PhilippP
Well-Known Member
- Registriert
- 8. April 2003
- Beiträge
- 934
So dass ähnlich wie bei Platon sagen kann, dass die Philosophiegeschichte auch als eine Fussnote zu Aristoteles besteht.
So ist es wohl. Aristoteles ist kein Philosoph wie Heidegger oder Popper; das sind auch bekannte und "große" Namen, aber keine Legenden und genau das sind die alten Griechen allesamt. Die überlieferten Texte sind durch so viele Hände (Kopien, Abschriften, Umdichtungen, Auslegungen etc.) gegangen, dass - nüchtern betrachtet - über die Antike (und damit meine ich z.B. auch die römische Geschichte) viel weniger tatsächlich bekannt ist, als man gemeinhin meint. Die Antike wurde lange Zeit glorifiziert und entsprechend konstruiert - man muss nur mal in die dicken Wälzer eines Mommsen schauen. Sicherlich ist das eine für damalige Verhältnisse respektable Leistung, aber aus heutiger Sicht ist das mehr Geschichtsdichtung als Geschichtsschreibung.
Noch heute ist das meiner Ansicht nach spürbar, die Historiker der Antike tun sich offenbar schwer damit, vom Fokus auf Konstruktion wegzukommen und zur Rekonstruktion überzugehen; es ist in der Tat erstaunlich, wie detailliert teilweise selbst komplexeste politische Zusammenhänge (römische Republik/Prinzipat) in einschlägigen Werken geschildert sind - selbst für heutige Politikwissenschaftler wäre es wohl eine Herausforderung, die neuere und neueste Geschichte dermaßen klar und stringent zu beschreiben.
Kurzum: Die großen alten Namen stehen sicher für anthropologisch/soziologisch beachtenswerte Phänomene (wie gehen wir mit Geschichte um, was beeinflusst die Rezeption, inwiefern können historische Quellen valide über Vergangenes berichten etc.), aber die Gehalte der überlieferten Schriften sind allenfalls noch von historischem Interesse. Über Kalenderspruchniveau (auch wenn es sich hart anhört) kommt ein Aristoteles selten hinaus und das sage ich nicht als völlig Ahnungsloser, da ich mich einst wissenschaftlich mit seiner Politik und Ethik auseinandersetzte.
Ich weiß, dass es hierzulande eine verfestigte hermeneutische Tradition gibt, die die Aufgabe von Philosophie darin sieht, altes Textwerk zu befruchten und neue Erkenntnisse herauszulesen. Das möchte ich auch niemandem verbieten und sicherlich hat das einen Sinn, aber eben wiederum (siehe oben) aus wissenschaftlicher Sicht nicht mehr als einen soziologischen/psychologischen: Warum benötigen Menschen idealisierte Begriffe, um ihr Leben im Heute zu bewältigen?
Gruß in die Runde
Phil