Man merkt, dass du dich mit der Materie gut auskennst. Was mir aber fehlt, ist die philosophische Relevanz, also die Frage, wie diese interessanten Forschungsergebnisse nun zu interpretieren sind. Was also macht das Thema nicht bloß interessant, sondern für mich relevant?
Philosophisch relevant war für mich die Frage, inwieweit die subjektive Innenwelt objektivierbar ist - denn das müsste sie sein, wenn sie mit wissenschaftlichen Methoden 'erfassbar' sein sollte. Ich kann noch nicht ganz sehen, was deine Ausführung zur Klärung dieser Frage beiträgt.
Das Beispiel Farbtheorie habe ich aus folgenden Gründen ausgewählt:
1. Die Kategorie der Farbe ist eine rein menschliche Wahrnehmungsqualität ohne physikalische Bedeutung in einer im Prinzip farbenlosen Welt (= "innere" Wahrnehmung und Interpretation).
2. Jedes Farben verarbeitende System besteht aus mindestens drei Teilen: Aufnahme, Verarbeitung und Ausgabe. Dies gilt auch für die menschliche Farbwahrnehmung: Sehen (= Aufnahme), Verarbeitung, Farbeindruck (= Ausgabe). Die Prozesse der neurologischen, "inneren" Verarbeitung der Ergebnisse der drei verschiedenen Farbrezeptoren Rot, Grün, Blau sind weitestgehend unbekannt. Es findet aber eine Verarbeitung statt, denn die Farbwahrnehmung beruht nicht auf drei Grundfarben, sondern auf vier (+ Gelb). Für Gelb besitzt das menschliche Auge aber keinen eigenen Rezeptor. Gelb entsteht vielmehr aus einer Differenzberechnung der Werte der drei anderen Rezeptoren im menschlichen Gehirn (was auch den Grund darstellt, warum die menschliche Farbdifferenzierung im Bereich Gelb am wenigsten ausgeprägt ist).
3. Aus 1. & 2. lässt sich ableiten, dass es sich bei der Farbwahrnehmung um einen "inneren" Prozess handelt, noch dazu um einen, dessen Prozessverarbeitung gänzlich unbekannt ist. Deinen Ausführungen zufolge sollte es daher weitestgehend unmöglich sein, über das eigene, individuelle und (in diesem Fall) visuelle Erleben allgemeingültige Aussagen zu formulieren, die auf alle Individuen zutreffen (= "inneres Erleben").
4. Die Messung und Analyse der menschlichen Farbwahrnehmung erfolgt über das Verfahren der "Black Box" (B.F. Skinner, Behaviourismus):
Eingabe - Black-Box - Ausgabe, nichts anderes als die drei Mindestteile eines jeden Farben verarbeitenden Systems. Wie die Verarbeitung innerhalb der Black Box erfolgt, wäre zwar wünschenswert zu erfahren, gleichwohl ist dieses Wissen entbehrlich. Man vergleicht die Eingabe mit der Ausgabe (über geeignete Farbwahrnehmungsexperimente) um daraus ein mathematisches Modell zu entwickeln, welches die Eingabe in der Ausgabe abbildet.
5. Aus dem mathematischen Modell lassen sich eine Reihe von Verallgemeinerungen ableiten, die nicht nur für das Individuum gelten, sondern für jeden Standardbeobachter:
5.1. Die Farbwahrnehmung ist nicht objektiv. Sie ist vielmehr abhängig von den Lichtbedingungen (Lichttemperatur) und folgt einem eigenen Prozess der Anpassung (Metamerie).(1)
5.2. Die Farbwahrnehmung ist für jeden Standardbeobachter gleich.
5.3. Aufgrund des mathematischen Modells lässt sich die Farbwahrnehmung des Standardbeobachters exakt voraussagen. Identische Bedingungen führen zu identischen Resultaten. Es ist sogar möglich, Farbeigenschaften zu berechnen, die sich visuell gar nicht ermitteln lassen.(2)
6. Fazit: Nach Deinen Aussagen sollten zumindest 5.2. & 5.3. nicht möglich sein, da es sich bei dem Prozess der Farbwahrnehmung um einen "inneren Prozess", ein "inneres Erleben" handelt, der nicht genau erforscht werden kann und daher solche Verallgemeinerungen nicht zulässt.
Die Aussage halte ich daher - für die Farbwahrnehmung - für widerlegt.(3)
Anmerkungen:
(1) Die Metamerie sollte man nicht unterschätzen, ein Beispiel: Es will jemand die Lackschäden an seinem Auto ausbessern, leider kann er aber den Originallack nicht auftreiben. Also mischt er an einem schönen Sommertag im Freien andere Lacke so lange hin, bis der angemischte Farbton vom Originallack nicht mehr zu unterscheiden ist, auch seine Frau sieht keinen Unterschied. Perfekt, so denkt er sich, nichts mehr zu sehen - was er nicht weiß: Dies stimmt nur für diese Lichtbedingungen. Steht nämlich das Auto unter anderen Lichtbedingungen in der Tiefgarage, dann sieht man sie wieder, die Flecken.
(2) Diese Tatsache wird tatsächlich heutzutage in Bereichen genutzt, wo man dies gar nicht annehmen sollte - wo wir wieder beim Auto wären. Gutachter vermessen mit einem Farbmessgerät Autolackierungen, um ausgebesserte Schäden feststellen zu können.
(3) Einen entsprechenden Aufwand und geeignete Versuchsbedingungen vorausgesetzt, sollten sich auch andere, ähnliche "innere" Erlebniswelten mit der Methodik der Black Box ermitteln lassen, Riechen und Schmecken etwa.