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Wie objektiv kann Geschichtsschreibung sein?

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wir formen die Vergangenheit um, damit sie unseren Wünschen für die Zukunft entspreche, und zum Schluss beweist die Geschichte, das die Geschichte alles beweisen kann.
Voltaire

Eigentlich hat Miriam (die ich noch von früher kenne und deren Beiträge ich stets sehr schätzte) alles zum Thema gesagt, was von zentraler Bedeutung ist.

Geschichte ist Rekonstruktion, darin sind sich heute alle seriös arbeitenden Historiker einig (wie überall gibt es auch hier schwarze Schafe).

Wer also wissenschaftlich als Historiker arbeitet, vergleicht in erster Linie Quellen (Quellenkritik) und zwar nicht alleine im Stübchen, sondern in aller Regel innerhalb entsprechender Fachdiskussionen. Man kritisiert und hilft sich somit gegenseitig, was letztlich einem möglichst ausgewogenen Bild dessen, was mal gewesen sein könnte, dienlich ist.

Was du oben zitiert hast, ist eine bestimmte Verhaltensweise von Menschen, die das eigene Leben betrifft; diese mag - bezogen auf manche Menschen - durchaus zutreffend sein, mit objektiver Geschichtsschreibung hat das aber nichts zu tun.

Geschichtsschreibung heute besteht in erster Linie aus Thesen und Argumenten, die auf objektive Sachverhalte (z.B. Überreste, Quellen, Hilfswissenschaften) Bezug nehmen und hieraus mögliche Erklärungen/Erzählungen ableiten, die wiederum auf kontroverse treffen und sich also wechselseitig zu falsifizieren trachten. Wenn man über ein bestimmtes Thema im Bilde sein möchte, muss man aktuelle Forschungsdiskussionen verfolgen, da führt kein Weg dran vorbei.

Ich habe selbst schon wissenschaftlich historisch gearbeitet und denke daher, dass ich weiß, wovon ich spreche. Letztlich kommt es auch auf einen selber an: Natürlich kann ich mir diverse (leicht verdauliche) Historienromane durchlesen und das dort vermittelte Geschichtsbild für wahr und fraglos richtig halten. Wissenschaftliche Fachliteratur zu studieren ist eben in der Regel weit mühsamer (auch hier gibt es jedoch viele Ausnahmen) als ein Buch zu lesen, das primär der Unterhaltung dient und sich allenfalls notdürftig um wissenschaftliche Korrektheit schert. Das ist aber nicht das Problem der Geschichtsschreibung.

Es grüßt
Phil
 
Eigentlich hat Miriam (die ich noch von früher kenne und deren Beiträge ich stets sehr schätzte) alles zum Thema gesagt, was von zentraler Bedeutung ist.

Geschichte ist Rekonstruktion, darin sind sich heute alle seriös arbeitenden Historiker einig (wie überall gibt es auch hier schwarze Schafe).

Wer also wissenschaftlich als Historiker arbeitet, vergleicht in erster Linie Quellen (Quellenkritik) und zwar nicht alleine im Stübchen, sondern in aller Regel innerhalb entsprechender Fachdiskussionen. Man kritisiert und hilft sich somit gegenseitig, was letztlich einem möglichst ausgewogenen Bild dessen, was mal gewesen sein könnte, dienlich ist.

Was du oben zitiert hast, ist eine bestimmte Verhaltensweise von Menschen, die das eigene Leben betrifft; diese mag - bezogen auf manche Menschen - durchaus zutreffend sein, mit objektiver Geschichtsschreibung hat das aber nichts zu tun.

Geschichtsschreibung heute besteht in erster Linie aus Thesen und Argumenten, die auf objektive Sachverhalte (z.B. Überreste, Quellen, Hilfswissenschaften) Bezug nehmen und hieraus mögliche Erklärungen/Erzählungen ableiten, die wiederum auf kontroverse treffen und sich also wechselseitig zu falsifizieren trachten. Wenn man über ein bestimmtes Thema im Bilde sein möchte, muss man aktuelle Forschungsdiskussionen verfolgen, da führt kein Weg dran vorbei.

Ich habe selbst schon wissenschaftlich historisch gearbeitet und denke daher, dass ich weiß, wovon ich spreche. Letztlich kommt es auch auf einen selber an: Natürlich kann ich mir diverse (leicht verdauliche) Historienromane durchlesen und das dort vermittelte Geschichtsbild für wahr und fraglos richtig halten. Wissenschaftliche Fachliteratur zu studieren ist eben in der Regel weit mühsamer (auch hier gibt es jedoch viele Ausnahmen) als ein Buch zu lesen, das primär der Unterhaltung dient und sich allenfalls notdürftig um wissenschaftliche Korrektheit schert. Das ist aber nicht das Problem der Geschichtsschreibung.

Es grüßt
Phil

Ach Pferdefreund, wie sollte Miriam in zehn Zeilen zu einem Thema über welches wohl hunderte Abhandlungen geschrieben wurden "schon alles gesagt haben";)

Und denke, was du hier verkündest ist bekannt, aber selbst wenn Geschichtsschreibung über eine Epoche und ein Thema das keinen wie immer gearteten Bezug oder Interessenslage zum Heutigen hat verfasst wird, ist sie oft genug von persönlichen Befindlichkeiten der Verfasser, "neues" bringen zu wollen, Eifersüchteleien unter Kollegen, "Glauben" wollen so muss es geschehen sein, gewagten Thesen aus wenigen Fakten etc. etc. überlagert, das auch hier schon die Grenze zwischen Geschichts Wissenschaft und Geschichts Dichtung sehr verschwommen und sich oft überlappend verläuft.

Gänzlich makaber wird es in den Bereichen welche Voltaire anschneidet, wo Geschichtsschreibung sich mit heutigen geschäftlichen, politischen, und religiösen Interessen und Plänen überschneidet, hier gelten mit Sicherheit die Überlegungen Voltaires, welcher, so denke ich schon ein wenig klüger war als du, Miriam oder ich.:)

Bei allen Völkern wird die Geschichte durch Fabeln entstellt, bis endlich die Philosophie kommt, um den Menschen aufzuklären; und wenn sie schließlich inmitten dieser Finsternis angekommen ist, findet sie den menschlichen Geist durch Jahrhunderte des Irrtums so geblendet, das sie ihm kaum die Augen öffnen kann; sie findet Zeremonien, Tatbestände und Denkmäler aufgehäuft um Lügen zu beweisen. Die Geschichte ist schließlich doch nichts weiter als eine Reihe von Kniffen die wir auf die Toten anwenden; wir formen die Vergangenheit um, damit sie unseren Wünschen für die Zukunft entspreche, und zum Schluss beweist die Geschichte, das die Geschichte alles beweisen kann.
Voltaire
 
Ach Pferdefreund, wie sollte Miriam in zehn Zeilen zu einem Thema über welches wohl hunderte Abhandlungen geschrieben wurden "schon alles gesagt haben";)

Das Zentrale wurde abgedeckt. Natürlich kann man dies beliebig ausdifferenzieren und vertiefen, aber ist das im Rahmen eines Forums sinnvoll und erwünscht?

Und denke, was du hier verkündest ist bekannt, aber selbst wenn Geschichtsschreibung über eine Epoche und ein Thema das keinen wie immer gearteten Bezug oder Interessenslage zum Heutigen hat verfasst wird, ist sie oft genug von persönlichen Befindlichkeiten der Verfasser, "neues" bringen zu wollen, Eifersüchteleien unter Kollegen, "Glauben" wollen so muss es geschehen sein, gewagten Thesen aus wenigen Fakten etc. etc. überlagert, das auch hier schon die Grenze zwischen Geschichts Wissenschaft und Geschichts Dichtung sehr verschwommen und sich oft überlappend verläuft.

Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Objektivität bedeutet ja nicht "Stein sein", sondern ist eine Haltung und dass Menschen ohne Interessen und unvorhersehbare Verhaltensweisen keine solchen wären (und wohl auch nicht sein könnten), steht gleichfalls außer Frage.

Nehmen wir die These vom erfundenen Mittelalter als Beispiel: Der Autor zeigt keine oder kaum selbstkritische Züge, entspricht also nicht dem, was man gemeinhin von einem Geschichtswissenschaftler erwarten würde, innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Diskussion ist er dennoch ausreichend thematisiert und kritisiert worden - weil er kritisierbare Argumente/Thesen darbot (jedenfalls teilweise).
Wenn sich jemand also ganz subjektiv in ein Thema verliebt und den Blick für die Schwächen der eigenen Sichtweise verliert, wird dies von jenen kompensiert, die dieses subjektive Interesse so gar nicht teilen und dergleichen nüchtern objektiv unter die Lupe nehmen.

Dort, wo Subjekte mit- und gegeneinander (konstruktiv verstanden) arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass "Geschichtsdichtung" keine Chance hat, zur Geschichtsschreibung zu mutieren.

Überlegungen Voltaires, welcher, so denke ich schon ein wenig klüger war als du, Miriam oder ich.:)

Vielleicht disqualifiziere ich mich in deinen Augen gänzlich, wenn ich zugebe, dass Voltaire in meinem Leben bislang keine Rolle spielte. Er würde es erst dann, wenn ich mich zufällig mit ihm als historische Person (als Beispiel der Verhältnisse oder Denkensarten seiner Zeit) befasse.

Im Übrigen habe ich schon aus Arbeiten hochgradig nationalistischer Autoren (die meisten Historiker des 19./20. Jahrhunderts waren z.B. Frankreich-Hasser) viele nützliche Informationen gewonnen. Man muss lediglich ihre (in der Regel leicht zu erkennenden) nationalen Äußerungen und Verzerrungen überlesen, denn die sachbezogenen Analysen führten sie mit mindestens so großer Akribie und Objektivität aus, wie dies heute der Fall ist.

Die Geschichte ist schließlich doch nichts weiter als eine Reihe von Kniffen die wir auf die Toten anwenden; wir formen die Vergangenheit um, damit sie unseren Wünschen für die Zukunft entspreche, und zum Schluss beweist die Geschichte, das die Geschichte alles beweisen kann.
Voltaire

In welcher Zeit lebte Voltaire doch gleich nochmal?
Eben! Und jetzt fangen wir brav nochmal von vorne an und schreiben nicht Voltaire, sondern Geschichte! ;)

Gruß
Phil
 
In welcher Zeit lebte Voltaire doch gleich nochmal?
Eben! Und jetzt fangen wir brav nochmal von vorne an und schreiben nicht Voltaire, sondern Geschichte!

Es erscheint mir schon ein wenig ärmlich, das ein historisch gebildeter Mensch, Historiker? freimütig zugibt über eine welthistorische Größe wie Voltaire kaum zu wissen. Bist du katholisch geprägt?derartige geistige Amputationen deuten darauf hin.

Ich teile auch hier die Meinung welche du in deinem Posting vertrittst überwiegend, aber gerade weil du ein Fachmann bist will ich nicht glauben das du nicht weißt wie salopp auch Historiker von Rang aus fünfzehn Artefakten eine ganze "neue" Kultur herauslesen wollen, während sie die oft Jahrhunderte lang währende Leere und zeitliche Distanz mit Hypothesen, sprich Geschichts Dichtung füllen., und flugs, schon ist eine neue "wissenschaftlich fundierte" Theorie geboren.

Und wird etwas nur oft genug wiederholt, und schmeichelt es den chauvinistischen Gefühlen der Menschen, schon ist es eine "Wissenschaftliche Wahrheit" geboren wie
etwa der
"Sieg" Erzherzog Karls über Napoleon bei Aspern, nur leider hat dieser "Sieg" dazu geführt das Österreich 14 Tage später bei Wagram vor Napoleon kapituliert hat, und Napoleon in Wien und Schönbrunn einmarschiert ist.

Doch zu den Fach Historikern, ich kenne da einen sehr hoffnungsvollen jungen österreichischen Fach Historiker, Dr. Andreas Hofender ein Kelten Experte, ist dir sein Werk ein Begriff?;);)
 
Es erscheint mir schon ein wenig ärmlich, das ein historisch gebildeter Mensch, Historiker? freimütig zugibt über eine welthistorische Größe wie Voltaire kaum zu wissen.

Ach weißt du, ich bin dermaßen ungebildet, da spielt das bisschen Voltaire schon keine Rolle mehr.

Doch zu den Fach Historikern, ich kenne da einen sehr hoffnungsvollen jungen österreichischen Fach Historiker, Dr. Andreas Hofender ein Kelten Experte, ist dir sein Werk ein Begriff?;);)

Der Name sagt mir nichts. In Sachen "Kelten" ist mir Bernhard Maier (Tübingen) ein Begriff.
 
Ach weißt du, ich bin dermaßen ungebildet, da spielt das bisschen Voltaire schon keine Rolle mehr.



Der Name sagt mir nichts. In Sachen "Kelten" ist mir Bernhard Maier (Tübingen) ein Begriff.


Sieht man sich an was ein "Gebildeter" Mensch heutigen Tages alles nicht weiß, so wir der Hochmut gebildet zu sein plötzlich ganz klein.:)
 
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