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Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

AW: Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

Gandhi gelang es durch seinen beharrlichen Pazifismus, das Br. Empire in die Knie zu zwängen. Weniger bekannt ist, daß er auch versucht hat, Hitler mittels eines Briefes zu besänftigen.

Das habe ich auch nicht gewusst! Ist aber ein sehr bezeichnender Vergleich für die Grenzen des Pazifismus, finde ich.
 
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AW: Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

Ziesemann hat einen eigenen Thread eröffnet ("We´re on war"), aus dem ich seinen Eingangsbeitrag hier hereinkopiert habe, weil ich ihn nicht separiert vom "diffusen Terrorismus"-Thema betrachten möchte.

Wir sind im Krieg, wir haben es nur noch nicht gemerkt, weil dieser Krieg ein anderer ist als die meisten vorhergehenden, vor allem der beiden Weltkriege.

Das Thema „Terrorismus“ ist im Denkforum schon mehrfach besprochen worden, dennoch meine ich, den einen oder anderen neuen Aspekt einbringen zu können, wobei ich gern zugebe, vielleicht etwas überlesen zu haben, was schon geschrieben wurde.

Meine These lautet: Der Terrorismus mit Bombenanschläge gegen Zivilpersonen und zivile Einrichtungen – ob mit oder ohne Selbsttötung des Täters – ist ein Krieg sui generis, also besonderer, eigener Art. – Er wird durch folgende Merkmale charakterisiert:
1. Es ist ein unerklärter, aber praktizierter Angriffskrieg der Terroristen.
2. Diese stellen keinen Staat dar, nicht einmal eine Einheit, wie etwa Partisanen.
3. Es gibt in diesem Krieg keine (völkerrechtliche) Unterscheidung mehr zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. (Terroristen sind nicht uniformiert)
4. Die Angriffe des Terrorismus richten sich primär wenn nicht ausschließlich gegen Zivilpersonen. Deren Tötung, auch die von Frauen und Kindern, wird also nicht mehr oder weniger billigend als „Kollateralschaden“ in Kauf genommen, sondern sie sind Zielobjekt.
5. Die Terroristen wollen keinen Sieg im klassischen Sinne erringen, das könnten sie auch gar nicht; wie wollte Al Kaida z.B. je die USA besiegen.
6. Ihr Kriegsziel ist die Verunsicherung, die Verängstigung, die Zerstörung der freiheitlichen Kultur; sie wollen die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Kosten (i.w.S.) so hoch treiben, daß sie für die angegriffenen Gesellschaften unerträglich werden.
7. Die Kriegsführung des Terrorismus ist ökonomisch (leider) extrem billig, viel billiger jedenfalls als die hoch gerüsteter regulärer Armeen. Das prolongiert ihre Kriegsführungsmethode nahezu grenzenlos.
8. Es gibt keinerlei Grenzen in dieser Taktik; das Kriegsvölkerrecht ist wirkungslos. Die mühselig erreichte „Einhegung“ des Krieges – z.B. Vorschriften zum Schutz von Gefangenen und Verwundeten – wird beseitigt.

Inzwischen hat der Terrorismus schon erhebliche Erfolge zu verzeichnen: Zunehmende Überwachung, scharfe Kontrollen bis hin zur Beeinträchtigung der Privatsphäre, z.B. intimes Abtasten des Körpers beim Flughafen, Ausbau eines kostspieligen Polizeiapparates, direkte Schädigung wichtiger Wirtschaftszweige wie etwa den Tourismus in der Türkei u.v.a.m.

Das besonders Verwerfliche an dem mörderischen Vorgehen der Terroristen ist noch etwas anderes: So kriminell auch immer ein Bankräuber sein mag, der sich den Weg zum Tresor freischießt, er will sich letztlich nur im Rahmen der bestehenden Ordnung bereichern; dieses System aber nicht umstürzen, im Gegenteil, er sucht in ihm auf seine – natürlich illegale – Weise zu profitieren. Der religiös fundamentalistisch geprägte Terrorist aber will uns, einer ganzen Gesellschaft mit Gewalt – notfalls unter Opfer seines eigenen Lebens – eine andere Kultur aufzwingen. Er verlangt, daß wir seine Wertvorstellung, seine Normen, seine Form der religiösen Bindung übernehmen.
Der Krieg der Kulturen hat begonnen. Wir werden ihn kaum verlieren (können); aber vermögen wir ihn zu gewinnen? Denn die bewährten alten Mittel der Abschreckung durch Drohung sind wirkungslos gegenüber Fanatikern, die sterben wollen.

Ein etwas ratloser Ziesemann

Vor allem der Punkt 8 erscheint mir erwähnenswert.

Krieg ist von uns "zivilisierten" Menschen definiert und geordnet worden, da weiß man, worauf man sich einlässt. Bestimmte Menschen (Soldaten) dürfen getötet werden, andere wieder (Zivilisten) nicht, in bestimmten Gegenden darf gekämpft werden, in anderen nicht. Da hat sich so etwas wie ein Spielfeld entwickelt, wo die Militärs, die sich auch offen dazu bekennen, austoben dürfen. Sie spielen zwar mit lebenden Figuren, die auch nicht so gern sterben wollen, aber schließlich wissen sie, dass sie als Soldaten dieses Risiko auf sich nehmen. (Mal abgesehen von Wehrpflichtigen, die leider gerade in einer Phase des Krieges ihren Wehrdienst leisten müssen, Pech gehabt.)
So weit, so geordnet.

Die Terroristen kümmern sich einen Dreck um einen geordneten Krieg.

Krieg, so wie Ziesemann oben in seinen aufgelisteten Punkten beschreibt, will die gewaltsam erzwungenen Zugeständnisse einer Gemeinschaft zur legitimen Konfliktlösung erheben. Terrorismus will sich das nicht einfach aufs Auge drücken lassen. Das ist mE der einzige Unterschied.

Gewalt und Mord, egal ob es ein erklärter, definierter Krieg oder ein diffuser Terrorismus ist, sind aber NIEMALS dafür geeignet, Konflikte zu lösen. Im Gegenteil, durch gewaltsam erzwungene Verträge entstehen immer noch mehr Konflikte.

Wer den Terror verdammt, der drückt damit seine Abscheu vor allen gewaltsamen Handlungen aus. Krieg ist nichts anderes als geordneter Terror. Das ist nur ein kleiner Definitionsunterschied, sonst nichts.

Ziesemanns Beispiel für den Unterschied zwischen einem Bankräuber und einem Terroristen bestätigt geradezu meine Sichtweise, denn durch den Terrorismus wird die wahre Absicht von Gewalt sichtbar gemacht.

Ich zitiere den Abschnitt aus dem obigen Beitrag hier noch einmal separat:
Der religiös fundamentalistisch geprägte Terrorist aber will uns, einer ganzen Gesellschaft mit Gewalt – notfalls unter Opfer seines eigenen Lebens – eine andere Kultur aufzwingen. Er verlangt, daß wir seine Wertvorstellung, seine Normen, seine Form der religiösen Bindung übernehmen.
Der einzige Unterschied zu einem definierten Krieg ist doch, dass die Soldaten nicht freiwillig ihr Leben opfern, sondern von den Militärstrategen und Generälen geopfert werden. Die Entscheider, wer sein Leben zu opfern hat, opfern sich ja nicht selbst.

Aber die Absichten sind die selben wie die der Terroristen. Im Libanon werden Wiederaufbaugelder natürlich erst dann wirksam eingesetzt, wenn es eine funktionierende (demokratische) Regierung gibt und eine Judikatur nach westlichem Maßstab. Und dann wird vor allem die Wirtschaft finanziell unterstützt mit der Begründung, damit können sich die Leute ihren Lebensunterhalt am besten verdienen. (Info aus einer Rede von EU-Außenkommissär Benita Ferrero-Waldner in den Nachrichten auf Ö1 vor einigen Tagen).

Die gleiche Argumentation wie im Irak oder in Afghanistan, oder......

Der Anspruch, überall wo etwas nicht so läuft, wie es dem Westen gefällt, mit Gewalt "demokratische Strukturen" aufzuzwingen, ist nichts anderes als Terror.

Tun wir bloß nicht so, als wären wir klüger und hätten lauterere Absichten als die Terroristen. Wir haben nur unsere Strategien verfeinert und mit gut durchdachten Argumenten abgesichert. Sprich, wir haben gelernt, uns hinter einem immer dichteren Lügennetz zu verstecken, weil wir - vor allem vor uns selbst - nicht zugeben wollen, dass wir genauso gewalttätig und egoistisch sind wie jene, denen wir jetzt Terrorismus vorwerfen.

Warum ist es eigentlich so schwer, zuzugeben, dass wir alle gemeinsam keine Ahnung haben, wie wir unsere Konflikte lösen können, ohne uns gegenseitig zu bedrohen und letztendlich immer wieder die Köpfe einzuschlagen? Wieso werden immer noch unschuldige Menschen geopfert, nur um nicht zuzugeben, dass die vorgeschobenen Argumente nicht mehr greifen? Die Wahrheit ist doch, dass da gierige, eiskalte Profiteure ihre Interessen brutal durchsetzen und sich einen Schmarrn um die Opfer scheren. Wäre es nicht so, müsste keine Gewalt angewendet werden.

Unsere sozialen Fähigkeiten sind anscheinend noch sehr schwach entwickelt.

:geist:
herzlich
lilith
 
AW: Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

Tun wir bloß nicht so, als wären wir klüger und hätten lauterere Absichten als die Terroristen. Wir haben nur unsere Strategien verfeinert und mit gut durchdachten Argumenten abgesichert. Sprich, wir haben gelernt, uns hinter einem immer dichteren Lügennetz zu verstecken, weil wir - vor allem vor uns selbst - nicht zugeben wollen, dass wir genauso gewalttätig und egoistisch sind wie jene, denen wir jetzt Terrorismus vorwerfen.

Super Beitrag Lilith. Na ja, nicht gerade differenziert bis ins Letzte, braucht es aber auch nicht...

Die neue Semantik, Terrorismus als Krieg zu bezeichnen, bringt nichts Neues. Nur eine Verwischung von Definitionen und ein Implizieren neuer "moralischer Kategorien".
Warum soll man nicht weiter Krieg als Krieg bezeichnen und Terrorismus als Terrorismus?

Interessanter ist daher die Frage, wer Terrorismus als Krieg bezeichnet und warum.
Als Magnus Enzenzberger in den 90er den Krieg plötzlich in unserer eigenen Bevölkerung verortete (er tat dies aus Anlass des bosnischen Krieges) hat er es bestimmt anders gemeint als G.W. Bush.
Doch auch damals ging es darum, durch eine entfremdende Benutzung des Wortes eine moralische Neubewertung vorzunehmen.
Das fatale an solchen Neubewertungen ist, dass sie sich zu einer selffullfilling prophecy auswachsen können. Wenn wir den Krieg erklären - dann sind wir eben im Krieg. UNd dann wird sich auch bereitwillig ein Gegner finden oder ein schon vorhandener Gegner wird sich angestachelt sehen, seine Bemühungen zu verdoppeln.
Und das stabilisiert dann einen Zustand, der aus irgendeinem Grund Vorteile zu haben scheint. Lilith hat das angedeutet.

ich bin nicht ganz der Ansicht, dass es immer finstere Interessen sind, die dahinter stehen. Zum Teil enstehen solche Sachverhalte in einer Eigendynamik, wo schwer zu sehen ist, was Auslöser, Grund, Ursache und Reaktion ist. Tatsache ist, dass sich die Situation stabilisiert und das Wortgeklingel wie in dem zitierten Beitrag dazu beiträgt.

Ich habe in dem Thread "Flüssigsprengstoffattentate..." angedeutet, dass ich es nicht für unmöglich halte, dass sogar solche angebliche Schläge gegen vorgebliche Massenmörder inszeniert sein könnten, zumindest dass es im Interesse der englischen und der amerikanischen Regierung liegt, dass sie möglichst bedrohlich und ausufernd dargestellt werden. Dass sie nach "Krieg" klingen eben.
Nun, wie Lilith sagt, wir wissen nicht viel, außer dass wir sehr unfähig sind (wie man ja auch hier im Forum immer wieder sieht) friedlich miteinander umzugehen.
Ich denke aber, dass wir die sematische Verschärfung von Tatsachen, für die es genügend treffsichere Worte gibt, nicht mitmachen sollten.
 
AW: Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

sorrry, Lilith, ich kann Dir nicht zustimmen.

was Du als "geordneten Krieg" bezeichnest, ist eine Reihe von Regeln, die die Menschenrechtler vergangener Genarationen durchgeboxt haben, um wenigstens einige Grausamkeiten eines Krieges zu entschärfen.

Gefangene menschenwürdig zu behandel war eins der ersten Ziele der Rot-Kreuz-Organisation, und überhaupt erst einmal gefangene zu machen.

Denn vorher war es üblich, die kampfunfähigen Gegner einfach totzuschlagen oder zu erschießen.

Und gewisse Regeln zum Verhalten der "feindlichen "Zivilbevölkerung gegenüber sind zwar auch oft verletzt worden, aber immerhin konnte man jetzt den Verstoß als Kriegsverbrechen ahnden
und nicht einfach als "es ist eben Krieg" abtun.

Neu kommt hinzu, daß etwas früher eigentlich unvorstellbares bei den Terroristen üblich geworden ist:
sie verstecken sich hinter ihren eigenen Frauen und Kindern!
Mißbrauch des Rot-Kreuz-Symbols als Schutz vor feindlichen Luftangriffen hatten wir ja schon,
aber die Kinder als Schutzschild zu nehmen, das ist neu in diesem asymmetrischen Krieg, in dem wir uns jetzt befinden.

meint Claus
 
AW: Gibt es Parallelen zwischen Terrorismus und Faschismus?

Auch wenn unsere Diskussionsansätze etwas auseinander gehen, finde ich es bezeichnend – denn m.E. spiegelt das am besten die Komplexität des Themas – manchmal auch unsere Ratlosigkeit wieder, vielleicht besser gesagt: die Schwierigkeit das Phänomen Terrorismus richtig einzuordnen. Wie sollte es eigentlich anders sein? Historisch gesehen ist der Terrorismus eher jüngerem Datums und außerdem möchte man ihn in den geschichtlichen Kontext begreifen, was auch sehr komplex ist.

Ich möchte z.B. dir Kathi sagen, dass dein Beitrag über die Fabrikation von U-Booten in Deutschland, so weit vom Thema gar nicht ist – was kann denn alles das Entstehen eines solchen Phänomens wie den Terrorismus mit beeinflußen?

Über Pazifismus wurde (leider) schon an anderer Stelle geschrieben, ich bin mit dir zwetsche einer Meinung, dass die parallele Eröffnung von Threads zum fast gleichen Inhalt tatsächlich kontraproduktiv ist. Dass aber Benjamin es getan hat, kann ich gut verstehen – denn der Pazifismus ist für ihm ein ganz zentrales Anliegen.

Ich möchte heute über einen Aspekt schreiben der mir wesentlich erscheint um den Terrorismus abzugrenzen von anderen unerfreulichen Ismen die den 20. und auch unser Jahrhundert geprägt haben – und zwar die falsche Parallele die man immer wieder versucht herzustellen zwischen Faschismus und Terrorismus.
Über die zahlreichen arabischen Stimmen die sich gegen den Terrorismus artikulieren, werde ich in einen weiteren Beitrag noch schreiben.

Der Begriff „Islam-Faschismus“ wurde von George W. Bush geprägt, ist falsch und m.E. auch gefährlich – denn sein provokativer Unterton ist nicht zu überhören. Die Befürworter des Begriffs beziehen sich auf den totalitären Charakter, den Überlegenheitsgedanken in dessen Namen die Terroristen handeln, die Kritik an die Dekadenz des Westens und in erster Linie vielleicht zu erwähnen: der militante Antisemitismus.
Doch ein wesentliches Merkmal unterscheidet Terrorismus und Faschismus: während der Faschismus sich unter anderem auch gegen die Kirche, besser gesagt gegen fast alle Glaubensrichtungen richtete und viele ihrer Vertreter verfolgte, fußt der Terrorismus auf eine zwar falsch interpretierten oder uminterpretierten Glaubensrichtung, ist von dieser nicht zu trennen. Aber auch die religiöse Ausrichtung des radikalen Islamismus ist nicht einheitlich zu betrachten, denn es gibt große Unterschiede zwischen den Schiiten (Hisbollah) und den Sunniten (Hamas) – auch wenn sie sich in ihren Hauptzielen oft einig sind.

Wie immer fast Herfried Münkler die Ungültigkeit der Parallele zwischen Faschismus und Terrorismus sehr gut zusammen:

"Wie problematisch es ist, mit der Faschismuskeule zu arbeiten, hat die westdeutsche Linke schon in den späten 60er und frühen 70er Jahren erfahren. Es ist sicherlich richtig, dass der Faschismus in schroffer Abwendung gegen eine bürgerliche Werthaltung heroische Werte kultiviert hat. Aber das ist kein spezifisches Merkmal des Faschismus, sondern betrifft generell den Nationalismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Wenn man den Faschismusbegriff ernst nimmt, ging es dabei darum, in südeuropäischen Gesellschaften – Italien und Spanien – gegen eine plurale Gesellschaft den starken Staat und krude Gemeinschaftsvorstellungen durchzusetzen. Genau diese Orientierung am starken Staat fehlt den überstaatlichen und staatsdestruierenden Strukturen des islamistischen Terrorismus. Insofern glaube ich, dass der Begriff mehr Verwirrung als Klarheit schafft.
(Textpassage von mir hervorgehoben)

Und wieder wurde dieser Beitrag so lang, dass ich eine Fortsetzung ankündigen möchte, nicht zuletzt weil sowohl Lilith als auch Robin so gute und ideenreiche Beiträge geschrieben haben, während ich auch noch schrieb.
Aber eigentlich sind die so aussagekräftig, dass hier nichtsmehr hinzuzufügen ist.

Ach, erst jetzt sehe ich, dass auch Claus noch dazu geschrieben hat!

Bis später und Gruß in die Runde

Miriam
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Gibt es Parallelen zwischen Terrorismus und Faschismus?

n einen weiteren Beitrag noch schreiben.

Der Begriff „Islam-Faschismus“ wurde von George W. Bush geprägt, ist falsch und m.E. auch gefährlich – denn sein provokativer Unterton ist nicht zu überhören. Die Befürworter des Begriffs beziehen sich auf den totalitären Charakter, den Überlegenheitsgedanken in dessen Namen die Terroristen handeln, die Kritik an die Dekadenz des Westens und in erster Linie vielleicht zu erwähnen: der militante Antisemitismus.

Auch hier geht es denen, die eine neue Semantik einbringen, nicht um Erhellung. Theoretisch bringt eine solche Gleichsetzung nichts - sie spitzt nur zu. Sie hilft Stammtischdiskutierern beim Wortefinden. Sie stärkt nur die "Wortgewalt"...
 
AW: Gibt es Parallelen zwischen Terrorismus und Faschismus?

Auch hier geht es denen, die eine neue Semantik einbringen, nicht um Erhellung. Theoretisch bringt eine solche Gleichsetzung nichts - sie spitzt nur zu. Sie hilft Stammtischdiskutierern beim Wortefinden. Sie stärkt nur die "Wortgewalt"...

Genau das ist es ja Robin, und während ich mich bis jetzt manchmal gefragt habe ob so ein Thema hier überhaupt sinnvoll ist, zeichnet sich für mich persönlich eben dies so zu sagen als Gewinn ab: zu begreifen warum mit solchen Qualifikativen operiert wird und auf welcher Weise schon inhaltlich belegte Begriffe gezielt verwendet werden.
Nicht falsch zu verstehen, dass dadurch der Terrorismus an sich weniger verwerflich wird.
 
AW: Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

Hallo miriam,
ich gestehe (etwas zerknischt), daß Ihr (Du und andere) recht habt, wenn ihr wünscht, daß ich meinen Beitrag in diesem Thread veröffentliche. Ich will mich nicht lange rechtfertigen; aber ein Grund für das neue Thema lag darin, daß dieser Thread schon sehr weit fortgesponnen war, ehe ich mich einschalten konnte.
Nun, ich habe meinen Beitrag reumütig nachstehend hier eingebracht. Jetzt bin ich neugierig, ob er hier auch weiter kongenial ohne Abschweifungen diskutiert wird. Über Faschismus mich zu unterhalten, habe ich nämlich keine Lust mehr, vielmehr vertrete ich durchaus auch provozierend die These: Nicht jeder fundamentalistische Muslim ist ein Terrorist; aber eigenartiger Weise ist beinahe jeder Terrorist ein Muslim, kein Kommunist, kein Faschist und vor allem kein Christ.

Beste Grüße an Dich und alle Mitdiskutanten
Ziesemann

Meine These lautet: Der Terrorismus mit Bombenanschläge gegen Zivilpersonen und zivile Einrichtungen – ob mit oder ohne Selbsttötung des Täters – ist ein Krieg sui generis, also besonderer, eigener Art. – Er wird durch folgende Merkmale charakterisiert:
1. Es ist ein unerklärter, aber praktizierter Angriffskrieg der Terroristen.
2. Diese stellen keinen Staat dar, nicht einmal eine Einheit, wie etwa Partisanen.
3. Es gibt in diesem Krieg keine (völkerrechtliche) Unterscheidung mehr zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten. (Terroristen sind nicht uniformiert)
4. Die Angriffe des Terrorismus richten sich primär wenn nicht ausschließlich gegen Zivilpersonen. Deren Tötung, auch die von Frauen und Kindern, wird also nicht mehr oder weniger billigend als „Kollateralschaden“ in Kauf genommen, sondern sie sind Zielobjekt.
5. Die Terroristen wollen keinen Sieg im klassischen Sinne erringen, das könnten sie auch gar nicht; wie wollte Al Kaida z.B. je die USA besiegen.
6. Ihr Kriegsziel ist die Verunsicherung, die Verängstigung, die Zerstörung der freiheitlichen Kultur; sie wollen die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Kosten (i.w.S.) so hoch treiben, daß sie für die angegriffenen Gesellschaften unerträglich werden.
7. Die Kriegsführung des Terrorismus ist ökonomisch (leider) extrem billig, viel billiger jedenfalls als die hoch gerüsteter regulärer Armeen. Das prolongiert ihre Kriegsführungsmethode nahezu grenzenlos.
8. Es gibt keinerlei Grenzen in dieser Taktik; das Kriegsvölkerrecht ist wirkungslos. Die mühselig erreichte „Einhegung“ des Krieges – z.B. Vorschriften zum Schutz von Gefangenen und Verwundeten – wird beseitigt.

Inzwischen hat der Terrorismus schon erhebliche Erfolge zu verzeichnen: Zunehmende Überwachung, scharfe Kontrollen bis hin zur Beeinträchtigung der Privatsphäre, z.B. intimes Abtasten des Körpers beim Flughafen, Ausbau eines kostspieligen Polizeiapparates, direkte Schädigung wichtiger Wirtschaftszweige wie etwa den Tourismus in der Türkei u.v.a.m.

Das besonders Verwerfliche an dem mörderischen Vorgehen der Terroristen ist noch etwas anderes: So kriminell auch immer ein Bankräuber sein mag, der sich den Weg zum Tresor freischießt, er will sich letztlich nur im Rahmen der bestehenden Ordnung bereichern; dieses System aber nicht umstürzen, im Gegenteil, er sucht in ihm auf seine – natürlich illegale – Weise zu profitieren. Der religiös fundamentalistisch geprägte Terrorist aber will uns, einer ganzen Gesellschaft mit Gewalt – notfalls unter Opfer seines eigenen Lebens – eine andere Kultur aufzwingen. Er verlangt, daß wir seine Wertvorstellung, seine Normen, seine Form der religiösen Bindung übernehmen.
Der Krieg der Kulturen hat begonnen. Wir werden ihn kaum verlieren (können); aber vermögen wir ihn zu gewinnen? Denn die bewährten alten Mittel der Abschreckung durch Drohung sind wirkungslos gegenüber Fanatikern, die sterben wollen.

Ein etwas ratloser Ziesemann
 
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AW: Terrorismus - die diffuse Bedrohung und dessen Konsequenzen

Ziesemann hat einen eigenen Thread eröffnet ("We´re on war"), aus dem ich seinen Eingangsbeitrag hier hereinkopiert habe, weil ich ihn nicht separiert vom "diffusen Terrorismus"-Thema betrachten möchte.
Na, nun haben wir den Salat. Jetzt steht mein Beitrag gleich dreimal im Denkforum. Soooooo gut ist er nun auch wieder nicht, daß ihm diese Ehre zuteil werden dürfte.


Vor allem der Punkt 8 erscheint mir erwähnenswert.

Krieg ist von uns "zivilisierten" Menschen definiert und geordnet worden, da weiß man, worauf man sich einlässt. Bestimmte Menschen (Soldaten) dürfen getötet werden, andere wieder (Zivilisten) nicht, in bestimmten Gegenden darf gekämpft werden, in anderen nicht. Da hat sich so etwas wie ein Spielfeld entwickelt, wo die Militärs, die sich auch offen dazu bekennen, austoben dürfen. Sie spielen zwar mit lebenden Figuren, die auch nicht so gern sterben wollen, aber schließlich wissen sie, dass sie als Soldaten dieses Risiko auf sich nehmen. (Mal abgesehen von Wehrpflichtigen, die leider gerade in einer Phase des Krieges ihren Wehrdienst leisten müssen, Pech gehabt.)
So weit, so geordnet.
Einiges hat Claus schon richtig gestellt. Die Einhegung des Krieges, erstmal kodifiziert mit der Genfer Konvention 1864, ausgelöst durch den Schweizer Dunant nach der Schlacht von Solferino 1859 über die Behandlung Gefangener und Verwundeter war ein Fortschritt. Bis dahin galten nur Gewohnheitsregeln, z.B. ein Parlamentär mit weißer Flagge darf nicht angegriffen werden.
Die Wehrpflicht ist ein legitimes Kind der Demokratie als Folge der frz. Revolution von 1789.
Die Terroristen kümmern sich einen Dreck um einen geordneten Krieg.
Eben - das ist der Unterschied!

Krieg, so wie Ziesemann oben in seinen aufgelisteten Punkten beschreibt, will die gewaltsam erzwungenen Zugeständnisse einer Gemeinschaft zur legitimen Konfliktlösung erheben. Terrorismus will sich das nicht einfach aufs Auge drücken lassen. Das ist mE der einzige Unterschied.
Oh, welch grandioses Mißverstehen! Welche gesellschaftlichen Zustände in demokratischen Staaten sind denn "erzwungen" worden?! Aber die Terroristen wollen diese gewählte Gesellschaft mit ihrer Art Krieg in eine andere verwandeln, eben nicht auf eine legitime Weise durch Wahl und Abstimmung.
Wenn man die Unterschiede so verwischt wie Lilith51, dann, aber nur dann freilich wird nicht mehr erkennbar, worin denn nun der fundamentale Unterschied liegt zwischen einem Staat wie Israel, der sich gegen eine tödliche Bedrohung wehrt und den palästinensischen Selbstmordattentätern.


Wer den Terror verdammt, der drückt damit seine Abscheu vor allen gewaltsamen Handlungen aus. Krieg ist nichts anderes als geordneter Terror. Das ist nur ein kleiner Definitionsunterschied, sonst nichts.
Dann waren also die anglo-amerikanischen Truppen, die Europa 1943/45 befreiten, nichts anderes als geordnet vorgehende Terroristen???

Ziesemanns Beispiel für den Unterschied zwischen einem Bankräuber und einem Terroristen bestätigt geradezu meine Sichtweise, denn durch den Terrorismus wird die wahre Absicht von Gewalt sichtbar gemacht.
Tut mir nochmals leid, Lilith51, aber Du hast den Unterschied schlicht nicht verstanden. ich wiederhole:
Der Bankräuber will sich innerhalb des Systems, das er als solches gänzlich unangetastet lassen will, auf illegale Weise bereichern; der Terrorist aber will das ganze System umstürzen. Wenn das kein Unterschied ist...!
Deine nachstehenden Ausführungen zeugen von dem gleichen Unverständnis über die Ausübung legitimer und legitimierter Gewalt und der Willkürgewalt. Ich bedaure, Lilith51, aber mehr kann ich dazu nicht sagen.
Ziesemann
 
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