeder hat eine Vorstellung, ich habe keine, möchte mir auch bewußt keine machen)

Versuchen wir im virtuellen Gegenüber, etwas von dem, wonach wir immer auf der Suche sind und sein werden, von dem was im Leben wirklich wichtig ist, zu finden? Bestimmt auch, Wenn man meint etwas davon gefunden zu haben, liegt darin nicht auch eine Gefahr?
Ergeben sich Möglichkeiten zu Begegnungen in Bereichen, wohin andere im realen Leben nicht mitgehen wollen oder können? (Ich meine damit den tiefen Gedankenaustausch, nicht eine wie immer geartete pathologische Seite)
Gehören Sinn und Sinnlichkeit – in diesem Sinn sozusagen – zusammen?

Inwiefern fordert uns diese Art des Umgangs miteinander mehr?
In einer Welt, in der nur das Wort gilt, ich keine Reaktion sehen kann, ist die Gefahr den anderen zu verletzen nicht viel größer als im realen Leben? Dort werde ich – sogar unbewußt – als Reaktion auf (vielleicht unbewußte) Reaktionen meines Gegenübers bestimmte Themen meiden und nicht weiter ansprechen. Kann aber nicht vielleicht gerade durch diese ungewollte Provokation Interessantes entstehen? Andererseits – ist nicht gerade besondere Einfühlsamkeit gefragt, auch achtlos Hingeworfenes kann verletzend sein, ich kenne ja die Situation des anderen, vielleicht auch seinen gesamten kulturellen Hintergrund nicht.

Was kann ich aus solchen virtuellen Begegnungen in die reale Welt mitnehmen? Eine ganze Menge, wenn sie gut sind, oder?
Gerade auch die Möglichkeit, quer über die Welt und über Kulturgrenzen hinweg Gemeinsamkeiten mit Menschen, denen man sonst niemals hätte begegnen können, zu finden, ist ein sehr schöner Aspekt.

Würden intensive virtuelle Begegnungen auch der Realität standhalten? Wäre ein Gespräch in der realen Welt ebenso abgelaufen? Warum nicht? Das ist eine sehr interessante Frage, glaube ich.

Was wir mit den virtuellen Begegnungen letztendlich für uns anfangen, hängt, ganz wie im wirklichen Leben, nur vom gegenseiten Umgang und der Reife der Beteiligten ab.
Man sollte nicht der Versuchung erliegen in das Wörtchen „virtuell“ allzuviel des wunderbar Unerklärlichen hineinzugeheimnissen. Es ist eine Kommunikationsform wie jede andere auch (Manches erinnert mich bisweilen an die Diskussion - beim Aufkommen der ersten Eisenbahnlinien – ob die exorbitanten Geschwindigkeiten von 30km/h schädlich für die menschliche Gesundheit wären), vielleicht ist die Frage nur inwieweit wir es schaffen rational damit umzugehen und uns der möglichen Fallen unserer eigenen Psyche bewußt zu sein.

Ich hoffe mein Beitrag war nicht zu lang, aber er kam von Herzen.
Vielleicht hat jemand mehr Erfahrung mit der virtuellen Welt, mehr Lebenserfahrung oder ganz einfach andere Gedanken dazu?
Ich möchte gar nicht verhehlen, dass mein Interesse an diesem Thema auch ganz persönliche Gründe hat :)
 
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DubitoErgoSum schrieb:
Was macht die Faszination virtueller zwischenmenschlicher Begegnungen aus? Gibt es den großen Unterschied zu den Kommunikationformen des realen Lebens, und warum? Inwiefern eröffnet die virtuelle Kommunikation uns andere Möglichkeiten? Betrügen wir uns damit vielleicht aber selbst und was können die Gefahren sein? Inwiefern fordert uns diese Art des menschlichen Umgangs mehr als die Kommunikation Aug in Auge?
Ich meine ganz konkret das, was zwischen zwei Menschen abläuft, die sich als völlig Unbekannte im virtuellen Raum, in welcher Form auch immer, begegnen.

Vielleicht hat jemand mehr Erfahrung mit der virtuellen Welt, mehr Lebenserfahrung oder ganz einfach andere Gedanken dazu?
Ich möchte gar nicht verhehlen, dass mein Interesse an diesem Thema auch ganz persönliche Gründe hat :)

Schönen Guten Morgen!

Ich kann natürlich nur für mich sprechen :) , die Faszination an virtueller Kommunikation liegt für mich in der Essenz.

Wenn Du z.B. in einem Cafe sitzt, Dir gegenüber ein oder mehrere Gesprächspartner, gibt es etliche Faktoren, die Gespräche "ablenken", in andere Richtungen laufen lassen. Die Reaktion Deines Gegenübers, seine/ihre Mimik auf das Gesagte, es erfolgt ein ständiges "Anpassen" des Gespräches.

Bei virtuellen Kontakten findet dies nur sehr begrenzt statt. Natürlich geht man im Laufe eines Threads auf das Geschriebene ein, doch ich glaube, es gibt mehr Möglichkeiten, in einer Diskussion "am Ball" zu bleiben und dadurch wesentlich mehr aus einem Gespräch mitzunehmen.

Die zweite Faszination ist, dass in der virtuellen Welt mehr Ehrlichkeit herrschen kann (nicht muss), denn im Schutz der Anonymität kann man wesentlich offener "sprechen" als mit dem Gegenüber im Cafe.

Und das kann eine Diskussion qualitativ heben.

Und die Reaktionen, so finde ich, bleiben gleich wie im realen Gespräch, d.h. wenn jemand leicht verletzbar oder provokant ist, wird er das auch in einer virtuellen Diskussion sein, damit meine ich, dass grundlegende Dinge, die die Kommunikation betreffen, sich nicht verändern.

Ich hoffe, jetzt nicht am Thema vorbeigeredet zu haben ;)

Liebe Grüße
Reinfriede
 
Die Faszination virtueller zwischenmenschlicher Begegnungen liegt bei mir zum einen erstmal ganz platt darin begründet, als das mir momentan nicht viele andere Kontaktmöglichkeiten bleiben.
Mein Mann arbeitet in der Woche nicht in unserer Stadt und da ich noch kleine Kinder habe kann ich also abends nicht mehr so einfach ausgehen. Kollegen treffe ich auch nur selten, da ich von zu Hause arbeite.
Von den Besuchen einiger Freundinnen mal abgesehen, habe ich in der Woche also wenig Kontakte. (Ausgedehnte Telefonate mal ausgenommen)
Somit bleibt dann ja nur der Weg ins www um sich dort ein bißchen umzusehen.

Ich finde schon das man ehrlicher ist, mit Menschen zu denen man eine (auch räumliche) größere Distanz hat. Man kann eine Offenheit betreiben, die im Bekannten- und Freundeskreis vielleicht nicht immer angebracht ist.
Vorstellungen zu den Menschen mit denen ich regelmäßig schreibe habe ich eigentlich schon. Man lernt sich mit der Zeit ja doch immer auch besser kennen und kann so doch den einen oder anderen Charakterzug oder eine Macke kennenlernen. Somit erhält man schon ein charakterliches Bild.
Das Äußerlichkeiten nicht interressieren kann ich so nicht sagen, aber sie behindern weniger als wenn man die Leute im Alltag kennenlernt. Ich bin schon immer froh wenn ich ein Bild sehen kann und somit auch ein Bild im Kopf habe wenn ich mit derjenigen Person kommuniziere. Aber es stimmt schon, es spielt dann keine Rolle was für ein optischer Typ Mensch der andere ist, das können dann wirklich Leute sein, die man im eigenen Umfeld oft nicht wahrnimmt oder mit denen man sonst gar nicht in Berührung kommen würde. Für mich ist es halt nur schön zu wissen "so sieht er oder sie aus", nicht mehr und nicht weniger. Ich habe noch nie einen Kontakt abgebrochen, weil ich dann ein Bild sah das einen Typ Mensch darstellt, mit dem ich noch nie in Berührung gekommen bin, oder weil mich das Bild im ersten Moment befremdet hat.

Ob eine Begegnung auch der Realität, wenn sie überhaupt stattfinden würde
standhalten würde, kann ich gar nicht mal so sagen. Freundschaftlicher Natur bestimmt. Ich habe noch nicht sehr viele Leute aus dem www persönlich kennengelernt. Mit einem haben wir uns mal getroffen, und wir bleiben in Kontakt. Mit anderen telefoniere ich nur und das klappt auch wunderbar. Man muß ja auch bedenken, das man nicht unbedingt nebeneinander wohnt, da liegen ja auch schon mal Riesenentfernungen zwischen. Da hält eine Freundschaft wohl eher stand wie eine Liebesbeziehung. Kommt halt ganz drauf an.

Was für mich beeindruckend ist, sind die Emotionen die sich beim mailen, chatten o.ä. entwickeln. Ich finde das ist ein spannendes Thema. Ich hab einige wenige Leute im www kennengelernt, die ich unglaublich liebgewonnen habe und die mir auch wahnsinnig fehlen würden wären sie auf einmal ohne ein Wort fort. Es gibt auch den einen und auch den anderen die mich durch eine selbstgetroffene oder durch eine von anderen aufgezwungene Entscheidung zum weinen gebracht haben. Woran liegt das? Wie kann man einen Menschen so lieb gewinnen, das er unbewußt und absichtslos in der Lage ist mich traurig zu machen? Bin ich zu emotional? Schließe ich zu schnell Freundschaften? Darf man das was sich beim mailen oder chatten abspielt überhaupt Freundschaft nennen, obwohl man sein Gegenüber gar nicht real kennt? Wie können sich überhaupt Gefühle entwickeln, wenn man doch gar keinen realen Verbindungspunkt hat?


LG
Salem :zauberer1
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo! Vielen Dank für eure Gedanken!

Reinfriede schrieb:
die Faszination an virtueller Kommunikation liegt für mich in der Essenz...es gibt mehr Möglichkeiten, in einer Diskussion "am Ball" zu bleiben und dadurch wesentlich mehr aus einem Gespräch mitzunehmen.
Es ist toll, wie intensiv intellektuelle Diskussionen sein können, sicher gibt es eine Art von Attraktion und Faszination, die auf rein intellektueller Ebene stattfindet. Einer meiner spontanen Gedanken dazu war einmal: Ins Bett gehen könnte ich mit jedermann (was nicht heißt, dass ichs tun würde), was hier passiert ist nur ganz selten möglich. (Was nicht heißt, dass man nicht beides zusammen haben kann, wär ja traurig sonst)
Ich glaube auch, dass jeder (naja, die meisten) schriftlich um eine präzisere Formulierung bemüht ist, es bedeutet insofern mehr Verantwortung, als es dann unverrückbar zu Lesen ist und es jeder bzw. eben der Empfänger jederzeit ansehen kann. Verba hingegen volant.

Reinfriede schrieb:
Die Reaktion Deines Gegenübers, seine/ihre Mimik auf das Gesagte, es erfolgt ein ständiges "Anpassen" des Gespräches.
Das Versäumen der Reaktion kann aber auch ein Nachteil sein, besonders wenn einem sein Gegenüber wirklich am Herzen liegt.

Reinfriede schrieb:
Die zweite Faszination ist, dass in der virtuellen Welt mehr Ehrlichkeit herrschen kann (nicht muss), denn im Schutz der Anonymität kann man wesentlich offener "sprechen" als mit dem Gegenüber im Cafe.
Salem schrieb:
Ich finde schon das man ehrlicher ist, mit Menschen zu denen man eine (auch räumliche) größere Distanz hat. Man kann eine Offenheit betreiben, die im Bekannten- und Freundeskreis vielleicht nicht immer angebracht ist.
Abgesehen von der virtuellen Welt habe ich schon öfters die Erfahrung gemacht welch tolle Gespräche sich manchmal mit gänzlich Unbekannten ergeben können, weil man einfach viel freier sprechen kann, ohne zu überlegen wem das nun weitererzählt wird, was sich der andere denken könnte usw.
Ich glaube auch nicht, dass man vor fakes und Unwahrheiten allzuviel Angst haben soll, ich denke, wenn ein Kontakt längere Zeit dauert fällt das sowieso auf, bzw. ein solcher Kontakt hält einfach nicht. Stelle ich mir zumindest vor.

Salem schrieb:
Vorstellungen zu den Menschen mit denen ich regelmäßig schreibe habe ich eigentlich schon. Man lernt sich mit der Zeit ja doch immer auch besser kennen und kann so doch den einen oder anderen Charakterzug oder eine Macke kennenlernen. Somit erhält man schon ein charakterliches Bild.
Nun ja, natürlich habe ich eine solche Vorstellung, besonders wenn der Kontakt schon länger dauert. Das ist ja auch der Punkt, warum man den Kontakt mit dem einen Menschen fortsetzt, mit dem anderen vielleicht nicht. Ich hatte dabei rein an die optische Komponente gedacht. Aber vielleicht habe ich bloß Angst davor mein Gegenüber auch optisch interessant zu finden. Jaja, die Abgründe der eigenen Seele :heilig:

Salem schrieb:
Wie kann man einen Menschen so lieb gewinnen, das er unbewußt und absichtslos in der Lage ist mich traurig zu machen? Bin ich zu emotional? Schließe ich zu schnell Freundschaften?
Ich denke, da muss man schon aufpassen. Obwohl ich es sehr schön finde, dass das möglich ist. Einmal habe ich einen ganzen freien Tag damit verbracht im www die Geschichten diversester Cyberfreundschaften und –lovestories zu lesen (in versch. Sprachen, was interessanterweise auch erheblichen Unterschied macht). Ich habe daraus gelernt wie viele unzählige Möglichkeiten das www bietet, sich selbst auf jede Art und Weise fertig zu machen. Andererseits sind viele schöne Freundschaften und Liebesbeziehungen auf diese Weise entstanden, es ist ganz wie im richtigen Leben, bloss die Konditionen sind andere.

Salem schrieb:
Was für mich beeindruckend ist, sind die Emotionen die sich beim mailen, chatten o.ä. entwickeln.
Und manchmal ist es ganz schwierig, damit umzugehen, weil man letzten Ende doch sehr alleine damit dasitzt.

Salem schrieb:
Wie können sich überhaupt Gefühle entwickeln, wenn man doch gar keinen realen Verbindungspunkt hat?
Wo die Gefühle plötzlich herkommen? Ich denke, dass wir alle unzählige Facetten und Möglichkeiten in uns tragen, und in Wirklichkeit ständig auf der Suche sind möglichst viele dieser Facetten zu entwickeln. In jedem Menschen, der irgendwie unser Interesse weckt, suchen wir einerseits die Widerspiegelung unserer selbst, andererseits auch neue Wege mit dem, was in uns ist, umzugehen. Eine Kopie unserer selbst wäre uns sehr rasch langweilig. Was aber auch zur Folge hat, dass jeder andere Mensch niemals alle Bereiche unserer Bedürfnisse abdecken kann. Wenn wir nun einem Menschen, egal ob in der Realität oder im www, begegnen, der mit diesen Bedürfnissen bzw. mit dieser Seite in uns umzugehen weiß, dann entstehen starke Gefühle. Umso mehr, je länger vernachlässigt diese Seiten in uns waren. Könnte das sein? Vielleicht ist ja ein Körnchen Wahrheit darin?
Ich glaube wichtig ist auch, dass beide Seiten ähnlich empfinden und kein Ungleichgewicht und keine einseitige Abhängigkeit entsteht. Ganz wie im richtigen Leben.

Salem schrieb:
Darf man das was sich beim mailen oder chatten abspielt überhaupt Freundschaft nennen, obwohl man sein Gegenüber gar nicht real kennt?
:verwirrt1: Wenn er nicht einmal weiß, wie sein Gegenüber aussieht? Jaja, wie schön, dass das Leben immer wieder was Neues zu bieten hat

Liebe Grüße
 
DubitoErgoSum schrieb:
Abgesehen von der virtuellen Welt habe ich schon öfters die Erfahrung gemacht welch tolle Gespräche sich manchmal mit gänzlich Unbekannten ergeben können, weil man einfach viel freier sprechen kann, ohne zu überlegen wem das nun weitererzählt wird, was sich der andere denken könnte usw.
Ich glaube auch nicht, dass man vor fakes und Unwahrheiten allzuviel Angst haben soll, ich denke, wenn ein Kontakt längere Zeit dauert fällt das sowieso auf, bzw. ein solcher Kontakt hält einfach nicht. Stelle ich mir zumindest vor.

Nun ja, natürlich habe ich eine solche Vorstellung, besonders wenn der Kontakt schon länger dauert. Das ist ja auch der Punkt, warum man den Kontakt mit dem einen Menschen fortsetzt, mit dem anderen vielleicht nicht. Ich hatte dabei rein an die optische Komponente gedacht. Aber vielleicht habe ich bloß Angst davor mein Gegenüber auch optisch interessant zu finden. Jaja, die Abgründe der eigenen Seele :heilig:

Ich denke, da muss man schon aufpassen. Obwohl ich es sehr schön finde, dass das möglich ist. Einmal habe ich einen ganzen freien Tag damit verbracht im www die Geschichten diversester Cyberfreundschaften und –lovestories zu lesen (in versch. Sprachen, was interessanterweise auch erheblichen Unterschied macht). Ich habe daraus gelernt wie viele unzählige Möglichkeiten das www bietet, sich selbst auf jede Art und Weise fertig zu machen. Andererseits sind viele schöne Freundschaften und Liebesbeziehungen auf diese Weise entstanden, es ist ganz wie im richtigen Leben, bloss die Konditionen sind andere.

Und manchmal ist es ganz schwierig, damit umzugehen, weil man letzten Ende doch sehr alleine damit dasitzt.

Wo die Gefühle plötzlich herkommen? Ich denke, dass wir alle unzählige Facetten und Möglichkeiten in uns tragen, und in Wirklichkeit ständig auf der Suche sind möglichst viele dieser Facetten zu entwickeln. In jedem Menschen, der irgendwie unser Interesse weckt, suchen wir einerseits die Widerspiegelung unserer selbst, andererseits auch neue Wege mit dem, was in uns ist, umzugehen. Eine Kopie unserer selbst wäre uns sehr rasch langweilig. Was aber auch zur Folge hat, dass jeder andere Mensch niemals alle Bereiche unserer Bedürfnisse abdecken kann. Wenn wir nun einem Menschen, egal ob in der Realität oder im www, begegnen, der mit diesen Bedürfnissen bzw. mit dieser Seite in uns umzugehen weiß, dann entstehen starke Gefühle. Umso mehr, je länger vernachlässigt diese Seiten in uns waren. Könnte das sein? Vielleicht ist ja ein Körnchen Wahrheit darin?
Ich glaube wichtig ist auch, dass beide Seiten ähnlich empfinden und kein Ungleichgewicht und keine einseitige Abhängigkeit entsteht. Ganz wie im richtigen Leben.

:verwirrt1: Wenn er nicht einmal weiß, wie sein Gegenüber aussieht? Jaja, wie schön, dass das Leben immer wieder was Neues zu bieten hat

Liebe Grüße

So habe leider noch nicht herausgefunden, wie man die Zitate trennen kann, das es so übersichtlich wie bei dir ausschaut, also probiere ich mal so...

Ich roll das Feld jetzt mal von hinten auf...

Ich meinte es nicht aufs Aussehen bezogen, natürlich ist eine Freundschaft ganz gleich wo sie herkommt (also www oder RL) nicht abhängig vom Äußeren des anderen, was jetzt nicht unbedingt dem widerspricht, das wir eingangs festgestellt hatten, das man im Netz Leute kennenlernt, denen man im richtigen Leben evtl. unbewußt aus dem Weg geht. Denn hat das kennenlernen in welcher Form auch immer stattgefunden (mail/Telefon) spielt das Aussehen doch keine Rolle mehr. Meine Frage war die ob man eine "Freundschaft" mit dem was man im allgemeinen darunter versteht, auch mit jemandem führen kann, den man nicht real kennt. Sprich der kein Bild hat von dem wie ich lebe, was ich tue usw. und umgekehrt. Was denkst du? Kann es Freundschaft nur übers www geben?

Kann schon sein, das Gefühle eher enstehen wenn jemand mit unseren vernachlässigten Seiten gut umzugehen weiß. Kann, muß aber nicht denke ich, aber es ist gewiß was dran. Ich bin ein humorvoller Mensch, folglich ziehen mich andere humorvolle Menschen erstmal dadurch an, das sie sich humorvoll gezeigt haben. Und dann entscheidet sich denke ich was weiter passiert. Kann er oder sie an andere Punkte von mir (vllt.die vernachlässigten?) andocken dann wird es sicher emotional oder bleibt der Humor der einzige Verbindungspunkt, dann bleibt es wohl eher oberflächlich, aber bleibt es dadurch auch gefühllos???


Ja natürlich kann es sein, das man mit seinen Gefühlen am Ende doch allein da sitzt, aber ist das nicht nur schlimm, wenn man sich wirklich verliebt? Oder ist es immer schlimm? Also ich habe mich noch in niemanden verliebt im www, aber ich habe schon viele hochemotionale Momente gehabt, wo ich fürchtete etwas zu verlieren was mir wichtig ist und auch da war ich natürlich in der Momentsituation allein, aber es hat sich nicht so ergeben wie befürchtet, folglich habe ich noch nie "am End allein dagesessen".

Die Abgründe von denen du sprachst kenne ich, mach mir da auch manchmal ein wenig ins Hemd...Was wenn der andere einem doch gut gefällt....aber wenn man es beiseite schiebt geht das schon :)

Hat zumindest bis jetzt immer geklappt ;-))

LG
Sal :zauberer1
 
Zu Anfang möchte ich noch etwas anbringen, worauf ich vergessen hatte, was aber, glaube ich, auch ziemlich interessant ist: Zu Beginn eines Kontakts weiß man meistens nichts über das Alter seines Gegenübers, man macht sich aber, bewußt oder unbewußt, Gedanken dazu. Wenn man’s dann erfährt... – also ich habe mich schon grob verschätzt dabei. Wie gehts dir/euch damit? Wobei interessanterweise ganz konträr zum echten Leben eine Schätzung, die das Gegenüber älter macht, eher als Kompliment zu sehen ist (Den Grad der Verkalkung habe ich damit nicht gemeint!), oder?

Salem schrieb:
Ich meinte es nicht aufs Aussehen bezogen, natürlich ist eine Freundschaft ganz gleich wo sie herkommt (also www oder RL) nicht abhängig vom Äußeren des anderen...
Das mit dem Aussehen war vielleicht etwas mißverständlich von mir formuliert. Ich bin ganz deiner Meinung.

Salem schrieb:
Kann schon sein, das Gefühle eher enstehen wenn jemand mit unseren vernachlässigten Seiten gut umzugehen weiß.
Vielleicht läßt sich das mit den vernachlässigten Seiten noch besser darstellen: Ich glaube dadurch, dass jemand diese Seiten in uns anspricht, wird er für uns als Person interessant. Wenn ich ihn/sie aber als Person, in der Lebenseinstellung und Denkweise nicht in Ordnung finde, werden meinerseites jedenfalls kaum Gefühle (positiver Art) aufkommen. Ich sehe mir auch immer sehr genau an, wie sich Menschen anderen gegenüber verhalten. Im www geht das nicht, aber an dem was und wie eine/r erzählt und wie er sich dem Leben gebenüber positioniert kann man schon eine ganze Menge ablesen (in diesem Forum gibt’s gute Studienobjekte :)))))

Salem schrieb:
Kann er oder sie an andere Punkte von mir (vllt.die vernachlässigten?) andocken dann wird es sicher emotional oder bleibt der Humor der einzige Verbindungspunkt, dann bleibt es wohl eher oberflächlich, aber bleibt es dadurch auch gefühllos???
Ich mag es auch gerne, wenn jemand humorvoll ist, aber wenn das der einzige Verbindungspunkt bleibt, ist das in meinem Verständnis noch keine Freundschaft (eine nette, lustige Bekanntschaft vielleicht) und würde bei mir, ehrlich gesagt, auch nicht lange halten.

Salem schrieb:
Meine Frage war die ob man eine "Freundschaft" mit dem was man im allgemeinen darunter versteht, auch mit jemandem führen kann, den man nicht real kennt.
Ich glaube das kann kaum jemand wirklich schlüssig beantworten. Es hängt sicher ganz stark von den beteiligten Personen ab.
Ganz wichtig dabei ist es, dass beide dasselbe wollen und etwa dieselbe Vorstellung von einer Freundschaft haben. Ich versuche auch immer das herauszufinden, wenn ich auch nicht direkt danach frage. Manchmal denke ich mir schon: Wenn der andere der ist, für den ich ihn halte, dann müßte jetzt diese oder diese Reaktion kommen (kam auch)

Salem schrieb:
Sprich der kein Bild hat von dem wie ich lebe, was ich tue usw. und umgekehrt. Was denkst du? Kann es Freundschaft nur übers www geben?
Das ist schon eine ganz seltsame Sache. Einerseits weiß man sehr persönliche oder intime Dinge voneinander, andererseits kann man das alles nirgends zuordnen, weil man kaum was vom Leben des anderen weiß bzw. Fakten, die man erfährt, mit keiner Vorstellung verbunden sind. Wenn der andere am anderen Ende der Welt sitzt, noch viel weniger, wo ich den kulturellen Hintergrund und den ganzen Lebenszusammenhang noch viel weniger kenne. Oder ist gerade das der „Kick“ dabei? Ich finde den Gedanken faszinierend mit jemanden aus einer völlig anderen Kultur u. Lebensumgebung soviel mehr gemeinsam zu haben als mit den Leuten, mit denen ich ständig in meiner Arbeit Kontakt habe. Natürlich könnte das auch ein Trugbild bzw. eine ganz falsche Vorstellung sein, ich glaube aber nicht.
Wenn nicht gewisse Gemeinsamkeiten da sind, wird der Kontakt auch nicht sehr dauerhaft sein. Andererseits – läuft man nicht Gefahr, wie ich es im ersten Beitrag gesagt habe – sich dauernd selbst zu „bespiegeln“, viel mehr als im RL? Wahrscheinlich wird man in hohem Maße gemeinsame Interessen zum Thema machen, die äußeren Einflüsse, wie sie im RL vorhanden sind, fallen so ziemlich weg. Läuft man nicht Gefahr nur die Eitel-Wonne-Seite seines Gegenübers zu sehen und nur einen kleinen Teil seiner Persönlichkeit überhaupt wahrzunehmen? Ich glaube schon.

Salem schrieb:
Ja natürlich kann es sein, das man mit seinen Gefühlen am Ende doch allein da sitzt, aber ist das nicht nur schlimm, wenn man sich wirklich verliebt? Oder ist es immer schlimm? Also ich habe mich noch in niemanden verliebt im www, aber ich habe schon viele hochemotionale Momente gehabt, wo ich fürchtete etwas zu verlieren was mir wichtig ist und auch da war ich natürlich in der Momentsituation allein, aber es hat sich nicht so ergeben wie befürchtet, folglich habe ich noch nie "am End allein dagesessen".
Die Abgründe von denen du sprachst kenne ich
Aber wo ist die Grenze? Ich weiß nicht recht

Salem schrieb:
aber wenn man es beiseite schiebt geht das schon :)
Manches läßt sich nicht so einfach beiseite schieben. Es würde mir auch nicht einfallen für ein paar nette Stunden oder ein paar Streicheleinheiten für mein Ego eine Freundschaft oder eine Beziehung aufs Spiel zu setzen. Manche Dinge sind doch irgendwie komplizierter...

Liebe Grüße

PS: Das mit den Zitaten ist schon mühsam, ich kopier sie halt immer hin und her
 
Hallo, ich bins nochmal, ich glaub am Schluss war ich nicht sehr klar.

salem schrieb:
Ja natürlich kann es sein, das man mit seinen Gefühlen am Ende doch allein da sitzt, aber ist das nicht nur schlimm, wenn man sich wirklich verliebt? Oder ist es immer schlimm?
Die Abgründe von denen du sprachst kenne ich...
Ich meinte wo man da die Grenze ziehen kann, gibt es eine Grenze? - Ich denke es kann schon schlimm sein, muss aber nicht...

salem schrieb:
aber wenn man es beiseite schiebt geht das schon...
Ich tu's ja auch, in der Realität (auch wenn die "Realität" nur das ist, was ich schreibe) aber Gedanken sind eben frei, das ist ja andererseits auch das Schöne an ihnen...
LG
 
DubitoErgoSum schrieb:
Zu Anfang möchte ich noch etwas anbringen, worauf ich vergessen hatte, was aber, glaube ich, auch ziemlich interessant ist: Zu Beginn eines Kontakts weiß man meistens nichts über das Alter seines Gegenübers, man macht sich aber, bewußt oder unbewußt, Gedanken dazu. Wenn man’s dann erfährt... – also ich habe mich schon grob verschätzt dabei. Wie gehts dir/euch damit? Wobei interessanterweise ganz konträr zum echten Leben eine Schätzung, die das Gegenüber älter macht, eher als Kompliment zu sehen ist (Den Grad der Verkalkung habe ich damit nicht gemeint!), oder?

Das mit dem Aussehen war vielleicht etwas mißverständlich von mir formuliert. Ich bin ganz deiner Meinung.

Vielleicht läßt sich das mit den vernachlässigten Seiten noch besser darstellen: Ich glaube dadurch, dass jemand diese Seiten in uns anspricht, wird er für uns als Person interessant. Wenn ich ihn/sie aber als Person, in der Lebenseinstellung und Denkweise nicht in Ordnung finde, werden meinerseites jedenfalls kaum Gefühle (positiver Art) aufkommen. Ich sehe mir auch immer sehr genau an, wie sich Menschen anderen gegenüber verhalten. Im www geht das nicht, aber an dem was und wie eine/r erzählt und wie er sich dem Leben gebenüber positioniert kann man schon eine ganze Menge ablesen (in diesem Forum gibt’s gute Studienobjekte :)))))

Ich mag es auch gerne, wenn jemand humorvoll ist, aber wenn das der einzige Verbindungspunkt bleibt, ist das in meinem Verständnis noch keine Freundschaft (eine nette, lustige Bekanntschaft vielleicht) und würde bei mir, ehrlich gesagt, auch nicht lange halten.

Ich glaube das kann kaum jemand wirklich schlüssig beantworten. Es hängt sicher ganz stark von den beteiligten Personen ab.
Ganz wichtig dabei ist es, dass beide dasselbe wollen und etwa dieselbe Vorstellung von einer Freundschaft haben. Ich versuche auch immer das herauszufinden, wenn ich auch nicht direkt danach frage. Manchmal denke ich mir schon: Wenn der andere der ist, für den ich ihn halte, dann müßte jetzt diese oder diese Reaktion kommen (kam auch)

Das ist schon eine ganz seltsame Sache. Einerseits weiß man sehr persönliche oder intime Dinge voneinander, andererseits kann man das alles nirgends zuordnen, weil man kaum was vom Leben des anderen weiß bzw. Fakten, die man erfährt, mit keiner Vorstellung verbunden sind. Wenn der andere am anderen Ende der Welt sitzt, noch viel weniger, wo ich den kulturellen Hintergrund und den ganzen Lebenszusammenhang noch viel weniger kenne. Oder ist gerade das der „Kick“ dabei? Ich finde den Gedanken faszinierend mit jemanden aus einer völlig anderen Kultur u. Lebensumgebung soviel mehr gemeinsam zu haben als mit den Leuten, mit denen ich ständig in meiner Arbeit Kontakt habe. Natürlich könnte das auch ein Trugbild bzw. eine ganz falsche Vorstellung sein, ich glaube aber nicht.
Wenn nicht gewisse Gemeinsamkeiten da sind, wird der Kontakt auch nicht sehr dauerhaft sein. Andererseits – läuft man nicht Gefahr, wie ich es im ersten Beitrag gesagt habe – sich dauernd selbst zu „bespiegeln“, viel mehr als im RL? Wahrscheinlich wird man in hohem Maße gemeinsame Interessen zum Thema machen, die äußeren Einflüsse, wie sie im RL vorhanden sind, fallen so ziemlich weg. Läuft man nicht Gefahr nur die Eitel-Wonne-Seite seines Gegenübers zu sehen und nur einen kleinen Teil seiner Persönlichkeit überhaupt wahrzunehmen? Ich glaube schon.

Aber wo ist die Grenze? Ich weiß nicht recht

Manches läßt sich nicht so einfach beiseite schieben. Es würde mir auch nicht einfallen für ein paar nette Stunden oder ein paar Streicheleinheiten für mein Ego eine Freundschaft oder eine Beziehung aufs Spiel zu setzen. Manche Dinge sind doch irgendwie komplizierter...

Liebe Grüße

PS: Das mit den Zitaten ist schon mühsam, ich kopier sie halt immer hin und her


Hallo,

also ich fang mal ganz oben an diesmal ;-)

Ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, mich beim Alter meiner www-Bekanntschaften gehörig zu verschätzen. Mal hab ich jemanden ein paar Jahre "verjüngt" mal habe ich mir die Leute älter gedacht. Überrascht war ich dann doch immer, aber bis jetzt eigentlich nur positiv. Wenn wir jemanden im www kennenlernen, ich setze jetzt einfach mal vorraus das man kein Bild der Person gesehen hat, dann bleiben zur Eindrucksfindung ja erstmal nur die geschriebenen Äußerungen der Person. Und diese schwanken ja doch enorm. So erscheint z. B. einem jemand der sich nur zum amüsieren im www rumtreibt um sich vllt. von seinem gar nicht lustigen Alltagsleben abzulenken mitunter albern und man schätzt den Menschen vllt. einfach jünger ein.
Wenn sich aber der Kontakt intensiviert, wird man vielleicht feststellen das dieser Mensch ganz anders ist als gedacht und die Vorstellung relativiert sich wieder. Ich habe aber bis jetzt nur Menschen kennengelernt (im www) die von Anfang an "ihre Linie" hatten und wo das Verhältnis nur vertrauter wird und die Menschen sich ansonsten nicht veränderten.


Eine Freundschaft hat man bestimmt nicht mit Menschen zu denen man nur einen Anknüpfungspunkt hat (wie hier der beschriebene Humor), aber heißt das auch das man mit ihnen gefühlslos bleibt? Ich kann es nicht sagen weil ich es nicht weiß. Die Menschen mit denen ich Kontakt habe sind zwar alle sehr unterschiedlich aber wir haben dennoch viele Gemeinsamkeiten. Deshalb tendiere ich ja schon dazu zu sagen das kann schon Freundschaft sein.

Jedoch habe ich im RL oft die Erfahrung das mir Menschen die nur eine winzig kleine Verbindung mit mir haben, mir Gefühle entlocken können. So interressiert mich doch was denn mit der Bäckereifachverkäuferin los ist, weil sie heut so traurig guckt und doch sonst immer bestens gelaunt ist. Und wenn ich nachfrage obs nicht gut geht oder ob was geschehen sei und die Leute erzählen dann, so bin ich voller tiefster Empfindungen die entweder Trauer, Mitleid oder Freude sein können. Im www lehne ich soetwas jedoch ab. Zumindest lasse ich keinen Erstkontakt zu, wenn mir jemand dort begegnet und mir direkt seine Leidensgeschichte erzählt. Ich empfinde dabei eher Mißtrauen und ziehe mich zurück. Wobei Menschen mit denen man über das Erststadium der Bekanntschaft hinaus ist, mir jederzeit von ihren Nöten und Ängsten berichten dürfen und da sind dann auch wieder meine ernstgemeinten Emotionen dabei.

Du hast sinngemäß gesagt: Wenn jemand das(oder so) ist, für den ich ihn halte, dann erwarte ich die oder die Reaktion. (Ich habe daraus verstanden das dies für dich in einer Freundschaft wohl viel bedeutet.) Ich finde nicht das das ein so furchtbar wichtiger Punkt ist.
Eine kleine Geschichte dazu:
Eine Freundin hat einen Mann im Chat kennengelernt. Er war das erste Mal bei ihr zu Besuch als das Telefon läutete. Es war jemand der von ihrer Selbsthilfegruppe über verwaiste Eltern gehört hatte und einige Fragen hatte.
Meine Freundin beantwortete sie geduldig und dabei kam natürlich auch zur Sprache das sie selbst vor einiger Zeit ihr kleines Baby beerdigen mußte welches an einer schlimmen Krankheit starb.
Der Mann (den ich völlig verstehe) hat nach dem Telefonat nicht die erwünschte Reaktion gezeigt (er fragte nicht nach und dies wurde als Desinteresse gedeutet) und meine Freundin machte dicht und er wurde "ad acta" gelegt.
Ich habe lange mit meiner Freundin darüber gesprochen und versucht ihr zu erklären das dies wohl eine sehr unkluge Entscheidung war. Sie hat ihm keine Chance gegeben. Denn welcher Mann traut sich schon beim ersten Treffen auf sowas einzugehen? Die beiden haben sehr lange Zeit gechattet und gemailt, aber dennoch kannten sie sich doch eigentlich nicht.

Soviel zum Thema Erwartungen und Reaktionen. Ich hoffe du verstehst worauf ich hinaus möchte?
Ich habe gelernt so wenig wie möglich an Erwartungen gg.über anderen zu haben. Natürlich läßt sich das weder im www noch im RL wirklich ausblenden, aber es läßt sich minimieren. Ich denke auch, das dies etwas mit Toleranz zu tun hat. Wie siehst du/ seht ihr das? Es erspart einem natürlich auch viele Enttäuschungen.
Und wenn jemand wirklich mal eine Erwartung von mir unerfüllt läßt, so frage ich nach. Denn wer fragt gewinnt, nicht nur Antworten sondern oft noch vieles mehr.

Ich habe den Schluß von dir wirklich nicht verstanden.
Natürlich sind Emotionen die einen traurig machen schlimm wenn sie nicht schlimm wären, kann man den Kontakt doch als oberflächlich beiseite legen.
Oder wie meintest du das?

Liebe Grüße
Sal :zauberer1
 
Hallo Sal, Vielen Dank, dass du so ausführlich geantwortet hast. Die Geschichte mit deiner Freundin ging mir gar nicht mehr aus dem Kopf. Aber davon später.
Salem schrieb:
Eine Freundschaft hat man bestimmt nicht mit Menschen zu denen man nur einen Anknüpfungspunkt hat (wie hier der beschriebene Humor), aber heißt das auch das man mit ihnen gefühlslos bleibt?
Gewiß nicht. Wenn etwa auf der Straße einem Menschen, den ich noch nie gesehen habe, etwas Schlimmes passiert, so läßt mich das keineswegs gefühllos. Wenn ich im Fernsehen eine Reportage darüber sehe, was Menschen irgendwo in der Welt zustößt, so bleibe ich nicht gefühllos. Wenn wir Filme sehen, wo wir ganz genau wissen, dass alles nicht „echt“ ist, so haben wir dennoch Gefühle. Ganze Industrien leben davon.
Du hast Recht, Freundschaft ist aber viel mehr. Wo endet die „Bekanntschaft“ und wo beginnt die „Freundschaft“? Jeder wird das für sich unterschiedlich definieren. Ich gebe zu, mein Begriff von Freundschaft ist ziemlich eng gefaßt, ich verlange einer Freundschaft schon viel ab, andererseits weiß ich dafür, dass ich mich auf meine Freunde verlassen kann. Und hier ist auch die Sache mit den Erwartungen verankert. Ich denke schon, dass es legitim ist gewisse Erwartungen zu haben, und eventuell auch dann, wenn ich sehe, dass meine Erwartungen völlig unterschiedlich von denen des anderen sind, Konsequenzen für mich zu ziehen. Für mich ganz persönlich hat das auch etwas mit „Psychohygiene“ zu tun.

Salem schrieb:
Du hast sinngemäß gesagt: Wenn jemand das(oder so) ist, für den ich ihn halte, dann erwarte ich die oder die Reaktion. (Ich habe daraus verstanden das dies für dich in einer Freundschaft wohl viel bedeutet.) Ich finde nicht das das ein so furchtbar wichtiger Punkt ist.
Was mir wie gesagt eben wichtig erscheint, ist dass der andere etwa dieselben Erwartungen hat wie man selbst. Wenn ich mich in eine Freundschaft hineinbegebe, möcht ich eigentlich nicht, dass der andere mit mir nur aus Höflichkeit, zum Zeitverteib oder vielleicht deshalb, weil er glaubt mir irgendwie helfen zu müssen kommuniziert, aunch nicht umgekehrt, weil er vielleicht etwas von mir erwartet. All dies ist an sich nichts Verwerfliches, doch ich werde diesen Kontakt dann auf einer anderen Ebene führen und viel weniger oder anders „investieren“ als in eine Freundschaft. Ich denke schon, dass das wichtig ist, einfach um sich spätere Enttäuschungen zu ersparen. Was nicht heissen soll, dass daraus nicht noch eine Freundschaft werden kann.
Ich denke auch in der Geschichte deiner Freundin war nicht recht abgeklärt, was für eine Art von Beziehung und welche Erwartungen jeder der beiden nun hatte. So, wie du es erzählt hast, glaube ich auch, dass sie diesen Mann ganz schön in Verlegenheit gebracht hat. Wenn sie vorher, wie du sagst, schon lange mit ihm gechattet und gemailt hatte, so glaubte er vielleicht ein gewisses Vertrauensverhältnis zu ihr zu besitzen. Dann muss er, noch dazu als unbeteiligter Zuhörer, erkennen, dass sie ihn sozusagen niemals für wert befunden hatte ihn in das sichtlich wichtigste Ereignis der letzten Zeit ihres Lebens einzuweihen. Er muss sich ganz schön ausgeschlossen und beseite geschoben gefühlt haben. Ich kann schon verstehen, dass es sicher schwer ist über ein derartiges Trauma zu sprechen, andererseits wenn sie eine Selbsthilfegruppe leitet, ist gerade sie es, die auch gewohnt ist darüber zu reden. Wenn man in eine Freundschaft, noch mehr in eine Liebesbeziehung geht, muss man auch bereit sein den anderen auch in sein Leben „hereinzulassen“. Möglicherweise hat zwischen den beiden ja auch nie eine wirkliche Verbindung bestanden und es war einfach besser, dass nichts daraus geworden ist.
Andererseits habe ich durchaus verstanden, was du hinsichtlich der unausgesprochenen und unerfüllten Erwartungen sagen wolltest. Oft ist es besser ganz einfach zu fragen. Andererseits – wie oft beantworte ich eine Frage und möchte einfach dazu nicht weiter gefragt werden... In solchen Fällen kann ich im RL meist gut sehen, ob eine weiteres Gespräch über ein Thema erwünscht ist oder nicht, im www weiß ich das kaum. Wo helfe ich jemanden mir etwas zu erzählen was er mir gerne erzählen möchte, wo bin ich aufdringlich?
Vielleicht haben wir bloss viel zu viel Angst davor als aufdringlich angesehen zu werden? Oder sollten wir mehr Geduld haben?

Salem schrieb:
Zumindest lasse ich keinen Erstkontakt zu, wenn mir jemand dort begegnet und mir direkt seine Leidensgeschichte erzählt.
Ach, ich sehe das eigentlich nicht so negativ (muss aber zugeben damit nicht viel eigene praktische Erfahrung zu haben). Viele Menschen hoffen im www Gesprächspartner zu finden, weil sie im RL niemanden haben, mit dem sie über ihre Probleme, oder über ganz bestimmte Probleme sprechen können. Manche veröffentlichen ihre ganze Lebensgeschichte in diversen Foren, viele dieser Menschen tun mir eigentlich sehr leid, besonders wenn man merkt, dass sie mit ihren Problemen sehr alleine sind.
Ich stehe nicht an zu sagen, dass auch ich meinen Beitrag aus dem Grund hereingestellt habe, weil ich es im RL nicht geschafft habe über dieses Thema ein gutes und vernünftiges Gespräch zu führen.

Salem schrieb:
Ich habe den Schluß von dir wirklich nicht verstanden.
Natürlich sind Emotionen die einen traurig machen schlimm wenn sie nicht schlimm wären, kann man den Kontakt doch als oberflächlich beiseite legen.
Oder wie meintest du das?
Ich hatte so vieles im www gelesen, wie oft es passiert, dass sich Leute völlig irrational in die absurdesten Geschichten hineinsteigern. Wenn von außen niemand da ist, der sie in die Realität zurückholt, kann das ganz schön schlimm und gefählich werden, besonders wenn traurige Emotionen im Spiel sind oder diese Menschen bereits von vorne herein psychische Probleme welcher Art auch immer haben. Das habe ich gemeint. Auch die Frage wo für jeden einzelnen von uns die Grenze ist zwischen dem, womit er umzugehen versteht und dem, wo er heillos überfordert ist (und das nicht zugeben will oder nicht rechtzeitig erkennt). Darüber ließen sich noch Seiten füllten – keine Angst ich tu’s nicht :)
Liebe Grüße
 
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vielleicht mal was kurzes dazu,

weil es mich auch brennend interessiert, und gerade in einem anderen forum kracht:
ein paar gedanken dazu:

es erstaunt mich immer wieder, wie es über so ein medium möglich ist, persönlichkeiten zu erkennen, etwa auch, wenn sie sich mit einem zweitnick zu verstecken versuchen;
sogar nur durch den kontakt in einem forum kommen persönlichkeiten zu tage, gar nicht zu reden vom chat.

freundschaft über dieses medium ist in meinen augen sehr wohl möglich, die virtuelle freundschaft wird da nur diskriminiert, von den älteren semestern mehr als von den ganz jungen.

wo zum beispiel meine mutter etwas bemitleidend die augen verdreht, wenn ich frei heraus sage, ich habe eine freundin in deutschland, mit der ich virtuellen kontakt habe, die ich aber noch nie persönlich getroffen habe, so ist das für meine söhne eine selbstverständlichkeit, für sie sind virtuelle kontakte reellen gleichwertig.

dass man sich verschätzt was das alter angeht, sollte einem eigentlich zu denken geben.

heißt das nicht, dass man im RL menschen auf grund ihres alters oft falsch einschätzt?

und gäbe es keine freundschaft ohne zu wissen, wie das gegenüber aussieht, würde das nicht implizieren, dass blinde zu keinen freundschaften fähig sind?

ich sehe auch einen vorteil im umgang mit menschen aus anderen ländern.

es gibt schon allein im deutschen sprachraum jede menge kommunikationsbarrieren, dialekte, die den anderen zu fehleinschätzungen verleiten, ähnlich wie beim alter und beim aussehen.

natürlich will man als sehender auch das bild des gegenübers sehen, wenn man einander näher gekommen ist, aber ich denke nicht, dass es dann irgend etwas ändert, wie dieser mensch aussieht.

das aussehen ist in diesem stadium vielmehr, was es von natur aus sein sollte, ein medium um die menschen zu erkennen und nicht um sie zu bewerten, was wir im RL all zu oft und all zu schnell tun.

nach meiner eigenen erfahrung ist es nur so, dass ein kontakt, der in einem forum beginnt, und von dem man erkennt, dass er sich vertieft, etwas zäh fortschreitet, wenn man ihn nur im forum pflegt.

zur vertiefung sind kontakte in einem chat oder messenger schon sehr hilfreich.

wenn aber jemand nähere und dann doch recht emotionale kontakte fürchtet, kann man's ja auf den pc schieben, dass man nicht chatten kann...;-)

grüße,

joan
 
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