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Was ist Kunst?

Robin schrieb:
P.S. Interessant auf jemanden zu treffen, der in dieser Begrifflichkeit firm ist. dabei kann man nur lernen.
HÖHÖ! Ja, ich hätte es mir beizeiten auch gewünscht, hier jemanden zu treffen, der zwischen Begriff und Sache unterscheiden kann (was den Anhängern der Systemtheorie manchmal schwerzufallen scheint.)

Die drei Komponenten für Kommunikation sind bei ihm: Kommunikationshandlung, Information, Verstehen.
Ein Bezug zu einer Sache, die man benennt oder ver- oder be-handelt, zu einem konkreten Objekt also, findet demzufolge bei Luhmann nicht statt; alle drei genannten Aktionen bewegen sich im Bereich der Interpretation. Damit kreist das Bewußtsein in sich selbst; wie aber die Welt zu dem wurde, was sie ist, kann so nicht erklärt werden; es sei denn, man nähme an, daß es keine Welt außerhalb der vom menschlichen Bewußtsein vollzogenen Codierung gäbe.

Ich stimme zu, dass Luhmann Kommunikation immer vom Rezipienten, also von der Decodierung aus analysiert; aber er ist hier nicht beliebig.
Da stimme ich auch zu, trotzdem wirken Luhmanns Texte oft wie bodenlose Clownerien. An die Analyse der Genese von Codes hat er sich - soweit mir bekannt - so gut wie nie herangemacht, er nimmt sie als gegeben, "seiend"; deswegen bleiben seine materialen Betrachtungen meist unkritisch: bloß beschreibend.

Seine Befunde mögen im Einzelfalle richtig sein: aber hätte es dazu der "Systhemtheorie" bedurft?

Nur wenn alles drei eintritt, ist es in seinen Augen Kommunikation.
Die oben erwähnte "Kommunikationshandlung" als eins von den dreien setzt bereits ein vorgängiges "Verstehen" und ein Wissen um die Beschaffenheit der "Information", die ich mir hier der Einfachheit halber mit "Sachgehalt" übersetze, voraus.

Solange man sich in vorhandenen Sprachen bewegt, ist solche Theorie plausibel: solange ein Einverständnis z.B. zwischen Sprecher und Hörer besteht. Womit wir wieder bei der Kunst wären, aber vor allem bei all den Dialogen und Diskussionen, bei denen angeblich keine Kommunikation stattfindet ;)
 
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Trist schrieb:
Ich finde es recht heikel wenn nicht sogar verkehrt die künstlerische Qualität nur reduziert auf ein Genere zu beurteilen. Um mal selber ein Beispiel zu geben.. auf die Stilrichtung Metall wird, wie ich es erlebe, häufig künstlerisches, kreatives abgesprochen. Das trifft sicher auch auf einen großteil dieser Musik zu aber eben nicht auf alle (z.B. DreamTheater).
Genauso stehts auch mit dem Genere Gothic, vieles ist Show aber manche Sachen, besonders was den Gesang betrifft sind schon sehr herausragend.
Im allgemeinen will ich damit sagen das Kunst und Weiterentwicklung auf vielen "Schlachtfeldern" ausgetragen wird.

Ich gebe zu (was ich auch gesagt habe), dass ich Zwangsweise ja nur ein paar Gotic-Gruppen kenne. Dennoch behaupte ich, dass alle "falsche musik" machen. Denn wie obig beschrieben, kann keine "echte Musik" auf der Basis von etwas "falschem" (falsche Gefühle, falsche Instrumentierung, falsche Texte etc. ) wachsen. Dies ist einfach nicht möglich!
 
So schön und unverständlich die Systemtheorie auch klingen mag, habe ich die Befürchtung, dass sehr viele Wolken geschoben werden und nichts gesagt wird. Also im Prinzip in Kurzfassung. Alles bleibt beim Alten! Kunst ist wie sie ist!

Ich zitiere hier einfach mal einen Kölner Maler (unten die Quellenangabe):

Je höher KMW ist, desto höhere Verkaufspreise erzielt der Maler noch zu seinen Lebzeiten (der ist nicht an der Zeit nach seinem Tod interessiert) und desto höher steigen die Aktien der Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) mit dem Bimbes, der Künstler, der Galerien, der Museumsdirektoren, der Sammler und der Auktionshäuser.

Aber auch dieser Vergleich hinkt ein wenig. Sehen wir mal auf sogenannte Galerien, deren Namen ich aus Gründen der Diskretion zu verschweigen verpflichtet bin. Die Galeristen jener Galerien verkaufen auch und vor allem Produkte jener Kleckser, die im Fließbandverfahren Zigeunerinnen, alte Seebären mit schmauchender Pfeife, pralle Segelschiffe, von Blumen überquellende Wiesen mit Bäumen und Bächlein und Rehlein und Zwergen sowie sonstige Alpenlandschaften mit garantiert echtem Alpenglühen malen (der Maler erschafft mindestens vier absolut gleichaussehende oder leicht variierte Lebenswerke pro Woche) und für nicht allzuviel Geld verkaufen. Auch an Fabrikanten, nicht aber an jene, die an der Kunstszenebildung der Moderne interessiert sind; diese soeben erwähnten Bilder bringen nicht das große Geld, sondern nur das ganz kleine. Dafür interessiert sich nicht der Mäzen mit dem hehren Ziel der Kunstszenebildung.

Künstler unserer Zeit haben sich also nach dem Geschmack der Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) zu richten, Künstler vergangener Zeiten hatten sich nach dem Geschmack der Fürsten, des Adels und der hohen Geistlichkeit zu richten. So kam es beispielsweise, daß aus dem Atelier des Rubens eine Unmenge kitschiger Bilder stammen, die Rubens allem Anschein nach nur gemalt hat, um finanziell gut über die Runden zu kommen. Vom Rubens-Bild »Raub der Töchter des Leukippos« sagten Spötter bereits: »Zwei Herren helfen zwei halbbekleideten Damen auf’s Pferd«. Sind moderne Künstler ganz anders?

Wenn die Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) unserer Zeit ihr Mäzenatentum lange genug getan haben, richten sich alle Menschen nach dem Geschmack dieser Fabrikanten, nicht mehr nach dem der Fürsten, des Adels und der hohen Geistlichkeit, denn diese Zeiten sind vorbei. Die neuen Zeiten sind jedoch inhaltlich genau so wie früher, denn das Verlangen nach Kitsch in der Kunst läßt sich nicht einfach abstellen.

Stadtväter, die das Geld des Bürgers für die öffentliche Kunst am Bau rausschmeißen, kaufen Kunst so ein, wie sie künstlerisch begabt sind: Von keiner Sachkunde beleckt und en masse. Redakteure von Kultur-Zeitungsseiten, Rundfunk- und Fernseh-Sendungen und sonstige am Kunstwesen beteiligte Zeitgenossen tun so, als gäbe es das Märchen »Des Kaisers neue Kleider« nicht oder nicht mehr oder noch nicht. Wer dieses Märchen im Leben anzuwenden nicht bereit ist, verschwindet als ernstzunehmender Kunstsachverständiger plötzlichst von der Bildfläche. Beerdigt Klasse vier.

Um darzustellen, wie weit sich unsere Redakteure im System der Vermarktung moderner Gegenwartskunst verheddert haben, zitiere ich den Kölner Stadt-Anzeiger vom 9. März 2000:

“Global Art“ in Duisburg

Die Wege der Welt

Zum Abschluss Werke von Abraham David Christian

Autorin: Amine Haase

»Zwischen Erinnern und Vergessen weitet sich der Kosmos dieser Kunst. Sie ist Zeugnis eines Nomadendaseins, das die Innenwelten seines Erfinders zwischen den unterschiedlichen Vergangenheits-Formen auslotet, und das die Außenwelten zwischen den verschiedenen Gegenwartsexistenzen dokumentiert. ... Er schafft seinen Kosmos aus dem, was er auf seinem Wege findet; er erfindet die Sprache, um uns diesen neuen Kosmos zu vermitteln; er spielt mit den Zeichen wie ein Kind und verankert so das Neue fest mit der Vergangenheit. Seine Welt ist – im bester künstlerischer Tradition – eine, in der „der Himmel nur aus Konvention Blau ist“. Das Ritual der Kunst, der Kultur generell, wird respektiert – um es neu zu erfinden. ... Es sind die Zeichnungen, die der Präsentation ihren realen Grund geben. Ein Flimmern zwischen Irrealem und Realem, zwischen einem traumwandlerisch sicheren Konstruieren der Erinnerung und einem bewußt betriebenen ganz konkreten Vergessen kennzeichnet also nicht nur die Arbeiten selber, sondern ihre Zusammenschau in der von Christoph Brockhaus betreuten Duisburger Ausstellung. Wir müssen uns in diesen Kosmos erst einleben.«


Bildzitat: Das zugehörige Bild trägt den Namen »Bronx«, 1984, Grafitfarbe auf Papier:

Zu Frage 2

Um meine bisherigen Ausführungen zu erweitern, denke ich an meine Schulzeit zurück. Erich Weiß, Gründer und langjähriger Leiter des deutschen Hermann-Hesse-Archivs, ein sehr belesener Mann, war mein Klassenlehrer in der Realschule. Er liebte alte und moderne Kunst und gab mir einst den Auftrag, vor meiner Schulklasse stehend das Bild »Kaufmann Gisze« von Holbein dem Jüngeren zu besprechen, dessen Farbdruck er an der Schultafel befestigt hatte. Ich geriet in größte Nöte, denn ich wollte wirklich erklären, was die Schönheit der Malerei ausmachte, wie der Maler das Bild in seiner persönlichen Maltechnik aufgebaut hatte, welche maltechnischen Besonderheiten zu erkennen waren, und vor allem, aus welchem Grund dieses Bild einen so harmonischen Eindruck machte. Aber das konnte ich nicht. Denn ich hatte nicht gelernt, altmeisterlich zu malen und wußte nichts, aber auch gar nichts um die Geheimnisse der alten Meister. Erich Weiß wußte aber auch nichts, was ich daran bemerkte, daß er mich beinahe wütend auf meinen Platz zurückschickte und die Angelegenheit der Bilderklärung selbst in die Hand nahm und zur Chefsache erklärte. Die Erklärung nahm dann folgenden Lauf:

»Links ober seht ihr auf dem Regal das ... , rechts oben auf dem Regal dies ... , in der Mitte seht ihr diese Hintergrundfarbe der Bretterwand, und unten auf der Tischdecke das und dies und jenes. Das da oben auf dem Bild wurde damals im täglichen Leben für folgendes benötigt: ... Das da links hat die Farbe Rot ... , das da die Farbe Gelb ... « Anschließend drehte sich Erich Weiß zufrieden wieder der Klasse zu und fragte, ob jemand noch eine Frage hatte. Keiner hatte.

Heutzutage gehe ich gern in mein lokales Museum in Köln, das Wallraff-Richarz-Museum, und studiere immer wieder die alten Meister, denn davon kann kein strebsamer Maler genug kriegen. Ich treffe auch auf viele begeisterte und nichtbegeisterte Lehrer, die ihre Schäflein um sich scharen und Bilderklärungen starten. Was sie tun, ist immer noch das bewährte Erich-Weiß-Erklär-Machwerk, aber die Lehrer sind heute viel gebildeter als früher, denn sie beenden ihre Bildbesprechungen sehr früh und gehen möglichst schnell zur gesamten Kunstgeschichte der Malerei über, denn da sind sie ja Zuhause; sie fummeln in ihrem anstudierten Gedächtnisgehirn herum und holen alles heraus, was sie im Studium über Kunstgeschichte im engeren und weiteren und weitesten Sinne erlernt haben. So werden Schulklassen schnell ermüdet, denn nicht nur Herumstehen strengt an, sondern Langweiliges schläfert zuverlässig ein. Und was altmeisterliches Malen wirklich umfaßt, lernt kein Schüler, weil es noch nicht einmal die Lehrer lehren können, denn sie haben es ja auch nicht gelernt.

Darf ich Erich Weiß und die Schar der bemühten Lehrer tadeln? Nein! Denn sie können nicht anders. Denn es gibt ein absolutes Hindernis, das ich in dieser erlauchten Darstellung wie folgt in Form von Beispielen erklären kann und darf:

Wer Mathematiklehrer werden will, muß rechnen können. Wer Deutschlehrer werden will, muß schreiben können. Wer Sportlehrer werden will, muß laufen und springen können. Der Biologielehrer kann mit dem Mikroskop exzellent umgehen, und dem Chemielehrer gelingen die Versuche (meist!), die er sogar im Detail formelmäßig und stöchiometrisch ganz genau erklären kann.

Aber die Kunstlehrer? Sie können nur reden, reden, reden. Wie die Redakteure der Kulturseiten, von denen ich ja soeben eine Kostprobe zitiert habe. Obwohl ich nicht genau weiß, ob die eben zitierte Redakteurin Amine Haase durch einen Kunstlehrer noch übertroffen werden kann. Alle reden und fabulieren und schwätzen. Über die Kunstgeschichte. Und das Leben der Maler. Und das Blau des Himmels, das sie mühelos herunterzuholen wissen. Aber sie wissen fast nichts über Maltechniken, und sie selbst können kaum naturalistisch malen. Sie wissen erst recht nichts über altmeisterliche Maltechniken und Malweisen.

Aber sie geben Kindern erbarmungslos Aquarellmalkästen in die Hände, weil die ja für einen Appel und ein Ei im Laden zu haben sind, und verderben aus diesem Grund sogar bei den malerisch Begabten die Freude am Malenlernen, denn nirgendwo gibt es eine noch schwierigere Technik als die des Aquarellierens. Das sieht geradezu nach Kindesmißbrauch aus, wird aber nach dem deutschen StGB nicht bestraft. Es ist so, als würde ein Kunstlehrer Viertklässler auffordern, die Hundertmeterstrecke nach einem leichten Vortraining in weniger als 10 Sekunden zu laufen.

Was in Volkshochschulen usw. in künstlerischer Massenspeisung zustandegebracht wird, finden die Menschen auch noch sehr schön. Gut, daß es das Wort »schön« gibt, denn hinter ihm lassen sich sämtliche kitschigen und unvollkommenen Volkshochschul-Aquarell-Machwerke verstecken. Die Volksseele ist nunmehr nicht mehr zu bremsen und wässert Legionen von Aquarell-Papieren, streicht, kratzt aus, radiert und überklebt, übermalt, verbessert, wirft aber nichts weg, was einmal entstanden ist. Wer sich darüber sehr freut, sind die Schullehrer (»die Kinder haben jetzt was Nützliches zu tun, ach wie hübsch, und die Schulkunststunde ist gerettet«), die Leiter von Volkshochschulen nebst Dozenten und ganz besonders Fabrikanten von Malzubehör und erst recht der Kunstbedarfseinzel- und -großhandel für Bildträger, Farben, Malgeräte, Mal-Utensilien und Bilderrahmen. Und weil die Schülerinnen und Schüler von Volkshochschulkursen in aller Kürze keine einzige Wandfläche Zuhause mehr frei haben, die sie mit ihren Aquarellkunstwerken flächenmäßig noch nicht versteckt haben, müssen Oma und Opa und andere leidgeprüfte Mitmenschen solche Kunstwerke mit allen extraordinären Dankesausbrüchen, derer sie überhaupt fähig sind, entgegennehmen.

Immer noch läßt mir meine eingangs getroffene Feststellung, ich wüßte nicht so recht, was altmeisterliche Malerei ist, keine Ruhe. Ich versuche, zu weiterhin zu klären.

Altmeisterlich ist beispielsweise das, was Rubens gemalt hat.

Na, ist das nicht ein prima Satz? Wer will mir widersprechen und behaupten, Rubens sei keiner gewesen, der altmeisterlich malen konnte? Auf dieser vorbereiteten Unterlage ruhe ich mich erst einmal wie auf einem sanften Ruhekissen aus und brauche nur noch nachzuschlagen, was die Autoren von Kunstbüchern und Redakteure von Kulturseiten des Kölner Stadt-Anzeigers oder vom Rundfunk oder vom Fernsehen über Rubens schreiben, wenn dieser ihnen zwischen die Finger gerät. So, wie er ihnen zwischen die Finger gerät, schreiben sie auch. Nämlich allgemein gnadenlos frei von Fachwissen über alte Maltechniken und Malweisen.

Wenn Autoren und Redakteuren eine andere Aufgabe zuteil wird, nämlich über einen Künstler der heutigen Zeit zu schreiben, sorgen sie zuerst dafür, daß ihnen die Kataloge der Museen und Kunstauktionen zwischen die Finger geraten. Dort ist nämlich vermerkt, welcher Fabrikant (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) welche Bilder (sie heißen jetzt Exponate) angekauft, gestiftet oder zumindest als Dauerleihgabe gespendet hat.

Zusätzlich kann man bei den leitenden Persönlichkeiten der städtischen, provinziellen und ländlichen Kunstvereine und »Initiativen Kunst« anfragen und bekommt, sofern man sich geschickt verhält und sich erst einmal ganz dumm stellt, die allgemeine Kunstmeinung der jeweiligen Kunst-Gegenwartszenen-Koryphäen.

Derart gerüstet läßt sich prima schreiben und fabulieren und reden und dichten und phantasieren und in den Wolken schweben und himmelhoch jauchzen, gelegentlich auch – sofern man ganz mutig bis übermütig ist – auch gegen die finanzielle Entscheidung der Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) ganz leicht kritisieren, etwa in folgender Tonart: »Dies Grün ist eigentlich ein Stich zu grün. Davon hätte der sinngebende Künstler besser einen differenzierteren Touch gegeben. Überhaupt kommen hier geistig-kulturelle Responsibilität und Philosophie des Haptischen ein wenig zu kurz.«.
Moderne Kunst muß folglich jetzt nur noch besprochen werden, und wer am längsten und ausdauerndsten bespricht, Vorträge, Fest- und Fensterreden hält, festigt die gültigen Kunstmaßstäbe, die von den Bimbes-Vorräten der Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) dankenswerterweise ausgegangen waren.

Wer sich in diesem festgefügten System aufhält und die erforderlichen Spielregeln beachtet, lebt nicht etwa in einem Labyrinth, sondern weiß stets, wo er sich befindet (bzw. sich zu befinden hat). Mir geht es leider nicht so, denn ich weiß immer noch nicht so genau, was altmeisterliche Malerei und moderne Kunst der Gegenwart sind, darf aber nicht im Theoretisieren versacken, sondern mache es den Kulturbeflissenen nach und stürze mich auf die Bücher. Allerdings auf andere als jene, die zum reinen Phantasieren mangels Wissen gebraucht werden.

Im Jahr 1965 kam mir der Zufall zur Hilfe. Denn mir wurde von einem Maler »Der Doerner« empfohlen. »Der Doerner« war damals noch unangefochten das zentrale Lehrbuch all jener, die sich die Mühe machten, hinter die Geheimnisse altmeisterlicher Maltechniken und Malweisen zu kommen. Mittlerweile weiß ich, daß Doerner sich in wichtigen Punkten ganz fürchterlich geirrt hat, aber »Der Doerner« war jahrzehntelang die einzige, wirklich brauchbare Bibel aller Suchenden und ist sie beinahe auch heute noch. Und was spricht eigentlich gegen das doernersche Forschungsprinzip »Versuch und Irrtum«? Dieses Prinzip ist gegenwärtig in der gesamten Computerprogrammierung ein fester Arbeitsbestandteil, und aus welchem Grund soll es den Suchenden unter den Malern besser gehen als den Anwendern von Microsoftprodukten, die den Computer regelmäßig animieren, hängenzubleiben, so daß man geneigt ist, beim zwanzigsten Absturz des Tages mit dem Hammer dreinzuschlagen?

Doerner war für mich 1965 der Anlaß, meine gesamte Malweise zu überprüfen und dann konsequent an den Nagel zu hängen. Denn ich wurde ein überzeugter Jünger jener Malweise, die nicht modern ist, sondern von vielen normalbegabten Menschen »naturalistisch« oder «gegenständlich« genannt wird. Naturalistisch malt einer, der Perspektive, Form (einschließlich Beleuchtung) und Farbe der dreidimensionalen Umwelt auf eine zweidimensionale Bildebene umsetzt. Aber derart geschickt, daß es »wie dreidimensional aussieht«. Also ist jeder Maler altmeisterlicher Malweise ein Roßtäuscher. Ich weiß das und darf das öffentlich behaupten, denn auch ich bin ja einer.

Aber seien wir mal ehrlich, ist der gegenwarts-moderne Maler kein Roßtäuscher? Nein, der ist, wenn ich genauer hinschaue, eigentlich kein Roßtäuscher, vielmehr ein Kleiderverkäufer. Der »des Kaisers neue Kleider« schneidert und verkauft. Verkauft, sofern er anfangs einen Fabrikanten findet (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel), der mit dem Ankauf beginnt, weil sein Faktor Mf (= malerische Fähigkeiten des Fabrikanten) und Kg (= persönlicher Kunst-Geschmack des Fabrikanten) dies ungebremst ermöglichen und somit für einen Künstlerkarrierestart sorgen. Nach dem Start geht dann alles wie von alleine.

Nun muß ich innehalten und nachfragen, worüber ich eigentlich schreiben will. Ach ja, es war das Thema »Altmeisterlich malen – geht das überhaupt noch?« Klar, ja doch, es geht noch und es geht nicht mehr.

Es geht noch, weil kluge Professoren rausgekriegt haben, wie die Maler vor 500 Jahren oder 200 Jahren gemalt haben.

Es geht nicht mehr, weil der hauptberufliche Maler, der über kein weiteres Nebeneinkommen verfügt und sich naiverweise traut, altmeisterlich zu malen, spätestens nach drei Wochen verhungert und verdurstet ist. Es sei denn, er geht erfolgreich betteln.

Denn er wird seine in altmeisterlicher Weise gemalten Bilder niemandem verkaufen können. Die Sammler, Museumsleiter und Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel) haben ganze Arbeit geleistet und würden sich ja auch totlachen, käme »ein Fossil von Kunstmaler alter Schule daher«. Wer heute eine andere Ansicht vertritt als die der Fabrikanten (Schokolade, Autozubehör und Klosettdeckel), kann nicht mehr ernst genommen werden, sonst würden die Finanzgebäude des internationalen Kunstmarktes derart fürchterlich zusammenkrachen, daß schon das Nachdenken darüber den Leuten mit dem Bimbes den blanken Angstschweiß auf die Stirn triebe. ... «



Aus dem Artikel - Was ist moderne Kunst von Lienhardt Pallast:

http://www.atelier-pallast.de/wasistkunst.htm
 
Gaius schrieb:
Ein Bezug zu einer Sache, die man benennt oder ver- oder be-handelt, zu einem konkreten Objekt also, findet demzufolge bei Luhmann nicht statt; alle drei genannten Aktionen bewegen sich im Bereich der Interpretation. Damit kreist das Bewußtsein in sich selbst;
Nein, die Kommunikation kreist um sich selbst. Das sollte doch langsam mal angekommen sein, dass es bei Luhmann immer um Kommunikation geht.

wie aber die Welt zu dem wurde, was sie ist, kann so nicht erklärt werden; es sei denn, man nähme an, daß es keine Welt außerhalb der vom menschlichen Bewußtsein vollzogenen Codierung gäbe.
Luhmann ist kein Philosoph, sondern Soziologe.
Sicher ist bei ihm aber mit einberechnet, dass eine Erklärung, warum die Welt so wurde, wie sie ist, immer Spekulation ist.
Das Wie ist schon beschrieben: Evolution.

Wenn Luhmann kritisch wird, dann gegenüber den so genannten kritischen Denkern. Er wenden sich in allen seinen Texten gegen eine Theorie, die auf Kritik basiert (kritische Theorie etc.). Die Verbindung Theorie und Kritik ist es, die ihn stört. Das heißt ja nicht, dass Kritik auszubleiben hat. Sie ist aber nicht INhalt von Theoriearbeit.
Ich finde es nur legitim, dass Luhmann die Kritik an der Kunst den kritikern, den Künstlern und Reuther überlässt. Arbeitsteilung.
Seine Befunde mögen im Einzelfalle richtig sein: aber hätte es dazu der "Systhemtheorie" bedurft?
Du bist sehr "befundorientiert". Meinungen, Kritik, Besser, schlechter.
Der Befund ist doch aber: Die Welt ändert sich kaum, trotz ihrer ganzen Weltverbesserer und Kritiker. Dies zu erklären ("Abklärung der Aufklärung"), erweist sich die Systemtheorie sehr nützlich.
Es ist sicher eine Mentalitätsfrage. Daher bist du auch viel mehr an Politik interessiert als z.B. ich.
Die oben erwähnte "Kommunikationshandlung" als eins von den dreien setzt bereits ein vorgängiges "Verstehen" und ein Wissen um die Beschaffenheit der "Information", die ich mir hier der Einfachheit halber mit "Sachgehalt" übersetze, voraus.
Sicher, das baut immer aufeinander auf. Anschlussfähigkeit ist die Voraussetzung für den Erhalt der Kommuniaktion.
Solange man sich in vorhandenen Sprachen bewegt, ist solche Theorie plausibel: solange ein Einverständnis z.B. zwischen Sprecher und Hörer besteht.
Nein, nicht Einverständnis; Verstehen. Es geht hier nicht um Meinungsgleichheit, sondern dass der Code grob verstanden wird und dass die (meist selbstverständlliche) Differenzierung von Handlung und Information vollzogen wird.
Womit wir wieder bei der Kunst wären, aber vor allem bei all den Dialogen und Diskussionen, bei denen angeblich keine Kommunikation stattfindet ;)
Ich verstehe nicht genau, was dein Problem jetzt ist. Aber nach meinem Geschmack dient doch dieses Forum sehr gut zur Illustration, wie wenig Austausch stattfindet, wenn man mit verschiedenen Codes operiert oder nicht auf den Anderen eingeht. Zum Beispiel die Diskussion über Joschka Fischer. Sicher, das war schon Kommunikation, aber Einverständnis...?
 
Nein, die Kommunikation kreist um sich selbst. Das sollte doch langsam mal angekommen sein, dass es bei Luhmann immer um Kommunikation geht.
Bei mir ist angekommen, daß Luhmann - Dir zufolge - eine Unterscheidung zwischen Kognition und Kommunikation formuliert habe, und dann von gelungener oder gescheiterter Kommunikation gesprochen habe. Dann müsste man logischerweise auch vom Ge- und Mißlingen von Kognition sprechen.
Luhmann ist kein Philosoph, sondern Soziologe.
Das ist die allerbilligste der Ausreden, die einem Verfechter eines positivistischen Wissenschaftsverständnisses einfallen können. Die Soziologen der Frankfurter Schule haben sich vor der klassischen Erkenntnistheorie jedenfalls nicht gedrückt.
Sicher ist bei ihm aber mit einberechnet, dass eine Erklärung, warum die Welt so wurde, wie sie ist, immer Spekulation ist.
Die Unsicherheit allen Begreifens wird bei Luhmann (oder bei Dir?) also zur "Einberechnung" - das Wort meint: Berechnen auf Eines hin, oder Reduktion der Unterschiede gemäß einer vorgeordneten Systhematik. Ist in dieser Figur die Wahrheit über das Denken Niklas Luhmanns formuliert, oder muß ich am Ende noch Luhmann gegen seinen Adepten verteidigen?
Das Wie ist schon beschrieben: Evolution.
Ein krasser Widerspruch zu Deinem vorherigen Satz. Wenn Erklärungen über die Entwicklung der Welt stets spekulativ sein sollen, kann man Evolution nicht als verbindlichen Zeugen für eine Weltbeschreibung bemühen. (Außer man macht sich die Mühe, Wörter wie "Evolution" aus dem allgemeinen Sprach- und Begriffsprozeß zu isolieren und ihre Bedeutung als ein für allemal feststehende zu behaupten.)
Wenn Luhmann kritisch wird, dann gegenüber den so genannten kritischen Denkern. Er wenden sich in allen seinen Texten gegen eine Theorie, die auf Kritik basiert (kritische Theorie etc.).
Luhmann profitiert in jedem Wort von der Kritischen Theorie, installiert dann jedoch willkürliche Begriffsraster als Seiende und verleugnet so die kantisch/adornischen Hintergründe seines Denkens.
Die Verbindung Theorie und Kritik ist es, die ihn stört.
Nö, völlig klar. Adorno sprach schon 1944 von der "Verwandlung von Philosophie in Methode". Vorläufig hat der Cheftheoretiker Luhmann, der kein Philosoph mehr sein will (obwohl er mehr als manche anderen Kollegen aus der soziologischen Fakultät ein solcher war) ja auch sein Machtwort gesprochen, indem er seine Raster aufs Fließen des Denkens gesetzt hat. Kritik kann da nur stören, wenn einer eine neue Sprache jenseits des philosophischen Begreifens erfinden will.
Du bist sehr "befundorientiert". Meinungen, Kritik, Besser, schlechter.
Nein. Wenn ich von Luhmanns "Befunden" in seinen materialen Arbeiten spreche, meine ich damit, was er in den gesellschaftlichen Äußerungen entdeckt hat (in "Liebe als Passion" z.B. ist da sehr viel Interessantes, Bemerkenswertes, Faszinierendes zu lesen). Um "besser" oder "schlechter" geht es mir nicht. Adorno, Luhmann und Derrida waren schärfere Beobachter als andere: welche Begriffssysteme sie bemühen, tritt vor der Genauigkeit ihrer Beobachtungen (ihrer "Befunde") zurück.
Der Befund ist doch aber: Die Welt ändert sich kaum, trotz ihrer ganzen Weltverbesserer und Kritiker. Dies zu erklären ("Abklärung der Aufklärung"), erweist sich die Systemtheorie sehr nützlich.
Ich halte die Zeichentheorie hier für nützlicher, wie auch bei der Erklärung von Kognition und Kommunikation (die ich nicht strikt trennen würde). Erklär mir derweil bitte, was "Abklärung der Aufklärung" sein soll.
Es ist sicher eine Mentalitätsfrage. Daher bist du auch viel mehr an Politik interessiert als z.B. ich.
Das mag sein. Ich sehe alles Denken politisch. Und darum wird mir noch nicht klar, was es zu bedeuten hat, daß Luhmann wider besseres Wissen strukturale Raster benützt, um den Humor seiner dynamischen Weltsicht darzustellen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Guten Morgen!

Gaius schrieb:
Bei mir ist angekommen, daß Luhmann - Dir zufolge - eine Unterscheidung zwischen Kognition und Kommunikation formuliert habe, und dann von gelungener oder gescheiterter Kommunikation gesprochen habe. Dann müsste man logischerweise auch vom Ge- und Mißlingen von Kognition sprechen.

M.E. nicht. Bei Kommuniaktion gibt es ja, obwohl als System verstanden, Teilnehmer, bei Kognition nicht. NA ja, wenn Kognition scheitert, müsste das Individuum schwachsinnig sein. Ich verstehe das Interesse an der Frage nicht. Wahrscheinlich, weil du Kognition und Kommunikation nicht schwarf trennen willst.
Das ist die allerbilligste der Ausreden, die einem Verfechter eines positivistischen Wissenschaftsverständnisses einfallen können. Die Soziologen der Frankfurter Schule haben sich vor der klassischen Erkenntnistheorie jedenfalls nicht gedrückt.
Warum so scharfe Worte? Sicher wollte sich Luhmann von der Philosophie (und auch von der Frankfurter Schule) abgrenzen. Sein Hauptanliegen war es ja, Soziologie (oder: die Gesellschaft) überhaupt erst mal zu definieren. UNd zwar nicht mehr als Ansammlung von Individuen (daher die Abgrenzung zur Kognition). Denn diese ungenügende Definition begründete für ihn die theoretische Schwäche der bisherigen Soziologie. Natürlich hat sich Luhmann laufend (im gegensatz zu mir, wie ich gerne zugebe) mit Kant und insbesondere Husserl auseinandergesetzt.

Die Unsicherheit allen Begreifens wird bei Luhmann (oder bei Dir?) also zur "Einberechnung" - das Wort meint: Berechnen auf Eines hin, oder Reduktion der Unterschiede gemäß einer vorgeordneten Systhematik. Ist in dieser Figur die Wahrheit über das Denken Niklas Luhmanns formuliert, oder muß ich am Ende noch Luhmann gegen seinen Adepten verteidigen?
Ich jedenfalls meine es so: Dass jede Letztbegründung irgendwann zirkulär wird. Oder tautologisch. Denn für das Warum? braucht man einen Punkt außerhalb des Systems. Oder einen Gott. Für alle Systeme (und alle Erkenntnis) braucht man eine erste Unterscheidung. Oder die Unterscheidung zwischen Unterschiedenem und nicht Unterschiedenem, Bezeichneten und Nichtbezeichneten. Luhmann hat sich darüber zwar seitenweise ausgelassen, aber wie ich es verstehe, die Antwort auf diese Fragen ins Reich der Spekulation verwiesen (und damit auch eine Schwäche seines Modells zugegeben). Aber: Muss diese Schwäche nicht jedes Modell haben? Oder haben andere das besser gelöst? Dies alles unter der Prämisse, dass sich eine mehr oder minder konstruktivistische Weltsicht durchgesetzt hat?!
Wenn Erklärungen über die Entwicklung der Welt stets spekulativ sein sollen, kann man Evolution nicht als verbindlichen Zeugen für eine Weltbeschreibung bemühen.
Der Unterschied spekulativ/nicht-spekulativ auf Luhmann übersetzt heißt wahrscheinlich: Dass man Prozesse im Nachhinein als plausibel Kausal beschreiben kann - aber eben nicht in die Zukunft (haben nicht alle Denker beim Denken in die Zukunft versagt?) Und auch die zwar plausible Vergangenheit muss als eine Möglichkeit unter vielen begriffen werden. Zweitens heißt es: Wie die Evolution in Gang kommt, ihr warum und was die erste Selektion ist, ist Spekulation
(Außer man macht sich die Mühe, Wörter wie "Evolution" aus dem allgemeinen Sprach- und Begriffsprozeß zu isolieren und ihre Bedeutung als ein für allemal feststehende zu behaupten.)
Wieso Mühe? Argumentierst du hier aus dekonstruktivistischer Sicht?
Sicher, die Wörter Variation und Selektion sind Teil einer Semantik, die man dekonstruieren kann. Aber man kann sie doch auch in mathematische Formeln packen. Muss ich auf das alles verzichten und mir nur noch um Zeichen und Bezeichnetes Gedanken machen? Aber dann werde ich doch erst recht zirkulär (so zumindest mein Eindruck bei dem was ich an Zeichenlehre und Dekonstruktion so mitbekommen habe).
Luhmann profitiert in jedem Wort von der Kritischen Theorie, installiert dann jedoch willkürliche Begriffsraster als Seiende und verleugnet so die kantisch/adornischen Hintergründe seines Denkens.
Luhmann profitiert sicher andauernd. Ein regelrechter Schmarotzer, der alte Sack! Aber profitieren heißt ja nicht: Darauf aufbauen. Das wäre ja schon wieder in Richtung historische Wahrheit gedacht.
Der Unterschied, Gaius, was das "willkürlich" betrifft: Ich sehe die Befunde, auch die Prämissen meist empirisch bestätigt. Ich finde sie mittlerweile gar evident! Du wirst sagen: Versaut! Aber für mich war das wirklich der Aha-Effekt, empirische Beonachtungen meinerseits in diese Theorie wiederzufinden.
Nö, völlig klar. Adorno sprach schon 1944 von der "Verwandlung von Philosophie in Methode". Vorläufig hat der Cheftheoretiker Luhmann, der kein Philosoph mehr sein will (obwohl er mehr als manche anderen Kollegen aus der soziologischen Fakultät ein solcher war) ja auch sein Machtwort gesprochen, indem er seine Raster aufs Fließen des Denkens gesetzt hat. Kritik kann da nur stören, wenn einer eine neue Sprache jenseits des philosophischen Begreifens erfinden will.
Luhmann hat immer betont, dass die Systemtheorie im Werden und Verändern ist. Ich weiß nicht, woher du deine Einschätzung Luhmanns als Dogmatiker nimmst. Ist er denn der Auseinandersetzung geflohen? Er und Habermas haben doch ein Büchlein zusammengeschrieben.
Außerdem darfst du Kritik hier nicht so allgemein über alles ausschütten. Wenn man Adorno liest, kommt einem spätestens im zweiten Satz entgegen: Die Welt ist schlecht, der Mensch unreif, die Gesellschaft korrumpiert. Bei Luhmann: Die Gesellschaft besteht aus Systemen. Oder in "Realität der Massenmedien" sinngemäß: Obwohl wir den Massenmedien misstrauen, müssen wir uns damitauseinandesetzen, dass sie fast die einzige Quelle unseres Weltwissens sind. Wie wird dieses Paradox verarbeitet?
IN dem einen ist die Kritk der Nukleus - im anderen kann ein kritischer Geist von der Theorie profitieren, ohne vorher normativ niedergewalzt worden zu sein. So zumindest meine Einschätzung.

Adorno, Luhmann und Derrida waren schärfere Beobachter als andere: welche Begriffssysteme sie bemühen, tritt vor der Genauigkeit ihrer Beobachtungen (ihrer "Befunde") zurück.
Das ist eine interessante Theorie. Zwar zucke ich zurück, wenn man etwas auf Personen reduzieren will (und damit auf: "Genies") aber ich werde darüber nachdenken.

Erklär mir derweil bitte, was "Abklärung der Aufklärung" sein soll.
Die Grenzen der Vernunft. Diese mögen nicht unbedingt im Individuum liegen (also man muss dem Menschen die Vernunftbegabung nicht absprechen) aber in der strukturellen Beschaffenheit von Kommunikation, die - aus "Vernunftsicht" - eine Schwäche darstellt. Die Eigendynamik von Kommunikation, die man m.E. eben nicht besser als systemtheoretisch erklären kann, verhindert eine Durchsetzung von allgemeiner Vernunft. Und zwar fundamental. Die Abklärung der Aufklärung ist Lumanns pointiert formuliertes Programm gewesen, dies zu zeigen (während andere Theorien davon ausgehen, dass man nur lang genug kritisch sein muss, damit alles besser würde -Derrida natürlich nicht mehr).
Das mag sein. Ich sehe alles Denken politisch. Und darum wird mir noch nicht klar, was es zu bedeuten hat, daß Luhmann wider besseres Wissen strukturale Raster benützt, um den Humor seiner dynamischen Weltsicht darzustellen.
Wider besseres Wissen? Verstehe ich nicht.
Aber braucht man nicht heutzutage vor allem Humor, um politisch zu sein? Aus meiner Sicht ein etwas anstrengender Humor.
Die normative Behauptung, es sei irgendwie Bürgerpflicht oder existientielle Pflicht, politisch zu sein oder zu denken, kommt bei mir nicht an. Ich Drückeberger!
 
Gaius schrieb:
Adorno, Luhmann und Derrida waren schärfere Beobachter als andere: welche Begriffssysteme sie bemühen, tritt vor der Genauigkeit ihrer Beobachtungen (ihrer "Befunde") zurück.

Um das noch einmal biografisch zu betrachten: Luhmann war ja ein etwas unterforderter Verwaltungsangestellter, der mehr zufällig auf die Theorien Parssons traf - der (soweit ich es verstanden habe) eine Art systematische Handlungstheorie vertrat. Das hat bei Luhmann die Initialzündung ausgelöst. Im Sinne von dem Satz, der auf der Rückseite von "Liebe als Passion" steht: ..."der Code ermöglichte ihnen erst, entprechende Gefühle zu entwickeln" würde ich für Luhmann formulieren: Die Theorie ermöglichte es ihm erst, entsprechende Ambitionen zu entwickeln...
UNd so empfinde ich persönlich es auch: Ohne ein Beobachtungsinstrument, das "passt" entwickelt mein keine Passion fürs Denken. Genie, gesunder Menschenverstandheit, was auch immer, reichen nicht.
Im Wettstreit der Denkinstrumente hat die Wahrheit leider ausgedient und man ist auf Konsistenzprüfungen und Plausibilität angewiesen. Das heißt aber nicht, dass Argumente obsolet werden und man sogar meinen kann, die eigenen Argumente wären besser...

Aber mal andersherum gefragt: Stört dich denn an den "kritischen Haltungen" nicht deren Hang zur Selbstgerechtigkeit, gar Inquisitorik?
 
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Robin schrieb:
Wenn Federer Tennis spielt, begeht er keine künstlerische Handlung; Denn diese ist nicht intendiert und sie wäre auch nicht vom bloßen Tennisspielen zu unterscheiden. Tennispielen ist einfach Tennisspielen, wenn dies bei jemand ästhetisches Gefallen auslöst, so ist das ein kognitives Phänomen, aber keine Kommunikation.
So habe ich's jedenfalls verstanden.
IN der Kommunikation muss zwischen Kommunikationshandlung und Information unterschieden werden, also zwischen Sprechen und Sprache, Schreiben und Schrift. Eine analoge Unterscheidung beim Beobachten eines Tennisspielers zu finden, wird arg spekulativ...

Grüße
Eins vorweg: Ich habe mit Soziologie wenig am Hut, ich studiere nur Germanistik und bin deswegen nur in diesem Zusammenhang mit Luhmann und der Systemtheorie in Kontakt gekommen. In diesem Kontext scheint die Systemtheorie als Erklärungsmodell reduziert worden zu sein, denn von drei Kommunikationskomponenten habe ich noch nie etwas gehört. Und es verwundert mich ein wenig. Wenn zu einer erfolgreichen Kommunikation gehört, dass der Kommunikationsakt auf eine bestimmte Art und Weise verstanden wird, ist der Code doch durch den Sender festgelegt, oder?
 
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