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Was ist Kunst?

Erkläre bitte Systemtheorie! Wie bringst Du das mit Kunst in Verbindung?

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Systemtheorie ist ein interdisziplinäres Erkenntnismodell, in dem Systeme zur Beschreibung und Erklärung unterschiedlich komplexer Phänomene herangezogen werden. Die Analyse von Strukturen und Funktionen soll Vorhersagen über das Systemverhalten erlauben. Die Funktionsweise der Systeme wird dabei durch Regelkreisschemata beschrieben. Die meisten Systemmodelle sind mathematisch abbildbar.

Die Begriffe der Systemtheorie werden in verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen angewendet. Die Systemtheorie will physikalische, biologische, psychische und soziale Phänomene erklären. In die Systemtheorie fließen Erkenntnisse aus Informatik, Physik, Biologie, Logik, Mathematik, Neurophysiologie, Ethnologie, Soziologie, Semiotik und Philosophie ein, wobei systemtheoretische Begriffe auf alle diese Wissenschaftszweige zurückwirken. Die Systemtheorie ist keine eigene Disziplin, sondern ein weitverzweigter und heterogener Rahmen für einen interdisziplinären Diskurs, der den Begriff System als Grundbegriff führt. Es gibt folglich auch nicht eine "Systemtheorie", sondern eher eine Vielzahl unterschiedlicher, zum Teil konkurrierender Systemdefinitionen und -begriffe. Es hat sich jedoch heute ein relativ stabiles Set an Begriffen und Theoremen herausgebildet, auf das der systemtheoretische Diskurs rekurriert.


Grundlagen
Der Begriff Allgemeine Systemtheorie geht auf den Biologen Ludwig von Bertalanffy zurück. Seine Arbeiten bilden zusammen mit der Kybernetik (Norbert Wiener, William Ross Ashby) und der Informationstheorie (Claude Shannon, Warren Weaver) die grundlegenden Überlegungen dieses Wissenschaftsansatzes. Weitere wichtige Theorien stammen von Humberto Maturana und Francisco Varela (Autopoiesis), Stuart Kauffman (Selbstorganisation), Bronislaw Malinowski und Alfred Radcliffe-Brown (Funktionalismus) sowie Talcott Parsons (Strukturfunktionalismus oder Systemfunktionalismus) und Niklas Luhmann (soziologische Systemtheorie).

Hauptströmungen der Systemtheorie
Die Systemtheorie beruht auf unabhängig voneinander entwickelten Ansätzen, die später synthetisiert und erweitert wurden: Der Begriff Systemtheorie bzw. Systemlehre stammt von Bertalanffy (vgl. "General Systems Theory"). Bertalanffy spricht von offenen Systemen und entwickelt den Begriff der organisierten Komplexität, der den dynamischen Austausch mit der Umwelt beschreiben soll. Erst mit der Ausformulierung des Informationsbegriffes ließ sich dieses Konzept jedoch weiter generalisieren. Bereits 1948 hatte Norbert Wiener mit "Cybernetics" (Kybernetik) einen ebenfalls zentralen Ausdruck geprägt, der heute mit dem Systembegriff eng verbunden ist. Ein weiteres verwandtes Konzept ist die Tektologie Alexander Bogdanows.

etc

siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Systemtheorie

Danke
 
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Hier hast du:
JoeWanni schrieb:
Der Versuch, den Begriff "Kunst" objektiv zu fassen, ist als endgültig gescheitert zu betrachten. Jahrhundertelang haben die größten Philosophen immer wieder Unsinn fabriziert, um eine "objektive", vom Kunstwerk ausgehende Definition zu finden. Einer kritischen Prüfung hält keiner dieser Versuche stand.

Diskussion ist damit nicht sinnlos. Die Systemtheorie entwirft ein hochkomplexes und äußerst fruchtbares Gebilde. Entitäten spielen keine Rolle, Kultur und Gesellschaft konstituiert sich in dieser Theorie einzig aus Kommunikation. Dadurch, dass der Mensch in der Lage ist, Kommunikation zu differenzieren, entwickeln sich Systeme. Das ästhetische System ist damit dasjenige, was nach dem Code interessant - uninteressant (oder auch nach dem Code schön-hässlich, was jedoch aufgrund der Übercodierung des Begriffes der Schönheit meist abgelehnt wird) bewertet wird.
Ein System hat ein sog. "symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium" (- dieses Monstrum hat Luhmann geprägt, da kann ich auch nichts für). Im Falle des ästhetischen Kommunikation - der Kunst - ist dies das "Werk". Dies entwickelt sich aus der Differenz von Medium (z.B. "Sprache"/"Schall") und einer "interessanten" Form (ein Gedicht, eine Symphonie). Was wir denn nun interessant finden, ist weniger ein philosophisches als ein hermeneutisches Problem.

Kunst ist das, wo eine "interessante" Differenz von Medium und Form wahrgenommen wird. Somit ist auch ein Fußballspiel "Kunst", sofern es nach dem ästhetischen Code rezipiert wird (interessant - uninteressant) und nicht nach dem Code des Sports (Sieg - Niederlage). Gleichzeitig bedeutet das, dass Kunst niemals unmoralisch, frauenfeindlich, subversiv, wahr/unwahr, rentabel im Verkauf o.Ä. sein kann. Wer ein Bild oder einen Roman so wahrnimmt, betrachtet ihn nicht als Kunst/Literatur, sondern aus seiner Umwelt - in meinen Beispielen als Teil des politischen, sozialen, ökonomischen oder wissenschaftlichen Systems.

Das ist die Wahrheit und Weisheit auf dem Silberlöffel. Wenn das zu knapp war (es ist äußerst reduziert, ich kann nicht beurteilen, ob es so noch einleuchten kann), kann ich gerne noch weiter ausholen. Dies sind natürlich nicht meine Gedanken, die moderne Systemtheorie hat Luhmann entworfen. Danken wir ihm dafür, sie lässt einen sehr viel klarer sehen.
 
Hallo!

Ich empfinde die Luhmann'sche Herangehensweise an das System Kunst auch sehr hilfreich.
Siehe dazu auch folgende Threads: https://www.denkforum.at/threads/2210&page=2&pp=15&highlight=obsz%F6ne
INsbesondere der Beitrag: Kunst und Freiheit, sowie:

https://www.denkforum.at/threads/1719&highlight=Systemtheorie

Ich möchte allerdings der These widersprechen, dass Sport Kunst sei. Sport operiert mit sehr einfachen Formen (Sieg/Niederlage, Techink/Taktik us.) und zieht seinen Reiz aus einem sehr starren Regelwerk, das einen festen Rahmen bildet, indem dann die "Dramen" des SPorts statffinden können.

Die "Aufgabe" von Kunst (auch im Luhmann'schen Sinn) ist die Welt darzustellen, wie sie auch sein könnte. Bzw. ist dies der Sinn von Kunst, so wie sie sich evolutionär entwickelt hat, weg von Imitation oder Bebilderung religiösen Erlebens, hin zu einem freien Spiel von Formen. Ziel der Kunst ist es, sich in der Welt kenntlich zu machen, indem sie Formen erzeugt/kombiniert, die zwar der normalen Realität entspringen, aber dennoch als Kunst (und damit künstlich?) erkennbar werden. Damit dies gelingt, muss ein Betrachter/Beobachter vorausgesetzt werden, der in der Lage sein kann, die Formidee wahrzunehmen und zu entschlüsseln. Nur dann kann die Kommunikation der Kunst "als Kunst" gelingen. Also muss eine Skulptur als solche wahrgenommen werden, damit sie Kunst wird und nicht Sperrmüll bleibt; genauso muss Musik als Komposition verstanden werden, damit sie nicht Geräusch bleibt (dass dann in beiden Fällen Betrachter zum Urteil kommen, es sei eben doch Sperrmüll oder Geräusch, ist ein anderes Problem...;) )
Dass Kunst mit zu einem großen Teil sinnfreien Strategien arbeiten kann und trotzdem fasziniert, muss an der Wahrnehmungsneugierde kognitiver Systeme liegen (und zwar sowohl der der Künstler sowie dier der Rezipienten). Kognitive Systeme scheinen von natur aus an Formvariationen interessiert zu sein - was Wunder, hat diese Neugier doch der Menschheit seine rasante soziale und teschnische Evolution erst ermöglicht...
 
ich spreche nicht ab, dass "die barocke Regelpoetik (Paradebeispiel Rhetorik) von der Genieästhetik abgelöst wurde", aber gerade in dieser Zeit sind einige der wichtigsten Traktate über Aufführungspaxis, Musiklehre, Kompositionslehre etc. entstanden, ohne die es heute keine schlüssige "historische Musikaufführungspraxis" aus dem 18. Jahrh. gäbe. (Quantz, Leopold Mozart etc.)
Aber selbst dies ist nur eine schlüssige Weiterentwicklung der Künstler der Frührenaissance (eigentlich galten sie noch nicht als Künstler sondern unterstanden der Handwerkszunft), die immer zu Ehren Gottes, anonym, sich selbst als Kanal sahen,das Kunstwerk schufen, zum selbstständigen Künstler, der sich beim Namen nannte und auch selbst signierte, bis hin zum Barock, wo der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens war.
Also wenn ein Regelwerk das andere Regelwerk und sei es auch das des Genietums ablöst, bekräftigt dies ja eher meine Aussage, dass jedes Kunstwerk eine Form braucht, die von Regelwerken umschlossen ist und die auch nur deshalb entstehen konnte, weil das vorige Regewerk zu starr wurde (oder auch aus irgendeinem anderen Grunde auch, das ist jetzt aber nicht so wichtig).
Das Genietum wurde ja auch wieder von der Romantik, mit einem eigenen Regelwerk abgelöst. Und so weiter.
Der große Bruch zwischen Künstler und Rezipienten enstand mit dem Aufkommen des Radio (vereinfacht ausgedrückt) als neben zeitgenössischer Musik auch historische Musik aufgeführt wurde, sich die zeitgenössische Musik immer weiterentwickelt hat, ohne eigentlich auf den "Hörer" zu achten, diesen also sich mitentwickeln zu lassen, um schließlich ganz zum Bruch zwischen Musikhörer und Komponisten zu kommen. Heute gibt es nur noch eine kleine Schar Musikinteressierter, die sich mit Begeisterung einen Riehm anhören.
Ich gebe zu, dass ich damit "Kunst" nicht definiere, wie Du es vielleicht ansatzweise mit der Systhemtheorie versuchst, aber ich trage bestimmte Baussteine zusammen, die ein Gerüst oder ein Fundament zur Kunst darstellen.

Es gäbe da natürlich auch noch andere Aspekte, wie "Einmaligkeit". ich habe mal vor nicht allzu langer Zeit einen sehr interessanten Artikel über Kunst und Fotografie gelesen. In diesem Beitrag wurde etwas angesprochen, was mich sehr angeregt hat. Ein Tourist kann ohne weiteres einmal per Zufall, in einem richtigen Augenblick, zur richtigen Stunde ein absolut perfektes Kunstfoto schießen. Ein junges Discogirl kann durch Zufall im richtigen Augenblick beim Tanzen die Grazie einer begnadeten Ausdruckstänzerin finden etc. Aber, und das ist wichtig, glaube ich nicht, dass ein Hobbymaler oder ein heutiger Möchtegernkünstler, jemals auch nur andeutungsweise, die Anmut, Aussagekraft, Transparenz und Komposition eines wirklichen Künstlers treffen kann. Dies ist eben aus den obig genannten Gründen (dem letzten langen Posting) nicht möglich. Alleine schon technisch unsvorstellbar.
Wohingegen die heutige falche und plakative, sei es auch die sogenannte Gegenständliche Malerei, die ohne fundiertes Wissen über Maltechnik, Untergrundvorbereitung etc. zurecht kommt, durchaus von jedem einigermaßen begabten Schüler oder Hobbymaler nachvollzogen werden kann.
Gab es nicht erst vor kurzem in Augsburg einen riesen Skandal (Sorry, ich habe es nur am Rande mitbekommen) wo ein Affe ein Bild gemalt hat und dieses Bild zur Auktion kam und teuer erworben wurde?
 
Robin schrieb:
Hallo!
Ich möchte allerdings der These widersprechen, dass Sport Kunst sei. Sport operiert mit sehr einfachen Formen (Sieg/Niederlage, Techink/Taktik us.) und zieht seinen Reiz aus einem sehr starren Regelwerk, das einen festen Rahmen bildet, indem dann die "Dramen" des SPorts statffinden können.
Sehr richtig, was du sagst. Hier hast du mich allerdings missverstanden. Ein Fußballspiel ist nicht "Sport", es ist auch nicht "Kunst". Was es ist, hängt davon ab, wie es rezipiert wird. Der Code des Sports mit seinem symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium "Match" ist der von "Sieg" und "Niederlage" bzw von "Erfolg" und "Misserfolg". Gerade hat Bochum gegen Saarbrücken gewonnen und ich habe mich sehr über den Sieg gefreut, wobei mir egal war, wie schlecht das Spiel gewesen ist. Ich habe das Ereignis als ein sportliches aufgenommen. Wenn ich dagegen in Wimbledon sitze, Erdbeeren mit Schlagsahne esse und mir ein Endspiel anschaue, bei dem es mich eigentlich gar nicht interessiert wer gewinnt, sondern mich die Ästhetik des Spiels fasziniert - dann nehme ich das Ereignis nach einem anderen Code war, und zwar nach dem des Kunstsystems (interessant - langweilig). Dann kommuniziere ich dieses Ereignis nicht als "Match" sondern als "Werk".
 
Hallo,

ich will hier noch einmal verkürzt zitieren, wie ich in einem anderen Thread die Autonomisierung der Kunst zusammengefasst habe. Diese Aufstellung ist stark von Systemtheorie beeinflusst.

Die Autonomisierung der Kunst kann in vier Phasen eingeteilt werden, die, obwohl nicht in allen Bereichen der Künste zeitgleich abgelaufen, doch als evolutionär aufeinander aufbauend gesehen werden sollten. Mit den Phasen werde ich auch versuchen die Freiheitsgrade zu skizzieren, die dabei verloren gehen.

1) Ablösung der Künste von anderen Systemen, insbesondere der Religion. Verzicht auf das Primat der Imitation, der reinen Ornamentik oder (im Bereich der Musik) der Unterhaltung, bzw. Begleitung von religiösen oder weltlichen Ritualen.
Dadurch kann in der Kunst die Themenwahl freier gestaltet werden und es bilden sich auch Formexperimente heraus, die aber noch durch Tradition diszipliniert werden (in der Musik etwas Tänze, die man aber nicht mehr tanzt etc.)
Dabei verloren geht ein "naiver" kunsthandwerklicher Zugang, es bilden sich Kriterien heraus, die dann vom "Geschmack" oder der "Mode" abhängen und den Künstler einschränken. Außerdem entwickelt sich seit dem das Kriterium der Neuheit, das sich mit der Zeit zu einem Primat auswächst.
2) Auflösung des Patronage-Systems und entstehen erster "freier" Künstler (natürlich existiert beides noch eine Zeit parallel). Da der Begriff des Geschmacks außer Mode kommt und nicht mehr nur ein gebildeter Laie bestimmen kann, was auf dem neu entstehenden Markt Wert hat, wird der Kritiker erfunden. Dieser diszipliniert den Künstler und gibt dem Käufer Orientierung. Natürlich schränkt dieses System nicht nur den Künstler ein, der von der Kunst leben muss. Auch der, der qua Geburt ausgesorgt hat, kann sich diesem System nicht entziehen und man bemerkt schon, dass künstlerische Anerkennung und künstlerischer Erfolg kaum zu trennen sind.
3) In der klassischen Avantgarde die Befreiung vom schönen Schein. Musik, Bilder auch Literatur müssen nicht mehr unmittelbar gefallen, sondern wollen "erschlossen" sein. Der Künstler befreit sich von Harmonie, Gegenständlichkeit, Verständlichkeit und darf Anstrenungen des Publikums voraussetzen. Damit nimmt sich der Künstler aber auch die Möglichkeit, von der "Masse" (oder: dem dispersen Publikum) unmittelbar rezipiert zu werden und muss (!), will er sich verstanden wissen, unter seinesgleichen bleiben.
Das Enigmatische der Kunst bereitet aber auch den Boden für vermehrte Richtungsstreits unter Künstlern. Der Künstler muss erklären, erklären und erklären. Ist sogar auf Philosophen angewiesen, auf die er sich gelegentlich in der Kunst dann wieder bezieht.
Vor allem aber bekommt der Künstler die Verantwortung aufgeladen, für die Befreiung der Gesellschaft zuständig zu sein. Er muss gesellschaftlich relevant schaffen und bemerkt erst einige Zeit später, dass das die Gesellschaft gar nicht groß interessiert hat.
Bei einigen Künstlern (im Ostblock aber auch bei Hitler) wird ihre Befreiungsverantwortung gar institutionalisiert und sie müssen nun unter Staatsregie den neuen Menschen schaffen. Wie unfrei sie dabei werden, wird einigen erst schleichend klar.
4) In der letzten Phase stellen Künstler die Kunst selbst in Frage, indem sie deren Grenzen austesten. Dazu gehören Handlungen, die ohne Deklaration als Kunst nicht als solche zu erkennen sind. Oder Kunstwerke, die ihre eigene Erkläung sind und sich dadurch sinnlichem Zugriff entziehen. Die Freiheit, die sich diese Künstler versagen, ist natürlich dann die, Kunst zu machen.

Reuther, das Problem bei deiner Argumentation ist, dass sie fast rein normativ ist, also verkürzt sagt: Schlechte oder unqualifizierte Kunst sei keine Kunst.
Ich bin aber der Meinung, dass - bei aller Kritikwürdigkeit heutigen Kunstgeschehens - man von dem ausgehen muss, was als Kunst betrachtet und gehandelt wird. Und dann wird man sehen, dass auch schlechte Kunst zur Kunst dazu gehört, ja, sie ist sogar notwendig, um Hierarchien aufzubauen, den Kritikern Stoff zu geben und dem Künstler Abgrenzungsmöglichkeiten.

Desweiteren muss man bei diesen Betrachtungen immer Sonderfälle unter speziellen Gesichtspunkten betrachten und zum Beispiel sehen, dass für den Bereich Musik unsbesondere unter der Zielsetzung der Reproduktion verstorbener Komponisten mit Perücken in der Tat hohe spezifische technische und historische Kenntnisse vonnöten sind.
Gleiches gilt für lebendige Komponisten mit dem Hang zu fast unspielbaren und überkomplexen Partituren.
Aber selbst dann kann man nicht mit einer historischen Wahrheit argumentieren, denn das ist, was du tust; dass der europäisch-klassische Weg ist, in der Musik Kunst zu machen.
Wie ist das mit der Musik fremder Kulturen, die müsste dann automatisch keine Kunst sein (geringere Komplextät, Nichtwissen der Historie, weniger technische Ausbildung an Musikhochschulen...)?
Der Weg über historische, normativ begründete Wahrheiten führt zu keiner Definition von Kunst.
Denn genauso könnte man argumentieren, dass die extreme Verschultheit, die übermäßige Komplexität, die steife Aufführungsnorm, das elitäte Gehabe den Euopäer von der Kunst weggeführt habe.
So argumentier ich nicht, könnte man aber, wenn man eben andere normative Aspekte der Kunst betont (Zugänglichkeit, Mneschlichkeit, emotionale Direktheit und Tiefe, spiritueller Sinn).
 
JoeWanni schrieb:
Wenn ich dagegen in Wimbledon sitze, Erdbeeren mit Schlagsahne esse und mir ein Endspiel anschaue, bei dem es mich eigentlich gar nicht interessiert wer gewinnt, sondern mich die Ästhetik des Spiels fasziniert - dann nehme ich das Ereignis nach einem anderen Code war, und zwar nach dem des Kunstsystems (interessant - langweilig). Dann kommuniziere ich dieses Ereignis nicht als "Match" sondern als "Werk".

Ich gebe zu, dass ich auch gerne mal in Wimbledon bei Erdbeeren und Tennis säße und mir die ästhetischen Aspekte des Tennisspiels (Sharapowa ;) ) mal aus nächster Nähe betrachten würde.
Deine Argumentation, so originell sie ist, hängt aber daran, dass hier kaum von gelungener Kommunikation die Rede sein kann, wenn Federer gewinnen will, du aber nur ein schönes Spiel sehen wolltest. Dann hast du Federer sozusagen "nicht verstanden". ;)
Auch den Code des Kunstsystems auf interessant/langweilig zu reduzieren finde ich problematisch. Luhmann selbst hat sich beim Benennen dieses Codes sehr schwer getan. Scheinbar spielen je nach Zeit und Zusammenhang schön/hässlich, interessant/uninteressant, neu/bekannt zusammen.
Vielleicht ist Kunst das System, das in seiner Reproduktion den Code immer neu mitdefiniert. (deshalb gibt es ja so viele Künstler, die über ihre Werke dann auch noch theoretisieren) :)
 
Du musst scharf zwischen der Codierung und der Programmierung trennen. Die Codierung eines Systems steht für alle Zeiten fest. Sie konstituiert das System. Luhmann hat sich schwer getan, hat allerdings den Code "schön - hässlich" vorgeschlagen. In der neueren Forschung wurde dies abgelehnt, da der Begriff des "Schönen" seit der kantischen Definition auch zugleich mit dem Wahren und dem Nützlichen verknüpft ist. Damit ist der Begriff "übercodiert", da er neben der ästhetischen eine philosophische und damit (systemtheoretisch) eine wissenschaftliche Perspektive beschreibt. Das nur am Rande, darüber kann man sicherlich streiten. Auf den ersten Blick leuchtet "schön - hässlich" sicherlich eher ein als "interessant - uninteressant".
Die Codierung alt - neu erscheint mir hingegen eher als temporäre Beschreibung der zeitlich wandelbaren "Programmierung" der Kunst. Als Beispiel die Satire: Sie bezieht sich auf ein Werk. Dieses Werk ist formiertes Medium. Die Satire macht diese Form wiederum zum Medium, das sie erneut formiert. Eine solche Selbstreferentialität ist ein Beispiel für eine "Programmierung". Ein anderes Beispiel die Literatur des Dadaismus: Hier verschwindet die Form im Medium. Die besondere Bedeutung des "Neuen" könnte man zB. in einer systemtheoretischen Bezeichnung der Kulturindustrie, wie Adorno sie beschreibt, unterbringen. Nicht der Code wird immer neudefiniert, sondern das Programm.

Zum Tennisspiel nochmal: Die entscheidende Aussage der Systemtheorie ist ja gerade, dass Dinge nicht etwas "sind", sondern nur als etwas kommuniziert werden. Deswegen hätte ich auch Federer nicht "nicht verstanden" bzw das spielt für diese Theorie keine besondere Rolle.
 
JoeWanni schrieb:
Du musst scharf zwischen der Codierung und der Programmierung trennen. Die Codierung eines Systems steht für alle Zeiten fest. Sie konstituiert das System. Luhmann hat sich schwer getan, hat allerdings den Code "schön - hässlich" vorgeschlagen.
Zumindest in dem Buch "Die Kunst der Gesellschaft hat er die Frage offen gelassen, bzw. nachgezeichnet, wie die Differenz schön/hässlich historisch durch andere Differenzen abgelöst wurde.
Wir müssen bedenken: IN allen Subsystemen der Gesellschaft wird mit Formen gearbeitet; beim Kunstsystem ist aber die Formgebung gleichzeitig auch der Sinnanspruch des Systems. Das Formexperiment, die Gestaltung ist Inhalt der Kunst. Daher erklärt sich vielleicht, warum es bei der Kunst besonders problematisch ist, den Code zu benennen.
Dass die Codierung eines Systems für alle Zeiten fest steht, ist m.E. diskutabel. EIne Codierung festzulegen ist eine Kommunikation und somit ein Wiedereintritt eine Unterscheidung in die eigene Unterscheidung (in dem Fall Wissenschaft, wahr/falsch). Ein Re-Entry, dieser Begriff wird dir etwas sagen.
Da Luhmann ja auch den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Semantik untersucht hat, ist natürlich auch die Semantik der Bezeichnung einer Codierung wandlungsfähig. Vielleicht argumentiert man: Ja, aber wenn sich die Codierung semantisch verändert, ist es nicht mehr dasselbe System. Aber was ist bei einem System, das sich im Sinne der Idee der Autopoiesis sowieso momentweise konstituiert "Identisch"?
Ein Spezialdiskurs, zugegeben, aber interessant ;)
(Dass die Unterscheidung schön/hässlich in der Moderne untauglich ist, dabei stimme ich dir zu - wenn man allerdings Reuthers Ansatz hat, mag er Beifall finden...)

Nicht der Code wird immer neudefiniert, sondern das Programm.
Das stimmt natürlich, unbesehen meiner obigen Ausführungen. Sicher ist Neuheit ein Programm - aber INteressantheit wäre auch nur eines, oder?
Sehr interessant hier die Ausführungen zur "admiratio" in "Gesellschaftsstruktur und Semantik IV"

Zum Tennisspiel nochmal: Die entscheidende Aussage der Systemtheorie ist ja gerade, dass Dinge nicht etwas "sind", sondern nur als etwas kommuniziert werden. Deswegen hätte ich auch Federer nicht "nicht verstanden" bzw das spielt für diese Theorie keine besondere Rolle.

Ich stimme zu, dass Luhmann Kommunikation immer vom Rezipienten, also von der Decodierung aus analysiert; aber er ist hier nicht beliebig. Die drei Komponenten für Kommunikation sind bei ihm: Kommunikationshandlung, Information, Verstehen. Nur wenn alles drei eintritt, ist es in seinen Augen Kommunikation. Er benutzt diese Differenzierungen, um sich gegen "interpretierte Handlungen" abzugrenzen. Als Beispiel eine Frau, die ihr Taschentuch verliert; früher mag das ein Kommunikationscode gewesen sein, um Bekanntschaften zu machen ("Sie gefallen mir"). Heutzutage kann nicht vernünftig zwischen einem gewollten Taschentuch-Verlieren und einer schlichten Handlung unterschieden werden. Oder jemand dreht durch und tanzt auf der Straße. Jemand sieht es und meint, der Mann wolle vor einer Katastrophe warnen. Hier findet laut Luhmann keine Kommunikation statt. Könnte man auch anders definieren, aber Luhmann zieht hier eine Grenze, die einfach pragmatisch sinnvoll ist.
Wenn Federer Tennis spielt, begeht er keine künstlerische Handlung; Denn diese ist nicht intendiert und sie wäre auch nicht vom bloßen Tennisspielen zu unterscheiden. Tennispielen ist einfach Tennisspielen, wenn dies bei jemand ästhetisches Gefallen auslöst, so ist das ein kognitives Phänomen, aber keine Kommunikation.
So habe ich's jedenfalls verstanden.
IN der Kommunikation muss zwischen Kommunikationshandlung und Information unterschieden werden, also zwischen Sprechen und Sprache, Schreiben und Schrift. Eine analoge Unterscheidung beim Beobachten eines Tennisspielers zu finden, wird arg spekulativ...

P.S. Interessant auf jemanden zu treffen, der in dieser Begrifflichkeit firm ist. dabei kann man nur lernen.

Grüße
 
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Anhand eines Beispieles wage ich es aber trotzdem, um einen Einblick in mein Verständnis einer Gefühlsduselei zu geben. Wenden wir uns einmal der Gothic-Musik zu. Diese Form der Musik versucht mit mittelalterlichen Stilmitteln und Instrumenten eine Illusion dieser ?Gotic? vorzugaukeln. Ich frage mich, wieso dann nicht ehrlich sein und wirklich diese Musik anhören. Ich garantiere jedem, dass diese originale Musik 10 Mal mehr origineller ist (sagt ja alleine schon der Name!) als jede billige-immitierte, verpoppte und elektronisch verzerrte Gotic-Gruppe dies je konnte und je können wird! Abgesehen von den filmreifen Maskierungen, Tätowierungen und der Verwendung elektronischer Instrumente und Hilfmittel, ist da nicht viel los. Was ich hiermit sagen wollte war dies. Wenn keine Weiterentwicklung nach obig beschriebenen Muster und Regelwerken passiert, kommt es zu solch peinlichen Vorstellungen wie diese Gotic. (Aber das trifft auf jede Form der Rock und Popmusik zu!- Aber das überlass ich jedem einzelnen sich damit auseinanderzusetzen) Man spielt also unter der Voraussetzung falscher Musik mit falschen Gefühlen! Das sollte man sich anhand dieses Beispieles einmal überlegen! Und wenn man technisch gesehen, diesen Möchtegern Folterknechten auch noch mal den Strom abstellen würde, dann würden sie nämlich ganz schön traurig aussehen, weil sie vielleicht gar nicht spielen und singen können? Ohne Instrumentenkunde und Instrumentaltechnik, ohne Stimmausbildung ist nämlich tote Hose!


Ich finde es recht heikel wenn nicht sogar verkehrt die künstlerische Qualität nur reduziert auf ein Genere zu beurteilen. Um mal selber ein Beispiel zu geben.. auf die Stilrichtung Metall wird, wie ich es erlebe, häufig künstlerisches, kreatives abgesprochen. Das trifft sicher auch auf einen großteil dieser Musik zu aber eben nicht auf alle (z.B. DreamTheater).
Genauso stehts auch mit dem Genere Gothic, vieles ist Show aber manche Sachen, besonders was den Gesang betrifft sind schon sehr herausragend.
Im allgemeinen will ich damit sagen das Kunst und Weiterentwicklung auf vielen "Schlachtfeldern" ausgetragen wird.
 
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