PhilippP
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- 8. April 2003
- Beiträge
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Hallo zusammen,
seit ich im Rahmen eines Seminars mit Heidegger in Berührung kam, lässt mich das Erschrecken darüber nicht los, weshalb man jenen Menschen überhaupt an Universitäten lehrt, was es erklärbar machen könnte, dass Menschen seinen Ausführungen folgen möchten und selbigen einen z.T. herausragenden Wert beimessen: für mich ist das ein Rätsel. Wer mir diese Frage beantworten kann, dem gilt meine Dankbarkeit.
Ich möchte einen längeren Auszug aus Heideggers Sprachphilosophie (die selbst freilich keine solche sein möchte) zur Diskussion stellen. Der Auszug ist zwar recht lang, gibt aber - wie ich meine - die Quintessenz der Heideggerschen Ansicht über Sprache recht gut und umfassend wieder.
Mich würde interessieren, was ihr dazu zu sagen habt und ob ihr dem mehr an Inhalt entnehmen könnt, als ich selbst dies vermag:
"Mit etwas, sei es ein Ding, ein Mensch, ein Gott, eine Erfahrung machen, heißt, daß es uns widerfährt, daß es uns trifft, über uns kommt, uns umwirft und verwandelt. Die Rede vom "machen" meint in dieser Wendung gerade nicht, daß wir die Erfahrung durch uns bewerkstelligen; machen heißt hier: durchmachen, erleiden, das uns Treffende empfangen, insofern wir uns ihm fügen. Es macht sich etwas, es schickt sich, es fügt sich. [...] Dies nun jedoch, mit der Sprache eine Erfahrung machen, ist etwas anderes als sich Kenntnisse über die Sprache beschaffen. Solche Kenntnisse werden uns durch die Sprachwissenschaft, durch die Linguistik und die Philologie der verschiedenen Sprachen, durch die Psychologie und durch die Sprachphilosophie bereitgestellt und ständig bis ins Unübersehbare gefördert. ... Diese Forschung hat ihr besonderes Recht und behält ihr eigenes Gewicht. Sie gibt jederzeit auf ihre Weise Nutzbares zu lernen. Aber eines sind die wissenschaftlichen und philosophischen Kenntnisse über die Sprache, ein anderes ist eine Erfahrung, die wir mit der Sprache machen. Ob der Versuch, uns vor die Möglichkeit einer solchen Erfahrung zu bringen glückt, wie weit das vielleicht Geglückte bei jedem einzelnen unter uns reicht, dies hat niemand von uns in der Hand. [...] In Erfahrungen, die wir mit der Sprache machen, bringt sich die Sprache selbst zur Sprache. Man könnte meinen, das geschähe doch jederzeit in jedem Sprechen. Allein, wann immer und wie immer wir eine Sprache sprechen, die Sprache selbst kommt dabei gerade nie zum Wort. ... Nur dadurch, daß im alltäglichen Sprechen die Sprache selber sich nicht zur Sprache bringt, vielmehr an sich hält, vermögen wir geradehin eine Sprache zu sprechen, von etwas und über etwas im Sprechen zu handeln. Wo aber kommt die Sprache selber als Sprache zum Wort? Seltsamerweise dort, wo wir für etwas, was uns angeht, uns an sich reißt, bedrängt oder befeuert, das rechte Wort nicht finden. Wir lassen dann, was wir meinen, im Ungesprochenen und machen dabei, ohne es recht zu bedenken, Augenblicke durch, in denen uns die Sprache selber mit ihrem Wesen fernher und flüchtig gestreift hat. Wo es nun aber gilt, etwas zur Sprache zu bringen, was bislang noch nie gesprochen wurde, liegt alles daran, ob die Sprache das geeignete Wort schenkt oder versagt. Einer dieser Fälle ist der Fall des Dichters. So kann denn ein Dichter sogar dahin gelangen, daß er die Erfahrung, die er mit der Sprache macht, eigens, und d.h. dichterisch, zur Sprache bringen muß." (Martin Heidegger (1959): "Unterwegs zur Sprache", 14. Auflage 2007, Stuttgart: Klett-Cotta, S. 159 ff.)
Für mich bedeutet dies, dass diese Art der Erfahrung ein Offenbarungserlebnis meint, mit dem sich nichts "Nutzbares" (es stellt kein Wissen dar, sondern möchte es begründen) anfangen lässt, sondern das "ohne es recht zu bedenken" (also nicht reflexiv) "uns" in eine Möglichkeit versetzt, dass sich die Sprache über uns selbst zur Sprache bringt. Völlig unklar bleibt hier für mich, was man dann mit jener - wie auch immer gearteten - Erfahrung anfangen soll, da sie - per Definition - niemals zum nutzbaren Wissen gemacht werden kann - wobei der widersprüchlich anmutende Umstand, dass Heideggers Ausführungen durchaus selbst als Akt der Wissensvermittlung gelten dürfen, zu erwähnen wäre.
Ich bin auf weitere Meinungen gespannt!
Viele Grüße,
Philipp
seit ich im Rahmen eines Seminars mit Heidegger in Berührung kam, lässt mich das Erschrecken darüber nicht los, weshalb man jenen Menschen überhaupt an Universitäten lehrt, was es erklärbar machen könnte, dass Menschen seinen Ausführungen folgen möchten und selbigen einen z.T. herausragenden Wert beimessen: für mich ist das ein Rätsel. Wer mir diese Frage beantworten kann, dem gilt meine Dankbarkeit.
Ich möchte einen längeren Auszug aus Heideggers Sprachphilosophie (die selbst freilich keine solche sein möchte) zur Diskussion stellen. Der Auszug ist zwar recht lang, gibt aber - wie ich meine - die Quintessenz der Heideggerschen Ansicht über Sprache recht gut und umfassend wieder.
Mich würde interessieren, was ihr dazu zu sagen habt und ob ihr dem mehr an Inhalt entnehmen könnt, als ich selbst dies vermag:
"Mit etwas, sei es ein Ding, ein Mensch, ein Gott, eine Erfahrung machen, heißt, daß es uns widerfährt, daß es uns trifft, über uns kommt, uns umwirft und verwandelt. Die Rede vom "machen" meint in dieser Wendung gerade nicht, daß wir die Erfahrung durch uns bewerkstelligen; machen heißt hier: durchmachen, erleiden, das uns Treffende empfangen, insofern wir uns ihm fügen. Es macht sich etwas, es schickt sich, es fügt sich. [...] Dies nun jedoch, mit der Sprache eine Erfahrung machen, ist etwas anderes als sich Kenntnisse über die Sprache beschaffen. Solche Kenntnisse werden uns durch die Sprachwissenschaft, durch die Linguistik und die Philologie der verschiedenen Sprachen, durch die Psychologie und durch die Sprachphilosophie bereitgestellt und ständig bis ins Unübersehbare gefördert. ... Diese Forschung hat ihr besonderes Recht und behält ihr eigenes Gewicht. Sie gibt jederzeit auf ihre Weise Nutzbares zu lernen. Aber eines sind die wissenschaftlichen und philosophischen Kenntnisse über die Sprache, ein anderes ist eine Erfahrung, die wir mit der Sprache machen. Ob der Versuch, uns vor die Möglichkeit einer solchen Erfahrung zu bringen glückt, wie weit das vielleicht Geglückte bei jedem einzelnen unter uns reicht, dies hat niemand von uns in der Hand. [...] In Erfahrungen, die wir mit der Sprache machen, bringt sich die Sprache selbst zur Sprache. Man könnte meinen, das geschähe doch jederzeit in jedem Sprechen. Allein, wann immer und wie immer wir eine Sprache sprechen, die Sprache selbst kommt dabei gerade nie zum Wort. ... Nur dadurch, daß im alltäglichen Sprechen die Sprache selber sich nicht zur Sprache bringt, vielmehr an sich hält, vermögen wir geradehin eine Sprache zu sprechen, von etwas und über etwas im Sprechen zu handeln. Wo aber kommt die Sprache selber als Sprache zum Wort? Seltsamerweise dort, wo wir für etwas, was uns angeht, uns an sich reißt, bedrängt oder befeuert, das rechte Wort nicht finden. Wir lassen dann, was wir meinen, im Ungesprochenen und machen dabei, ohne es recht zu bedenken, Augenblicke durch, in denen uns die Sprache selber mit ihrem Wesen fernher und flüchtig gestreift hat. Wo es nun aber gilt, etwas zur Sprache zu bringen, was bislang noch nie gesprochen wurde, liegt alles daran, ob die Sprache das geeignete Wort schenkt oder versagt. Einer dieser Fälle ist der Fall des Dichters. So kann denn ein Dichter sogar dahin gelangen, daß er die Erfahrung, die er mit der Sprache macht, eigens, und d.h. dichterisch, zur Sprache bringen muß." (Martin Heidegger (1959): "Unterwegs zur Sprache", 14. Auflage 2007, Stuttgart: Klett-Cotta, S. 159 ff.)
Für mich bedeutet dies, dass diese Art der Erfahrung ein Offenbarungserlebnis meint, mit dem sich nichts "Nutzbares" (es stellt kein Wissen dar, sondern möchte es begründen) anfangen lässt, sondern das "ohne es recht zu bedenken" (also nicht reflexiv) "uns" in eine Möglichkeit versetzt, dass sich die Sprache über uns selbst zur Sprache bringt. Völlig unklar bleibt hier für mich, was man dann mit jener - wie auch immer gearteten - Erfahrung anfangen soll, da sie - per Definition - niemals zum nutzbaren Wissen gemacht werden kann - wobei der widersprüchlich anmutende Umstand, dass Heideggers Ausführungen durchaus selbst als Akt der Wissensvermittlung gelten dürfen, zu erwähnen wäre.
Ich bin auf weitere Meinungen gespannt!
Viele Grüße,
Philipp