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Was ist Kunst?

JoeWanni schrieb:
Eins vorweg: Ich habe mit Soziologie wenig am Hut, ich studiere nur Germanistik und bin deswegen nur in diesem Zusammenhang mit Luhmann und der Systemtheorie in Kontakt gekommen. In diesem Kontext scheint die Systemtheorie als Erklärungsmodell reduziert worden zu sein, denn von drei Kommunikationskomponenten habe ich noch nie etwas gehört. Und es verwundert mich ein wenig. Wenn zu einer erfolgreichen Kommunikation gehört, dass der Kommunikationsakt auf eine bestimmte Art und Weise verstanden wird, ist der Code doch durch den Sender festgelegt, oder?

Ja. Aber nicht durch die Funktion des Senders, sondern durch den Inhalt der Kommunikation. Macht einer Kunst, nimmt er am System Kunst Teil, verteidigt er sich vor Gericht, am System Recht, kauft er ein, am System Wirtschaft usw...
Multikontexturalität nennt man das.
Luhmann streitet nicht ab, dass man Kommunikation auch anders definieren könnte (etwas Watzlawik - wie wird der geschrieben...:( ). Aber über eine so freie Auffassung von Kommunikation würden sich kaum Subsysteme mit eigenen Codes manifestieren. Es würde zu beliebig.
Die Phänomene, wenn jemand unbewusst Signale ausdrückt oder wenn von mir aus eine Handlung auch andere Assoziationen evoziert, sind eher Bestandteil anderer Sparten, vielleicht Psychologie. Oder auch: Die Kunst könnte sich damit beschäftigen, was sie am Tennisspielen ästhetisch findet...
Wenn du übrigens mal Luhmann im Original lesen willst (also jetzt nicht zu enttäuscht bist) empfehle ich Gesellschaftsstruktur und Semantik Bd. 4 oder Realität der Massenmedien oder auch das von Gaius gelobte Liebe als Passion; für letzteres solltest du aber mindestens so gut französisch können wie Gaius; die Zitate lässt der arrogante Luhmann nämlich immer in der Originalsprache...Gesellschaftsstruktur und Semantik Bd. 4 dagegen ist besonders gut zu lesen, da aus Vorträgen entstanden.

Grüße
 
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Ich gebe zu (was ich auch gesagt habe), dass ich Zwangsweise ja nur ein paar Gotic-Gruppen kenne. Dennoch behaupte ich, dass alle "falsche musik" machen. Denn wie obig beschrieben, kann keine "echte Musik" auf der Basis von etwas "falschem" (falsche Gefühle, falsche Instrumentierung, falsche Texte etc. ) wachsen. Dies ist einfach nicht möglich!

Also könntest du mir erklären was für falsche gefühle dahinterstecken?
Ich sag mal so, ( ein bemerkenswerter Teil) die diese Musik machen stecken voll dahinter. Von "falschen" (<-Unwort) Gefühlen, Texten kann gar nicht die Rede sein.. also schau dir einfach mal die Musikentwicklunk an (Jazz->Rock->Punk->Gothic) dann verstehste was ich meine. Was die Instrumentierung angeht so ist diese (wie bei allen professionellen Musikern) durchweg einwandfrei, sogar noch mehr, manche Sachen sind wirklich sehr kreativ. Fals du etwas Intresse haben solltest hör dir einfach mal die folgenden Bands an: Siouxie & The Banshees, Schandmaul, Bauhaus und
The Cramps (das sollte das meiste vom Spektrum abdecken, elektronisches ausgenommen)
 
"Liebe als Passion" liegt seit Monaten auf meinem Schreibtisch, aber ich habe bislang noch nicht die Zeit gefunden, es zu lesen.
Ich bin weiterhin verwirrt. Angenommen, jemand schreibt ein politisches Lied. Wie erklärt die Systemtheorie, dass einer dieses Lied als politische Agitation rezipiert und danach ein paar Mülltonnen anzündet, während ein anderer, ohne auf dem Text Beachtung zu schenken, den schönen Klängen lauscht? Der eine kommuniziert das Lied mit den Codes des politischen, der andere mit den Codes des ästhetischen Systems. Bei wem ist hier die Kommunikation "schiefgelaufen"? Und warum nicht bei dem anderen? Gibt es doch eine "Autorität" des Autors, die festlegt, wie das Werk rezipiert werden soll?
 
JoeWanni schrieb:
Angenommen, jemand schreibt ein politisches Lied. Wie erklärt die Systemtheorie, dass einer dieses Lied als politische Agitation rezipiert und danach ein paar Mülltonnen anzündet, während ein anderer, ohne auf dem Text Beachtung zu schenken, den schönen Klängen lauscht?

Warum Menschen Mülltonnen anzünden, erklärt keine Theorie so recht...
Es gibt natürlich keine objektive Entscheidungtsinstanz, die sagt, ob ein politisches Lied nun eher poklitische Kommunikation ist oder künstlerische. Oder beides. Das Entscheidende bei Kommunikation im Luhmann'schen Sinn ist die Anschlussfähigkeit. Und die schließt mit ein, dass es auch Missverständnisse gibt. Missverständnisse sind sogar wichtig für Kommunikation. Sie bedeuten die Möglichkeiten für Überraschung und Weiterentwicklung. Das System selbst entscheidet, was weitergeführt wird oder nicht. Und so kann auch die Tatsache, dass jemand ein Lied zur Aufforderung zur Randale versteht, obwohl es vielleicht nur metaphorisch gemeint war, dennoch das System weiter anregen.
Nochmals: Verstehen bedeutet keinsfalls Einverständnis. Verstehen bedeutet nur, dass verstanden wurde, dass da jemand singt und dass die Worte sprachlich decodiert werden können. Und wenn das nicht geht, weil die Verstärkeranlage so schlecht ist oder der Toning. ein Versager, dann wird sich die Kommunikation sowieso auf den nichtsprachlichen Teil, die Musik, konzentrieren.

Vielleicht sollte man noch unterstreichen, dass es verschiedene Beobachterperspektiven gibt. Will ich selbst kommunizieren, konzentriere ich mich natürlich auf den Inhalt und auf die Form und auf den, den ich in erster Linie als Adressaten erkenne.
Untersucht man Kommunikation aber wissenschaftlich (denn das ist die Beobachterperspektive eines Systemtheoretikers), konzentriert man sich darauf, ob und was verstanden wurde. Und dann gibt es Einzelfälle, wo schwer zu entscheiden ist, welche Codes vorherrschen und was passiert. Denn wissenschaftliche kommunikation ist ja auch fehlerhaft und auf das angewiesen, was der Wissenschaftler verstanden hat. Das ist ein sehr wichtiger Bestandteil einer konstruktivistischen Theorie: Das der Wissenschafter auch nur ein Beobachter ist, wie andere auch.
Ein kritischer Theoretiker würde sagen: Politsongs sind keine Kunst, weil: sie redundant sind, primitiv, falsche Gefühle vermitteln, billige Identifikationsmuster darstellen etc.
Oder ein anderer würde sagen: Sie sind Kunst, weil sie die Menscheit voranbringen, weil sie kritisch sind, weil sie Bestandteil einer wertvollen Dialektik sind etc.
Ein Systemtheoretiker würde sagen: Kommt drauf an, wie sie rezipiert wird. Oder: Die Zukunft wird zeigen, ob Politsongs im System Kunst eine evolutionäre Kraft darstellen.
Tja, genauer wird von denen nicht geliefert ;)
Das machen dann die Kritiker.
 
Das war noch nicht vollständig...

...was ich da vorhin geschrieben habe.
Es könnte der Eindruck entstanden sein, aus systemtheoretischer Sicht beobachte man nur Kunstrezeption.
Aber natürlich werden auch die Kunstwerke selbst betrachtet, auf der Suche nach Codes und Programmen.
Bei kunst sind diese Betrachtungen besonders kompliziert. Früher etwa, meinte man Ähnlichkeiten zwischen Wissenschaft und Kunst zu erkennen. Und man wies auf da Vinci hin, der beides in Personalunion war.
Heutzutage beschäftigt mich persönlich eher die Frage, was Kunst ist und was Unterhaltung?
Ein kreatives Werk, das seine Energien nur darauf verwendet, Variation in der Wiedererkennbarkeit zu bieten, scheint mir UNterhaltung zu sein. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Pop-Musik (aber nicht alle) geht diesen Weg.
Ein Politsong muss seine künstlerischen Mittel in hohem Maße wiedererkennbar gestalten - damit nicht vom Text abgelenkt wird.
Daher die große Menge Politbarden mit Gitarren und den immer gleichen Akkorden.
Aber vielleicht steckt ja die Kunst im Text? Nun ja, auch das hat ja Tradition.
Ich persönlich neige dazu, ein Polit-Song ist entweder Kunst oder Unterhaltung.
Dass er politisch ist, bezweifle ich indes. Er thematisiert Politik. Aber nicht jede Thematisierung von Politik ist politisch. Politisch ist, wenn es um Machtverhältnisse geht. Will ein Politsong tatsächlich an Machtverhältnissen rütteln?
Oder: Ist es nicht sein Sinnanspruch, politisch zu sein - in Wirklichkeit geht es aber um Unterhaltung (oder eventuell Kunst)?

O weh, ich glaube diese Überlegungen interessieren nun gar niemanden mehr... :autsch:

Aber trotzdem schöne Grüße
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Soll niemand sagen,...

...ich gebe mir keine Mühe. Also, hier aus dem Original:

"(...) daß Kommunikation überhaupt nur dadurch zustandekommt, daß sie in der Selbstbeobachtung (im Verstehen) Mitteilung und Information unterscheiden kann. Ohne diese Unterscheidung würde Kommunikation kollabieren, und die Teilnehmer wären darauf angewiesen, etwas wahrzunehmen, was sie nur noch als Verhalten beschreiben könnten. (...) Ohne diese in die eigene Operation eingelassene Unterscheidung könnte das System keine wiedererkennbaren Identitäten konstituieren und kein Gedächtnis entwickeln. Es könnte auch nicht evoluieren, keine eigene Komplexität aufbauen, (...) Gesellschaft, wie wir sie kennen, wäre unmöglich.
Aus den gleichen Gründen können an das Verstehen der Kommunikation keine hohen Ansprüche gestellt werden. Ansprüche können zwar hochgetrieben werden, erfordern dann aber ausdifferenzierte Sonderdiskurse [z.B. Wissenschaft, meine Anm.]. Normalerweise werden auch Ambivalenzen und Mißverständnisse mitgeführt, solange sie die Kommunikation nicht blockieren; ja Verstehen ist praktisch immer ein Mißverstehen ohne Verstehen des Miß.
Luhmann, Realität der Massenmedien, Opladen 1995

Mit Grüßen und Aufforderung zum Selbstweiterlesen ;)
 
Soll keiner sagen...
Robin schrieb:
...ich gebe mir keine Mühe.

Begründet könnte es auch keiner sagen!

Aber gerade deine Ausführungen bezüglich des Politsongs fand ich sehr interessant, weil ich mich damit vor einiger Zeit ziemlich ausgiebig (vom Arbeiterlied bis zur heutigen Zeit) beschäftigt habe, als ich noch die irre Idee hatte, Gysi davon überzeugen zu können, der Einfluss von John Lennon auf das politische Bewusstsein der Masse wäre nie so gross gewesen, wie er es immer noch sieht.
Von meiner Seite also :danke:
 
Kunst - Kunst und Technik

Kunst ist für mich sprechen - aussagen.
Wenn ich Klavier spiele, habe ich das Gefühl mich selbst auszusagen.

Eine ausgeprägte Technik (das Handwerk) kann einem das Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten erweitern, obwohl auch eine einfache Technik alles sagen kann. Die Kunst beginnt überhaupt erst da, wo ich die Technik vergessen kann, wo sie in den Hintergrund rückt - sie wird ein Instrument um mich auszudrücken, und hat - für sich selbst - in einem künstlerischen Werk keinerlei Bedeutung. Während des künstlerischen Aktes muss meine Aufmerksamkeit ganz von dem Handwerk befreit sein. Wie auch beim Sprechen die Aufmerksamkeit nicht auf die Lautbildung, sondern auf den Sinn des Auszusagenden gerichtet wird.

(Leider begegnen einem immer mehr Werke, wo Technik für sich selbst stehen
will, und der Aussage entbehrt. Technik kann wohl das Ego, niemals jedoch
das künstlerische Empfinden befriedigen)

In diesem Sinne spielt Technik (wenn überhaupt) nur für den Kunst-Schaffenden eine Rolle, in der Kunstbetrachtung zählt nur noch die Aussage.

Giacometti sagte so schön: "Es gibt unendlich viele plastische Arbeiten, die nie über den Zustand eines Tonklumpens hinausgekommen sind. Aber nicht das kleinste Stück Ton darf als solches in einer Plastik zurückbleiben."
 
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seradai, in allen Punkten meine volle Zustimmung, vielleicht bis auf den Giacometti: Aber nicht das kleinste Stück Ton darf als solches in einer Plastik zurückbleiben. - Ich glaube mit dir dass das Gefühl das Entscheidende ist, aber ich glaube weiter dass mir auch das Gefühl eingeben kann, diesen Tonklumpen eben doch so stehen zu lassen.

Wenn man Kunst auf Gefühlen basiert sieht - dann kann man natürlich eigentlich gar nicht drüber philosophieren und nicht drüber reden, und Zitate wie das folgende kann man getrost vergessen:

Es gibt natürlich keine objektive Entscheidungtsinstanz, die sagt, ob ein politisches Lied nun eher poklitische Kommunikation ist oder künstlerische. Oder beides. Das Entscheidende bei Kommunikation im Luhmann'schen Sinn ist die Anschlussfähigkeit. Und die schließt mit ein, dass es auch Missverständnisse gibt. Missverständnisse sind sogar wichtig für Kommunikation.

...obwohl natürlich, zumindest seit ein Kunstwerk nicht mehr möglichst realitätsnah abbilden muss (eg seit es Fotos gibt), dieses wirklich stimmt: Missverständnisse sind sogar wichtig für Kunst.
 
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