Ja vielleicht, aber wie argumentiert Heidegger für die These, in jedem Philosophen stecke ein Sophist?
Ich glaube das ist noch mal die entscheidende Stelle aus dem Heidegger-Zitat:
" (...) sondern
weil die
Philosophie wesentlich eine
menschliche, d.h. endliche Möglichkeit ist,
deshalb steckt in jedem Philosophen ein
Sophist".
Wenn man so will eine recht "kurze" Argumentation von Heidegger. Ich glaube ich müsste mir nochmal die ganze betreffende Stelle anschauen, denn aus dem Stegreif kann ich diese Frage auch nicht ganz beantworten. In dem Zitat heißt es ja, dass allein weil die Philosophie eine endliche menschliche Möglichkeit ist, schon allein deshalb der Philosoph zugleich auch ein Sophist ist.
Aber ich vermute mal, dass Heidegger hier noch länger argumentiert und ich daher mal schauen sollte, was er dort im Gesamtzusammenhang sagt.
Ich stimme der These Heideggers zu und begründe das wie folgt:
Philosophen dürfen schwätzend Bezug nehmen auf Bezugnahmen auf Sachverhalte, wiederum auch darauf Bezug nehmen, nämlich auf Bezugnahmen auf Bezugnahmen auf Bezugnahmen auf Sachverhalte und auch auf solcherlei Bezugnahmen wiederum Bezug nehmen usw., was die Philosophen aber nicht dürfen, darin unterscheiden sie sich nämlich von den anderen Schwätzern, sie dürfen sich bei allem Geschwätz nicht widersprechen oder müssen es redegewand so verpacken, daß es unbemerkt bleibt und wenn auch das nicht weiterhilft, dann verwenden sie ein Rezept, welches schon die Vorsokratiker, wie auch die steinzeitlichen Priester kannten, indem man bekannte Wörter für eine völlig neue Wortverwendung umbenennt, zum Beispiel per Substantivierung oder einfach den Vokal austauscht. So wird aus dem bekannten 'Wurf' zum Beispiel ein 'Worf' und der Gegenworf ist dann eben nicht mehr einfach ein Gegenentwurf, er ist anders und auch, als man denkt. Noch viel bekannter ist die Verwendung von »Gott«, welches sich aus dem Wort für für einen angerufenen Geist entwickelte, einer animistischen Tradition, die ja auch heute noch vielerorts gepflegt wird.
Beleg:
»Allgemein führt man germ.
*guða- auf ein mit
-to- gebildetes Part. Perf. ie.
*g̑hū̌to- ‘angerufen’, zur Wurzel ie.
*g̑hau-,
*g̑hau̯ə- ‘rufen, anrufen’, zurück, so daß die substantivierte Form ie.
*g̑hū̌tom als ‘das (durch Zauberwort) angerufene oder berufene Wesen’ zu deuten wäre: [...]« (
http://www.dwds.de/?qu=Gott)
Nun das ist aber wirklich
sehr frei Heidegger interpretiert. Ich bin aber nicht sicher , ob er damit in der Art konform gehen würde hinsichtlich dieser "unendlichen Rekursion" (Bezugnahme auf Bezugnahme usw.). Für Philosophen ist es ja typisch, dass sie
neue Begriffe schaffen, die oft der Alltagssprache entlehnt sind, aber dann in deren Terminologie oft eine
neue Bedeutung bekommen. Und das beginnt schon bei den griechischen Philosophen, von den Vorsokratiker über Platon zu Aristoteles und Co. Gerade letztere haben oft eine recht eigenwillige Begrifflichkeit.
Zum
Begriff des Geschwätz heißt es ja bei wikipedia:
"
Schwätzen, auch
Schwatzen heißt im
Deutschen allgemein, sich in entspanntem Umfeld zu unterhalten, oder ein
Gespräch ohne besondere Tiefgründigkeit zu führen. Das Substantiv
Geschwätz ist aber
deutlich negativ besetzt, und meint
dumm daherreden, synonym steht
Gebrabbel.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwätzen
Und dazu habe ich noch sogar ein philosophischen Text gefunden bei dem antiken Philosophen Plutarch:
"Zu den rhetorischen Schriften zählt vor allem das Werk
Über die Geschwätzigkeit. ."
Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Plutarch
https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/4/Texte/50/Essays/36424/Plutarch-ueber-die-Geschwaetzigkeit/
Ein eigener Text über die (antike) Geschwätzigkeit . Dort heißt es (Plutarch 2012, S.848)
"1.
Eine harte und schwere Kur übernimmt die Philosophie an der Geschwätzigkeit; denn die
Belehrung , ihr einziges Mittel, lässt sich nur bei solchen anwenden, die hören,
während Schwätzer niemanden anhören und in einem fort reden. Dieses Unvermögen, andere anzuhören, ist das erste
Übel bei der
Geschwätzigkeit, es ist eine selbst gewählte Taubheit, wobei die Menschen, möchte ich glauben, die Natur tadeln, dass sie ihnen nur eine Zunge, aber zwei Ohren gegeben (hat). Wenn daher Euripides ganz richtig zu einem unverständigen Zuhörer gesagt hat:
< Nicht könnt ich füllen dich, da du Nichts fassen kannst, umsonst aufgießend weise Rede Thörichtem>
so könnte man wohl mit mehr Recht zu einem
Schwätzer oder viel mehr über einen Schwätzer sagen:
< Nicht könnt ich füllen dich, du du Nichts von mir nimmst; umsonst aufgießend weise Rede Thörichtem>
oder vielmehr begießend mit Belehrungen einen Menschen, der schwatzt , wenn andere ihn nicht hören und selbst nicht hört, wenn andere reden, denn hört er nur ganz weniges , so gibt die Geschwätzigkeit, wie wenn sie eben Ebbe gehabt, dies mit der Flut alsbald in reichlichem Maße zurück,
(...) 2.Indessen , um Nichts unversucht zu lassen, kann man zum Schwätzer sagen:
<So schweig, o Sohn; denn vieles Glück das Schweigen bringt."
hauptsächlich und vor allem das, das man hört und gehört wird, keines von beiden aber kann dem Schwätzer je zum teil werden; er muss selbst traurig auf, wonach er strebt, verzichten."
Nun im Zitat wird eins vor allem deutlich: dass die Geschwätzigkeit für die (antike) Philosophie ein Problem ist und man diese mit philosophischen Mitteln "kurieren" muss. Der Philosoph kann aber selbst folglich kein Schwätzer sein, wenn er gegen die Geschwätzigkeit philosophisch vorgehen möchte. Es ist somit eine Aufgabe der Philosophie die Geschwätzigkeit zu beseitigen aus Sicht dieses antiken Denkers. Insofern dürften die Philosophen eigentlich nicht selbst Schwätzer sein. Gutes Argument oder? Finde ich jedenfalls überzeugend. Folglich können Philosophen keine Schwätzer sein, denn: "
Eine harte und schwere Kur übernimmt die Philosophie an der Geschwätzigkeit".
Aber um die Geschwätzigkeit von anderen "kurieren" zu können, dürfen die Philosophen (und die Philosophie) nicht selbst geschwätzig sein. So jedenfalls bei dem Philosophen Plutarch.
Bei Heidegger darauf sei hier noch hingewiesen, gibt es den Begriff des "Geredes" (siehe Paragraf 35 von Sein und Zeit, S.167ff).
Dort heißt es:
"Der Ausdruck <Gerde> soll hier nicht in einer herabziehenden Bedeutung gebraucht werden. Er bedeutet terminologisch ein positives Phänomen, das die Seinsart des Verstehens und Auslegens des alltäglichen Daseins konstituiert. Die Rede spricht sich aus zumeist aus und hat sich schon immer ausgesprochen. Sie ist Sprache.
(...) Und weil das Reden den primären Seinsbezug zum beredeten Seienden verloren bzw. nie gewonnen hat, teilt es sich nicht mit in der Weise der ursprünglichen Zueignung dieses Seienden, sondern auf dem Wege des Weiter- und Nachredens. Das Geredete als solches zieht weitere Kreise und übernimmt autoritativen Charakter . Die Sache ist so, weil man es sagt. In solchem Nach- und Weiterreden , dadurch sich das schon anfängliche Fehlen der Bodenständigkeit zur völligen Bodenlosigkeit steigert, konstituiert sich das Gerede. (...) Die Bodenlosigkeit des Geredes versperrt ihm nicht den Eingang in die Öffentlichkeit, sondern begünstigt ihn. Das Gerede ist die Möglichkeit alles zu verstehen ohne vorgängige Zueignung der Sache. Das Gerede behütet schon vor der Gefahr, bei einer solchen Zueignung zu scheitern. Das Gerede, das jeder aufraffen kann, entbindet nicht nur von der Aufgabe echtens Verstehens, sondern bildet eine indifferente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen ist. (...) Das Gerede , das in der gekennzeichneten Weise verschließt, ist die Seinsart des entwurzelten Daseinsverständnisses."
Auch Heidegger hat auf seine Art über "Geschwätz" nachgedacht, nur nennt er das eher dann "Gerede" und hat dann meist auch eine negative Bedeutung.
Alles fließt (πάντα ῥεῖ), »ist ein auf den griechischen Philosophen
Heraklit zurückgeführter, von
Platon (im Dialog „
Kratylos“) nahegelegter, wörtlich jedoch erstmals bei dem spätantiken
Neuplatoniker Simplikios erscheinender
Aphorismus zur Kennzeichnung der heraklitischen Lehre.« (
https://de.wikipedia.org/wiki/Panta_rhei)
Wie man sich leicht überlegen kann, ein völlig unbegründetes Geschwätz, aber so sind die Sophisten nun einmal, sobald sie sich als Freunde zur Weisheit, was ja auch ein quasireligiöses Bekenntnis ist, darzustellen pflegen.
Dieser Satz geht auf Heraklit zurück, der ja bekanntlich Vorsokratiker war. Aber warum unbegründet? Die Erde dreht sich unentweg, die Zeit fließt dahin, alles ist in Bewegung..Folglich kann man das, was Heraklit sagte, auch in der wirklichen Welt so sehen. Alles fließt heißt dann auch alles ist in Bewegung , nichts bleibt still. Vor allem die Zeit fließt dahin, wie es im Volksmund heißt..Also für mich hat der Philosoph und Vorsokratiker Heraklit durchaus den Nagel auf den Kopf getroffen (und nicht umgekehrt).
Das ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Von Ihren philosophischen Meistern können Sie lernen, wie man neue Worte für einen gänzlich neuen Wortgebrauch intelligent designt und dem staunenden Publikum zur kreativen Sprachverwendung überläßt.
Philosophen , wie ich schon sagte, haben eben die Neigung neue Begriffe zu erfinden, was auch oft ziemlich fruchtbar ist und auch Sinn macht. Ich möchte die Begrifflichkeit eines Nietzsche oder Hegel oder Heidegger usw, nicht unbedingt missen möchten. Und natürlich bin ich nicht allwissend, was auch normal ist für Philo- sophen (also diejenigen , die nach Wissen streben , aber noch all-wissend sind).
Zweifelsohne, aber bislang sehen das nur Sie und das ist zu wenig. Das sehen Sie doch ein, nicht wahr?
Nö, ich bin ja nicht der einzige der das so sieht. Und ich hatte ja auf einen Beitrag eines Users hingewiesen, der mir schon eine (philosophische) Argumentation zubilligte. Das war der User Alternativator , auch wenn diese für ihn nicht überzeugend war. Aber das hatte ich Ihnen ja schon mal gesagt, Warum sollte ich was einsehen sollen, was der Sache nicht stimmt? Das wäre ja unsinnig. Zudem verweise ich gern darauf immer wieder , dass man Argumente in meinen Beiträgen finden kann. Eigentlich brauche ich diese Position nicht immer zu wiederholen.
Natürlich und selbstverständlich, aber wenns denn eine richtige Diskussion werden soll, dann müßten Sie das auch aufzeigend begründen, wie der zitierte Satz auch anders verstanden werden kann und das gehört eben zweifelsfrei zum Talent der Redekünstler, nicht wahr?
Nun in dem Satz ist ja vom "
ich" die Rede:
"Darauf Bezug nehmend habe ich
mir erlaubt zu sagen, daß man dann leider auch nicht sicher behaupten kann, Platon hätte diese Auffassung vertreten, wohl aber sagen, obwohl
ich nicht die geringste Ahnung von Platons Philosophie habe, denke
ich mir, ihn gemäß meiner Meinung interpretieren zu dürfen, weil ich das irgendwo so oder so ähnlich gelesen habe und ich ja auch etwas zu sagen haben will."
Dieses "
ich" kann man so verstehen, dass Sie hierbei
von sich selbst sprechen. Durchaus naheliegend, nicht wahr? Nun dazu braucht man kein großer/guter Redekünstler sein, um dieses aufzuzeigen. Das reicht schon im Grunde der Hinweis auf dieses irreführende "ich" aus Ihrem Zitat. Ein Redner sollte den anderen argumentativ-sachlich widerlegen können , was ich im Grunde hier auch mit Ihren Beiträgen.
Nein, das liegt mir völlig fern. Ich kenne Sie nicht und lese hier nur Ihre Zuschriften und nur darauf gehe ich ein.
Gut dann wäre dieser Punkt geklärt.
Naja ich würde nicht unbedingt sagen, dass ich Platon hier als unanfechtbare Autorität darstelle. Er ist ein großer Philosoph, aber auch natürlich kritisierbar in einigen Aspekten. Dennoch halte ich ihn für lesbar. Also nicht wirklich ein "Autoritätsargument", was ja eher dogmatisch wäre.
So wie Hegel es vorführte? Aber welchen Nutzen hätte er davon, wenn doch letztlich alle Bemühungen in die Aporie führen? Wo ist der Unterschied zu sinnlosem Geschwätz?
Die hegelsche Dialektik ist nicht dieselbe wie die Platons. Da gibt es Unterschiede. Und die Dialektik wie sie Platon vorschwebte hatte nicht den Zweck (immer) in die Aporie zu führen, sondern die Seelen auf den richtigen Weg zu leiten (siehe Phaidros), nämlich zum Guten hin. Und sowas macht nicht "sinnloses Geschwätz". Philosophie - hier in ihrer dialektischen Form bei Platon- sollte nicht mit dieser verwechselt werden. Denn Philosophie "
kuriert"
Geschwätzigkeit , kann folglich
also nicht selbst welche sein (siehe oben, was ich aus Plutarch aufgeführt habe). Sehen Sie den
Unterschied (zwischen den Philosophen und den wirklichen Schwätzern)? Und ist das nicht ein gutes Argument (gegen die Auffassung, dass Philosophen Schwätzer seien), wenn man das so sieht?
PS: Die
Geschwätzigkeit als "Übel" , darüber hatten wir übrigens noch nicht diskutiert oder?