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Was ist "transzendentaler Materialismus"?

Es wäre allerdings zum Irrewerden, wenn wir bei alltäglichen Unterhaltungen immer diesen Vorbehalt machten.
Aber nicht nur das.
Ernsthafte Versuche der Klärung müssten scheitern, weil jede versuchte Annäherung größere Verwirrung stiften müsste.
Und es sind nicht nur sprachliche Konventionen, die mich bestimmte Dinge erleben lassen, wenn ich Wein trinke, meditiere, oder ein Bild betrachte.
Wir meinen mit 'ist rot' (anders als der Papagei oder die Farb-App) ja auch etwas, d.h. für uns schwingt da noch die Behauptung mit Farben unterscheiden zu können, nicht grün zu meinen, aber am Ende können wir 'ist rot' ja nur behaupten, weil in uns ein Roteindruck vorhanden ist und der ist vorhanden, wenn wir tatsächlich etwas Rotes wahrnehmen, nur so können wir das lernen.
Aber ein Qualia Rest bleibt auch m.E., den wir nicht auflösen können, klar.
Wir teilen nicht nur die Umwelten, sondern auch die Sprache, mittels welcher wir uns über uns und unsere Welt unterhalten können. Aber auch dann bleibt die Innenwelt letztendlich privat.
Die Innenwelten erschließen wir uns ja auch erst durch unseren Spracherwerb und Hinweise von anderen, anhand dessen wir rekonstruieren können, dass und wo wir sehr ähnlich, aber auch ziemlich oder ganz anders empfinden. Eben weil wir auch die Möglichkeit haben sprachlich heran zu zoomen und den Wein geschmacklich genau zu sezieren, oder eine Wahrnehmung etc.
Es gibt Möglichkeiten sprachlich den einen oder anderen Bypass* zu errichten und zu benutzen, aber auf die Dauer fällt das auf und zusammen.
Weshalb ich auch der Meinung bin, dass man sich über spirituelle Erfahrungen ebenso gut oder schlecht austauschen kann, wie über Riesling.
Wir lernen ja nicht nur Begriffe auswendig und spulen die ohne zu denken, so nach Reiz-Reaktionsschema wieder ab, sondern gehen verantwortlich mit ihnen um, wägen ab, was wirklich zu unseren Empfindungen passt, lernen in guten Fall die Sprache, unsere Innenwelt und die Darstellung anderer (von ihrer Wahrnehmung von Außen- und Innenwelt) immer besser kennen.

Aber, wie Du auch an @Giacomo_S geschrieben hast, das würde bei Dir nicht als Beweis gelten, was ich auch okay finde.


* Man könnte sich bspw. daran orientieren, dass vom oberen Ampellicht gesagt wird, es sei rot usw.
 
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Die - wissenschaftliche (1) - Farbtheorie
Man merkt, dass du dich mit der Materie gut auskennst. Was mir aber fehlt, ist die philosophische Relevanz, also die Frage, wie diese interessanten Forschungsergebnisse nun zu interpretieren sind. Was also macht das Thema nicht bloß interessant, sondern für mich relevant?

Philosophisch relevant war für mich die Frage, inwieweit die subjektive Innenwelt objektivierbar ist - denn das müsste sie sein, wenn sie mit wissenschaftlichen Methoden 'erfassbar' sein sollte. Ich kann noch nicht ganz sehen, was deine Ausführung zur Klärung dieser Frage beiträgt.
 
Man merkt, dass du dich mit der Materie gut auskennst. Was mir aber fehlt, ist die philosophische Relevanz, also die Frage, wie diese interessanten Forschungsergebnisse nun zu interpretieren sind. Was also macht das Thema nicht bloß interessant, sondern für mich relevant?

Philosophisch relevant war für mich die Frage, inwieweit die subjektive Innenwelt objektivierbar ist - denn das müsste sie sein, wenn sie mit wissenschaftlichen Methoden 'erfassbar' sein sollte. Ich kann noch nicht ganz sehen, was deine Ausführung zur Klärung dieser Frage beiträgt.

Das Beispiel Farbtheorie habe ich aus folgenden Gründen ausgewählt:

1. Die Kategorie der Farbe ist eine rein menschliche Wahrnehmungsqualität ohne physikalische Bedeutung in einer im Prinzip farbenlosen Welt (= "innere" Wahrnehmung und Interpretation).

2. Jedes Farben verarbeitende System besteht aus mindestens drei Teilen: Aufnahme, Verarbeitung und Ausgabe. Dies gilt auch für die menschliche Farbwahrnehmung: Sehen (= Aufnahme), Verarbeitung, Farbeindruck (= Ausgabe). Die Prozesse der neurologischen, "inneren" Verarbeitung der Ergebnisse der drei verschiedenen Farbrezeptoren Rot, Grün, Blau sind weitestgehend unbekannt. Es findet aber eine Verarbeitung statt, denn die Farbwahrnehmung beruht nicht auf drei Grundfarben, sondern auf vier (+ Gelb). Für Gelb besitzt das menschliche Auge aber keinen eigenen Rezeptor. Gelb entsteht vielmehr aus einer Differenzberechnung der Werte der drei anderen Rezeptoren im menschlichen Gehirn (was auch den Grund darstellt, warum die menschliche Farbdifferenzierung im Bereich Gelb am wenigsten ausgeprägt ist).

3. Aus 1. & 2. lässt sich ableiten, dass es sich bei der Farbwahrnehmung um einen "inneren" Prozess handelt, noch dazu um einen, dessen Prozessverarbeitung gänzlich unbekannt ist. Deinen Ausführungen zufolge sollte es daher weitestgehend unmöglich sein, über das eigene, individuelle und (in diesem Fall) visuelle Erleben allgemeingültige Aussagen zu formulieren, die auf alle Individuen zutreffen (= "inneres Erleben").

4. Die Messung und Analyse der menschlichen Farbwahrnehmung erfolgt über das Verfahren der "Black Box" (B.F. Skinner, Behaviourismus):
Eingabe - Black-Box - Ausgabe, nichts anderes als die drei Mindestteile eines jeden Farben verarbeitenden Systems. Wie die Verarbeitung innerhalb der Black Box erfolgt, wäre zwar wünschenswert zu erfahren, gleichwohl ist dieses Wissen entbehrlich. Man vergleicht die Eingabe mit der Ausgabe (über geeignete Farbwahrnehmungsexperimente) um daraus ein mathematisches Modell zu entwickeln, welches die Eingabe in der Ausgabe abbildet.

5. Aus dem mathematischen Modell lassen sich eine Reihe von Verallgemeinerungen ableiten, die nicht nur für das Individuum gelten, sondern für jeden Standardbeobachter:

5.1. Die Farbwahrnehmung ist nicht objektiv. Sie ist vielmehr abhängig von den Lichtbedingungen (Lichttemperatur) und folgt einem eigenen Prozess der Anpassung (Metamerie).(1)
5.2. Die Farbwahrnehmung ist für jeden Standardbeobachter gleich.
5.3. Aufgrund des mathematischen Modells lässt sich die Farbwahrnehmung des Standardbeobachters exakt voraussagen. Identische Bedingungen führen zu identischen Resultaten. Es ist sogar möglich, Farbeigenschaften zu berechnen, die sich visuell gar nicht ermitteln lassen.(2)

6. Fazit: Nach Deinen Aussagen sollten zumindest 5.2. & 5.3. nicht möglich sein, da es sich bei dem Prozess der Farbwahrnehmung um einen "inneren Prozess", ein "inneres Erleben" handelt, der nicht genau erforscht werden kann und daher solche Verallgemeinerungen nicht zulässt.
Die Aussage halte ich daher - für die Farbwahrnehmung - für widerlegt.(3)

Anmerkungen:

(1) Die Metamerie sollte man nicht unterschätzen, ein Beispiel: Es will jemand die Lackschäden an seinem Auto ausbessern, leider kann er aber den Originallack nicht auftreiben. Also mischt er an einem schönen Sommertag im Freien andere Lacke so lange hin, bis der angemischte Farbton vom Originallack nicht mehr zu unterscheiden ist, auch seine Frau sieht keinen Unterschied. Perfekt, so denkt er sich, nichts mehr zu sehen - was er nicht weiß: Dies stimmt nur für diese Lichtbedingungen. Steht nämlich das Auto unter anderen Lichtbedingungen in der Tiefgarage, dann sieht man sie wieder, die Flecken.

(2) Diese Tatsache wird tatsächlich heutzutage in Bereichen genutzt, wo man dies gar nicht annehmen sollte - wo wir wieder beim Auto wären. Gutachter vermessen mit einem Farbmessgerät Autolackierungen, um ausgebesserte Schäden feststellen zu können.

(3) Einen entsprechenden Aufwand und geeignete Versuchsbedingungen vorausgesetzt, sollten sich auch andere, ähnliche "innere" Erlebniswelten mit der Methodik der Black Box ermitteln lassen, Riechen und Schmecken etwa.
 
5.1. Die Farbwahrnehmung ist nicht objektiv. Sie ist vielmehr abhängig von den Lichtbedingungen (Lichttemperatur) und folgt einem eigenen Prozess der Anpassung (Metamerie).(1)
5.2. Die Farbwahrnehmung ist für jeden Standardbeobachter gleich.
5.3. Aufgrund des mathematischen Modells lässt sich die Farbwahrnehmung des Standardbeobachters exakt voraussagen. Identische Bedingungen führen zu identischen Resultaten. Es ist sogar möglich, Farbeigenschaften zu berechnen, die sich visuell gar nicht ermitteln lassen.(2)
5.1. Die Farbwahrnehmung ist nicht objektiv.
5.2. Die Farbwahrnehmung ist für jeden Standardbeobachter gleich.



… was sei Farb – „Temperatur“ : … „Starre“ … oder „ich“ … oder mein’Bauch ?

… „säh“e – ich … „uv“ … mein’Schatten ?





:foto:
 
Danke für die ausführliche Darstellung. Dennoch habe ich das Gefühl, dass wir ein wenig aneinander vorbei reden. Wo ich nicht zustimme, ist die Gleichsetzung von Farbausgabe und Farbeindruck:
Sehen (= Aufnahme), Verarbeitung, Farbeindruck (= Ausgabe)
Ich sehe hier, wie gesagt, ein prinzipielles Problem, das durch all die technischen Details noch gar nicht berührt ist. Nach wie vor sehe ich keinen Beweis für die Behauptung 5.2 "Die Farbwahrnehmung ist für jeden Standardbeobachter gleich", obwohl das natürlich qua Analogieschluss Sinn macht. Das Qualia-Problem kann man so nicht lösen. Ich möchte da noch einmal auf Chalmers Zombie-Argument hinweisen oder auch Leibniz' Mühle.
 
Danke für die ausführliche Darstellung. Dennoch habe ich das Gefühl, dass wir ein wenig aneinander vorbei reden. Wo ich nicht zustimme, ist die Gleichsetzung von Farbausgabe und Farbeindruck:

Ich sehe hier, wie gesagt, ein prinzipielles Problem, das durch all die technischen Details noch gar nicht berührt ist. Nach wie vor sehe ich keinen Beweis für die Behauptung 5.2 "Die Farbwahrnehmung ist für jeden Standardbeobachter gleich", obwohl das natürlich qua Analogieschluss Sinn macht.

Es handelt sich nicht um einen Analogieschluss, sondern um einen Beweis durch das ausgeschlossene Dritte. Die Farbtheorie bildet die Farbwahrnehmung in jedem Fall exakt ab und erlaubt die Vorhersage von Farbeindrücken. Nimmt man an, es könne individuell verschiedene Farbeindrücke derselben Farben geben, so führt dies zu Widersprüchen im farbtheoretischen Modell.
Dafür kann es zwei Gründe geben:
1. Die Annahme ist falsch, also ist die Farbwahrnehmung für jeden Standardbeobachter gleich.
2. Das farbtheoretische Modell ist falsch.
Es gibt aber keinen Grund für 2., denn das farbtheoretische Modell führt in jedem anderen Fall zu einem korrekten Ergebnis. Also gilt 1.

Man kann allerdings noch die Beweisführung durch den Beweis durch das ausgeschlossene Dritte in Frage stellen. Dann allerdings ist die gesamte Mathematik falsch, und zwar seit mehr als 2.500 Jahren, denn dieser Beweis wird schon mindestens so lange geführt und gleich eine ganze Reihe grundlegender mathematischer Beweise sind so und nicht anders geführt.

Das Qualia-Problem kann man so nicht lösen. Ich möchte da noch einmal auf Chalmers Zombie-Argument hinweisen oder auch Leibniz' Mühle.

Das wiederum überzeugt mich nicht, denn dies sind dann in der Tat Analogieschlüsse. Es handelt sich zudem um Argumentationen aus vordigitalen Zeiten (auch wenn Leipniz selbst eine mechanische Rechenmaschine konstruierte). Dem halte ich den Turing-Test entgegen, den intelligente KI-Systeme entweder bereits bestanden haben, oder in naher Zukunft bestehen werden. Von einem Räderwerk einer Leipniz-Mühle kann allerdings nicht die Rede sein.
 
Es handelt sich nicht um einen Analogieschluss, sondern um einen Beweis durch das ausgeschlossene Dritte. Die Farbtheorie bildet die Farbwahrnehmung in jedem Fall exakt ab und erlaubt die Vorhersage von Farbeindrücken. Nimmt man an, es könne individuell verschiedene Farbeindrücke derselben Farben geben, so führt dies zu Widersprüchen im farbtheoretischen Modell.
Dafür kann es zwei Gründe geben:
1. Die Annahme ist falsch, also ist die Farbwahrnehmung für jeden Standardbeobachter gleich.
2. Das farbtheoretische Modell ist falsch.
Es gibt aber keinen Grund für 2., denn das farbtheoretische Modell führt in jedem anderen Fall zu einem korrekten Ergebnis. Also gilt 1.

Jetzt wird es spannen! Was sind deine Prämissen?

P1: Die Farbtheorie bildet die Farbwahrnehmung exakt ab.
P2: Die Farbtheorie erlaubt die Vorhersage von Farbeindrücken.
P3: Individuell verschiedene Farbeindrücke führen zu einem Widerspruch im farbentheoretischen Modell.


Keiner dieser drei Prämissen stimme ich zu, weil ich unter Wahnehmung bzw. Eindruck etwas anderes verstehe, als du es augenscheinlich tust. Vor allem die dritte Prämisse ist in meinen Augen nicht stichhaltig. Wenn aber die Prämissen schon falsch sind, kann man nichts daraus schließen.

Ungeachtet dessen akzeptiere ich deine Konklusion

K2: Das farbtheoretische Modell ist korrekt

Die Richtigkeit von K2 besagt nichts über die individuellen Farbeindrücke, denn die Korrektheit des Modells beschränkt sich auf die empirisch zugängliche Welt. Farbeindrücke sind nicht Bestandteil dieser Welt, wie du selbst mehrfach betont hast.

Was ich dir früher schon zugestanden habe ist der Umstand, dass Äußerungen von Farbübereinstimmungen und -differenzen empirisch überprüfbare Fakten darstellen: wer unter welchen Lichtverhältnissen welche wahrgenommenen Differenzen äußert. Was ich dir ebenfalls zugestehe, sind all die empirisch feststellbaren Tatsachen der Sinnesphysiologie: wer mit welchen Rezeptoren ausgestattet ist, wie die Reize verarbeitet werden (Blackbox hin oder her), was sich im Gehirn abspielt. Bei alledem ist noch nirgends ein Eindruck oder eine Wahrnehmung im Spiel. Um die aber geht es hier.

Also nochmal ein Standpunkt:
  • Das farbtheoretische Modell ist korrekt
  • Das farbtheoretische Modell besagt nicht über private Farberlebnisse
 
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