AW: Wie Religion als Friedenshindernis wirkt.
Du hast geschrieben, dass es unmöglich ist, religiöse Moral mit göttlicher Letztbegründung, mit anderen Moralkonzepten ins Gespräch zu bringen. Ich habe dagegen ins Treffen geführt, dass auf der Basis menschlicher Bedürfnisse ein Dialog stattfinden kann. Jetzt könntest Du zu meinem Wohlergehen beitragen, wenn Du mir zustimmst.
Leider kann ich nicht zu deinem Wohlergehen beitragen, jedenfalls nicht vollständig. Der erste Satz ist wahr. Der zweite nicht, denn es steht dem nicht entgegen.
Was ist ein Bedürfnis und was ist Moral?
Ein Bedürfnis ist ein empfundener Mangel, wie zum Beispiel, dass ich etwas zu essen will, weil ich Hunger habe oder das ich die neuste Markenklamotte will, weil alle meine Freunde diese tragen. (Das sind natürlich kontrafaktorische Beispiele.)
Unter Moral verstehe ich hier ganz grob gesagt ein Normensystem mit dem Anspruch auf absolute Gültigkeit.
Was sind Normen?
Normen sind konkrete Handlungsvorschriften, wie z.B., dass man nicht klauen darf.
Nun wird leicht ersichtlich, dass Bedürfnis ein Begriff ist, der in seinem Umfang nicht adäuqat ist, um meine These zu bestreiten.
Bedürfnissen spielen hier nämlich nur eine Rolle, insofern diese in Zusammenhang mit Normen stehen, als Teil von Moral. Und diese muss wiederum in einem Fall mit Gott begründet werden.
Nehme wir so ein Bedürfnis.
Nehmen wir an ein ungläubiger Mann hat das
Bedürfnis mit einem anderen Mann zu schlafen. Ein Christ sagt aber, dass man das nicht darf (
Norm), weil Gott sagt, es ist schlecht (
Begründung durch Gott). Der Glaube an Gott ist dann wohl das
religiöse Bedürfnis, auf Seite des Christen.
Nach meiner These ist es prinzpell unmöglich, dass der Christ seine normative Vorstellung zugunsten des Homosexuellen ändert, da er aus seinem Moralkonzept heraus nicht die Diskussionsfähigkeit dazu besitzt. Das liegt daran, dass er sich mit der Vorstellung identifiziert, durch Gott sei gut und schlecht definiert.
Dem Homosexuellen bleiben 2 Möglichkeiten:
1. Er kritisiert den Glauben
(Das willst du ja nicht. Und hier steckt zudem natürlich der Dogmatismus, der nicht angreifbar ist. Hier endet also auch die Diskussionsfähigkeit)
2. Er nimmt Gott als Moralbegründung an und argumentiert, dass das nicht im Sinne Gottes wäre.
(Dann hätten wir aber keinen Diskurs zwischen unterschiedlich begründeten Moralkonzepten.)
Nun. Wo liegt der Fehler in meiner Argumentation? Ich denke es gibt keinen.
Wenn der eine Kantianer und der andere Utilitarist wären und sie nicht dogmatisch an ihrem Moralkonzept festhalten, ist durchaus möglich, das der eine seine normative Vorstellung zugunsten des Homosexuellen ändert.
Das war ein äußerst lebenspraktisches Beispiel.
In der philosophischen Debatte geht es mir vor allem um ausgearbeitete Moralkonzepte von Tugendethikern, Deontologen usw., die eben die Möglichkeit haben einen Diskurs über unterschiedliche Begründungsansätze zu führen.
Was kann ich für Dich tun?
Ich habe keine Lust aufzuwaschen, was jemand gerne übernehmen könnte. Ansonsten fällt mir jetzt spontan nichts ein. Ist aber trotzdem nett, dass du gefragt hast.
Eine gute Begründung ist die, wenn die Moral auf humanste Weise bestmöglich menschliche Grundbedürfnisse, zu denen auch religiöse gehören, befriedigt, finde ich. Ist das für Dich auch eine gute Begründung? Ich stimme Dir zu, dass es sich immer um Begründungsansätze handelt.
Eine gute Begründung ist eine begründete Begründung, mit plausiblen, nachvollziehbaren und logisch schlüssigen Argumenten.
Für mich ist eine Moral, die sich auf Gott stützt nicht gut begründet.
Du sagst auch gar nicht, was eine gute Begründung ist, im Sinne einer Definition, noch nennst du eine gute Begründung. Stattdessen sagst du, was eine Moral enthalten soll. Das ist etwas anderes.
Das hoffe ich doch!