@Chris M
Shining habe ich sogar gesehen.
Was die Meditation angeht, ist meine Meinung, dass man damit eine bestimmte Instanz (in sich oder sonst wo) stärkt, die man m.E. auf diese Art besser erleben und festigen kann, als mit jeder anderen Praxis. Manchmal wird das der Zeuge genannt, d.h., dass man das, was man tut, fühlt und denkt bemerkt, bezeugt und milde zurückweist. Man beobachtet das was passiert, ohne dem weiter nachzugehen und lässt sich gerade nicht von Einfällen und Idee forttragen sondern bleibt dabei, sie nur zu bezeugen.
Dafür ist es sehr gut, wenn man parallel zu den Atemzügen zählt. 1 Einatmen, 2 Ausatmen, 3 Einatmen … 10 Ausatmen und dann geht es mit 1 Einatmen weiter. Wenn man dann nach einiger Zeit vergessen hat zu zählen oder bei 18 angekommen ist, merkt man, dass die Gedanken einen wieder entführt haben und man beginnt, lächelnd, wieder bei 1 Einatmen. Damit hast Du mehr Action und eine Kontrolle, wie lange Du das hinbekommst, diese Instanz laufen zu lassen.
Das ist auch nicht entspannend, sondern eher anstrengend, aber es stärkt den Zeugen und im Alltag gibt es eigentlich kaum eine Praxis, die das leistet. Es ist schön, wenn man kreativ ist und dabei diese Durchbrüche kennt, die Du beschrieben hast, aber Spiritualität ist nicht der eine große Bereich, in dem alles eins ist, sondern es gibt verschiedene Zugänge und Bereiche. Ich bin da sehr mit Wilber einverstanden, der sie so hierarchisiert:
1. Naturmystik: Darunter versteht er alles, was mit oder durch eine Praxis des Alltag ausgelöst wurde oder durch Körpererfahrungen: Kundalinierfahrungen fallen darunter, Ekstase durch Tanz, Musik, überwältigende Naturerfahrungen, ASW, OBE … er beschreibt das sehr schön so, dass man mit dem einen Bein in dieser Welt steht und mit dem anderen in der spirituellen.
2. Gottheitsmystik: Der Unterschied zu 1. ist, dass man bestimmte archetypische Erfahrungen hat und zwar explizit ohne, dass der Körper oder eine Alltagspraxis involviert ist. Das heißt, man macht bestimmte Erfahrungen reiner Formen der Freude, der Ektase, der Angst, der Wut … ohne dass das mit dem Gedanken an eine bestimmte Situation verbunden ist. Man ist nicht glücklich oder traurig, weil man tolle Momente erinnert oder beglückende Begegnungen hat, sondern man erlebt Reinformen von Affekten, aber manchmal auch Klänge, Farben oder Mandalas.
3. kausales Verlöschen. Hier begibt man zur Quelle aller Erfahrungen und dies wird in sehr vielen Traditionen als buchstäbliche Schwärze, als Verlöschen als Nichtempfinden dargestellt. Da ist nichts, da ist niemand, aber das Sein hört nicht auf.
4. Nondualität: 3. ist in gewisser Weise der höchste Punkt an den man überhaupt gelangen kann, hat man ihn erreicht bleibt oft das Gefühl dass das Sein nicht aufhört erhalten, wenn man wieder in den Alltag zurückkehrt. Damit sind im Grunde alle Fragen dieser Art beantwortet und wie sich die Meister und Gurus dann weiter verhalten entspricht vermutlich einfach ihrem Naturell, die einen gehen in die Welt, andere ziehen sich zurück.
Ich bin ebenfalls einverstanden mit Wilbers Interpretation, dass Weisheitswissen zeitlos ist. D.h., dass wir erleben, was bereits der Buddha erlebte, dennoch geht eine bestimmte Art von Fortschritt weiter. Wilber wurde gefragt, was er könne, was Buddha nicht konnte und seine Antwort war: „Einen Jeep fahren.“
Wir haben heute MRTs, KI und Internet, Ramana hatte das nicht, damals hatten wir Angst vor Schlangen, heute vorm Atomkrieg, die Angst bleibt jedoch, die spirituellen Erfahrungen auch. Erleuchtung war vor 3000 Jahren nichts anderes als heute.
Ich glaube, die eingangs beschriebene Instanz zu stärken könnte wichtig sein, weil sie einfach einen weiteren Aspekt spiritueller Welten darstellt und eigentlich auch am besten trainiert, dass nämlich auch in den langweiligen Situationen – da wird es eigentlich erst interessant – der Zugang zur Kontinuität des Seins erhalten bleibt. Es passiert halt nichts, man sitzt und atmet, die Sensation des Neuen, Anderen, Besonderen ist verflogen, man wird auch nicht mehr gefragt: 'Ach, du meditierst?', da ist nichts mehr für das Ego, es ist eine langweilige Routine.
Ansonsten besteht die Gefahr, dass Spiritualität einfach eine weitere Form der Unterhaltung für das Ich ist. Man ist geflasht, was es da so alles gibt und kann sich irgendwie aus der Welt wegträumen, wenn es mal schwer wird.
Darum bin ich immer etwas skeptisch, wenn jemand über Spiritualität redet und wenn die Frage auf die Praxis kommt, dann zu Ausflüchten greift, dass die eigene Praxis ja das Klavierspielen oder sonst was sei, aber klassische spirituelle Praktiken kommen oft gar nicht vor. Ich weiß, dass es spontane Erleuchtungserfahrungen, Flows und was auch immer auch geben kann, wenn man ein Glas Gurken im Supermarkt kauft, aber es ist halt extrem selten.
Da bin ich in gewisser Weise Purist und dasselbe gilt für die Philosophie. Philosophie ist eine bestimmte Art des Herangehens an rationale Fragen und man muss vor allem viel Lesen und vergleichen. Sich mal nachmittags an einem langen Wochenende hinzusetzen und sich Gedanken über sein Leben zu machen, ist einfach keine Philosophie und so sind diese 'ja meine spirituelle Praxis ist'-Aussagen dann einfach keine Spiritualität, aber man kann das in beiden Fällen gut nachprüfen, indem man nämlich auf die Inhalte geht.
Wie Du schon schriebst, man merkt, ob sich jemand mit einem Thema auskennt oder ob er oder sie immer nur bestimmte Phrasen wiederholt. Deine Erfahrungen kann ich durchaus ernst nehmen, aber es gibt noch andere Bereiche.
Ich bin auch immer sehr dafür sich auszutauschen und glaube nicht daran, dass man darüber nicht reden kann. Warum nicht? Ich kann auch den Geschmack von Gurken immer nur selbst erfahren, aber man kann sich sprachlich annähern und wenn jemand ganz etwas anderes beschreibt kann man in der Runde derer, die Erfahrungen mit dem Geschmack von Gurken haben, prüfen, wie es dazu kommen kann.