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Warum?

jolanda

New Member
Registriert
19. Juni 2006
Beiträge
87
Warum?

Warum verletzt man sich selber, mit so einer Intensität, das es schon kriminell einzustufen wäre? Welche Prozesse laufen, wenn man sich selber nichts wert ist.

Weshalb verzichtet man auf lebensnotweniges, wenn es doch im Überfluss vorhanden ist.

Viel Fragen, sehr viele Fragen.

Und immer diese Stimmen im Kopf, die diese vielen zerstörenden Gedanken am Leben erhalten, die einen dazu anstiften Verletzungen ausführen.

Im guten Gewissen - man muss tun, was man tun muss. Welche Kraft treibt einem voran, welche Untertanen des Wahnsinns führen die Peitsche? Böse, vernichtende Gestalten, die der Phantasie entsprungen, werden durch die Macht der Angst ins Leben gerufen.

Anstrengender, vernichtender Alltag, für das man sich entschieden hat. Entscheidet man sich selber dazu oder wird man durch Schicksal dazu verdammt. Ist der Kraftraubende Kampf dieses Lebens Bestimmung? Ist man von oben auserwählt.

Kann man sich dagegen wehren?

Darf man sich dagegen wehren?

Soll man sich dagegen wehren?

Muss man sich dagegen wehren?

Wenn der Lebenssaft zum eintrocknen beginnt, beginnt man zum denken, hinterfragen, zweifeln.

Nur wer kennt die Antwort, wie soll man dem Wahnsinn Einhalt gebieten und vor allem Warum?

Ein kleiner Funke von Hoffnung beginnt zu keimen, gibt es Hilfe von außen, hat jemand den Mut mit offenen Augen in diese dunkle, verdreckte Hölle zu blicken?

Soll man diese Qualen der eigenen Hölle überhaupt offenbaren, das schwere, massive Tor mit Gewalt öffnen. Ignoranz und Dummheit ertragen, Demütigungen abwehren. Wurde man nicht zu früh ins Leben entlassen?

Man findet Menschen, die wie Menschen denken und handeln – will man die Gesellschaft der Menschen? Zaghafte Annäherung, erleichtertes Aufatmen, die eigenen Prophezeiungen sind nicht eingetroffen. Glückseligkeit, Freude verspüren, Enttäuschungen ertragen, ich bin am Leben.

Schritt für Schritt, vorsichtiges herantasten, wie könnte ein helleres Leben aussehen?

Gefährliche Verletzbarkeit, Schritte zurück, die Hölle kennt man auswendig, man fühlt sich wieder in falscher Sicherheit.

Vertrauen erlernen, mutiges heranpirschen an Lösungen und neuen Ideen. Kräfteraubendes Umsetzen, Stück für Stück, panischer Rückzug in die gewohnte Hölle. Kinderlachen, Kindertränen, hat man nicht eine große Verantwortung?

Man spürt einen Kampfgeist, man liebt seine unschuldigen Kinder, was setzt man aufs Spiel?

Augenblicke der Freude, unbeschwertes Lachen, die ersten Empfindungen des Glücks.

Entscheiden werden getroffen, der feste Entschluss den Lebenssaft wieder fließen zu lassen.

Beginn einer neuen, spannenden Zeit. Kurzweiliges Aufflackern alter zweifelnder Gedanken.

Trotziges Voranschreiten beider Beine, der Verstand, getragen von zwei Händen. Schwerer Befreiungskampf um das Herz, dass noch in der selbst erschaffenen Hölle gefangen.

Helfende Hände die mit anpacken, positive Energien, unsagbare Freude über das gerettete Herz.

Wachsames Auge, das schwere Tor beobachtend, daß nicht mehr vollständig geschlossen werden konnte.

Trauer und Furcht, Dankbarkeit, die Hölle gesehen, erlebt und ihr entkommen zu sein.

Hoffnung, Zuversicht – nie mehr Sehnsucht nach dieser Hölle zu​
 
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AW: Warum?

Dem abschließenden Satz nach, könnten dies die letzten Worte von jolanda gewesen sein. Im Satz verstorben. Eine ungewöhnliche und kurzweilige Todesart.
Ein neues Stilmittel oder der passende Moment?

nooneknows...
fuel.
 
AW: Warum?

Hallo Jolanda,

deine Malerei wird dich retten, mach weiter!
Du hast dich mit deinen Bildern noch nicht ganz freigeschwommen, bist aber auf dem besten Wege!
Das Leben scheint oft völlig sinnlos, wer kennt das nicht!
Ich verlasse mich immer wieder darauf, dass wir die großen Zusammenhänge nicht wahrnehmen können, aber warum das so ist, weiß ich auch nicht!

Alles Gute für dich von
Fortuna
 
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AW: Warum?

Diese schwermütigen Gedanken passen zu Allerheiligen. Ich habe sie schon mal gelesen, Jolanda, und mich jetzt wieder dran erinnert. Gestern ist bei uns eine Frau gestorben, noch nicht 70, morgen ist das Begräbnis. Für mich sind das deshalb heuer besonders traurige Allerheiligen, weil ich mit dieser Frau einige Erinnerungen verbinde, die mich sehr nachdenklich machen. Sie hatte nur einen Arm, ich kannte sie mein ganzes Leben lang nur so, und sie erzählte mir vor ein paar Jahren ihre Geschichte, wie sie ihren Arm verlor. Ich habe sie damals aufgeschrieben und auf CD gebrannt, deshalb brauche ich es hier nur reinkopieren, was ich ungekürzt tun will:

Ein Schicksal
Eine Geschichte aus einem Dorf​

Meine Eltern betrieben früher eine kleine Landwirtschaft. Da wir keinen Platz für die Futtervorräte für unsere Kühe und Schweine hatten, pachtete mein Vater von der Familie O. den Stadl, der aber sehr weit weg von unserem Haus stand. Von dort mussten meine Eltern immer wieder das Stroh mit dem Buckelkorb am Rücken holen. Bei dieser besonders im Winter beschwerlichen Arbeit mussten auch meine älteren Geschwister mithelfen, ich selber war dafür noch zu jung.

Im Sommer 1941 war ich gerade drei Jahre alt und mein Vater brachte das Erntegut mit dem Leiterwagen zum Dreschen in den Stadl. Zu dieser Zeit gab es im Ort zwei Dreschmaschinen mit Motor, erst später, 1952, kauften meine Eltern gemeinsam mit elf anderen Kleinbauern ebenfalls eine solche. Die Dreschmaschine (die „Jidin“, s. S.61) wurde nun in den Stadl gestellt und viele Leute halfen beim Dreschen. Meine Mutter musste daheim für alle kochen und an einem solchen Tag gab es immer viel und Gutes zu essen, denn bei dieser mühsamen Arbeit war der Hunger besonders groß. (Nicht umsonst heißt ein Sprichwort „Der isst wie ein Drescher“!)

Am Nachmittag trug meine Mutter zur Jausenzeit das Essen in den Stadl hinunter, wo dann ausgiebig gegessen, getrunken, gescherzt und gelacht wurde. Meine Mutter hatte meiner älteren Schwester aufgetragen, auf mich, der Kleinsten, aufzupassen und mit mir daheim zu bleiben.
Aber meine Schwester war mit elf Jahren selber noch ein Kind und wollte unbedingt auch bei der geselligen „Drescherrunde“ dabei sein, wo man außerdem immer vieles sehen und erleben konnte. Und so ging sie mit mir zu den Dreschern hinunter.

Niemand fiel auf, wie ich mich bei der Maschine herumtrieb, während alle draußen im Schatten jausten. Der Motor wurde bald angeworfen, alle gingen zu ihrem Arbeitsplatz, da passierte es: Die Strohpresse erwischte mich am linken Arm und trennte ihn beim Ellbogen ab! Meine Eltern schrien entsetzt auf, als sie meinen Arm sahen, der nur mehr an der Haut herunterhing. Die Arbeit wurde sofort eingestellt und die Leute gingen geschockt heim. Meine Mutter trug mich schreiend und weinend auf den Armen nach Hause und ich wurde in das Spital eingeliefert.
Als ich nur mehr mit einem Arm nach Hause kam, wurde ich von den Eltern und Geschwistern sehr verwöhnt.

Es ist nicht leicht, nur mit einer Hand zu leben und den Alltag zu bewältigen, besonders wenn man so wie ich fünf Kinder großzuziehen hat. Erst jetzt, wo ich schön langsam in die Jahre komme, nehme ich mir immer öfter die Zeit, darüber nachzudenken, wie oft ich mich in meinem Leben in Situationen befand, wo ich mich gefühlt habe wie ein Mensch zweiter Klasse...

jolanda schrieb:
Wenn der Lebenssaft zum eintrocknen beginnt, beginnt man zum denken, hinterfragen, zweifeln.

Man spürt einen Kampfgeist, man liebt seine unschuldigen Kinder, was setzt man aufs Spiel?

Schwerer Befreiungskampf um das Herz, dass noch in der selbst erschaffenen Hölle gefangen.

Helfende Hände die mit anpacken, positive Energien, unsagbare Freude über das gerettete Herz.

Das Herz hat versagt, die Frau hatte schon zu viel Wasser und hätte unbedingt eine Herztransplantation gebraucht. Ihr Gatte ist vor 3 Jahren gestorben, auch erst ein Mittsechziger, ein Schwerarbeiter, der erst im Alter fast blind geworden ist. Sie hat immer angepackt mit ihrem Arm, hat ihn umsorgt, wie sie auch ihre 5 Kinder mit nur einem Arm großgezogen hat, die alle verheiratet sind und längst nicht mehr daheim leben.

Sie selber ist als jüngstes Kind im Haus geblieben und hat ihre Mutter gepflegt, die jahrelang bettlägerig war.

Sie selber blieb schließlich allein. Von den Kindern wurde sie nicht im Stich gelassen, sie gingen eben ihren Weg.
Sie kamen immer wieder zu ihr.
Aber es war doch nur stets ein Besuch, und danach war sie wieder allein.

Eine tapfere Frau, die bis zum Schluss auch lachen konnte, obwohl eine gewisse Wehmut und Resignation immer mehr an ihr zu erkennen war, ich bin ihr fast täglich begegnet.
Und deshalb wollte ich heute diese Gedanken und diese Geschichte hier aufschreiben.

lg
Andreas
 
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