AW: bedingungslose Liebe
Kennst du die Gedichte von Jörg Pfennig?
Eine kurze Frage an die Bedingungslose-Liebe-Befürworter-Fraktion.
Ist für euch, so wie für mich, die Liebe ein natürlicher, biologischer Prozess (Hormone und so) oder ist sie ein übernatürliches Phänomen, abgekapselt und unabhängig vom einzelnen Menschen?
Wenn sie ein natürlicher Prozess ist, braucht dieser Prozess nicht dann Ressourcen/Reize, damit er bestehen bleibt?
Hallo Fussel!
Jörg Pfennig kenn ich leider nicht, ist das ein deutscher Dichter der modernen Richtung?
Zum biologischen Prozess habe ich kürzlich etwas Interessantes gelesen:
"Aus evolutionsbiologischer Sicht ist es eher überraschend, dass Mann und Frau überhaupt je zusammen finden. Das zeigte ein One-Night-Stand-Experiment, das US-Psychologen durchführt haben. Sie schickten eine attraktive Frau aus, die wildfremden Männern auf einem Uni-Campus "Würdest du heute mit mir schlafen?" ins Ohr hauchte. 75 Prozent wollten sofort. Ganz anders erging es einem nicht minder attraktiven Mann auf der Suche nach einer schnellen Nummer: Sechs Prozent der Frauen waren bereit mitzukommen, keine einzige aber versprach ihm definitiv Sex. Das Experiment verdeutlich das Dilemma menschlicher Fortpflanzungsstrategien: Der Mann strebt nach Masse, die Frau nach Klasse."
Zum "Diktat der Hormone":
Verliebtheit treibt zum Wahnsinn, und hält zusammen, was eigentlich überhaupt nicht zusammenpasst. Die italienische Medizinerin Donatella Marazziti hat jetzt die Körperchemie Verliebter untersucht, die auffallend Verrückten ähnelt. So entdeckte sie, dass der Serotonin-Spiegel*** frisch verliebter Studenten, die ihre Versuchskaninchen waren, auf krankhaft niedriges Niveau absackt - wie bei Zwangspatienten. Gleichzeitig stieg das Phenylethylamin, das wie ein Aufputschmittel wirkt. Folgen: Null Schlaf- und Ess-Bedürfnis, Erregung auf Hochtouren und Wahrnehmung des Objektes der Begierde wie im Nebel, also völlig unrealistisch und rosarot.
Dieser Hormonrausch dauert 18 Monate bis drei Jahre an und dient dazu, so Evolutionsbiologen, dass Mann und Frau so lange zusammenbleiben, bis sie ihrer biologischen Bestimmung nachgekommen sind: Der Zeugung eines Kindes.
"Im Glücksfall aber wird irgendwann aus Verliebtsein Liebe", sagt die US-Anthropologin Helen Fisher. "Dann übernehmen die Kuschelhormone die Regie." Nähe und Vertrautheit statt Geilheit und Aufregung. Wer das nicht will und dem ewigen Kick hinterher hechelt, hat ein Problem oder muss nach Afrika oder Amazonien auswandern: Die Frauen der Kung-Buschmänner und Yanomami bekommen ihre Kinder bis heute im Abstand von vier Jahren - von verschiedenen Männern.
Die Liebe hängt also von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von unserer gesellschaftlichen Umgebung und unserer Kultur. Und dass wir dabei wesentlich von unseren Hormonen gesteuert werden ist an und für sich ja auch nichts Neues. So eine Mischung von Verstand und Herzen vielleicht, wie Patrice es andeutet? Auch wenn man es so sieht, bleibt trotzdem die Frage offen, wie sehr wir dabei gesteuert werden und wie viel wir bewusst handeln und lieben können.
Auch eine sehr philosophische Frage, meine ich.
Irgendwann wird aus Verliebtsein Liebe, heißt es oben. Auch Patrice meint, "die bedingungslose Liebe ist daher niemals der Beginn einer Liebe".
So gesehen wird die Liebe vielleicht erst dann bedingungslos, wenn andere Bedingungen bereits erfüllt worden sind?
Antoine de Saint-Exupery sagt es einfach und treffend:
"Verliebte sehen einander an, Liebende blicken in dieselbe Richtung."
lg
Andreas
P.S.:
***Serotonin ist ein Monoamin, das im Organismus als Gewebshormon bzw. als Neurotransmitter im Zentralnervensystem, Darmnervensystem, Herz-Kreislauf-System und im Blut fungiert. Der Name leitet sich von seiner Wirkung auf den Blutdruck ab: Serotonin ist die Komponente des Serums, die den Tonus (Druck) in den Blutgefäßen reguliert.
Aus Wikipedia