Ich lasse zunächst den Artikel aus dem Philosophielexikon von A. Hügli und P. Lübke folgen:
"Unter Gottesbeweis versteht man ein „Argument, welches ohne die Voraussetzung geoffenbarter Weisheiten oder theologischer Dogmen zu beweisen sucht, dass Gott existiert. Gottesbeweise sind seit der antike Philosophie bekannt und haben im Laufe der Zeit verschiedene Formen (bzw. Formvarianten angenommen.
Als kosmologischen Gottesbeweis (…) bezeichnet Kant einen Gottesbeweis, welcher von der Existenz der Welt auf die Existenz Gottes schließt, der die Welt geschaffen hat. Es gibt vier kosmologische Gottesbeweise:
(1) Die Erfahrung zeigt, dass es Bewegung gibt und alles Bewegte einen Beweger hat. Deshalb muss es einen ersten Beweger geben, der nicht durch etwas anderes, sondern durch sich selbst bewegt wird. Dieser erste Beweger heißt Gott. (Das Argument trägt bereits Aristoteles vor; Thomas von Aquin übernimmt es als seinen 1. Gottesbeweis.)
(2) Der Erfahrung nach hat alles seine Ursache. Jedes Existierende ist also die Wirkung einer Ursache, die wiederum die Wirkung einer anderen Ursache ist usw. Soll sich diese Ursachenkette nicht bis ins Unendliche fortsetzen, muss es eine erste wirkende Ursache geben, die für sich selbst Ursache ist und die man Gott nennen kann. (Das Argument erscheint ebenfalls – andeutungsweise – bei Aristoteles, später u.a. bei Avicenna, bei Albertus Magnus und bei Thomas von Aquin als 2. Gottesbeweis sowie bei Duns Scotus.)
(3) Die Erfahrung zeigt, dass Seiendes entsteht und vergeht und deshalb sowohl sein wie nicht sein kann. Es muss aber etwas geben, das mit Notwendigkeit existiert, andernfalls läge kein Grund vor, warum alles bloß Mögliche tatsächlich existiert. Gäbe es keinen Gott, der mit Notwendigkeit kraft seiner selbst existiert, gäbe es für die Existenz der Welt keinen Grund. Weil aber die Welt existiert, muss auch Gott existieren. (Das Argument findet sich u.a, bei Avicenna, Maimonides und Thomas von Aquin als 3. Gottesbeweis, in weiterentwickelter Form bei Leibnitz und C. Wolff.) Zuweilen wird diese Argumentation auch Kontingenzbeweis genannt, weil es behauptet, das Kontingente, d.h. das Nicht-Notwendige setze die Existenz eines Notwendigen voraus.
(4) Der anthropologische Gottesbeweis knüpft an den Satz von der Entropie an, nach dem alle Bewegungsenergie im Laufe der Zeit in Zustandsenergie umgesetzt wird. Wenn die Welt bereits unendlich lange existierte, würde es also längst keine Bewegung mehr geben. Da es immer noch Bewegung gibt, muss die Welt folglich einen Anfang haben. Dann aber muss ein Gott existieren, der sie geschaffen hat; denn sonst gibt es keinen Grund, warum die Welt anfangen sollte zu existieren. (Das Argument wurde im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt.
Gemeinsam ist den ersten drei Varianten des kosmologischen Gottesbeweises, dass sie die Möglichkeit einer unendlichen Reihe (von Bewegern bzw. Ursachen oder möglichen Seienden) bestreitet. Das Gemeinsame aller vier Varianten liegt in der Voraussetzung, alle Existenz müsse einen Grund haben: Von nichts kommt nichts. Schließlich sind alle vier Varianten von der Kantischen Kritik des kosmologischen Gottesbeweises betroffen: Sie wenden die Begriffe „Bewegung“, „Ursache“, „Möglichkeit“ und „Grund“ außerhalb des Bereichs möglicher Erfahrung an, in dem allein diese Begriffe einen wohldefinierten Sinn haben können.
Der sogenannte ontologische Gottesbeweis (…) geht nicht von der Erfahrung aus. Vielmehr wird hier die Existenz Gottes aus dem Begriff Gottes bewiesen. Gott ist dem Begriff nach das höchste Wesen; etwas Vollkommeneres als Gott lässt sich nicht denken. Folglich muss Gott existieren; denn gäbe es ihn nicht, würde ihm die Existenz fehlen, d.h. es wäre an ihm etwas Unvollkommenes. Wenn Gott nicht existierte, könnte ein noch vollkommeneres Wesen gedacht werden, dass Gott gleich wäre, aber außerdem noch existierte. Eben dies widerspricht dem Gottesbegriff, da er beinhaltet, dass sich etwas Vollkommeneres gerade nicht denken lässt. Also muss Gott existieren. (Auch dieses Argument gibt es in mehreren Varianten. Zuerst wird es von Anselm von Canterbury formuliert; von Bonaventura und Duns Scotus wird es übernommen, während Thomas von Aquin und Wilhelm von Ockham es verwerfen. Descartes und Spinoza tragen erneut einen ontologischen Gottesbeweis vor; Leibnitz hält ihn in seiner cartesichen Form für unvollständig und sucht ihn zu verbessern.) Eine berühmte Kritik des Arguments stammt von Kant: Er bestreitet, dass Existenz eine Eigenschaft (ein Prädikat) wie andere Eigenschaften ist. Wenn man sich 100 Reichstaler denkt, kann man eine vollständige Beschreibung aller Eigenschaften dieser Taler geben, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob sie existieren, oder nicht. Der Begriff (d.h. die Prädikate) der 100 Reichstaler hat mit ihrer Existenz oder Nichtexistenz nichts zu tun: 100 gedachte Reichstaler haben denselben Wert, wie 100 wirkliche. Ebenso in Bezug auf Gott: Der Begriff „Gott“ steht mit der Existenz oder Nichtexistenz des von ihm bezeichneten in keinem Zusammenhang. Frege entwickelt diese Kantische Kritik weiter: Er unterscheidet zwischen Funktionsausdrücken erster Stufe, z.B. dem Prädikat „rund“ in der Aussage „Der Silbertaler ist rund“ oder dem Prädikat „allmächtig“ in der Aussage „Gott ist allmächtig“, und Funktionsausdrücken zweiter Stufe, z.B. „alle“, „kein“, „es gibt“, usw. Der ontologische Gottesbeweis begeht nun den Fehler, mit „Existenz“ einen Funktionsausdruck zweiter Ordnung so zu behandeln, als sei er ein Funktionsausdruck erster Ordnung wie „allmächtig“, „allwissend“, „allgegenwärtig“ usw. Von Hegel wird Kants (und damit Freges) Kritik zurückgewiesen. Zwischen dem, was wirklich ist (existiert), und dem, was unwirklich ist (nicht existiert), setzt Hegel verschiedene Grade von Wirklichkeit an. Gott, bei Hegel „das Absolute“ genannt, bedeutet seinem Begriff nach den höchsten Wesenszusammenhang in der Welt und insofern die höchste Wirklichkeit, die alle andere Wirklichkeit bedingt. Die Existenz Gottes zu bestreiten, ist daher sinnlos. Denn über die zufällige Existenz lässt sich gar nicht sinnvoll sprechen, wenn die Existenz des höchsten Wesenszusammenhangs nicht schon vorausgesetzt wird, also die Existenz Gottes.
Als teleologischen oder physikotheologischen Gottesbeweis (…) bezeichnet Kant einen Gottesbeweis, welcher von der anscheinend planmäßig eingerichteten und zweckgerichteten Ordnung der Natur auf einen Gott schließt, der die Ordnung der Natur geschaffen hat. Wie ein
Schiff von einem Kapitän gesteuert wird, muss die Natur in ihrem zweckmäßigen Verlauf durch einen übermenschlichen Geist gesteuert sein. (Das Argument kommt schon bei Anaximander und Diogenes von Appolonia vor. Benutzt wird es u.a. von Sokrates, Plato, Aristoteles, Thomas von Aquin als 5. Gottesbeweis, von Duns Scotus und Franciscus Suarez; bei Wilhelm von Ockham findet es sich nicht. Kant kritisiert an diesem Argument, dass hier der Begriff des Zwecks außerhalb seines Anwendungsbereichs – dem des menschlichen Handelns – gebraucht wird.)
Der Stufenbeweis für die Existenz Gottes, zuweilen voluntaristischer Gottesbeweis genannt, geht von verschiedenen Graden von Vollkommenheit aus, die die Dinge besitzen. Daraus schließt er, es müsse etwas in höchstem Grad Wahres, Gutes und Vollkommenes geben, nämlich Gott (Das Argument wird von Anselm von Canterbury entwickelt und dient bei Thomas von Aquin als 4. Gottesbeweis.)
Beim axiologischen Gottesbeweis (…) handelt es sich um einen neuscholastischen Gottesbeweis aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Der Mensch strebt nach der Verwirklichung von Werten; doch sind alle irdischen Werte bedingt und endlich. Deshalb muss es einen höchsten Wert geben, Gott, der es überhaupt möglich macht, dass die irdischen Werte erstrebenswert sind.
Dieses Argument lässt sich zum sogenannten eudämonologischen Gottesbeweis umformen. Dieser geht vom menschlichen Glücksstreben aus und behauptet, dass Gott existieren muss, wenn dieses Glücksstreben mehr als eine bloß vorübergehende Befriedigung erreichen können soll.
Der moralische Gottesbeweis, auch als ethischer oder deontologischer Gottesbeweis bezeichnet, wurde von Kant formuliert. Dieser Gottesbeweis setzt bei der menschlichen Verpflichtung an, nach Verwirklichung des höchsten Guten zu streben. Weil der Mensch aber nur in beschränktem Maß Herr über das eigene Leben und die Folgen seiner Handlungen ist, muss aus praktischen Gründen die Existenz Gottes angenommen werden. Gott richtet die Natur so ein, dass der seine Pflicht erfüllende Mensch als Lohn für sein moralisches Handeln Unsterblichkeit und Glückseligkeit erlangt. Für Kant handelt es sich beim moralischen Gottesbeweis ausdrücklich nicht um ein theoretisch zwingendes Argument; er stellt vielmehr ein praktisches Postulat dar.
Einen pragmatischen Gottesbeweis (…) formuliert W. James: Das Leugnen der Existenz Gottes führt zu Hoffnungslosigkeit und Pessimismus, der Glaube an die Existenz Gottes aber gibt Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft. Also ist der Gottesglaube nützlicher als die Gottesverneinung und in diesem Sinne „pragmatisch wahr“.
Der historische Gottesbeweis, auch ethnologischer Gottesbeweis genannt, baut auf dem Umstand auf, dass bei nahezu allen Völkern die Existenz eines Gottes angenommen wird. Nur
wenn Gott wirklich existiert, ist verständlich, dass die Gottesvorstellung in den verschiedenen, auch voneinander völlig unabhängigen Kulturen vorkommt.
In eine ähnliche Richtung geht der psychologische Gottesbeweis: Ursprung der menschlichen Vorstellung von Gott kann nur Gott selber sein.“ (A Hügli und P. Lübke: Philosophielexikon, Stichwort: Gottesbeweis, S.244-247)