• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Der Liebespakt

Werbung:
Es mag eine Kleinigkeit sein, aber zuallererst kritisiere ich persönlich sehr stark Satres Formulierung der kontingenten Liebschaften, die er als "nicht wesentlich" bezeichnet.
Denn ich bin mittlerweile der Ansicht, dass mein persönlicher Weg zu einem "erfüllten Leben" nur der sein kann, in Beziehungen in einer viel umfangreicheren Art zu investieren, durch welche ich die Personen besser kennenlerne, und zwar verstärkt auch von der nicht-sexuellen Seite ihrer Persönlichkeit. Um in der Folge diese Beziehungen auch dann weiter aufrechtzuerhalten, wenn Sexualität aus welchem Grund auch immer keine Rolle mehr spielt. Für mich gibt es keine mehr oder weniger wesentlichen Beziehungen. Alle sind auf ihre Art besonders. Allein das Wort unwesentlich stuft sie damit von ihrer individuellen Besonderheit herab.

Das thematisierte Beziehungsmodell erscheint mir ähnlich der heutzutage manchmal beschriebenen "offenen Beziehung". Auch hierbei sind konkret formulierte Vorgaben wichtig.
Aus persönlicher Erfahrung kann ich erzählen, dass sich allerdings ungeahnte Schwierigkeiten ergeben können,
wenn nicht beide Teile gleichermaßen, im Grunde gleichzeitig, durch eine zweite Beziehung beschäftigt sind. Zumindest habe ich es so erlebt, dass ein solcher Pakt sonst viel zu stark zu Grübeleien vereint mit Eifersucht führen kann.
Sehr interessant finde ich es, dass Satre davon ausgeht, dass Erfahrungen schon allein durch das Erzählen
weitergeben werden können. In meinem Fall wurde zwar vorab vereinbart, sich alles zu erzählen, schlussendlich wurde diese Regel aber schnell geändert.

Ich muss zugeben, dass mich das Nachdenken über derartige Modelle dennoch fasziniert, weil mich die damit verbundene, kaum vorstellbarer persönliche Freiheit reizt.
Allerdings sehe ich es im Allgemeinen sowieso als eher kritisch an, Besitzansprüche an jemanden zu stellen, auch bzw. gerade in einer Partnerschaft.
Also kurz und gut: Ja, ich denke das derartige Beziehungen zu einem erfüllteren Leben beitragen können. Man sollte allerdings nicht darauf vergessen, dass sich damit zusätzliche Herausforderungen ergeben. Unglaubliche Ehrlichkeit, ein sehr großes Maß an Vertrauen, ein sehr positives Selbstbild seien hier nur mal als Stichworte genannt.

Übrigens: bewundernswert schlagfertig, EarlGrey :)

in der tat klingt kontigente beziehungen erstmal alles andere wie gefühlvoll oder romantisch ^^. Hier muss man aer beachten dass es im unpersönlichen sozialphilosophischen fachjargon formuliert ist und so alles andere wie poesie darstellt - klar - mich schrecken solche formulierungen auch erstmal abund wirken eher wie ein kalte dusche für alles gefühlvolles.
ich meine offene beziehung MIT klaren vorgaben und grenzsetzungen können als kontigente beziehungen beschrieben werden. den offenen beziehungen mangelt es meist an klare absprachen und so mutieren dann aoffen beziehungen auch mal schnell zur nichtbeziehung. ich selbst bin schon etwas älter und blicke auf verschiede Beziehungsformen zurück welche ich gelebt habe. ich denke auch dass in den unterschiedlichen lebensphasen unterschiedliche ansprüche an die persönliche freiheit gestellt werden bzw auf den unterschiedlichen bereich wo einem die freiheit wirklich wichtig ist. mittlerweile verspüre ich weniger verlangen auf sexuelle und soziale experimente mit häufig wechselnden partnern. vertrautheit und seelische nähe sind mit wertvollere güter - aber dies musste ich erstmal erfahren..... . ich denke wenn das verlangen nach anderen menschen gross ist und dadurch der eigene exklusivpartner nur noch eine gefühlte fessel darstellt sieht es anders aus und bedingt andere konsquenzen. ist immer eine frage was für den einzelnen das wesentliche einer beziehung ist. freiheit heisst das eigene wesen zu entfalten - nicht irgendeiner gesellschaftlichen norm wie auch intellektueller ideologie nachzukommen - wie es mE offensichtlich bei sartre der fall war.
 
freiheit heisst das eigene wesen zu entfalten - nicht irgendeiner gesellschaftlichen norm wie auch intellektueller ideologie nachzukommen - wie es mE offensichtlich bei sartre der fall war.

Diese Definition von Freiheit hat mich gerade an eine persönliche Erfahrung mit dem Thema Freiheit, vor gar nicht langer Zeit, erinnert. Da habe ich Freiheit nämlich auch mal als etwas kennengelernt, dass ich bewusst nicht wollte, irgendwie verlernt hatte. Der Hintergrund war ein krasser Beziehungswechsel zwischen einer klassisch monogamen Beziehung mit viel Vertrautheit und seelischer Nähe zu einer zwar ebenso monogame Beziehung, in der es auch Vertrautheit gab, aber in der Freiheit für meinen Partner auch bedeutete, viel allein zu unternehmen, sich viel mit sich selbst beschäftigen zu können. Dadurch wurde mir auf dramatische Art erst wieder bewusst, wie sehr ich mich in der früheren Beziehung daran gewöhnt hatte, viel Zeit gemeinsam zu verbringen, was halt auch andere Dinge mit sich bringt. Der eigene Freundeskreis verkleinert sich vielleicht, es gibt vor allem nur noch den gemeinsamen, wenn überhaupt. Ich musste mich scheinbar eine lange Zeit gar nicht mit meiner Freiheit beschäftigen, welche ja auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten bedeuten kann, aber auch mit den persönlichen Möglichkeiten. Innerhalb einer Beziehung trotzdem noch eine ganz eigene Person zu bleiben, die sich nicht allein durch den Partner und vielleicht Berufliches definiert, war für mich teilweise eine Herausforderung. Mittlerweile bin ich dankbar für die Erfahrungen mit einem Partner, der mir, dadurch dass er sich seine eigene Freiheit nimmt, auch die Wichtigkeit meiner Freiheit bewusst machte, mir die Chance gab, mir selbst so allerhand zu beweisen und dadurch als eigenständige Person zu wachsen. Der es mir durch sein Verhalten zum Glück gar nicht leicht macht, mich hinter meiner eigenen Unsicherheit hinter geschlossenen Türen einer Beziehung zu verstecken. Jetzt mal abgesehen von allen Herangehensweisen hinsichtlich Sexualität.
 
beziehung zwischen sartre und simone beauvoir

»Sartre erhält ein Stipendium, um bei Martin Heidegger in Berlin zu studieren. De Beauvoir beginnt mit ihrer Schülerin Lumi eine lesbische Liebesbeziehung. Mit der Rückkehr Sartres, und einem kleinen Zwischenstopp als Versuchsperson für Mescalin, beginnt auch er eine Liebesbeziehung zu Lumi, was ein absolutes emotionales Gefühlschaos bei allen auslöst.«

Was wurde daraus gelernt?
 
ich meine so wie du deine beiden beziehungen beschreibst handelt es sich bei der ersten um eine klassische exclusiv und bei der zweiten um eben eine kontingente beziehung. kontingent bedeutet ja im grunde nichts anderes wie eine abgesprochene zuteilung von lebensanteilen an unterschiedliche partner. wobei ein partner die wesentlichen beziehungsanteile hält - was auch immer darunter verstanden wird - während unwesentlichere beziehungsanteile kontingent auf andere partnerschaften verteilt wird. sicherlich gehört die sexualität in den meisten beziehungen zu den wesentlichen und exclusiven anteilen - muss es aber nicht . strebt man zb sportlich hohe leistungen an kommt man meist um entsprechende spezialpartner nicht herum da in den seltensten fällen der wesentliche lebenspartner auch dort mithalten kann - eine entfaltung des eigenen wesens in all seinen speziellen aspekten dürfte ohne externe vergabe von kontingenten schwer möglich sein und eine vollkommen geschlossene beziehung würde irgendwann den entropietod sterben wenn es nichts externes mehr gäbe worüber man sich austauschen kann.
ob nun in der sexualität ebenfalls externe kontigente vergeben werden oder nicht hat erstmal mit dem prinzip einer kontingenten lebenspartnerschaft an sich nichts zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
»Sartre erhält ein Stipendium, um bei Martin Heidegger in Berlin zu studieren. De Beauvoir beginnt mit ihrer Schülerin Lumi eine lesbische Liebesbeziehung. Mit der Rückkehr Sartres, und einem kleinen Zwischenstopp als Versuchsperson für Mescalin, beginnt auch er eine Liebesbeziehung zu Lumi, was ein absolutes emotionales Gefühlschaos bei allen auslöst.«

Was wurde daraus gelernt?

Ich denke, die Schwierigkeit ergibt sich hier daraus, dass nicht alle beteiligten Personen den gleichen, vorab genau definierten, Pakt eingegangen sind, wie es bei Satre und Beauvoir der Fall war. Ich denke, es wäre interessant, ob das Ganze besser - gemeint ist ohne allzu großes Gefühlschaos - funktioniert hätte, hätte sich jede zusätzliche Person in dem Spiel bewusst zu dem Pakt bekennen müssen.
 
Ich denke, die Schwierigkeit ergibt sich hier daraus, dass nicht alle beteiligten Personen den gleichen, vorab genau definierten, Pakt eingegangen sind, wie es bei Satre und Beauvoir der Fall war. Ich denke, es wäre interessant, ob das Ganze besser - gemeint ist ohne allzu großes Gefühlschaos - funktioniert hätte, hätte sich jede zusätzliche Person in dem Spiel bewusst zu dem Pakt bekennen müssen.
das auch - aber nach meiner eigenen und leidvollen erfahrung sind sich viele nicht über das wesen der sexualität und ihrer bedeutung für wesentliche beziehungen nicht im klaren. wir können wie schopenhauer schon pessimistisch meinte zwar tun was wir wollen aber nicht unbedingt wollen was wir wollen.
und wer nun mal strikt monogam geprägt ist der ist monogam geprägt - der individualwille eines menschen mit seinen individuellen freiheitsidealen und wünschen kann nicht auf dauer gegen die vorgaben seines eigenen natürlichen wesens und willens bestehen.
 
So habe ich das noch nie gesehen.
Das würde dann irgendwie heißen, dass man bestenfalls sehr ehrlich mit sich selbst sein sollte, viel ehrlicher, als man es wahrscheinlich gewohnt ist. Und zwar bevor man eine Beziehung eingeht. Wobei das meiner Einschätzung nach einiges an Mut verlangt, wenn man in solchen Belangen in erster Linie nach seinen eigenen Bedürfnissen geht und sich frühestens in zweiter Linie nach den Regeln der jeweiligen Gesellschaft richtet.
Da passt es irgendwie dazu, dass ich gestern zufällig bei einem Schwingerclub vorbeispaziert bin und mir bewusst wurde, dass ich, sollte es mich jemals interessieren, so etwas mal auszuprobieren, wahrscheinlich gar nicht so leicht den Mut dafür aufbringen würde, es tatsächlich zu tun. Aus Angst vor gesellschaftlicher Stigmatisierung vielleicht, obwohl ich es nicht gut finde, gesellschaftlichen Regeln so einen hohen Stellenwert beizumessen.
Mutig scheinen aber beide - Satre wie auch Beauvoir, zumindest laut Film, ohnehin gewesen zu sein.
 
Werbung:
aber nicht unbedingt wollen was wir wollen.

Doch, nämlich dem Schaf an die Wolle gehen. Wollen, dem Schaf an die Wolle zu gehen, ist gleichbedeutend mit 'wollen'.

Da passt es irgendwie dazu, dass ich gestern zufällig bei einem Schwingerclub vorbeispaziert bin und mir bewusst wurde, dass ich, sollte es mich jemals interessieren, so etwas mal auszuprobieren, wahrscheinlich gar nicht so leicht den Mut dafür aufbringen würde, es tatsächlich zu tun.

Was hat das mit Mut zu tun? Das ist was für Konsumenten, mehr nicht.
 
Zurück
Oben