R
Robin
Guest
Benjamin schrieb:Denkst du, dass so Schicksale, wie in die dritte Welt geboren zu werden und bald danach an Hunger zu sterben, willkürlich "vergeben" werden? Nach Zufall?
Und würdest du das tröstlich finden?
Man muss sich von einem wie immer gearteten Subjekt-Objekt-Denken verabschieden. Niemand gibt jemandem Schicksale. Eine Personifizierung sowohl auf der Handlungsebene ("jemand vergibt") wie auf der Objektseite ("Schicksale sind an bestimmte Menschen gebunden) ist fragwürdig.
Die Frage, ob etwas barmherzig oder grausam ist, stellt sich erst, wenn ein Beobachter da ist, der sie stellen kann. Die Differenz barmherzig/grausam ist aber nicht identisch mit dem Geschehen, der Handlung, auf das sie angewendet wird. Sogar wenn ein Mensch stirbt, können das verschiedene Beobachter einmal als grausam, dann wieder als barmherzig betrachten. Ob es unter bestimmten Umständen grausam ist, überhaupt geboren zu werden, oder ob ein gnädiger Tod dann und wann eher segensreich ist - das sind im Endeffekt metaphysische Fragen, die aber nicht in ein allgemeines Schema, etwa dass der Gesamtplan wahr und gut sei, aufgelöst werden können.
Der Treibstoff jeder Evolution ist die Entropie (von Lilith auch schon "Das Göttliche" genannt). Die Entropie erzeugt gleichzeitig Ordnung und Chaos, Redundanz und Variation. Dieser fortwährende Prozess erzeugt Differenzen, also Ereignisse und Handlungen, die ihre Entsprechung beim Beobachter finden, also Bezeichnungen und Wertungen. Die Ursachen für die Differenzierungen sind nicht beobachtbar. Auch ein Verursacher für das "Gesamtwerk "ist nicht beobachtbar ("Gott"). Allerdings erzwingt die Logik der Evolution eine große Menge an Versagen, an Ablehnung, an Unbrauchbarkeit, an Reibungsverlust. Es muss für jeden Erfolg eine Menge Misserfolge geben. Misserfolge sind aber Normalität und in der Logik der Evolution auch nicht moralisch, also gut oder schlecht. Diesen Geschehnissen dann Wertungen zu geben, kann nur Werk von Beobachtern sein, im Fall des Planeten Erde von menschlichen Individuen.
DIe Entropie mag rein physikalisch gesehen auf Wellen oder Teilchen beruhen oder auf ein Wechselspiel dazwischen; es mag sogar alles auf strings basieren. Nehmen wir das aber an (so geben auch die Verfechter der String-Theorie zu) verlassen wir endgültig den Bereich jeder Beobachtbarkeit - und Metaphsyik und Physik fallen zusammen.
Und dann müssen wir doch wieder ganz ohne physikalischen Belege darüber diskutieren, was Schicksal, Zufall und Gut und Böse sind...