Patrice schrieb:
Verschlechtern diese Umstände der Personen B - Z die Ideale und die Lehre der Person A?
Hallo Patrice
ich argumentiere ein wenig anders.
Denn ich gehe davon aus, dass wir die Ideale Jesu nicht kennen. Wir kennen nur eine Überlieferung. Die Evangelien wurde teilweise lange nach seinem Tod geschrieben. Eine Authentizität seiner Bergpredigt kann nicht nachgewiesen werden.
Ich behaupte sogar:
DIe Tatsache, dass man Jesus nicht kennt,
ist sogar Voraussetzung dafür, dass sich die Christenheit als monotheistische Religion etablieren konnte.
Denn nur das Unbekanntsein schafft den Platz für all die widersprüchlichen und verfälschten Interpretationen. UNd, als Gipfel der Paradoxie, schafft es auch die Leerstelle auf die man verweisen kann, wenn einem das alles zu widersprüchlich vorkommt. Man sagt: Wir wissen nicht, was genau Jesus meinte, aber wir wissen, dass es gut war.
Dabei wird dreist die Frage verdeckt: Aber woher wissen wir das...?
Jesus ist eine Konstruktion - und damit eine Projektionsfläche.
Es wurde gesagt, Jesus sei ein Pop-Star. Und wo früher das Kreuz hing, hängt jetzt Madonna oder Eminem.
Die Kirche profitierte gleichzeitig von der Überhöhung Jesu, wie von seiner eigentlichen Unbekanntheit.
Denn würden wir wissen, was Jesus gesagt hat, wäre er nicht mehr als irgendein Philosoph von nebenan oder höchstens ein Lehrstuhlinhaber an der Fakultät...
Mal eine ganz andere Frage: Woher leitest du deine moralischen Vorstellungen ab? Aus dem kategorischen Imperativ?
Mir ist vor allem wichtig, dass Moral als gesellschaftliche Konstruktion zu begreifen ist. Allerdings braucht Moral die Kirche nicht. Jeder Erstsemesterphilosophiestudent könnte aus den Notwendigkeiten eines reibungsarmen Zusammenlebens ein einfaches, stabiles Ethikkonzept zusammenbauen - aber hätte er auch die Ausstrahlung Jesu?
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Etwas flexibler als Kants Konzept könnte eine moderne Moral aber schon sein. Und vor allem, um einen Gedanken von Niklas Luhmann wiederholt zu zitieren: Eine heutige Ethik müsste auch entscheiden, wo Moral überhaupt sinnvoll angewendet werden kann und wo nicht...
Wer gibt den Anhängern der Religionen Halt und Orientierung, wenn Gott widerlegt würde? Immerwieder heißt es: Gott ist tot! Aber schau diese Welt an: Menschen die keinen Respekt voreinander haben, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Warum? Weil Ideale wie Würde und Liebe, die die Religion, wenn auch oftmals erfolglos, einigen Menschen beizubringen versuch hat, seit 'dem Tod Gottes' nichts mehr Wert sind. Die Menschlichkeit stirbt. Was können wir dagegen tun?
Es ist doch evident, dass es in Zeiten, wo die Religion dominierte, nicht besser war. Aus, Punkt und Schluss!
Ich bin weniger pessimistisch. Die Menschlichkeit hat große Fortschritte gemacht. Die Medienwelt lenkt unsere Aufmerksamkeit überproportional auf Katastrophen und Missstände, aber man kann darüber hinaus schauen.
Wir haben sehr konkrete Probleme, die Überbevölkerung und Verlust der Arbeit betreffen. Einen Verlust der Menschlichkeit sehe ich einfach nicht.
Man kann es auch als Problem sehen, dass der Mensch
Probleme braucht...
Louiz hat dazu einige Gedanken geäußert:
https://www.denkforum.at/threads/3481
Patrice
Ich habe schon überlegt, ob ich mich in diesen Thread einklinke. Vor allem, weil es zum Begriff "Mensch" historisch einiges zu sagen gibt, auch zu den gegensätzen Mensch/Natur, Mensch/Technik, Mensch/Barbar...
Aber man kann nicht zu allem was schreiben. Allerdings empfehel ich zu diesem Thema NIklas Luhmann: Gesellschaftsstrutkur und Semantik, Bd. 4
Gruß