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Virtuelle Begegnungen

Hallo,

Für mich ist Virtualität nicht das Gegenteil von Realität. Virtuelles ist durch und durch real. Das Gegenteil von Realität ist eher das Mögliche.
Mir scheint die Frage interessant, inwiefern sich das Virtuelle in bestimmten Situationen aktualisiert und inwieweit diese Aktualisierung auf welche Weise von wem erfasst wird. Das Virtuelle lässt sich gar nicht ohne dessen Aktualisierung fassen - nur durch die Aktualisierung findet es einen Ausdruck, der sich letztlich klassifizieren lässt. Das bedeutet aber nicht, dass das Virtuelle erfasst ist, und es ist dabei noch wenig über die Qualität der Interpretation des Aktualisierten (oder gar des Virtuellen - der Realität überhaupt) ausgesagt.
Wenn jemand in diesem Forum schreibt, aktualisiert er/sie eine Person als klassifizierbaren Diskurs. Das Virtuelle findet in dieser Person einen Ausdruck und wirkt auf bestimmte Weisen. Das Virtuelle wird nicht einfach durch einen bestimmten Ausdruck irgendeiner Forumspersönlichkeit impliziert, sondern durch die kommunikative Situation. Ich würde sogar weiter gehen als Robin und behaupten, dass die Differenz, die es ermöglicht, Realitäten voneinander zu scheiden, sich in der Aktualität selbst tilgt.
Die Virtualität ist impliziert, in der Implikation fände sich erst die Möglichkeit, Wesen zu differenzieren und etwa "Realitäten" voneinander zu scheiden. In der Aktualität - in der Explikation - drückt sich aber nur eine Realität aus - und diese wird verschieden interpretiert.

Dies ein paar spontane Gedanken zu diesem interessanten Thread...
 
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Miriam schrieb:
Ja, sicherlich wechseln wir hier nur von einer Wirklichkeit in eine andere. Wirklich sind sie beide: die Kommunikation im Virtuellen und die, die in der Realität stattfindet. Aber die Wahr-nehmung des Gegenübers, des Dialogpartners, ist in den beiden Situationen grundverschieden. Dadurch hat auch der Dialog eine andere Qualität.

Der Dialog hat eine andere Qualität, ja. Das finde ich auch. Was für eine Qualität hat der Dialog? Zuerst mal ist er ein Geschriebener. Reine Worte ohne Gesten, Gesichtsausdrücke, den fragenden, verstehenden Blick des Gegenüber. Was kennzeichnet die virtuelle Mythologie ? Fabulierlust, ..Gedichte.. Prosa am laufenden Band. Das Gespräch ähnlich dem Gesprochenen zu formulieren, mit Absätzen, Fragen, Metaphern, Ausrufen.
Die Kunst, Gedankengänge aneinander zu reihen, ganz ohne Sprünge, die u.U. leichter vor dem verstehenden Blick möglich wären.

Aber auch ohne Hilfestellung von diesem. Unverständnis, Missverständnisse sind bereits einberechnet vor der Dialogführung. Vielleicht auch die so entstandene Abneigung, "wen wird das interessieren, was ich schreibe", oder "verdammt, versteht mich den keiner".

Und doch ist dieser Dialog so geartet, daß wir ohne Einschränkung nach Lust und Laune von uns geben können, so viel und je nach Qualität, wie wir wollen. Irgendeiner in der großen virtuellen "Wirklichkeit" liest uns evtl., antwortet, oder fabuliert selbst. Wann gab es das jemals? Ist es nicht äußerst schwierig, einen Gesprächspartner in dem "draußen" zu finden, mit dem das Gespräch so lückenlos und gleich-interessiert abläuft?
Aber wenn es so ist, zieht man diese Gespräche dann vor? Liebt man sie mehr, weil sie durchaus alle Sinne ansprechen?

lg Matto
 
Jacques schrieb:
Hallo,

Für mich ist Virtualität nicht das Gegenteil von Realität. Virtuelles ist durch und durch real. Das Gegenteil von Realität ist eher das Mögliche.
Mir scheint die Frage interessant, inwiefern sich das Virtuelle in bestimmten Situationen aktualisiert und inwieweit diese Aktualisierung auf welche Weise von wem erfasst wird. Das Virtuelle lässt sich gar nicht ohne dessen Aktualisierung fassen - nur durch die Aktualisierung findet es einen Ausdruck, der sich letztlich klassifizieren lässt. Das bedeutet aber nicht, dass das Virtuelle erfasst ist, und es ist dabei noch wenig über die Qualität der Interpretation des Aktualisierten (oder gar des Virtuellen - der Realität überhaupt) ausgesagt.
Wenn jemand in diesem Forum schreibt, aktualisiert er/sie eine Person als klassifizierbaren Diskurs. Das Virtuelle findet in dieser Person einen Ausdruck und wirkt auf bestimmte Weisen. Das Virtuelle wird nicht einfach durch einen bestimmten Ausdruck irgendeiner Forumspersönlichkeit impliziert, sondern durch die kommunikative Situation. Ich würde sogar weiter gehen als Robin und behaupten, dass die Differenz, die es ermöglicht, Realitäten voneinander zu scheiden, sich in der Aktualität selbst tilgt.
Die Virtualität ist impliziert, in der Implikation fände sich erst die Möglichkeit, Wesen zu differenzieren und etwa "Realitäten" voneinander zu scheiden. In der Aktualität - in der Explikation - drückt sich aber nur eine Realität aus - und diese wird verschieden interpretiert.

Dies ein paar spontane Gedanken zu diesem interessanten Thread...


Und von mir spontane Zustimmung. Zu allem, was Du schreibst, Jaques.
Unter diesem Aspekt der Interdependenz von Möglichkeit und Realisierung habe ich ein ganz ähnliches Thema bereits vor einigen Tagen in "Allgemeine Politik" gestellt.
Es erweist sich, dass es hier - in einem personenbezogenen Inhaltsrahmen angenommen wird, bei abstrakteren Sachverhalten, die sich erst beim zweiten Blick auch als relevant für die individuelle Rezeption erweisen, nicht.
Für mich eine lehrreiche Erfahrung.

Marianne
 
Gerne möchte ich nun den Faden etwas weiter spinnen - und einen Vergleich zwischen der realen und der virtuellen Welt versuchen. Dies natürlich wieder als Einstieg in eine Diskussion mit Euch.

Auch möchte ich später, einiges über den Begriff der Virtualisierung schreiben, über die Art wie virtuelle Welten wirken, etc..

Aber hier erts einmal der Versuch die reale und die virtuelle Welt im Umriss in Gegensatz zu betrachten.

Jeder von uns entwickelt ein sehr individuelles Verhältnis zwischen seiner emotionalen und seiner rationalen Welt. Mir scheint es, nach einiger Zeit der Erfahrung mit der virtuellen Welt, dass diese ihre eigenen Gesetze kennt, in Bezug auf dieses Verhältnis Emotion/Ratio. Als würde diese Proportion nicht aus der realen Welt eins zu eins in die virtuelle übertragen werden.

Die Frage nach dem warum, möchte ich erstmal zurückstellen.

Dann wäre noch die Phantasie, die m.E. in der virtuellen Welt sich besser fühlt, als in unserer realen Welt. In letzterer sind ihr manchmal zu viele Schranken gesetzt, da muss sie sich über Konventionen hinwegsetzen - und wie festgefahren diese Konventionen sind, erfährt man eben wenn man einen solchen Vergleich wagt. Auch muss sie sich, unsere Phantasie, in der Realität von Zeit zu Zeit die Flügel stutzen lassen ... Die Schere die dazu dient, sind eben die Konventionen.
Unsere heutige sehr rationale Welt, ist nicht vereinbar mit zu viel Phantasie!

Und wie sieht es aus damit, in der virtuellen Welt? Dies scheint mir ein Raum der grossen Freiheiten zu sein, Freiheiten, nach denen sich eben unsere emotionale Seite sehnt. Doch Freiheiten sind immer auch mit Gefahren, mit Risiken, verbunden.

Dies sind nur einige wenige Aspekte, aber es sollen auch andere sich hier artikulieren und ihre Gedanken einbringen.
 
Jacques schrieb:
Hallo,

Das Virtuelle lässt sich gar nicht ohne dessen Aktualisierung fassen - nur durch die Aktualisierung findet es einen Ausdruck, der sich letztlich klassifizieren lässt. Das bedeutet aber nicht, dass das Virtuelle erfasst ist, und es ist dabei noch wenig über die Qualität der Interpretation des Aktualisierten (oder gar des Virtuellen - der Realität überhaupt) ausgesagt.
Ist das nicht eine ähnliche Struktur, wie wir sie im Gespräch der Realität finden? Dann ist es keine Erweiterung der Möglichkeiten sondern die banale Massenproduktion.
 
Marianne schrieb:
Es erweist sich, dass es hier - in einem personenbezogenen Inhaltsrahmen angenommen wird, bei abstrakteren Sachverhalten, die sich erst beim zweiten Blick auch als relevant für die individuelle Rezeption erweisen, nicht.
Für mich eine lehrreiche Erfahrung.

Wurde es angenommen? Ich meine, außer von Jacques...
 
Das Bedürfnis des Menschen die reale Welt zu ergänzen - besser gesagt zu erweitern - lässt sich erkennen, lange bevor der virtuelle Raum entstand.

Hier einige Beispiele der Räume, die gedanklich von Menschen geschaffen wurden - um wahrscheinlich sie mit alldem zu ergänzen, zu "beleben", was die reale Welt nicht konkret bieten konnte.

Bei den alten Griechen und Römer bestehen zwei Welten, die aber nicht strickt getrennt sind, sondern miteinander kommunizieren, so zu sagen interagieren. Neben der realen Welt, besteht auch die der Götter oder Halbgötter: der Olymp. Die Götter sind oft Verkörperungen dessen was sich der Mensch wünscht oder dessen was ihn beängstigt, sie übernehmen zum Teil Gefühle oder Handlungen, Sehnsüchte und Befürchtungen aus der menschlichen Realität. Der Mythos ist somit geboren - und die mythologischen Figuren werden auch noch in der modernen Zeit stellvertretend eingesetzt.

Hier ein kleines Beispiel aus einem Text über Prometheus - von Rainer P. Born:

"Als Albert Camus 1946 -- die Hölle des zweiten Weltkrieges noch drastisch vor Augen -- seinen kleinen Essay Prometheus in der Hölle schrieb, gab es das Internet noch nicht. Aber es gab die Sehnsucht nach einer neuen Zukunft für die Menschen, nach einer Überwindung von Unmenschlichkeit, nach Kommunikation quer über alle Grenzen hinweg, nach einem friedlichen Miteinander an Stelle eines instrumentalisierten, maschinengeleiteten Gegeneinanders. Man versuchte, sich wieder auf sogenannte menschliche Werte zu besinnen, auf das, was den oder die Menschen ausmacht.

Camus benützt Prometheus, der nach der griechischen Mythologie die Menschen geschaffen und ihnen das Feuer gebracht hatte, dafür von den Göttern bestraft wurde und büßen mußte, als Metapher und erstes Symbol von Menschlichkeit und Kultur. Für Prometheus sei es kennzeichnend, »daß er die Maschine nicht von der Kunst trennen kann.« Prometheus glaubt »an die gleichzeitige Befreiung des Körpers und der Seele.«


Die Figur des Prometheus ist auch von anderen modernen Schriftstellern gerne neu interpretiert worden. Ich erwähne hier nur noch André Gide's "Der schlechtgefesselte Prometheus".

In den grossen Religionen, zum Beispiel Christentum oder Judentum, besteht neben der realen Welt also der leiblichen, die transzendentale Welt.
Im Gegensatz aber zu den zwei Welten der Griechen und Römer, sind hier diese beiden Welten völlig voneinander getrennt - und Gott tritt mit den Menschen durch Zeichen in Verbindung.

Die Heldenlegenden im Mittelalter sind auch eine virtuelle Welt.
Eines wiederholt sich fast immer in diesen Legenden: der Mensch kann die Welt der Helden nur betreten, wenn er beweist, dass er auch ein heldenhaftes Benehmen annehmen kann.
Und so muss er Mutproben bestehn (meistens drei!) um zu seinen Helden zu gelangen.
Was er dann betreten darf - ist letztendlich ein virtueller Raum...
 
Hallo,

sehr interessant, lese jetzt das erste Mal in diesem thread.
darüber habe ich n och nie nachgedacht, was da alles außer den diskutierten Fakten oder Phantasien noch so abläuft.

Ja, die Diskussion würde wohl ganz anders ablaufen, wenn statt des grünen Punktes neben dem Nickname (oder anstelle des Avatars) das bild einer webcam mit face and mimic des Dikussionspartners zu sehen wäre .

Gruß Claus
 
Claus schrieb:
Ja, die Diskussion würde wohl ganz anders ablaufen, wenn statt des grünen Punktes neben dem Nickname (oder anstelle des Avatars) das bild einer webcam mit face and mimic des Dikussionspartners zu sehen wäre .

Gruß Claus

Und Ihr würdet dann feststellen, dass Miriam nicht nur die Regeln des Dativ/Akkusativ nicht kennt, sondern, dass sie ausserdem mit einem ziemlich starken Akzent spricht...

:reden: :nein: :reden:
 
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Miriam schrieb:
Die Heldenlegenden im Mittelalter sind auch eine virtuelle Welt.
Eines wiederholt sich fast immer in diesen Legenden: der Mensch kann die Welt der Helden nur betreten, wenn er beweist, dass er auch ein heldenhaftes Benehmen annehmen kann.
Und so muss er Mutproben bestehn (meistens drei!) um zu seinen Helden zu gelangen.
Was er dann betreten darf - ist letztendlich ein virtueller Raum...

So.
Da ist er nun, der Held im virtuellen Raum, nennen wir ihn Miriam, Robin oder sonst wie.
Welche Taten lassen sich dort vollbringen? Der Held kann sich Feinde suchen. Oder Probleme. Oder seine Feinde sind die, die andere Probleme haben als er. Er kann sich in einen Kampf schwingen. Der Preis des Kampfes (den er sich vielleicht gar nicht bewusst macht) ist: Recht zu behalten. Das sieht nach einem nicht sehr attraktiven Preis aus, dafür ist sein Risiko aber geringer als im Kampf des nicht-virtuellen Lebens. Er kann sich nichts als ein paar Beleidigungen einfangen und etliche seelische Schrammen.
Er kann aber auch einen recht schrecklichen Preis gewinnen: Die Einsicht, dass er niemals im virtuellen Raum bedeutender werden kann als im richtigen Leben. Dass jedes Rechtbehalten nur ein Pyrrhus-Sieg ist, genährt vom Strohfeuer des Miss-Verständnisses. Dass ein Sieg im viruellen Raum nur ein momentanes Aufblähen des Ichs ist und im nächsten Moment die Elektronen nicht mehr wert, die den Sieg wahrnehmbar dokumentieren.
Man kann aber auch ein anderes Ziel als den Sieg verfolgen im virtuellen Raum. Ich rede jetzt nicht von Freundschaften oder gar Liebe. Dieses Thema will ich hier lieber nicht anrühren, denn das ist jedem seine Sache.
Nein, was mich am Netz am meisten fasziniert, ist die Idee des zweiten Gedächntis'. Gerade hier im Forum ist die Idee greifbar, aber nur für die, die sich die Mühe machen, die Vernetzung der Themen, den verknüpften roten Fäden nachzuspüren. UNd auch selbst mal einen Knoten zu knüpfen, einen Link zu schaffen, entweder im wahren (technischen) Sinn des Wortes oder nur in einer Re-Formulierung schon Gesagtens, wo die Verknüpfung dann durch Variation und Redundanz entsteht.
Für diese Verknüpfung muss man vielleicht sogar vom Ziel des Sieges ein Stück abrücken und den virtuellen Raum als Form an sich, als Struktur wahrzunehmen (nicht als Aufsummierung grüner und roter Kärtchen). Wer die vernetzte Struktur auch in sein Denken übernimmt hat am meisten vom Internet!
In dem Sinne hat das Vernetzte ein viel höhers Potenzial als die darin verborgenen Wahrheiten, die keine sind. Das Netz kann eine höhere Wahrheit bekommen, eine gewisse Energie.
Mam kann eine Menge hineinbuttern ins Netz. In Form von Liebe wird man es kaum zurückbekommen.
Aber vielleicht in Form dieser Energie?!
 
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