Robin schrieb:
Das glaube sogar ich nicht.
Ja, der Glaube. Ein Thema das sehr beliebt zu sein scheint in diesem Forum.
In der deutschen Romantik war die Wortverbindung von ernstem Scherz und scherzhaftem Ernst gerne getan. Die Rhetorik treibt eben manchmal seltsame Blüten... Aber auch du hast Recht; das Thema ist ernst
, doch lässt es verschiedene Behandlungsweisen zu.
Robin schrieb:
Ich gebe zu, dass es in Zeiten, wo Leuten hinter rätselhaften Pseudonymen (
) komische Dingen betreiben können, einiges möglich ist.
Das darf man nie vergessen. Auch würde ich die These radikalisieren und die Welt überhaupt zur Bühne machen. Wer spielt welche Rolle (- schöne, doppeldeutige Wortverbindung im Deutschen)? Auch die Welt des Alltags würde ich zum Forum machen (abgesehen davon, dass das Forum zur Alltagswelt gehört).
Robin schrieb:
Dei Beiden glauben diese schlechten Vorrausetzungen dadurch überwinden zu können, indem sie sich einer vermeintlich überlegenen Kulturtechnik bedienen, nämlich einer scheinbar klar definierten, verkürzenden Philosophen-Semantik.
Nein, das glaube ich nicht. Aber ich würde bezweifeln, dass es schlechtere Voraussetzungen sind, als anderswo. Da ich viel mit der Interpretation (und also Übersetzung) von Texten zu tun habe, möchte ich meinen Vorbehalt gegenüber scheinbar biographischen Fakten, die authentischer sein sollen als der zu behandelnde Text, der vor einem liegt, anmelden. Manchmal bereiten diese ('Fakten) eher den Weg zu einer vereinfachten "Schematisierung", der dann sämtliche Wendungen des Textes zum Opfer zu fallen drohen. Ich denke nicht, dass schlechte Voraussetzungen herrschen, es sei denn, man möchte die Voraussetzungen von Kommunikation überhaupt mit dem Prädikat "schlecht" versehen. Wie ich im Form-Inhalts-Thread bereits sagte, ist für mich jeder Text grundsätzlich übersetzbar - doch ist die Übersetzung die Zerstörung des 'Originals' (des reinen und unbefleckten, statischen Ursprungs). Ausserdem möchte ich noch betonen, dass "meine Sprachphilosophie" (eine Übersetzung, kein Original) viel Walter Benjamin verdankt. Wenn also schon Derrida zu Ehren kommen soll, dann viel mehr noch Benjamin. Und natürlich den Romantikern, Hegel natürlich auch, Nietzsche sowieso, Heidegger auch ein wenig - vielleicht sogar noch Kant. Dann Carol Jacobs, Werner Hamacher, Thomas Schestag und Paul de Man. Judith Butler und Michel Foucault sollte man nicht vergessen etc., etc. Was auch immer ich in meinem Leben angelesen habe (egal, ob 'verstanden' oder nicht), müsste in diese Liste aufgenommen werden; ändert es etwas am vorliegenden Text?
Robin schrieb:
Im Übrigen versucht Jacques Kai einfach zu verklickern, dass seine Ambitionen auf normativen Setzungen beruhen, die sich von keinem objektien Standpunkt (Vernunft oder Ursprungsmythos oder was auch immer) standhaft ableiten ließen, dass seine Gegenüberstellungen Natur/Technik Moderne/Askese usw. angreifbar sind und somit auch niemand davon auf Dauer überzeugt werden kann. Ohne Gewähr
Bei mir geht es weniger um Intentionen, jedoch bestimmt ums Überzeugen. Die Frage ist, ob der Text in seiner Argumentation überzeugt (er zeugt bestimmt, doch ist mir nicht immer klar, was erzeugt wird). Es ist übrigens nicht einfach so, dass die aufgestellten Oppositionen angreifbar sind, viel mehr stellen sie Reproduktionen ältester philosophischer Vorurteile dar, die zur Installation einer Hierarchie verwendet wurden und werden. Ich brauche die Oppositionen nicht anzugreifen, da die Argumentation des Textes sich selbst in logisch-formalen Paradoxien verliert. Solange dies der Fall ist, sind alle Bemühungen, Reinheiten zu erzeugen (Askese, Natur etc.), und v.a. festzuhalten, hinfällig und eine reine Frage der Macht. Deswegen sehe ich auch nicht ein, dass Hierarchien aufgelöst worden sein sollen (auch der Verweis auf das Märchen vom Matriarchat - der heimliche Wunsch eines jeden Infans, der so den Phallus sich aneignen möchte, um, weiter in der Sprache der Psychoanalyse, den Vater zu kastrieren - ist mit 'Gewissheit' kein Beweis für die Auflösung von Hierarchie). Deswegen habe ich auch geschrieben, ein Begriff wie Eudämonie (Moderne, Mensch, Vernunft, Askese lassen sich hinzunehmen) sei (gewaltsames) Mittel zur Erreichung ungerechter Zwecke. Solange die 'Reinheit' des Naturbegriffs nicht erwiesen ist, lässt sich kein gerechter Zweck aus irgendeiner 'Natur' ableiten. Deswegen lässt sich vorerst über den Weg positiver Erkenntnis nur über die Berechtigung der Mittel entscheiden. Da dieses Mittel aber gewaltsam wie jedes andere ist und auf einer Interpretation beruht, die den Anspruch auf 'Reinheit' und 'Gewissheit' ebenfalls nicht erheben kann (siehe meine Ausführungen in den obigen Posts), ist es nichts anderes als ein ernster Scherz, wenn jemand meint, er könne über das Glück anderer bestimmen (oder: das Glück anderer bestimmen).
Die Ableitung von reinen und allgemeinen Gesetzen aus einer vermittelten und versitteten 'Natur' verwirft sich ja selbst.
Vielleicht noch ein Gedicht von Friedrich Schlegel, zur Aufheiterung (ironisch?):
Gern flieht der Geist vom kleinlichen Gewühle
Der Welt, wo Albernheiten ernsthaft thronen,
Auf zu des Scherzes heitern Regionen,
Verhüllt in sich die heiligsten Gefühle:
Umweht ihn einmal Äther leicht und kühle,
So kann er nimmer wieder unten wohnen;
Und schnell wird jenen Scherz der Ernst belohnen,
Dass er sich neu im eignen Bilde fühle.
Die Wünsche die dich hin zur Dichtung ziehen,
Der frohe Ernst in den du da versankest,
Das sei dein eigen still verborgenes Leben;
Was du gedichtet, um ihr zu entfliehen,
Das musst du, weil du ihr allein es dankest,
Der Welt zum Scheine scherzend wiedergeben.