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Virtuelle Begegnungen

Matto

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Registriert
14. Dezember 2004
Beiträge
120
Es wurden schon oft Bemerkungen über virtuelle Begegnungen gemacht.

z.B. von Miriam (wenn ich dich ausnahmsweise mal zitieren darf?!)

"und die virtuelle Welt hat da ganz andere Regeln, besser gesagt ungeschriebene Gesetze," (Thread: Die Zumutung, Miriam)

"Ein ganz anderes Kapitel, sind die virtuellen Begegnungen. Denn auch bei denen kann Faszination entstehen, manchmal sogar mehr als in den realen Treffen auf andere. Hier spielt natürlich die eigene Phantasie eine ganz grosse Rolle, denn wir neigen dazu, die Persönlichkeit, die uns ja nur als Bruchteil auf dieser Weise begegnet, mit unseren Vorstellungen oder Wünschen zu ergänzen. Ich denke, dass alle, die etwas Erfahrung haben mit virtuellen Räumen, dies auch kennen. Dies ist eine positive Eigenschaft des virtuellen Raumes, aber nur wenn man sich des Anteils an "Hineindichtung" auch bewusst ist." (Thread:die Nähe des anderen, Miriam)

Was sind die Probleme bzw. Potenziale der virtuellen Begegnungen?


Matto
 
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Hallo Matto,

fühle mich sehr geehrt, dass Du mich hier sogar zweimal zitierst.

Unb da die virtuelle Welt so ein Steckenpferd von mir ist, möchte ich hier einen Text einsetzen, den ich am Anfang dieses Jahres, aus einem gewissen Anlass, zum Thema geschrieben habe.

Erst aber eine klein Betrachtung dazu:

Natürlich ist es schwer über das Virtuelle zu schreiben, denn das Thema hat unzählige Facetten und kann aus so unterschiedlichen Gesichtspunkten betrachtet werden:

Was bedeutet eigentlich der Begriff "virtuell", welche sind die unterschiedlichen - zum Teil philosophischen - Auffassungen betreffend die virtuelle Welt, wie gehen wir ganz persönlich damit um, etc...

Erlaubt mir mit dem letzten Punkt anzufangen, den persönlichen und eigentlich personenbezogenen Umgang mit dem Virtuellen.

Vor einiger Zeit habe ich dazu einen kleinen Text geschrieben, den ich nun hier einsetze:


Orpheus

Mir fällt plötzlich der Mythos von Orpheus und Eurydike ein.
Mythen haben mich oft begleitet und haben mir so manchesmal zur Klarheit verholfen.

Orpheus begibt sich in die Unterwelt um die Götter zu bitten, ihm Eurydike zurückzugeben. Es gelingt ihm letztendlich, die Götter dazu zu bewegen.
Doch Orpheus macht einen Fehler: er dreht sich um, bevor er die Unterwelt verlassen hat, um sich zu vergewissern, dass Eurydike ihm folgt.
Ich vermute, dass er dies tut, auch aus Sehnsucht nach Eurydike, ist dies doch eines der stärksten und schönsten Gefühle die wir kennen - und welches oft die Liebe begleitet...

Damit bricht Orpheus die Vereinbarung - und verliert Eurydike.

Paradoxerweise, ist in der (persönlichen) virtuellen Welt richtig wertvoll eben das, was uns in die Versuchung bringt, es aus dieser reinen Emotionen- Gedanken- und Traumwelt, hinüber zu nehmen, in unsere reale Welt.

Auch wenn inhaltlich nicht völlig gleichliegend, erinnert mich dies an den Orpheusmythos, an dessen Versuchung. In beiden Fällen gibt es Bedingungen, die es gilt, einzuhalten.
In beiden Fällen, kann das zerbrechliche Gleichgewicht leicht gestört werden. In beiden Fällen gilt es unseren alltags- oder (für Orpheus) irdischen Impulsen nicht zu folgen.

Diese Welt des Virtuellen, um sie vor Zerstörungen zu bewahren, unterliegt sie nicht auch dieser Gesetzmässigkeit, diesem: "dreh dich nicht um"? Versuche nicht vom Weg abzuweichen? Versuche nicht mehr zu sehn, als du eben siehst?

Akzeptiere diese Bedingungen, um dir diese ureigene Welt, diesen Raum der völligen Freihei, zu wahren...

Geschrieben in Januar 2005


Miriam
 
Miriam schrieb:
Diese Welt des Virtuellen, um sie vor Zerstörungen zu bewahren, unterliegt sie nicht auch dieser Gesetzmässigkeit, diesem: "dreh dich nicht um"? Versuche nicht vom Weg abzuweichen? Versuche nicht mehr zu sehn, als du eben siehst?

Heißt das auch: Versuche nicht die Person zu erkennen, die hinter dem virtuellen Ich liegt?
Und: Versuche schon gar nicht, der Person im Realen zu begegnen?
 
Robin schrieb:
Heißt das auch: Versuche nicht die Person zu erkennen, die hinter dem virtuellen Ich liegt?
Und: Versuche schon gar nicht, der Person im Realen zu begegnen?

Mit diesem Text meinte ich nur, den Zauber einer virtuellen Begegnung nicht aufs Spiel zu setzen, in dem man dieser, eine reale Begegnung folgen lässt.
Deine erste Hypothese trifft natürlich nicht zu, denn das würde bedeuten, dass das ganze sich auch nur in der eigenen Phantasie abspielen könnte - ohne ein Gegenüber.
Es geht hier um ein reales Gegenüber, bloss der Raum der Begegnung ist virtuell - soll virtuell bleiben.
 
Miriam schrieb:
Mit diesem Text meinte ich nur, den Zauber einer virtuellen Begegnung nicht aufs Spiel zu setzen, in dem man dieser, eine reale Begegnung folgen lässt.
Deine erste Hypothese trifft natürlich nicht zu, denn das würde bedeuten, dass das ganze sich auch nur in der eigenen Phantasie abspielen könnte - ohne ein Gegenüber.
Es geht hier um ein reales Gegenüber, bloss der Raum der Begegnung ist virtuell - soll virtuell bleiben.

Wie kannst du das unterscheiden? Du begegnest in jedem Fall nur deiner Vorstellung dieses Gegenübers! Das einzige Reale ist dein Monitor, auf dem Buchstaben erscheinen, die du lesen kannst. Alles andere entsteht in deinem Kopf.
Der Zauber entsteht im Dialog mit deiner Phantasie. Alles nur Schall und Rauch ............. :zauberer1

herzlich
lilith
 
lilith51 schrieb:
Wie kannst du das unterscheiden? Du begegnest in jedem Fall nur deiner Vorstellung dieses Gegenübers! Das einzige Reale ist dein Monitor, auf dem Buchstaben erscheinen, die du lesen kannst. Alles andere entsteht in deinem Kopf.
Der Zauber entsteht im Dialog mit deiner Phantasie. Alles nur Schall und Rauch ............. :zauberer1

herzlich
lilith

Für mich gibt es in der virtuellen Begegnung auch eine Realität: die, des Dialogs. Und dieser entsteht nicht als ein Produkt meiner Phantasie, dann wäre es ja nur ein Rollenspiel, das ich mir alleine vorstellen würde - sondern ist das Ergebnis eines Gedankenaustausches zwischen zwei real existirenden Menschen.

Auf dem Bildschirm stehen doch nicht Buchstaben die in meinem Kopf imaginativ sich aneinander fügen - sondern, wie auch jetzt, der Sinn eines Gesprächs, welches, wenn es auch im virtuellen Raum stattfindet, zwischen zwei, oder mehreren realen Menschen geführt wird.

Es ist aber eine besondere Art der Kommunikation - und mein kleiner Orpheus-Vergleich, stellt ja nur die Frage, in wie fern der Zauber dieser Art des Austausches, in einer real stattfindenden Begegnung, weiter bestehen würde.

Lieben Gruß

Miriam
 
Pardon, wenn ich jetzt ausnahmsweise mal etwas esoterisch verwaschen werde:
Ist nicht jede Begegnung im Grunde irreal? Beruht nicht jede Beziehung auf einem Bild, das man sich macht?
"Wir müssten uns die Schädeldecken öffnen und die Gedanken herausreißen", heißt es sinngemäß bei Büchner.

Ich behaupte: Die virtuelle Realität ist nur eine virtuell andere Realität als unsere normale Realität. Die virtuelle Realität ist die perfekte Ding gewordene Metapher für Kommunikation. Im Virtuellen sieht man, evident: Nur Kommunikation kann auf Kommunikation antworten. Alles "hinter" der Kommunikation ist im Grunde: Spekulation oder Konstruktion.
Und somit ist der Wechsel vom Virtuellen zu realen Begegnung kein Wechsel vom Unwirklichen zum Wirklichen. Sondern nur von einer Wirklichkeit zur anderen.
Dass dabei ein Zauber zerstört werden kann, steht außer Frage - ich allerdings drehe mich ständig um in der virtuellen Realität. Denn ein Zauber kann sich nur aufbauen, wenn mein Misstrauen genug gefüttert wurde.
 
Robin schrieb:
Ist nicht jede Begegnung im Grunde irreal? Beruht nicht jede Beziehung auf einem Bild, das man sich macht?
"Wir müssten uns die Schädeldecken öffnen und die Gedanken herausreißen", heißt es sinngemäß bei Büchner.

Lasst uns weiter über dieses schwierige, aber auch sehr facettenreiche Thema nachdenken:

Vielleicht ist auch dies ein Grund dafür, dass ich den virtuellen Dialog so mag: ich habe nicht den Eindruck, dass ich mir dabei "die Schädeldecke öffnen und die Gedanken herausreißen" muss. Die Schädeldecke öffne ich nur so weit ich es will - und die Gedanken reiße ich dabei nicht heraus - manchmal fließen sie, und wenn sie stocken, mach ich sie wieder zu - die Schädeldecke. Und dabei wisst Ihr gar nicht, dass ich eben vorbei geschaut habe...

Robin schrieb:
Ich behaupte: Die virtuelle Realität ist nur eine virtuell andere Realität als unsere normale Realität. Die virtuelle Realität ist die perfekte Ding gewordene Metapher für Kommunikation. Im Virtuellen sieht man, evident: Nur Kommunikation kann auf Kommunikation antworten. Alles "hinter" der Kommunikation ist im Grunde: Spekulation oder Konstruktion

Du benutzt den Begriff "virtuelle Realität" - für mich wird so der Sinn, den ich dem Begriff virtuell gebe, verschoben, verfremdet. Dadurch kannst Du auch behaupten, dass die virtuelle Realität, nur eine andere ist, als die Realität selbst. Für mich aber ist die Kommunikation im virtuellen Raum eine ganz andere, als die, die in der Realität, mit dem selben Gegenüber, stattfindet.
Dass da das Imaginative eine grosse Rolle spielt, ist zweifelsohne wahr. Also gebe ich Dir recht, wenn Du in diesem Zusammenhang über Metapher sprichst.

Robin schrieb:
Und somit ist der Wechsel vom Virtuellen zu realen Begegnung kein Wechsel vom Unwirklichen zum Wirklichen. Sondern nur von einer Wirklichkeit zur anderen.
Dass dabei ein Zauber zerstört werden kann, steht außer Frage - ich allerdings drehe mich ständig um in der virtuellen Realität. Denn ein Zauber kann sich nur aufbauen, wenn mein Misstrauen genug gefüttert wurde.

Ja, sicherlich wechseln wir hier nur von einer Wirklichkeit in eine andere. Wirklich sind sie beide: die Kommunikation im Virtuellen und die, die in der Realität stattfindet. Aber die Wahr-nehmung des Gegenübers, des Dialogpartners, ist in den beiden Situationen grundverschieden. Dadurch hat auch der Dialog eine andere Qualität.

Und auch hier denken oder reagieren wir unterschiedlich: ich möchte kein Misstrauen zulassen, nicht à priori, und weiss, dass ich dadurch ein größeres Risiko eingehe, als Du...
 
Miriam schrieb:
Und auch hier denken oder reagieren wir unterschiedlich: ich möchte kein Misstrauen zulassen, nicht à priori, und weiss, dass ich dadurch ein größeres Risiko eingehe, als Du...

Also ich glaube, ich bin eigentlich schon recht große Risiken eingegangen. So nach über 1000 Beiträgen und so manchem meist unfruchtbarem Streit. Ich verfolge das Prinzip, mich nicht zu weit von meinem nicht-virtuellen Ich zu entfernen. Und z.B. mit meinem realen Namen für das einzustehen, was ich hier schreibe.
Aber gerade darin liegt vielleicht der Selbstschutz. So kann ich weniger in Gefahr geraten unter dem Deckmantel einer virtuellen Existenz verborgene Seiten auszuleben. ICh will mich mit dem, was ich hier tue an dem messen lassen, was ich draußen tue.
Aber dazu gehört auch, in zwischenmenschlichen Beziehungen genauso vorsichtig zu sein, wie "draußen". Und womöglich ähnlich "anständig", falls das geht und diese altmodische Wort hier angebracht ist...
Das mag dann jeder beurteilen, ob ich dadurch sehr misstrauisch wirke ;)
 
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Robin schrieb:
Denn ein Zauber kann sich nur aufbauen, wenn mein Misstrauen genug gefüttert wurde.

Robin,

nur ganz kurz (Mensch, ich muss einkaufen gehn...)

Das mit dem Misstrauen hattest Du gesagt, ich habe es nur übernommen und meinen Standpunkt (virtuell und real) dazu geäussert.

Übrigens bin ich hier auch mit realem Namen ... virtuell anwesend.
 
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