Ach Pferdefreund, wie sollte Miriam in zehn Zeilen zu einem Thema über welches wohl hunderte Abhandlungen geschrieben wurden "schon alles gesagt haben"
Das Zentrale wurde abgedeckt. Natürlich kann man dies beliebig ausdifferenzieren und vertiefen, aber ist das im Rahmen eines Forums sinnvoll und erwünscht?
Und denke, was du hier verkündest ist bekannt, aber selbst wenn Geschichtsschreibung über eine Epoche und ein Thema das keinen wie immer gearteten Bezug oder Interessenslage zum Heutigen hat verfasst wird, ist sie oft genug von persönlichen Befindlichkeiten der Verfasser, "neues" bringen zu wollen, Eifersüchteleien unter Kollegen, "Glauben" wollen so muss es geschehen sein, gewagten Thesen aus wenigen Fakten etc. etc. überlagert, das auch hier schon die Grenze zwischen Geschichts Wissenschaft und Geschichts Dichtung sehr verschwommen und sich oft überlappend verläuft.
Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Objektivität bedeutet ja nicht "Stein sein", sondern ist eine Haltung und dass Menschen ohne Interessen und unvorhersehbare Verhaltensweisen keine solchen wären (und wohl auch nicht sein könnten), steht gleichfalls außer Frage.
Nehmen wir die These vom erfundenen Mittelalter als Beispiel: Der Autor zeigt keine oder kaum selbstkritische Züge, entspricht also nicht dem, was man gemeinhin von einem Geschichtswissenschaftler erwarten würde, innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Diskussion ist er dennoch ausreichend thematisiert und kritisiert worden - weil er kritisierbare Argumente/Thesen darbot (jedenfalls teilweise).
Wenn sich jemand also ganz subjektiv in ein Thema verliebt und den Blick für die Schwächen der eigenen Sichtweise verliert, wird dies von jenen kompensiert, die dieses subjektive Interesse so gar nicht teilen und dergleichen nüchtern objektiv unter die Lupe nehmen.
Dort, wo Subjekte mit- und gegeneinander (konstruktiv verstanden) arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass "Geschichtsdichtung" keine Chance hat, zur Geschichtsschreibung zu mutieren.
Überlegungen Voltaires, welcher, so denke ich schon ein wenig klüger war als du, Miriam oder ich.
Vielleicht disqualifiziere ich mich in deinen Augen gänzlich, wenn ich zugebe, dass Voltaire in meinem Leben bislang keine Rolle spielte. Er würde es erst dann, wenn ich mich zufällig mit ihm als historische Person (als Beispiel der Verhältnisse oder Denkensarten seiner Zeit) befasse.
Im Übrigen habe ich schon aus Arbeiten hochgradig nationalistischer Autoren (die meisten Historiker des 19./20. Jahrhunderts waren z.B. Frankreich-Hasser) viele nützliche Informationen gewonnen. Man muss lediglich ihre (in der Regel leicht zu erkennenden) nationalen Äußerungen und Verzerrungen überlesen, denn die sachbezogenen Analysen führten sie mit mindestens so großer Akribie und Objektivität aus, wie dies heute der Fall ist.
Die Geschichte ist schließlich doch nichts weiter als eine Reihe von Kniffen die wir auf die Toten anwenden; wir formen die Vergangenheit um, damit sie unseren Wünschen für die Zukunft entspreche, und zum Schluss beweist die Geschichte, das die Geschichte alles beweisen kann.
Voltaire
In welcher Zeit lebte Voltaire doch gleich nochmal?
Eben! Und jetzt fangen wir brav nochmal von vorne an und schreiben nicht Voltaire, sondern Geschichte!
Gruß
Phil