Mara schrieb:
aber ich finde es schwer zu realisieren ...
Schwer zu realisieren? Liebe Mara, ganz im Gegenteil, es ist absolut unmöglich, es NICHT zu realisieren.
Es heisst noch lange nicht, dass dieses grössere Ganze dann auch unbedingt etwas angenehmes oder schönes ist. Wenn du mit einer andern Person zusammen bist, die du überhaupt nicht leiden kannst, oder die dir übel und böse will, dann bildet ihr beide trotzdem ein grösseres Ganzes über den gegenseitigen Einfluss, den ihr aufeinander ausübt. Ich bin nicht einfach nur mehr ich, sondern ich bin auch gleichzeitig du und umgekehrt, denn wir beeinflussen uns gegenseitig und so entsteht ein Verhalten oder ein Ganzes, welches nicht NUR von einer Seite erklärbar oder verstehbar ist und auch nicht die blosse Summe von zwei anwesenden Personen ist. So wie ich das beschrieben habe ist auch das als Agape zu bezeichnen, auch wenn zwischen euch in keinster Weise Harmonie oder Liebe herrscht. Oft ist es natürlich dann aber so, dass ein gewisser Drang besteht, sich zu trennen, sofern das überhaupt möglich ist, aber dieser Drang ist etwas anderes, ist eine ganz andere Kategorie als Eros und Agape. Die beiden Ausdrücke dienen mir persönlich lediglich einer "abstrakten Idee" und sagen psychologisch über den Menschen nicht gerade viel aus.
Das grösste Ganze ist übrigens die Existenz selbst. Nebst der Existenz gibt es gewissermassen nur noch das Nichts (daher Sartre's Buchtitel "Das Sein und das Nichts"), beide umarmen sich auf ewig und spielen miteinander. Ich finde es sehr beruhigend zu sehen, dass ich konstitutiver Teil des Existierenden bin. Die Existenz ist ohne mich sozusagen "nicht komplett". Damit ist die Existenz das grössere Ganze, welches tatsächlich alles umschliesst, was überhaupt nur denkbar ist, also Physisches, Nicht-Physisches, Materie, Gedanken, Konzepte, Gefühle, Natur, Hamburger, Microsoft, Bill Gates, Sonnenuntergänge, Schaufensterpuppen, den Verstand, die Mona Lisa, Sex, Fernsehen, Wissen, Schule - was auch immer.
(Nichts und Existenz/Sein - die beiden bilden eigentlich wieder ein grösseres Ganzes, doch das geht über unsern Verstand hinaus. Er kann sich sowas schlicht nicht vorstellen. Und genau genommen sind Nichts und Existenz blosse Kategorien unseres Denkens, sie existieren nicht wirklich.
Wie du siehst scheine ich mich hier in Widersprüche zu verwickeln, das aber nur, eben weil der von mir genannte Verstand nur dialektisch die Welt begreifen kann.)
Viele dieser Gedanken verdanke ich übrigens Ken Wilber, welcher diesbezüglich wie kein anderer mir mit seinen Gedanken weiterhelfen konnte.