AW: Nietzsche und die Einsamkeit
schwieriges zitat, aber ich hab's ja haben wollen
ich hoffe, du bist etwas nachsichtig, ich horche hinein & gebe als ersten einstieg nur wenig gefiltert weiter
hier also der beweis, dass Nietzsche sich in jedem beliebigen seiner texte beschwert :
124
[126] Im Horizont des Unendlichen. – Wir haben das Land verlassen und sind zu Schiff gegangen! Wir haben die Brücke hinter uns – mehr noch, wir haben das Land hinter uns abgebrochen!
stolz, selbstlob, hoffnung auf nutzen des getätigten (versteckte unsicherheit ?)
dabei ist das was geschehen ist aus eigenem willen, mit eigenem antrieb getan also wieso das ganze trara ("mehr noch") ?
Nun, Schifflein! Sieh dich vor!
bedauern, nachdem man herabwürdigt hat (verkleinerungsform von SCHIFF,
nicht liebevoll wie ein SCHIFFCHEN zB, sondern gar SCHIFFLEIN, wie ein SCHILFLEIN fast),
schwingt sich daraufhin auf zum warner, retter geradezu, erneut stolz drin
es ist eine beschwerde darin, dass man als schifflein unfähig ist mit den unbillen fertig zu werden, aber woher soll die versicherung kommen, dass man das recht überhaupt hat so fertig zu werden, wie man sich das denkt & wünscht ?
mir gefällt dieses anspruchsdenken nicht, es macht unzufrieden mit etwas, dessen hohes niveau man erst anerkennen müsste, dass man weiss von welchem niveau aus man sich aufmacht, was man alles hat, welches man von sich weist
klar, man hat gutes recht, von sich zu weisen, was einem beliebt, aber das nicht anerkennen dessen, dass man selber wählt unzufrieden zu sein, das ist was mir nicht gefällt
fortzuschreiten, ja, aber wissend, dass man selbst entscheidet & dass man selber drängt
ist Nietzsche schlicht nicht frei mit dem zu leben, was er hat & deshalb empfindet er sich als gedrängt ? vermutlich
Neben dir liegt der Ozean, es ist wahr, er brüllt nicht immer, und mitunter liegt er da wie Seide und Gold und Träumerei der Güte.
Aber es kommen Stunden, wo du erkennen wirst, daß er unendlich ist und daß es nichts Furchtbareres gibt als Unendlichkeit.
übertreibung
abgesehen davon : "nichts Furchtbareres" ist eine beschwerde gemischt mit stolz der selbst auferlegten aufgabe, es zu bezwingen
misstrauen ("es ist wahr, ... . Aber ...) nörgelei, unzufriedenheit
vermutung einer trügerischen vorgaukelung, die nur einlullen wird, um einen ins unglück zu locken
Oh des armen Vogels, der sich frei gefühlt hat und nun an die Wände dieses Käfigs stößt!
anspruch
feste vorstellungen & definierungen anhand der eigenen vorstellungen von freiheit, statt anhand einer analyse des vorhandenen & dessen anerkennung
die eigenen vorstellungen eines menschen, der mensch sollte lernen, dass er nicht das mass aller dinge ist für alle, sicher für sich selbst sollte er sogar mehr mass sein als er heute es ist, für andere menschen zuweilen, aber nicht für alles & jedes
bedauern immer noch
sich nicht entscheiden können, ob man vorwärts denn nun will, dann sollte man das ständige weleidige rückblicken lassen oder ob man sich mit dem dableiben zufrieden stellt, dann sollte man das geradezu kokette bedauern um verpasste aussichten aufgeben
selbst aufgestellte falle aus gier nach beidem (eat the cake & have it too)
Wehe, wenn das Land-Heimweh dich befällt, als ob dort mehr Freiheit gewesen wäre – und es gibt kein »Land« mehr!
bedauern
Nietzsche beschwert sich hier nicht nur, er jammert übertrieben statt sich zu freuen (sorry
)
könnte noch detaillierter schreiben, aber das hier schon sprengt ja den rahmen
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wie würde ich so etwas schreiben ? auf jeden fall vorausweisend & nicht ständig rückschauend :
Im Angesicht der Freiheit. - Wir haben den Heimathafen verlassen, das Abenteuer des Unbekannten voraus! Leinen los, grüsst uns die Daheimbleibenden - mehr noch, neidet uns nicht die Wunder, die auf uns warten! Lustig Schiffchen! Halt' uns die Treue!
Neben dir liegt der Ozean, gestrige Stürme legten sich, verzaubert bestaunen wir den ruhigen Liebreiz, wie Seide und Gold und Träumerei der Gunst. Es werden Stunden kommen, wo du erfahren wirst, dass er unendlich ist und dass es nichts Grösseres gibt als Unendlichkeit. Erstaunt der Vogel, der sich frei gewähnt hat im Bekannten und nun die echte Weite unter seinen weit entfalteten Flügeln spürt! Sehnt es dich nach der bisherigen Heimat? Deine Heimat liegt nun in den Himmeln neu gewonnener Freiheit!
zum vergleich das original :
Im Horizont des Unendlichen. – Wir haben das Land verlassen und sind zu Schiff gegangen! Wir haben die Brücke hinter uns – mehr noch, wir haben das Land hinter uns abgebrochen! Nun, Schifflein! Sieh dich vor! Neben dir liegt der Ozean, es ist wahr, er brüllt nicht immer, und mitunter liegt er da wie Seide und Gold und Träumerei der Güte. Aber es kommen Stunden, wo du erkennen wirst, daß er unendlich ist und daß es nichts Furchtbareres gibt als Unendlichkeit. Oh des armen Vogels, der sich frei gefühlt hat und nun an die Wände dieses Käfigs stößt! Wehe, wenn das Land-Heimweh dich befällt, als ob dort mehr Freiheit gewesen wäre – und es gibt kein »Land« mehr!
anhand der gegenüberstellung kann man, denke ich, erkennen den charakter der beiden texte & damit auch, was Nietzsche verpasst hier durch sein zögern & sein geplänkel
bitte nicht schlagen & möge mir Nietzsche meine dreistigkeit vergeben